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HAUS DER TECHNIK
                                                                         INSTITUT
                                                                         FÜR MOBILE SYSTEME



            Außeninstitut der RWTH Aachen
            Kooperationspartner der Universitäten Duisburg-Essen
            Münster - Bonn - Braunschweig




                              7. Tagung

                              Diesel- und
                              Benzindirekteinspritzung
                              1. und 2. Dezember 2010




                              Unter der wissenschaftlichen Leitung von
                              Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke
                              Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg




                                                 Veranstaltungsort
                                                 Berlin
                                                 Hotel Sol Meliá
                                                 Friedrichstraße 103




www.hdt-automotive.de
                                                                                 FB030/24610N
Tschöke, Helmut
Diesel- und Benzindirekteinspritzung, VI:
Einspritzqualität – Gemischbildung – Simulation – Applikation – Messtechnik
Unt. Mitarb. v. 104 Ko-Aut. 2011, 377 S., 328 Abb., 20 Tab. (HdT, 116) Kt.
69,00 €, 114,00 CHF
ISBN-13: 978-3-8169-3052-5
www.uni-magdeburg.de/ims/km
http://www.hdt-essen.de/
Autoren:

Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Große-Löscher, MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg
Dr.-Ing. Heiner Haberland, Volkswagen AG, Wolfsburg

Hendrik Große-Löscher ist Entwicklungsingenieur im Bereich Einspritzsysteme und
befasst sich neben der Optimierung von Bauteilen, Verfahren und Prozessen mittels
Partikelschwarmoptimierung mit neuronalen Netzen, DoE sowie 1D-Hydraulik- und
Pneumatiksimulation.

Heiner Haberland war Entwicklungsingenieur im Bereich Einspritzsysteme der MAN
Diesel SE und befasste sich neben der 1D-Hydrauliksimulation mit DoE und Bauteil-,
Prozess- und Verfahrensoptimierung. Seit kurzem ist er im Bereich
Methodenentwicklung bei der Volkswagen AG tätig.
Entwicklung von optimalen Nockenkonturen

Hendrik Große-Löscher
Heiner Haberland




Abstract
A closed-loop method for the development of an optimal shape of an injection cam
for a common rail injection system of a large-bore Diesel engine is presented. Due to
the demanded fuel flow rate of the engine, a three-loop cam is necessary. The op-
timal shape of the cam results of a multitude of criteria, constraints and optimization
aims. A stepwise resolution of 0.5° rotation angle of the cam shape is required due to
manufacturing demands. One single cam shape consists of 120° rotation angles.
Thus, the calculation of the optimal cam shape comprises 241 nodes. The method
described aims to develop an optimal cam shape depending on all criteria and con-
straints. Due to the huge number of constraints as well as the complex calculations,
the application of a particle swarm optimization (PSO) algorithm is proposed. An op-
timal cam shape complies to all demands required at each single node. Therefore, a
loose lifting curve without any additional conditions applying, such as e.g. linear ve-
locity profiles, is created. Following this procedure, all potentials are best exploited.
Each node of the cam shape is basically independent of all other nodes within the
chosen demands and constraints. The nodes are thus treated as independent para-
meters. The procedure described generates optimal cam shapes.



Kurzfassung

Es wird ein geschlossenes Verfahren zur Entwicklung einer optimalen Kontur einer
Einspritznocke für ein Common-Rail-Einspritzsystem für Großdieselmotoren vorge-
stellt. Aufgrund des Fördermengenbedarfs des Motors ist ein Dreifachnocken erfor-
derlich. Die optimale Kontur des Nockens ergibt sich aus einer Vielzahl von Kriterien,
Randbedingungen und Optimierungszielen. Für die Fertigung wird eine Auflösung
von 0,5° Nockendrehwinkel gefordert. Eine Nockenkontur überstreicht 120° Nocken-
drehwinkel. Somit ergeben sich für die Berechnung der Kontur 241 Stützstellen. Das
Ziel ist die Entwicklung einer optimalen Kontur des Nockens, abhängig von allen Kri-
terien und Beschränkungen. Aufgrund der Vielzahl dieser Randbedingungen und des
komplexen Berechnungsgangs bietet sich die Verwendung eines Algorithmus der
Partikelschwarmoptimierung (PSO) an. Eine optimale Nockenkontur erfüllt die Anfor-
derungen an jeder einzelnen Stützstelle. Es wird daher eine freie Hubkurve ohne zu-
sätzliche Bedingungen (z.B. lineare Geschwindigkeitsverläufe) erstellt. So werden
die Potentiale maximal ausgeschöpft. Jede Stützstelle der Nockenkontur ist damit
grundsätzlich innerhalb der gewählten Anforderungen und Beschränkungen unab-
hängig von allen anderen. Sie werden somit als unabhängige Parameter verwendet.
Das vorgestellte Verfahren liefert optimale Nockenkonturen.


                                           129
1.   Einleitung

Nocken sind die mechanischen Steuerorgane des Verbrennungsmotors. Sie bestim-
men den Zeitpunkt und die Charakteristik des Öffnens und Schließens der Gaswech-
selventile sowie ebenso den Zeitpunkt und die Charakteristik der Förderung der Ein-
spritzpumpen.
In einem konventionellen Einspritzsystem steuert der Nockenhubverlauf direkt den
Einspritzverlauf und bestimmt damit den Verbrennungsablauf mit allen Auswirkungen
auf die Motorbetriebswerte und Emissionen. Die Nockenkontur wird dabei entspre-
chend den Anforderungen der Motorthermodynamik gestaltet.
Im Common-Rail-Einspritzsystem dienen die Einspritz-/Hochdruckpumpen aus-
schließlich der Förderung des Kraftstoffs und der Druckerzeugung. Die Förderung ist
von der Einspritzung zeitlich entkoppelt. Damit besteht für die Auslegung der Ein-
spritznocken zusätzlich die Randbedingung, dass pro Pumpenkolben ein möglichst
hoher Förderstrom (Leistungsdichte → Pumpenanzahl) erzeugt werden muss. Beim
Common-Rail-System der MAN Diesel & Turbo SE wird dem Rechnung getragen,
indem für jede Einzel-Hochdruckpumpe ein Dreifachnocken verwendet wird, welcher
pro Nockenwellenumdrehung drei Förderhübe ausführt. Generell gilt im Großmoto-
renbau die Forderung nach einer sehr langen Betriebsdauer, die im Fall der Nocken
gleich der Motorlebensdauer ist und durchaus einige Jahrzehnte mit hohem Lastprofil
betragen kann. Die Auslegung der Nockenkontur unterliegt mit diesen Maßgaben in
besonderer Weise Kriterien wie beispielsweise der maximalen Flächenpressung, der
Abhebe-Grenzdrehzahl, der maximalen Beschleunigung und der maximalen Quer-
kraft.
Bisherige Auslegungsverfahren für CR-Einspritznocken benötigen eine Einteilung der
Nockenkontur in verschiedene Abschnitte und die Vorgabe verschiedener Ge-
schwindigkeiten und/oder Beschleunigungen für diese Abschnitte. So sind harmoni-
sche Nocken mit einem einzigen Sinus-Geschwindigkeitsprofil aber auch Nocken mit
mehreren Abschnitten unterschiedlicher aber konstanter Beschleunigungen und
Kombinationen daraus bekannt. Für Motoren mit immer gleicher Drehrichtung sind
auch asymmetrische Nockenformen möglich. Der Nachteil der Vorgabe eines Profils
ist, dass nicht in jedem Punkt die durch die Randbedingungen gegebenen Möglich-
keiten ausgeschöpft werden können.
Die Anzahl der Anforderungen und Randbedingungen an die Nockengestaltung stellt
ein multikriterielles Problem dar. Da diese durch viele gestalterische Parameter be-
stimmt werden, ist die Nockenauslegung hochdimensional. Damit sind Optimierungs-
verfahren zur Suche eines optimalen Nockens zielführend.
Die für die Nockenberechnung verwendeten Gleichungen und vor allem deren Be-
grenzungen sind im Zusammenhang sehr komplex und oftmals unstetig. Sie entzie-
hen sich daher weitgehend der Lösung durch klassische Optimierer (z.B. nach dem
Gradientenverfahren). Daher wird in diesem Beitrag ein stochastisches, naturanalo-
ges Partikelschwarm-Optimierungsverfahren (PSO) zur Auslegung von Nockenkontu-
ren vorgeschlagen. Am Beispiel eines Nockens für das Common-Rail-
Einspritzsystem eines mittelschnelllaufenden Großdieselmotors wird der Berech-
nungsgang, das PSO-Optimierungsverfahren und die Generierung einer optimalen
Nockenkontur erläutert.




                                        130
2.   Nockenberechnung
Der Ansatz einer freien Optimierung der Nockenkontur ohne Vorgaben von Ge-
schwindigkeitsprofilen erfordert die Definition von Stützstellen in der Nockenkontur.
Dafür kann zweckmäßigerweise die für die Nockenfertigung vorgegebene Auflösung
der Fräskontur herangezogen werden. Bei der MAN Diesel & Turbo SE werden No-
cken mit einer Winkelauflösung von 0.5° gefertigt. Bei der Wahl des bewährten Drei-
fachnockens und Annahme einer asymmetrischen Nockenkontur bzgl. einer Nocken-
erhebung müssen nur 120° betrachtet werden. Damit wird die Nockenkontur in 241
Stützstellen diskretisiert.




Bild 1: Nockenkontur eines optimalen Dreifach-Pumpennockens

Jede dieser Stützstellen (Nockenerhebung = f(Drehwinkel)) ist ein geometrischer Pa-
rameter des Nockens. Für die Optimierung stellt die diskretisierte Nockenkontur da-
mit einen 241-dimensionalen Zusammenhang dar. Die Nockenerhebungen in den
Stützstellen erhalten ihren Zusammenhang ausschließlich durch die physikalischen
Abhängigkeiten (wie z.B. Geschwindigkeit und Beschleunigung). Sie können damit
innerhalb der technischen Grenzen freie Werte annehmen. Durch das Optimierungs-
verfahren wird so der entsprechend der festzulegenden Optimierungsziele optimale
Nocken generiert.
Die geometrischen Gegebenheiten während des Abrollens und die physikalischen
Vorgänge müssen geschlossen berechnet werden. Dafür gelten die geometrischen
Zusammenhänge nach Bild 2.




                                         131
Bild 2: Geometrie der Nocken-Rolle-Bewegung mit Desachsierung

Der Berechnungsgang ist so ausgelegt, dass der Stößelhub h zunächst in Abhängig-
keit vom Nockendrehwinkel Φ in den Optimierungsalgorithmus integriert wird. Die
tatsächliche Nockenkonturkurve hN=f(Φ+Ψ) wird jeweils nachträglich berechnet.
Zur Reduktion des Antriebsmoments wird eine desachsierte Anordnung des Stößels
(e) über dem Nockenmittelpunkt vorgesehen. Die Geschwindigkeiten des Stößels v
werden jeweils numerisch als Hubanstieg des Stößels der vorangegangenen Stütz-
stelle (i-1) berechnet. Die Beschleunigungen a werden als Geschwindigkeitsanstieg
zur nachfolgenden Stützstelle (i+1) interpretiert.



                                       132
Damit ergibt sich die Beschleunigung an der aktuellen Stützstelle i jeweils aus den
Hüben der Nachbar-Stützstellen. Unter Berücksichtigung der Desachsierung e kann
analytisch der Vorlaufwinkel α berechnet werden. Die kinematischen Zusammen-
hänge werden nach folgenden Gleichungen berechnet.

Stößelhub=f(Nockendrehwinkel); hi=f(φi)
Nockenerhebung=f(Nockendrehwinkel+Vorlaufdrehwinkel); hNi=f(φi+ψi)
mit i=1..241; ∆φ=φi-φi-1=0.5°

                                                                               (1)

                                                                               (2)

                                                                               (3)

                                                                               (4)


                                                                               (5)


                                                                               (6)


                                                                               (7)

                                                                               (8)

                                                                               (9)

                                                                               (10)


Zur Bestimmung der Flächenpressung wird der lokale Krümmungsradius RP benö-
tigt. Da kein stetiger Konturverlauf für den Berechnungsalgorithmus vorliegt, wurde
ein numerisches Berechnungsverfahren entwickelt. Den Ansatz zeigt Bild 2. Darin
werden drei benachbarte Konturpunkte durch zwei Geraden (G1 und G2) verbunden.
Der Abstand des Schnittpunktes beider Geradennormalen zum mittleren Konturpunkt
bildet den lokalen Krümmungsradius dieses Punktes.
Die Beanspruchung des Nockens, welche minimiert werden soll, wird durch die Dy-
namik der kombinierten Hub- und Abrollbewegung der Stößelrolle auf der Nocken-
kontur bestimmt. Dafür sind folgende Berechnungsschritte notwendig.




                                          133
Bild 3: Berechnungsansatz für den lokalen Krümmungsradius

                                                            (11)

                                                            (12)

                                                            (13)



                                      134
(14)

                                                                                (15)

                                                                                (16)

                                                                                (17)

                                                                                (18)


                                                                                (19)


                                                                                (20)


                                                                                (21)

                               (Druckkraft)                                     (22)

                 (Querkraft)                                                    (23)


Der vorgestellte Berechnungsgang erfasst alle geometrischen, kinematischen und
dynamischen Größen, die für die Auslegung des Nockens erforderlich sind. Der Be-
rechnungsablauf ist für jeden Konturpunkt geschlossen und kann für die gesamte
Nockenkontur angewendet werden.



3.   Optimierungsziele, Kriterien und Randbedingungen

Eine optimale Nockenkontur soll die Anforderungen an jeder der 241 Stützstellen
erfüllen. Damit ist es möglich, die Potentiale maximal auszuschöpfen. Jede Stützstel-
le der Nockenkontur ist damit grundsätzlich unabhängig von allen anderen. Sie sind
damit als unabhängige Parameter zu verwenden.
Die Randbedingungen beschränken die Wertebereiche der Eigenschaften des No-
ckens. Die Einhaltung dieser Randbedingungen ist Voraussetzung für einen funkti-
onsfähigen, jedoch noch nicht optimalen Nocken. Die gewählten Randbedingungen
zeigt Tabelle 1.
Die Nockenoptimierung hat bei Einhaltung der Randbedingungen zum Ziel, die Be-
anspruchungen des Nockens und der verbundenen Bauteile zu minimieren. Damit
sind Zielgrößen wie in Tabelle 2 zu definieren.




                                              135
Randbedingung/        Größe                        Grund/Herkunft
 Grenzwert
 v                     max. Stößelgeschwindigkeit   Schmierfilmabriss,
                                                    Erfahrungswert
 a                     max. Stößelbeschleunigung    mech. Belastung, Erfahrungs-
                                                    wert
 pzul                  zul. Pumpenraumdruck         hydr. Belastung Pumpenzylin-
                                                    der
 n                     Grenzdrehzahl                Abheben der Stößelrolle und
                                                    Sicherheit
 RK                    lokaler Krümmungsradius      Punktauflage auf Rolle und
                                                    Sicherheit
 pmax                  zul. Hertz‘sche Pressung     Werkstoffgrenzwert


Tabelle 1: Randbedingungen der Optimierung

 Formelzeichen             Größe                          Optimierungsziel
 v                         Stößelgeschwindigkeit          minimieren
 a                         Stößelbeschleunigung           minimieren
 Md                        Nockenantriebsmoment           minimieren
 pzul                      zul. Pumpenraumdruck           maximieren
 nPGrenz                   Grenzdrehzahl                  maximieren
 FReib                     Reibkraft des Stößels          minimieren

Tabelle 2: Zielgrößen der Optimierung


3.1     Gütefunktion

Diese Zielgrößen werden normiert und in einer Gütefunktion je nach Optimierungs-
ziel gewichtet und aufsummiert. Die Gewichtungsfaktoren g geben mit ihrem jeweili-
gen Vorzeichen zudem an, ob die Zielgröße maximiert oder minimiert werden soll.
Die Guete wird für jeden Konturpunkt i berechnet und über die gesamte Nockenkon-
tur aufsummiert.



                                                                                (24)

Die in Tabelle 1 genannten Randbedingungen und Begrenzungen werden durch
Strafen berücksichtigt. Liegt ein Kriterium für einen Konturpunkt außerhalb der ange-
gebenen Grenzwerte, wird eine für dieses Kriterium charakteristische Strafe verge-



                                           136
ben. Diese Strafterme werden für alle Kriterien und über alle Konturpunkte aufsum-
miert. Eine Strafe muss deutlich größer sein, als der Variationsbereich der Guete.
Damit wird der Optimierungsalgorithmus veranlasst, zunächst den Bereich der Land-
schaft innerhalb der Grenzwerte zu suchen. Danach kann der Algorithmus auf ein
Optimum konvergieren.
Die gesamte Landschaft erscheint damit durch die Strafen gestuft. In dem Bereich
innerhalb der Grenzwerte ergibt sich dann eine straffreie Fläche (Gütefunktion≈0), in
der das globale Optimum liegt oder lokale Optima auftreten.




Bild 4: Funktionslandschaft bei acht Parametern, 6 Parameter fix, 2 Parameter varia-
bel

Die über die gesamte Kontur aufsummierte Guete und alle Strafterme werden addiert
und bilden damit die Gütefunktion einer Nockenkontur. Der Wert der Gütefunktion
wird mit dem PSO-Optimierungsverfahren für die gesamte Nockenkontur minimiert.
Hierbei beinhaltet jedes Partikel jeweils einen Parametersatz zur Lösung der Opti-
mierungsaufgabe und liefert somit eine mögliche Stößelhubkontur. Jedes Partikel hat
seinen individuellen Gütefunktionswert.
Am Ende eines Berechnungsgangs werden die berechneten 241 Stützstellen des
Rollenhubes ausgegeben. Sie werden dann in die Nockenkonturpunkte hN umge-
rechnet, welche somit eine optimale Nockenkontur darstellen.
Da der PSO-Algorithmus sowohl lokale Optima als auch das globale Optimum der
aufgestellten Gütefunktion finden kann, können bei wiederholten Rechnungen meh-
rere verschiedene optimale Nockenkonturen gefunden werden. Die hier vorgegebe-
nen strengen Randbedingungen können allerdings zu einer relativ geringen Streu-
breite der gefundenen Nockenkonturen führen, weil der straffreie Bereich der Such-
landschaft vergleichsweise klein ist.




                                         137
3.2   Nockengenese

Um zu gewährleisten, dass die Guete immer geringer als ein Strafterm ist, wird ein
dynamischer Guete-Faktor eingeführt. Die Berechnungen sind gestuft ausgeführt.
Ein Nockenoptimierungslauf untergliedert sich in mehrere Einzeloptimierungen. Die
Berechnung einer Nockenkontur mit 241 Freiheitsgraden ist in 49 einzelne Berech-
nungsabschnitte unterteilt und beginnt mit acht Freiheitsgraden/Parametern.




Bild 5: Entstehung der Stößelhubkontur

Bild 5 zeigt die Entstehung einer Stößelhubkontur. Im vorliegenden Fall startet die
Berechnung mit acht Parametern. Zunächst werden die Partikeln und somit die Pa-
rameter stochastisch im Suchraum initialisiert (erstes Bild in der ersten Reihe). Jeder
Berechnungsabschnitt verwendet 30 Partikeln und erstreckt sich über 100 Iteratio-
nen. Nach 50 Iterationsschritten befindet sich der Partikelschwarm auf seinem Weg
in die Konvergenz auf das beste gefundene Ergebnis (zweites Bild in der ersten Rei-



                                          138
he). Aus der anfänglich stochastischen Verteilung der Parameter innerhalb der Such-
raumgrenzen (minimaler und maximaler Stößelhub für jeden Freiheitsgrad) beginnt
sich eine Stößelhubkontur abzuzeichnen. Mit fortschreitender Berechnung beginnen
sich alle Partikeln im besten gefundenen Gütefunktionswert zu sammeln (80 Iterati-
onsschritte, drittes Bild in der ersten Reihe). Am Ende eines Berechnungsabschnittes
ist der Schwarm soweit fokussiert und konvergiert, dass sich nahezu alle Partikeln
auf einem Punkt im Funktionsraum befinden (100 Iterationsschritte, letztes Bild in der
ersten Reihe). Dieser Punkt ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das globale Optimum
(Minimum) des untersuchten Raums. Da am Ende der Berechnungen ein 241-
dimensionaler Suchraum steht und mit dem Partikelschwarm-Optimierungsverfahren
eine Metaheuristik zum Einsatz kommt, liegt keine Garantie vor, dass das globale
Optimum erzielt wurde. Jedoch bietet das Verfahren eine praktische Lösungsmög-
lichkeit eines nicht-trivialen Optimierungsproblems, das mit einem einfachen Berech-
nungslauf und direkt zu optimierenden 241 Freiheitsgraden, praktisch nicht zu lösen
ist.
Das Ergebnis des Berechnungsgangs mit 8 Freiheitsgraden wird als Startwert des
neuen Berechnungsgangs übernommen. Hierzu erfolgt eine Interpolation der voran-
gegangenen Parameter auf die nächsthöhere Freiheitsgradanzahl. Zusätzlich wird
ein entsprechender Prozentsatz der Partikeln stochastisch im Suchraum initialisiert,
um eine ausreichende Suchraumabdeckung zu garantieren. Dieses Vorgehen wird
sowohl für Dreifachnocken mit 241 Parametern als auch für Zweifachnocken mit 361
Freiheitsgraden appliziert.




Bild 6: GUI zur Ergebnisausgabe



                                         139
Nach der Terminierung der Berechnungen werden die Ergebnisse nach dem Güte-
funktionswert sortiert ausgegeben und können in einem GUI ausgewertet werden.
Die wesentlichen Betriebswerte einer so generierten Nocke werden in den folgenden
Bildern dargestellt.




Bild 7: Stößelhub, -geschwindigkeit und -beschleunigung




Bild 8: Krümmungsradius, zul. Pumpenraumdruck und Grenzdrehzahl



                                        140
Bild 9: Querkraft, Drehmoment und Druckkraft




Bild 10: Nockenwellenteilstück mit Pumpen- und Gaswechselnocken




                                       141
4.    Optimierungsalgorithmus PSO

Die Methodik der Partikelschwarmoptimierung (Particle Swarm Optimization - PSO)
wurde 1995 durch den Elektroingenieur Russell Eberhart und den Sozialpsychologen
James Kennedy vorgestellt [2].
In den letzten Jahren hat die Partikelschwarmoptimierung immer mehr Beachtung
erfahren, da sie sich als effektive Methode zur Lösung unterschiedlicher Arten von
Optimierungsproblemen bewährt hat. Die Anwendungsbereiche der PSO reichen
mittlerweile vom Ingenieurwesen bis zur Betriebswirtschaft. Die Partikelschwarmop-
timierung ist eine Metaheuristik, deren Paradigmen, angelehnt an Schwarmintelli-
genz und Evolutionary Computation, durch Vogel- und Fischschwärme inspiriert wur-
den. Die Vorgänger des ursprünglichen PSO-Algorithmus waren zunächst als gra-
phische Simulatoren der eleganten aber unvorhersagbaren Bewegungsabläufe von
Vogelschwärmen gedacht.
Die Entwickler entdeckten schnell das Potential der Methode, nichtlineare, kontinuier-
liche Funktionen durch die Simulation von einem vereinfachten sozialen Umfeld zu
optimieren. Die PSO beinhaltet nicht das Prinzip des „survival of the fittest“, wie es
beispielsweise in Genetischen Algorithmen angewendet wird. Vom Beginn bis zum
Ende eines Optimierungslaufs „überleben“ alle Partikeln und nehmen aktiv an der
Suche nach Optima im Suchraum teil. Ein Partikel ist ein Tupel aller Parameter und
liefert deshalb eine Lösungsmöglichkeit einer gegebenen Funktion. Nach einer an-
fänglichen, meist zufälligen Verteilung der Partikeln im Such- bzw. Funktionsraum,
bewegen sich die Partikeln mit einer richtungsabhängigen Geschwindigkeit. Nach
jedem Bewegungsschritt wird die „Fitness“ jedes Partikels bestimmt. Die sogenannte
Fitness entspricht dem numerischen Funktionswert an der Stelle, wo sich das Parti-
kel gerade im n-dimensionalen Funktionsraum befindet. Der Partikelschwarm besteht
aus mehreren einzelnen Partikeln. Dadurch, dass die Schwarmmitglieder miteinan-
der aufgrund der Informationen über die bisher beste durch den gesamten Schwarm
gefundene Lösung (global best) sowie über die bisher beste individuelle Lösung (lo-
cal best) interagieren, können wahrnehmungsbasierte und soziale Muster abgeleitet
werden. Die Partikeln werden durch die besten Positionen angezogen und bewegen
sich in Richtung auf die beste globale Position. Während des Optimierungsprozesses
können die Partikeln auf ihrem Weg zum bisher besten Funktionswert Positionen mit
noch höherer Fitness finden. Abhängig von der verwendeten PSO-Variante und den
eingestellten Parametern des Algorithmus können die globalen Sucheigenschaften,
das Schwarmverhalten, die Konvergenzrate und somit auch die Qualität der endgül-
tigen Lösung beeinflusst werden. Der Algorithmus hat sich als relativ einfach, sehr
robust und sehr effizient erwiesen. Bezüglich der Dimensionalität oder Komplexität
der Optimierungsaufgabe bestehen theoretisch keine Einschränkungen.


4.1   Verfahren

Optimierung zielt darauf ab, das Minimum oder Maximum einer Ziel- bzw. Gütefunk-
tion innerhalb eines definierten Suchraumes zu finden.
Neben anderen mathematischen Anwendungsbereichen liegt der Fokus der hier be-
handelten Applikationen auf der Optimierung nichtlinearer Funktionen mit Nebenbe-
dingungen. Die Zielfunktion kann entweder auf eine einzelne Zielgröße ausgerichtet



                                         142
sein (single-objective), oder die gleichzeitige, multikriterielle Optimierung mehrerer
Zielgrößen beinhalten (multi-objective). Dies kann z. B. eine Funktion mit standardi-
sierten, gewichteten Zielgrößen sein, in der Nebenbedingungen durch Strafterme
eingebracht werden und somit das Problem auf eine Zielfunktion mit nur einer Ziel-
größe reduziert wird.
Die Partikelschwarmoptimierung ist ein stochastischer, gradienten- und ableitungs-
freier, naturanaloger Algorithmus, der auf einer Reihe von Partikeln basiert. Ein Par-
tikel verkörpert ein Tupel aller Parameter des Optimierungsproblems und liefert somit
eine potentielle Lösung. Nach der anfänglichen Verteilung der Partikeln im Suchraum
erhalten alle Partikeln richtungsabhängige und dimensionsbezogene Geschwindig-
keiten. Der operative Ablauf für statische Optimierungsaufgaben ist wie folgt:

1. Stochastische Initialisierung einer Partikelpopulation innerhalb des Funktions- /
   Suchraums.
2. Berechnung der Fitness jedes Partikels.
3. Modifikation der individuellen Geschwindigkeiten in Abhängigkeit der bisherigen
   besten individuellen und der besten globalen Position (Nachbarschaft).
4. Bestimmung der neuen Positionen der Partikeln.
5. Fitnessevaluierung jedes Partikels (2.), bei Konvergenz / Abbruchkriterium: END,
   sonst gehe zu 3.

Die Gleichung zur Bestimmung der Geschwindigkeiten lautet



                                                                                  (25)

Die neuen Positionen werden bestimmt durch

                                                                                  (26)

Gleichung (25) und (26) verwenden folgende Bezeichnungen

xid :Lösungsmöglichkeit, Ort von Partikel i in Dimension d
vid :Geschwindigkeit von Partikel i in Dimension d
pid :bisheriger bester Ort von Partikel i in Dimension d
pgd :bisheriger bester Ort des besten Partikels g aller
     Nachbarn von Partikel i in Dimension d
c1 : kognitiver Parameter
c2 : sozialer Parameter
rand(), Rand(): gleichverteilte Zufallszahlen aus [0;1]

t ist der aktuelle Iterationsschritt. Die Bewegung der Partikeln aus Gleichung (25) ba-
siert auf einem sogenannten kognitiven Term (Term 2) und einem sozialen Term
(Term 3) sowie der Geschwindigkeit vid(t-1) (Term 1), welche im Fall der PSO den
Charakter einer (Massen-)Trägheit besitzt und die Partikeln keine abrupten Rich-
tungsänderungen beschreiben lässt.
Die kognitive Konstante c1 beeinflusst das individuelle Verhalten eines Partikels bzgl.
seiner eigenen bisherigen besten Position. Die soziale Konstante c2 bestimmt die
Bewegung in Richtung auf die Position, die die bisher beste bekannte Position des



                                          143
Schwarms ist. c2 beeinflusst das Verhalten von Partikel i in Abhängigkeit der Fitness
seiner Nachbarn und beschreibt somit eine Komponente sozialen Verhaltens. In je-
dem Iterationsschritt werden die kognitiven und sozialen Anteile der Bewegung zufäl-
lig variiert, um Diversität und Bewegung im Schwarmverhalten zu erhalten.
Während ihres Weges durch den Suchraum in Richtung auf das beste Partikel bzw.
beste Position können die Partikeln Orte mit höherer Fitness entdecken, als es das
beste bisher gefundene (lokale) Optimum hat. Das Schwarmverhalten wird durch die
Erfahrung eines jeden einzelnen Schwarmmitglieds, seine momentane Position und
den Informationsaustausch der einzelnen Schwarmmitglieder untereinander be-
stimmt (Orientierung an Gruppenbesten). Somit imitiert die PSO erfolgreich das na-
türliche Verhalten von Tieren in Gruppen bzw. Schwärmen.
Sowohl die Schwarmgröße, Nachbarschaftsgröße als auch die Topologie des Infor-
mationsaustausches haben Auswirkungen auf das Schwarmverhalten und steuern
deshalb die Suchcharakteristika des Schwarms. Es existiert neben zwei Hauptvarian-
ten eine Vielzahl von Ansätzen zur Beschreibung der Informationstopologie der Par-
tikeln. Diese sind gbest und lbest. Im Fall der gbest-Topologie wird das Verhalten
jedes Partikels durch das beste Partikel im gesamten Schwarm bestimmt. Im lbest-
Modell wird die Bewegung jedes Partikels durch die Partikeln in seiner direkten
Nachbarschaft geprägt. In vielen Applikationen tendiert das gbest-Modell dazu,
schneller zu konvergieren als das lbest-Modell.
Ein weiterer erwähnenswerter Aspekt ist die Informationsanalyse der besten Positio-
nen. In der sogenannten synchronen PSO, die der Originalversion nahesteht, werden
die besten Positionen im Anschluss an alle Partikelbewegungen eines Iterations-
schrittes ermittelt. Die asynchrone PSO verwendet die Bestimmung der besten Posi-
tionen nach jeder einzelnen Partikelbewegung, was eine direkte Rückkopplung bzgl.
der besten Regionen im Suchraum erlaubt und somit zu einer höheren Konvergenz-
rate führt.
Basierend auf Anwendungserfahrungen mit der klassischen, originären PSO-Version
sind mehrere Optimierungsdurchläufe mit relativ kleinen Populationen zielführender
im Aufspüren praktikabler Lösungen als weniger Optimierungsdurchläufe mit relativ
großen Populationen. Dieser zunächst überraschende Effekt begründet sich in der
schnellen und oftmals verfrühten Konvergenz des PSO-Verfahrens, bei der keine
befriedigende Suchraumerkundung stattfindet.


4.2   PSO mit „Constriction Coefficient“

In der Literatur sind zahlreiche Ausführungsformen des PSO-Algorithmus beschrie-
ben, die die Parametereinstellungen untersuchen und auf eine Verbesserung des
Verfahrens abzielen, insbesondere, um die verfrühte Konvergenz des Schwarmes zu
verhindern.
Die meisten Arbeiten konzentrieren sich hierbei auf die Analyse des Schwarmverhal-
tens unter der Verwendung sogenannter „Inertia Weight“- und „Constriction Coeffi-
cient“- Ansätze. In diesen Fällen wird Term 1 aus Gleichung (25) (Inertia Weight)
bzw. die gesamte Gleichung (25) (Constriction Coefficient) mit einem Parameter mul-
tipliziert. Das Ziel ist jeweils, sowohl die Erkundung als auch die Ausbeutung des
Suchraumes zu kontrollieren und somit die globalen und lokalen Sucheigenschaften
des Schwarmes zu steuern.


                                         144
Mathematisch gesehen ist die Implementierung des „Constriction Coefficient“ χ ein
Sonderfall der „Inertia Weight“-Version. Mit der Verwendung dieses Koeffizienten
erweitert sich die Gleichung (25) zu



                                                                                  (27)

χ wird definiert als

                       mit       ,                                                (28)


Standardmäßig ist c1 = c2 = 2,05 was zu χ = 0,72984 führt [1].


4.3   PSO mit erweitertem „Constriction Coefficient“

Basierend auf den bisherigen Anwendungserfahrungen [3,4,5,6] hat sich die Ver-
wendung einer verfeinerten „Constriction Coefficient“-Strategie als besonders effektiv
und zielführend erwiesen.
Die neue Strategie verbessert signifikant das Schwarmverhalten. Die einfache aber
effektive Vorgehensweise besteht darin, χ folgendermaßen über einen Optimierungs-
lauf und somit in jedem Iterationsschritt zu verändern. In den ersten 75% der Iteratio-
nen eines Durchlaufs wird χ aus gleichverteilten Zufallszahlen des Intervalls [0,1;1,7]
entnommen. Zwischen 75% und 95% der Iterationen verringert sich χ linear von 1 bis
0,20871. Dieser Wert resultiert aus Gleichung (28) mit c1=2 und c2=5 und wurde
ebenso wie der gesamte Verlauf von χ empirisch ermittelt. Die letzten 5% der Itera-
tionen wird χ=0,20871 konstant gehalten.
Die neuartige Implementierung von χ > 1 führt zu einer signifikanten Verbesserung
des globalen Suchverhaltens (Erkundung). Die Grundidee ist, eine gründliche und
flächendeckende globale Suche zu gewährleisten, bei der die Diversität des
Schwarms erhalten bleibt und nicht durch verfrühte Konvergenz gemindert wird bzw.
verlorengeht. Im Anschluss an diese Suche soll eine intensive lokale Suche stattfin-
den (Ausbeutung), die sich durch kontrollierte Konvergenz auszeichnet. Die Parame-
tereinstellungen sollen so gewählt werden, dass sie einer breiten Anwendungspalette
genügen.
Die konventionelle „Constriction Coefficient“-Methode belässt χ = constant. Es wird in
graphischen Vergleichen [6] deutlich, dass der Schwarm, ebenso wie in der klassi-
schen PSO-Version, relativ schnell beginnt, zu konvergieren. Eine globale Suche
findet nicht statt. Die Version mit dem erweiterten „Constriction Coefficient“ hingegen
führt eine sehr ausgeprägte globale Suche durch, gefolgt von einem kontrollierten
Fokussieren des Schwarms (Konvergenz).
Die Wahl von c1 und c2 resultiert aus dem Wunsch, die globale Suche zu verstärken.
Animationen hingegen zeigen, dass die beschriebene Strategie das ursprüngliche
Schwarmverhalten und die Partikelgemeinschaft während der Phase der zufälligen χ
- Werte massiv aufweicht, sodass eine filigrane Einstellung der Parameter zumindest
in diesem Abschnitt der Berechnungen entfällt. Die Suche bzw. das Bewegungsver-
halten der Partikeln scheint in dieser Berechnungsphase vollständig stochastisch zu
werden. Diese Tatsache führt zu einem wichtigen Aspekt des Algorithmus.



                                          145
Es ist eine gängige Praxis, Partikeln auf die Suchraumgrenze zu setzen, wenn sie
den Suchraum durch ihre Geschwindigkeit verlassen würden. Streben Partikeln in
der vorgestellten Version nach außerhalb des Suchraums, so werden sie stochas-
tisch im Funktionsraum reinitialisiert [7]. Dies ist ein essentieller Mechanismus, da
ansonsten die Mehrzahl der Partikeln durch die Wahl von χ > 1 nur auf den Such-
raumgrenzen inaktiv verharren würde.
Durch diese Implementierung und das kontrollierte Konvergenzverhalten am Schluss
eines Optimierungslaufes kann die sehr sensible Einstellung des Parameters vmax
entfallen. In bisherigen Applikationen beschreibt vmax die maximale Ortsänderung
eines Partikels in einer Dimension. Somit reduziert sich die Anzahl der im Algorith-
mus einzustellenden Parameter. Der vorgestellte schematische Verlauf von χ genügt
einer breiten Palette von Optimierungsapplikationen und unterschiedlichen Arten von
Optimierungsproblemstellungen. Somit minimiert sich der für den Anwender im Algo-
rithmus einzustellende Parametersatz auf einen einzelnen Wert. In Abhängigkeit der
Komplexität der zu lösenden Aufgabe ist daher nur die Anzahl der Partikeln festzule-
gen.




Bild 11: Beispielhafter Verlauf des erweiterten „Constriction Coefficient“

Erfahrungsgemäß sollte die obere Grenze von χ im zufälligen Bereich der Berech-
nungen mindestens 1,5 betragen. Dies sichert die gute globale Suchraumabdeckung,
wobei hingegen der untere Grenzwert in dieser Phase relativ unbedeutend ist. Ver-
suche mit χ von bis zu 30 als oberem Grenzwert ergaben keine wesentlichen Verän-
derungen im Schwarmverhalten. Der Endwert von χ ist sehr sensibel einzustellen
und hat einen integralen Einfluss auf die Konvergenz des Schwarms und somit auf



                                           146
die Güte des Endergebnisses. Ist der Wert zu gering, werden die Partikeln in ihrer
Bewegung so sehr eingeschnürt, dass keine lokale Suche mehr erfolgen kann. Ein
zu hoher Betrag von χ lässt zu große Ortsänderungen der Partikeln zu, dass schließ-
lich keine zufriedenstellende Konvergenz erreicht wird und der Bereich der bisher
besten Position nur unzureichend evaluiert wird.
Die beschriebenen Verbesserungen werden in einer graphischen Darstellung deut-
lich.




Bild 12: Partikelschwarm im Suchraum unter Verwendung des erweiterten „Constric-
tion Coefficient“



                                        147
Der dargestellte Suchraum ist die Funktionslandschaft einer zweidimensionalen, mo-
difizierten Griewank-Funktion. 75 Partikeln finden hierbei über 200 Iterationen das
Maximum der Funktion. Die Einzelbilder eins bis sechs zeigen die Partikelverteilung
zum Zeitpunkt von 1 (1), 10 (2), 30 (3), 50 (4), 100 (5) und 200 (6) Iterationsschritten.




Bild 13: Partikelschwarm der Originalversion im Suchraum

Im Vergleich ist zu erkennen, dass die Originalversion relativ schnell konvergiert und
keine zufriedenstellende globale Suche ausführt. Die erweiterte Version hingegen




                                           148
vollzieht eine erschöpfende Suchraumerkundung und läuft am Ende der Iterationen
in eine kontrollierte Konvergenz.


4.4   PSO mit erweitertem „Constriction Coefficient“ für die Nockenoptimierung

Obwohl die beschriebene Erweiterung des PSO-Algorithmus durch die verfeinerte
„Constriction Coefficient“-Methode in einer wesentlichen Verbesserung und Kontrolle
des Schwarmverhaltens resultiert, sind die mit dieser Methode erzielten Ergebnisse
der Nockenoptimierungsrechnungen nicht zufriedenstellend.
Dies resultiert aus der gewählten Formulierung der zu optimierenden Funktion (Güte-
funktion). Im Fall der Nockenoptimierung liegt das globale Optimum in der Regel am
Rand des n-dimensionalen Suchraums. Die stochastische Reinitialisierung der Parti-
keln bei Suchraumgrenzverletzungen führt in diesem Anwendungsfall zu einer unzu-
reichenden Ergebnisqualität, ist aber zielführend, wenn das Optimum eher in der Mit-
te des Suchraumes erwartet wird. Werden die Partikeln bei Grenzverletzungen auf
die Dimensionsgrenze gesetzt, liefert der Algorithmus sehr gute Ergebnisse. Eine
Reduzierung des Zufallsintervalls von χ auf [0,1;0,6] innerhalb der ersten 60% der
Iterationen erhöht die Leistung zusätzlich. Um die Güte des Endergebnisses zu ver-
bessern, wurde der Endwert von χ zudem auf 0,01 empirisch in den letzten 10% der
Iterationen reduziert. Der Startwert des linearen Abschnitts wird entsprechend auf 0,3
vermindert.




Bild 14: Beispielhafter Verlauf des erweiterten, angepassten „Constriction Coefficient“



                                          149
Eine Reduzierung der globalen Sucheigenschaft mit der gesteigerten Möglichkeit,
frühzeitiger zu konvergieren, ist für die Nockenoptimierung zielführend und zeigt er-
neut die Individualität von Optimierungsaufgaben und die Notwendigkeit, den Opti-
mierer sinnvoll und oftmals empirisch an das Problem zu adaptieren.


5.    Zusammenfassung

Im Rahmen der Entwicklung eines Common-Rail-Einspritzsystems für mittelschnell-
laufende Großdieselmotoren wird ein geschlossenes Verfahren zur Entwicklung einer
optimalen Kontur einer Einspritznocke vorgestellt. Aufgrund des Fördermengenbe-
darfs des Motors ist ein Dreifachnocken erforderlich. Die optimale Kontur des No-
ckens ergibt sich aus einer Vielzahl von Kriterien, Randbedingungen und Optimie-
rungszielen.
Für die Fertigung wird eine Auflösung von 0,5° Nockendrehwinkel gefordert. Eine
Nockenkontur überstreicht 120° Nockendrehwinkel. Somit ergeben sich für die Be-
rechnung der Kontur 241 Stützstellen. Das Ziel ist die Entwicklung einer optimalen
Kontur des Nockens, abhängig von allen Kriterien und Beschränkungen. Aufgrund
der Vielzahl dieser Randbedingungen bietet sich die Verwendung eines Optimie-
rungsalgorithmus an. Die vielversprechenden Erfahrungen aus vorangegangenen
Entwicklungsarbeiten führen zur Anwendung der Partikelschwarmoptimierung (PSO).
Eine optimale Nockenkontur erfüllt die Anforderungen an jeder einzelnen Stützstelle.
Es wird daher eine freie Hubkurve ohne zusätzliche Bedingungen (z.B. lineare Ge-
schwindigkeitsverläufe) erstellt. So werden die Potentiale maximal ausgeschöpft. Je-
de Stützstelle der Nockenkontur ist damit grundsätzlich innerhalb der gewählten An-
forderungen und Beschränkungen unabhängig von allen anderen. Sie werden somit
als unabhängige Parameter verwendet. Die Optimierungsaufgabe umfasst daher 241
Dimensionen. Das vorgestellte Verfahren liefert optimale Nockenkonturen.



Literatur

[1]   Clerc, M.: Particle Swarm Optimization. ISTE - Hermes Science Publishing,
      London, 2006
[2]   Eberhart, R.; Kennedy, J.: Swarm Intelligence. Morgan Kaufmann Publishers,
      San Francisco, 2001
[3]   Große-Löscher, H.: Application of PSO for the optimization of Diesel engine
      operation. Deliverables D11.2.b+c, HERCULES Integrated Project, EU Sixth
      Framework Program, TIP3-CT-2003-506676, Augsburg, 2007
[4]   Große-Löscher, H., Haberland, H., Yalcin, H.: Verfahren zur Optimierung einer
      Einspritzdüse für eine Brennkraftmaschine. Offenlegungsschrift, Deutsches
      Patent- und Markenamt, DE 102006043460 A1 2008.03.27, München, 2008
[5]   Große-Löscher, H., Haberland, H.: Schwarmintelligenz zur Optimierung von
      Einspritzdüsen. MTZ – Motortechnische Zeitschrift, Nr. 2, S. 80-85, Springer
      Automotive Media, Wiesbaden, 2010
[6]   Große-Löscher, H.: Particle Swarm Intelligence: A Particle Swarm Optimizer
      with Enhanced Global Search Qualities and Guaranteed Convergence, Pro-



                                         150
ceedings of 55th IWK – Internationales Wissenschaftliches Kolloquium, pp. 186-
      191, Ilmenau University of Technology, Ilmenau, 2010
[7]   Helwig, S., Wanka, R.: Particle Swarm Optimization in High-Dimensional
      Bounded Search Spaces. Proceedings of IEEE Swarm Intelligence Sympo-
      sium, pp. 198-205, 2007




                                         151

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Entwicklung von optimalen Nockenkonturen, Development of optimal cam shapes

  • 1. HAUS DER TECHNIK INSTITUT FÜR MOBILE SYSTEME Außeninstitut der RWTH Aachen Kooperationspartner der Universitäten Duisburg-Essen Münster - Bonn - Braunschweig 7. Tagung Diesel- und Benzindirekteinspritzung 1. und 2. Dezember 2010 Unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Helmut Tschöke Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Veranstaltungsort Berlin Hotel Sol Meliá Friedrichstraße 103 www.hdt-automotive.de FB030/24610N
  • 2. Tschöke, Helmut Diesel- und Benzindirekteinspritzung, VI: Einspritzqualität – Gemischbildung – Simulation – Applikation – Messtechnik Unt. Mitarb. v. 104 Ko-Aut. 2011, 377 S., 328 Abb., 20 Tab. (HdT, 116) Kt. 69,00 €, 114,00 CHF ISBN-13: 978-3-8169-3052-5 www.uni-magdeburg.de/ims/km http://www.hdt-essen.de/
  • 3. Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Hendrik Große-Löscher, MAN Diesel & Turbo SE, Augsburg Dr.-Ing. Heiner Haberland, Volkswagen AG, Wolfsburg Hendrik Große-Löscher ist Entwicklungsingenieur im Bereich Einspritzsysteme und befasst sich neben der Optimierung von Bauteilen, Verfahren und Prozessen mittels Partikelschwarmoptimierung mit neuronalen Netzen, DoE sowie 1D-Hydraulik- und Pneumatiksimulation. Heiner Haberland war Entwicklungsingenieur im Bereich Einspritzsysteme der MAN Diesel SE und befasste sich neben der 1D-Hydrauliksimulation mit DoE und Bauteil-, Prozess- und Verfahrensoptimierung. Seit kurzem ist er im Bereich Methodenentwicklung bei der Volkswagen AG tätig.
  • 4. Entwicklung von optimalen Nockenkonturen Hendrik Große-Löscher Heiner Haberland Abstract A closed-loop method for the development of an optimal shape of an injection cam for a common rail injection system of a large-bore Diesel engine is presented. Due to the demanded fuel flow rate of the engine, a three-loop cam is necessary. The op- timal shape of the cam results of a multitude of criteria, constraints and optimization aims. A stepwise resolution of 0.5° rotation angle of the cam shape is required due to manufacturing demands. One single cam shape consists of 120° rotation angles. Thus, the calculation of the optimal cam shape comprises 241 nodes. The method described aims to develop an optimal cam shape depending on all criteria and con- straints. Due to the huge number of constraints as well as the complex calculations, the application of a particle swarm optimization (PSO) algorithm is proposed. An op- timal cam shape complies to all demands required at each single node. Therefore, a loose lifting curve without any additional conditions applying, such as e.g. linear ve- locity profiles, is created. Following this procedure, all potentials are best exploited. Each node of the cam shape is basically independent of all other nodes within the chosen demands and constraints. The nodes are thus treated as independent para- meters. The procedure described generates optimal cam shapes. Kurzfassung Es wird ein geschlossenes Verfahren zur Entwicklung einer optimalen Kontur einer Einspritznocke für ein Common-Rail-Einspritzsystem für Großdieselmotoren vorge- stellt. Aufgrund des Fördermengenbedarfs des Motors ist ein Dreifachnocken erfor- derlich. Die optimale Kontur des Nockens ergibt sich aus einer Vielzahl von Kriterien, Randbedingungen und Optimierungszielen. Für die Fertigung wird eine Auflösung von 0,5° Nockendrehwinkel gefordert. Eine Nockenkontur überstreicht 120° Nocken- drehwinkel. Somit ergeben sich für die Berechnung der Kontur 241 Stützstellen. Das Ziel ist die Entwicklung einer optimalen Kontur des Nockens, abhängig von allen Kri- terien und Beschränkungen. Aufgrund der Vielzahl dieser Randbedingungen und des komplexen Berechnungsgangs bietet sich die Verwendung eines Algorithmus der Partikelschwarmoptimierung (PSO) an. Eine optimale Nockenkontur erfüllt die Anfor- derungen an jeder einzelnen Stützstelle. Es wird daher eine freie Hubkurve ohne zu- sätzliche Bedingungen (z.B. lineare Geschwindigkeitsverläufe) erstellt. So werden die Potentiale maximal ausgeschöpft. Jede Stützstelle der Nockenkontur ist damit grundsätzlich innerhalb der gewählten Anforderungen und Beschränkungen unab- hängig von allen anderen. Sie werden somit als unabhängige Parameter verwendet. Das vorgestellte Verfahren liefert optimale Nockenkonturen. 129
  • 5. 1. Einleitung Nocken sind die mechanischen Steuerorgane des Verbrennungsmotors. Sie bestim- men den Zeitpunkt und die Charakteristik des Öffnens und Schließens der Gaswech- selventile sowie ebenso den Zeitpunkt und die Charakteristik der Förderung der Ein- spritzpumpen. In einem konventionellen Einspritzsystem steuert der Nockenhubverlauf direkt den Einspritzverlauf und bestimmt damit den Verbrennungsablauf mit allen Auswirkungen auf die Motorbetriebswerte und Emissionen. Die Nockenkontur wird dabei entspre- chend den Anforderungen der Motorthermodynamik gestaltet. Im Common-Rail-Einspritzsystem dienen die Einspritz-/Hochdruckpumpen aus- schließlich der Förderung des Kraftstoffs und der Druckerzeugung. Die Förderung ist von der Einspritzung zeitlich entkoppelt. Damit besteht für die Auslegung der Ein- spritznocken zusätzlich die Randbedingung, dass pro Pumpenkolben ein möglichst hoher Förderstrom (Leistungsdichte → Pumpenanzahl) erzeugt werden muss. Beim Common-Rail-System der MAN Diesel & Turbo SE wird dem Rechnung getragen, indem für jede Einzel-Hochdruckpumpe ein Dreifachnocken verwendet wird, welcher pro Nockenwellenumdrehung drei Förderhübe ausführt. Generell gilt im Großmoto- renbau die Forderung nach einer sehr langen Betriebsdauer, die im Fall der Nocken gleich der Motorlebensdauer ist und durchaus einige Jahrzehnte mit hohem Lastprofil betragen kann. Die Auslegung der Nockenkontur unterliegt mit diesen Maßgaben in besonderer Weise Kriterien wie beispielsweise der maximalen Flächenpressung, der Abhebe-Grenzdrehzahl, der maximalen Beschleunigung und der maximalen Quer- kraft. Bisherige Auslegungsverfahren für CR-Einspritznocken benötigen eine Einteilung der Nockenkontur in verschiedene Abschnitte und die Vorgabe verschiedener Ge- schwindigkeiten und/oder Beschleunigungen für diese Abschnitte. So sind harmoni- sche Nocken mit einem einzigen Sinus-Geschwindigkeitsprofil aber auch Nocken mit mehreren Abschnitten unterschiedlicher aber konstanter Beschleunigungen und Kombinationen daraus bekannt. Für Motoren mit immer gleicher Drehrichtung sind auch asymmetrische Nockenformen möglich. Der Nachteil der Vorgabe eines Profils ist, dass nicht in jedem Punkt die durch die Randbedingungen gegebenen Möglich- keiten ausgeschöpft werden können. Die Anzahl der Anforderungen und Randbedingungen an die Nockengestaltung stellt ein multikriterielles Problem dar. Da diese durch viele gestalterische Parameter be- stimmt werden, ist die Nockenauslegung hochdimensional. Damit sind Optimierungs- verfahren zur Suche eines optimalen Nockens zielführend. Die für die Nockenberechnung verwendeten Gleichungen und vor allem deren Be- grenzungen sind im Zusammenhang sehr komplex und oftmals unstetig. Sie entzie- hen sich daher weitgehend der Lösung durch klassische Optimierer (z.B. nach dem Gradientenverfahren). Daher wird in diesem Beitrag ein stochastisches, naturanalo- ges Partikelschwarm-Optimierungsverfahren (PSO) zur Auslegung von Nockenkontu- ren vorgeschlagen. Am Beispiel eines Nockens für das Common-Rail- Einspritzsystem eines mittelschnelllaufenden Großdieselmotors wird der Berech- nungsgang, das PSO-Optimierungsverfahren und die Generierung einer optimalen Nockenkontur erläutert. 130
  • 6. 2. Nockenberechnung Der Ansatz einer freien Optimierung der Nockenkontur ohne Vorgaben von Ge- schwindigkeitsprofilen erfordert die Definition von Stützstellen in der Nockenkontur. Dafür kann zweckmäßigerweise die für die Nockenfertigung vorgegebene Auflösung der Fräskontur herangezogen werden. Bei der MAN Diesel & Turbo SE werden No- cken mit einer Winkelauflösung von 0.5° gefertigt. Bei der Wahl des bewährten Drei- fachnockens und Annahme einer asymmetrischen Nockenkontur bzgl. einer Nocken- erhebung müssen nur 120° betrachtet werden. Damit wird die Nockenkontur in 241 Stützstellen diskretisiert. Bild 1: Nockenkontur eines optimalen Dreifach-Pumpennockens Jede dieser Stützstellen (Nockenerhebung = f(Drehwinkel)) ist ein geometrischer Pa- rameter des Nockens. Für die Optimierung stellt die diskretisierte Nockenkontur da- mit einen 241-dimensionalen Zusammenhang dar. Die Nockenerhebungen in den Stützstellen erhalten ihren Zusammenhang ausschließlich durch die physikalischen Abhängigkeiten (wie z.B. Geschwindigkeit und Beschleunigung). Sie können damit innerhalb der technischen Grenzen freie Werte annehmen. Durch das Optimierungs- verfahren wird so der entsprechend der festzulegenden Optimierungsziele optimale Nocken generiert. Die geometrischen Gegebenheiten während des Abrollens und die physikalischen Vorgänge müssen geschlossen berechnet werden. Dafür gelten die geometrischen Zusammenhänge nach Bild 2. 131
  • 7. Bild 2: Geometrie der Nocken-Rolle-Bewegung mit Desachsierung Der Berechnungsgang ist so ausgelegt, dass der Stößelhub h zunächst in Abhängig- keit vom Nockendrehwinkel Φ in den Optimierungsalgorithmus integriert wird. Die tatsächliche Nockenkonturkurve hN=f(Φ+Ψ) wird jeweils nachträglich berechnet. Zur Reduktion des Antriebsmoments wird eine desachsierte Anordnung des Stößels (e) über dem Nockenmittelpunkt vorgesehen. Die Geschwindigkeiten des Stößels v werden jeweils numerisch als Hubanstieg des Stößels der vorangegangenen Stütz- stelle (i-1) berechnet. Die Beschleunigungen a werden als Geschwindigkeitsanstieg zur nachfolgenden Stützstelle (i+1) interpretiert. 132
  • 8. Damit ergibt sich die Beschleunigung an der aktuellen Stützstelle i jeweils aus den Hüben der Nachbar-Stützstellen. Unter Berücksichtigung der Desachsierung e kann analytisch der Vorlaufwinkel α berechnet werden. Die kinematischen Zusammen- hänge werden nach folgenden Gleichungen berechnet. Stößelhub=f(Nockendrehwinkel); hi=f(φi) Nockenerhebung=f(Nockendrehwinkel+Vorlaufdrehwinkel); hNi=f(φi+ψi) mit i=1..241; ∆φ=φi-φi-1=0.5° (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (10) Zur Bestimmung der Flächenpressung wird der lokale Krümmungsradius RP benö- tigt. Da kein stetiger Konturverlauf für den Berechnungsalgorithmus vorliegt, wurde ein numerisches Berechnungsverfahren entwickelt. Den Ansatz zeigt Bild 2. Darin werden drei benachbarte Konturpunkte durch zwei Geraden (G1 und G2) verbunden. Der Abstand des Schnittpunktes beider Geradennormalen zum mittleren Konturpunkt bildet den lokalen Krümmungsradius dieses Punktes. Die Beanspruchung des Nockens, welche minimiert werden soll, wird durch die Dy- namik der kombinierten Hub- und Abrollbewegung der Stößelrolle auf der Nocken- kontur bestimmt. Dafür sind folgende Berechnungsschritte notwendig. 133
  • 9. Bild 3: Berechnungsansatz für den lokalen Krümmungsradius (11) (12) (13) 134
  • 10. (14) (15) (16) (17) (18) (19) (20) (21) (Druckkraft) (22) (Querkraft) (23) Der vorgestellte Berechnungsgang erfasst alle geometrischen, kinematischen und dynamischen Größen, die für die Auslegung des Nockens erforderlich sind. Der Be- rechnungsablauf ist für jeden Konturpunkt geschlossen und kann für die gesamte Nockenkontur angewendet werden. 3. Optimierungsziele, Kriterien und Randbedingungen Eine optimale Nockenkontur soll die Anforderungen an jeder der 241 Stützstellen erfüllen. Damit ist es möglich, die Potentiale maximal auszuschöpfen. Jede Stützstel- le der Nockenkontur ist damit grundsätzlich unabhängig von allen anderen. Sie sind damit als unabhängige Parameter zu verwenden. Die Randbedingungen beschränken die Wertebereiche der Eigenschaften des No- ckens. Die Einhaltung dieser Randbedingungen ist Voraussetzung für einen funkti- onsfähigen, jedoch noch nicht optimalen Nocken. Die gewählten Randbedingungen zeigt Tabelle 1. Die Nockenoptimierung hat bei Einhaltung der Randbedingungen zum Ziel, die Be- anspruchungen des Nockens und der verbundenen Bauteile zu minimieren. Damit sind Zielgrößen wie in Tabelle 2 zu definieren. 135
  • 11. Randbedingung/ Größe Grund/Herkunft Grenzwert v max. Stößelgeschwindigkeit Schmierfilmabriss, Erfahrungswert a max. Stößelbeschleunigung mech. Belastung, Erfahrungs- wert pzul zul. Pumpenraumdruck hydr. Belastung Pumpenzylin- der n Grenzdrehzahl Abheben der Stößelrolle und Sicherheit RK lokaler Krümmungsradius Punktauflage auf Rolle und Sicherheit pmax zul. Hertz‘sche Pressung Werkstoffgrenzwert Tabelle 1: Randbedingungen der Optimierung Formelzeichen Größe Optimierungsziel v Stößelgeschwindigkeit minimieren a Stößelbeschleunigung minimieren Md Nockenantriebsmoment minimieren pzul zul. Pumpenraumdruck maximieren nPGrenz Grenzdrehzahl maximieren FReib Reibkraft des Stößels minimieren Tabelle 2: Zielgrößen der Optimierung 3.1 Gütefunktion Diese Zielgrößen werden normiert und in einer Gütefunktion je nach Optimierungs- ziel gewichtet und aufsummiert. Die Gewichtungsfaktoren g geben mit ihrem jeweili- gen Vorzeichen zudem an, ob die Zielgröße maximiert oder minimiert werden soll. Die Guete wird für jeden Konturpunkt i berechnet und über die gesamte Nockenkon- tur aufsummiert. (24) Die in Tabelle 1 genannten Randbedingungen und Begrenzungen werden durch Strafen berücksichtigt. Liegt ein Kriterium für einen Konturpunkt außerhalb der ange- gebenen Grenzwerte, wird eine für dieses Kriterium charakteristische Strafe verge- 136
  • 12. ben. Diese Strafterme werden für alle Kriterien und über alle Konturpunkte aufsum- miert. Eine Strafe muss deutlich größer sein, als der Variationsbereich der Guete. Damit wird der Optimierungsalgorithmus veranlasst, zunächst den Bereich der Land- schaft innerhalb der Grenzwerte zu suchen. Danach kann der Algorithmus auf ein Optimum konvergieren. Die gesamte Landschaft erscheint damit durch die Strafen gestuft. In dem Bereich innerhalb der Grenzwerte ergibt sich dann eine straffreie Fläche (Gütefunktion≈0), in der das globale Optimum liegt oder lokale Optima auftreten. Bild 4: Funktionslandschaft bei acht Parametern, 6 Parameter fix, 2 Parameter varia- bel Die über die gesamte Kontur aufsummierte Guete und alle Strafterme werden addiert und bilden damit die Gütefunktion einer Nockenkontur. Der Wert der Gütefunktion wird mit dem PSO-Optimierungsverfahren für die gesamte Nockenkontur minimiert. Hierbei beinhaltet jedes Partikel jeweils einen Parametersatz zur Lösung der Opti- mierungsaufgabe und liefert somit eine mögliche Stößelhubkontur. Jedes Partikel hat seinen individuellen Gütefunktionswert. Am Ende eines Berechnungsgangs werden die berechneten 241 Stützstellen des Rollenhubes ausgegeben. Sie werden dann in die Nockenkonturpunkte hN umge- rechnet, welche somit eine optimale Nockenkontur darstellen. Da der PSO-Algorithmus sowohl lokale Optima als auch das globale Optimum der aufgestellten Gütefunktion finden kann, können bei wiederholten Rechnungen meh- rere verschiedene optimale Nockenkonturen gefunden werden. Die hier vorgegebe- nen strengen Randbedingungen können allerdings zu einer relativ geringen Streu- breite der gefundenen Nockenkonturen führen, weil der straffreie Bereich der Such- landschaft vergleichsweise klein ist. 137
  • 13. 3.2 Nockengenese Um zu gewährleisten, dass die Guete immer geringer als ein Strafterm ist, wird ein dynamischer Guete-Faktor eingeführt. Die Berechnungen sind gestuft ausgeführt. Ein Nockenoptimierungslauf untergliedert sich in mehrere Einzeloptimierungen. Die Berechnung einer Nockenkontur mit 241 Freiheitsgraden ist in 49 einzelne Berech- nungsabschnitte unterteilt und beginnt mit acht Freiheitsgraden/Parametern. Bild 5: Entstehung der Stößelhubkontur Bild 5 zeigt die Entstehung einer Stößelhubkontur. Im vorliegenden Fall startet die Berechnung mit acht Parametern. Zunächst werden die Partikeln und somit die Pa- rameter stochastisch im Suchraum initialisiert (erstes Bild in der ersten Reihe). Jeder Berechnungsabschnitt verwendet 30 Partikeln und erstreckt sich über 100 Iteratio- nen. Nach 50 Iterationsschritten befindet sich der Partikelschwarm auf seinem Weg in die Konvergenz auf das beste gefundene Ergebnis (zweites Bild in der ersten Rei- 138
  • 14. he). Aus der anfänglich stochastischen Verteilung der Parameter innerhalb der Such- raumgrenzen (minimaler und maximaler Stößelhub für jeden Freiheitsgrad) beginnt sich eine Stößelhubkontur abzuzeichnen. Mit fortschreitender Berechnung beginnen sich alle Partikeln im besten gefundenen Gütefunktionswert zu sammeln (80 Iterati- onsschritte, drittes Bild in der ersten Reihe). Am Ende eines Berechnungsabschnittes ist der Schwarm soweit fokussiert und konvergiert, dass sich nahezu alle Partikeln auf einem Punkt im Funktionsraum befinden (100 Iterationsschritte, letztes Bild in der ersten Reihe). Dieser Punkt ist mit hoher Wahrscheinlichkeit das globale Optimum (Minimum) des untersuchten Raums. Da am Ende der Berechnungen ein 241- dimensionaler Suchraum steht und mit dem Partikelschwarm-Optimierungsverfahren eine Metaheuristik zum Einsatz kommt, liegt keine Garantie vor, dass das globale Optimum erzielt wurde. Jedoch bietet das Verfahren eine praktische Lösungsmög- lichkeit eines nicht-trivialen Optimierungsproblems, das mit einem einfachen Berech- nungslauf und direkt zu optimierenden 241 Freiheitsgraden, praktisch nicht zu lösen ist. Das Ergebnis des Berechnungsgangs mit 8 Freiheitsgraden wird als Startwert des neuen Berechnungsgangs übernommen. Hierzu erfolgt eine Interpolation der voran- gegangenen Parameter auf die nächsthöhere Freiheitsgradanzahl. Zusätzlich wird ein entsprechender Prozentsatz der Partikeln stochastisch im Suchraum initialisiert, um eine ausreichende Suchraumabdeckung zu garantieren. Dieses Vorgehen wird sowohl für Dreifachnocken mit 241 Parametern als auch für Zweifachnocken mit 361 Freiheitsgraden appliziert. Bild 6: GUI zur Ergebnisausgabe 139
  • 15. Nach der Terminierung der Berechnungen werden die Ergebnisse nach dem Güte- funktionswert sortiert ausgegeben und können in einem GUI ausgewertet werden. Die wesentlichen Betriebswerte einer so generierten Nocke werden in den folgenden Bildern dargestellt. Bild 7: Stößelhub, -geschwindigkeit und -beschleunigung Bild 8: Krümmungsradius, zul. Pumpenraumdruck und Grenzdrehzahl 140
  • 16. Bild 9: Querkraft, Drehmoment und Druckkraft Bild 10: Nockenwellenteilstück mit Pumpen- und Gaswechselnocken 141
  • 17. 4. Optimierungsalgorithmus PSO Die Methodik der Partikelschwarmoptimierung (Particle Swarm Optimization - PSO) wurde 1995 durch den Elektroingenieur Russell Eberhart und den Sozialpsychologen James Kennedy vorgestellt [2]. In den letzten Jahren hat die Partikelschwarmoptimierung immer mehr Beachtung erfahren, da sie sich als effektive Methode zur Lösung unterschiedlicher Arten von Optimierungsproblemen bewährt hat. Die Anwendungsbereiche der PSO reichen mittlerweile vom Ingenieurwesen bis zur Betriebswirtschaft. Die Partikelschwarmop- timierung ist eine Metaheuristik, deren Paradigmen, angelehnt an Schwarmintelli- genz und Evolutionary Computation, durch Vogel- und Fischschwärme inspiriert wur- den. Die Vorgänger des ursprünglichen PSO-Algorithmus waren zunächst als gra- phische Simulatoren der eleganten aber unvorhersagbaren Bewegungsabläufe von Vogelschwärmen gedacht. Die Entwickler entdeckten schnell das Potential der Methode, nichtlineare, kontinuier- liche Funktionen durch die Simulation von einem vereinfachten sozialen Umfeld zu optimieren. Die PSO beinhaltet nicht das Prinzip des „survival of the fittest“, wie es beispielsweise in Genetischen Algorithmen angewendet wird. Vom Beginn bis zum Ende eines Optimierungslaufs „überleben“ alle Partikeln und nehmen aktiv an der Suche nach Optima im Suchraum teil. Ein Partikel ist ein Tupel aller Parameter und liefert deshalb eine Lösungsmöglichkeit einer gegebenen Funktion. Nach einer an- fänglichen, meist zufälligen Verteilung der Partikeln im Such- bzw. Funktionsraum, bewegen sich die Partikeln mit einer richtungsabhängigen Geschwindigkeit. Nach jedem Bewegungsschritt wird die „Fitness“ jedes Partikels bestimmt. Die sogenannte Fitness entspricht dem numerischen Funktionswert an der Stelle, wo sich das Parti- kel gerade im n-dimensionalen Funktionsraum befindet. Der Partikelschwarm besteht aus mehreren einzelnen Partikeln. Dadurch, dass die Schwarmmitglieder miteinan- der aufgrund der Informationen über die bisher beste durch den gesamten Schwarm gefundene Lösung (global best) sowie über die bisher beste individuelle Lösung (lo- cal best) interagieren, können wahrnehmungsbasierte und soziale Muster abgeleitet werden. Die Partikeln werden durch die besten Positionen angezogen und bewegen sich in Richtung auf die beste globale Position. Während des Optimierungsprozesses können die Partikeln auf ihrem Weg zum bisher besten Funktionswert Positionen mit noch höherer Fitness finden. Abhängig von der verwendeten PSO-Variante und den eingestellten Parametern des Algorithmus können die globalen Sucheigenschaften, das Schwarmverhalten, die Konvergenzrate und somit auch die Qualität der endgül- tigen Lösung beeinflusst werden. Der Algorithmus hat sich als relativ einfach, sehr robust und sehr effizient erwiesen. Bezüglich der Dimensionalität oder Komplexität der Optimierungsaufgabe bestehen theoretisch keine Einschränkungen. 4.1 Verfahren Optimierung zielt darauf ab, das Minimum oder Maximum einer Ziel- bzw. Gütefunk- tion innerhalb eines definierten Suchraumes zu finden. Neben anderen mathematischen Anwendungsbereichen liegt der Fokus der hier be- handelten Applikationen auf der Optimierung nichtlinearer Funktionen mit Nebenbe- dingungen. Die Zielfunktion kann entweder auf eine einzelne Zielgröße ausgerichtet 142
  • 18. sein (single-objective), oder die gleichzeitige, multikriterielle Optimierung mehrerer Zielgrößen beinhalten (multi-objective). Dies kann z. B. eine Funktion mit standardi- sierten, gewichteten Zielgrößen sein, in der Nebenbedingungen durch Strafterme eingebracht werden und somit das Problem auf eine Zielfunktion mit nur einer Ziel- größe reduziert wird. Die Partikelschwarmoptimierung ist ein stochastischer, gradienten- und ableitungs- freier, naturanaloger Algorithmus, der auf einer Reihe von Partikeln basiert. Ein Par- tikel verkörpert ein Tupel aller Parameter des Optimierungsproblems und liefert somit eine potentielle Lösung. Nach der anfänglichen Verteilung der Partikeln im Suchraum erhalten alle Partikeln richtungsabhängige und dimensionsbezogene Geschwindig- keiten. Der operative Ablauf für statische Optimierungsaufgaben ist wie folgt: 1. Stochastische Initialisierung einer Partikelpopulation innerhalb des Funktions- / Suchraums. 2. Berechnung der Fitness jedes Partikels. 3. Modifikation der individuellen Geschwindigkeiten in Abhängigkeit der bisherigen besten individuellen und der besten globalen Position (Nachbarschaft). 4. Bestimmung der neuen Positionen der Partikeln. 5. Fitnessevaluierung jedes Partikels (2.), bei Konvergenz / Abbruchkriterium: END, sonst gehe zu 3. Die Gleichung zur Bestimmung der Geschwindigkeiten lautet (25) Die neuen Positionen werden bestimmt durch (26) Gleichung (25) und (26) verwenden folgende Bezeichnungen xid :Lösungsmöglichkeit, Ort von Partikel i in Dimension d vid :Geschwindigkeit von Partikel i in Dimension d pid :bisheriger bester Ort von Partikel i in Dimension d pgd :bisheriger bester Ort des besten Partikels g aller Nachbarn von Partikel i in Dimension d c1 : kognitiver Parameter c2 : sozialer Parameter rand(), Rand(): gleichverteilte Zufallszahlen aus [0;1] t ist der aktuelle Iterationsschritt. Die Bewegung der Partikeln aus Gleichung (25) ba- siert auf einem sogenannten kognitiven Term (Term 2) und einem sozialen Term (Term 3) sowie der Geschwindigkeit vid(t-1) (Term 1), welche im Fall der PSO den Charakter einer (Massen-)Trägheit besitzt und die Partikeln keine abrupten Rich- tungsänderungen beschreiben lässt. Die kognitive Konstante c1 beeinflusst das individuelle Verhalten eines Partikels bzgl. seiner eigenen bisherigen besten Position. Die soziale Konstante c2 bestimmt die Bewegung in Richtung auf die Position, die die bisher beste bekannte Position des 143
  • 19. Schwarms ist. c2 beeinflusst das Verhalten von Partikel i in Abhängigkeit der Fitness seiner Nachbarn und beschreibt somit eine Komponente sozialen Verhaltens. In je- dem Iterationsschritt werden die kognitiven und sozialen Anteile der Bewegung zufäl- lig variiert, um Diversität und Bewegung im Schwarmverhalten zu erhalten. Während ihres Weges durch den Suchraum in Richtung auf das beste Partikel bzw. beste Position können die Partikeln Orte mit höherer Fitness entdecken, als es das beste bisher gefundene (lokale) Optimum hat. Das Schwarmverhalten wird durch die Erfahrung eines jeden einzelnen Schwarmmitglieds, seine momentane Position und den Informationsaustausch der einzelnen Schwarmmitglieder untereinander be- stimmt (Orientierung an Gruppenbesten). Somit imitiert die PSO erfolgreich das na- türliche Verhalten von Tieren in Gruppen bzw. Schwärmen. Sowohl die Schwarmgröße, Nachbarschaftsgröße als auch die Topologie des Infor- mationsaustausches haben Auswirkungen auf das Schwarmverhalten und steuern deshalb die Suchcharakteristika des Schwarms. Es existiert neben zwei Hauptvarian- ten eine Vielzahl von Ansätzen zur Beschreibung der Informationstopologie der Par- tikeln. Diese sind gbest und lbest. Im Fall der gbest-Topologie wird das Verhalten jedes Partikels durch das beste Partikel im gesamten Schwarm bestimmt. Im lbest- Modell wird die Bewegung jedes Partikels durch die Partikeln in seiner direkten Nachbarschaft geprägt. In vielen Applikationen tendiert das gbest-Modell dazu, schneller zu konvergieren als das lbest-Modell. Ein weiterer erwähnenswerter Aspekt ist die Informationsanalyse der besten Positio- nen. In der sogenannten synchronen PSO, die der Originalversion nahesteht, werden die besten Positionen im Anschluss an alle Partikelbewegungen eines Iterations- schrittes ermittelt. Die asynchrone PSO verwendet die Bestimmung der besten Posi- tionen nach jeder einzelnen Partikelbewegung, was eine direkte Rückkopplung bzgl. der besten Regionen im Suchraum erlaubt und somit zu einer höheren Konvergenz- rate führt. Basierend auf Anwendungserfahrungen mit der klassischen, originären PSO-Version sind mehrere Optimierungsdurchläufe mit relativ kleinen Populationen zielführender im Aufspüren praktikabler Lösungen als weniger Optimierungsdurchläufe mit relativ großen Populationen. Dieser zunächst überraschende Effekt begründet sich in der schnellen und oftmals verfrühten Konvergenz des PSO-Verfahrens, bei der keine befriedigende Suchraumerkundung stattfindet. 4.2 PSO mit „Constriction Coefficient“ In der Literatur sind zahlreiche Ausführungsformen des PSO-Algorithmus beschrie- ben, die die Parametereinstellungen untersuchen und auf eine Verbesserung des Verfahrens abzielen, insbesondere, um die verfrühte Konvergenz des Schwarmes zu verhindern. Die meisten Arbeiten konzentrieren sich hierbei auf die Analyse des Schwarmverhal- tens unter der Verwendung sogenannter „Inertia Weight“- und „Constriction Coeffi- cient“- Ansätze. In diesen Fällen wird Term 1 aus Gleichung (25) (Inertia Weight) bzw. die gesamte Gleichung (25) (Constriction Coefficient) mit einem Parameter mul- tipliziert. Das Ziel ist jeweils, sowohl die Erkundung als auch die Ausbeutung des Suchraumes zu kontrollieren und somit die globalen und lokalen Sucheigenschaften des Schwarmes zu steuern. 144
  • 20. Mathematisch gesehen ist die Implementierung des „Constriction Coefficient“ χ ein Sonderfall der „Inertia Weight“-Version. Mit der Verwendung dieses Koeffizienten erweitert sich die Gleichung (25) zu (27) χ wird definiert als mit , (28) Standardmäßig ist c1 = c2 = 2,05 was zu χ = 0,72984 führt [1]. 4.3 PSO mit erweitertem „Constriction Coefficient“ Basierend auf den bisherigen Anwendungserfahrungen [3,4,5,6] hat sich die Ver- wendung einer verfeinerten „Constriction Coefficient“-Strategie als besonders effektiv und zielführend erwiesen. Die neue Strategie verbessert signifikant das Schwarmverhalten. Die einfache aber effektive Vorgehensweise besteht darin, χ folgendermaßen über einen Optimierungs- lauf und somit in jedem Iterationsschritt zu verändern. In den ersten 75% der Iteratio- nen eines Durchlaufs wird χ aus gleichverteilten Zufallszahlen des Intervalls [0,1;1,7] entnommen. Zwischen 75% und 95% der Iterationen verringert sich χ linear von 1 bis 0,20871. Dieser Wert resultiert aus Gleichung (28) mit c1=2 und c2=5 und wurde ebenso wie der gesamte Verlauf von χ empirisch ermittelt. Die letzten 5% der Itera- tionen wird χ=0,20871 konstant gehalten. Die neuartige Implementierung von χ > 1 führt zu einer signifikanten Verbesserung des globalen Suchverhaltens (Erkundung). Die Grundidee ist, eine gründliche und flächendeckende globale Suche zu gewährleisten, bei der die Diversität des Schwarms erhalten bleibt und nicht durch verfrühte Konvergenz gemindert wird bzw. verlorengeht. Im Anschluss an diese Suche soll eine intensive lokale Suche stattfin- den (Ausbeutung), die sich durch kontrollierte Konvergenz auszeichnet. Die Parame- tereinstellungen sollen so gewählt werden, dass sie einer breiten Anwendungspalette genügen. Die konventionelle „Constriction Coefficient“-Methode belässt χ = constant. Es wird in graphischen Vergleichen [6] deutlich, dass der Schwarm, ebenso wie in der klassi- schen PSO-Version, relativ schnell beginnt, zu konvergieren. Eine globale Suche findet nicht statt. Die Version mit dem erweiterten „Constriction Coefficient“ hingegen führt eine sehr ausgeprägte globale Suche durch, gefolgt von einem kontrollierten Fokussieren des Schwarms (Konvergenz). Die Wahl von c1 und c2 resultiert aus dem Wunsch, die globale Suche zu verstärken. Animationen hingegen zeigen, dass die beschriebene Strategie das ursprüngliche Schwarmverhalten und die Partikelgemeinschaft während der Phase der zufälligen χ - Werte massiv aufweicht, sodass eine filigrane Einstellung der Parameter zumindest in diesem Abschnitt der Berechnungen entfällt. Die Suche bzw. das Bewegungsver- halten der Partikeln scheint in dieser Berechnungsphase vollständig stochastisch zu werden. Diese Tatsache führt zu einem wichtigen Aspekt des Algorithmus. 145
  • 21. Es ist eine gängige Praxis, Partikeln auf die Suchraumgrenze zu setzen, wenn sie den Suchraum durch ihre Geschwindigkeit verlassen würden. Streben Partikeln in der vorgestellten Version nach außerhalb des Suchraums, so werden sie stochas- tisch im Funktionsraum reinitialisiert [7]. Dies ist ein essentieller Mechanismus, da ansonsten die Mehrzahl der Partikeln durch die Wahl von χ > 1 nur auf den Such- raumgrenzen inaktiv verharren würde. Durch diese Implementierung und das kontrollierte Konvergenzverhalten am Schluss eines Optimierungslaufes kann die sehr sensible Einstellung des Parameters vmax entfallen. In bisherigen Applikationen beschreibt vmax die maximale Ortsänderung eines Partikels in einer Dimension. Somit reduziert sich die Anzahl der im Algorith- mus einzustellenden Parameter. Der vorgestellte schematische Verlauf von χ genügt einer breiten Palette von Optimierungsapplikationen und unterschiedlichen Arten von Optimierungsproblemstellungen. Somit minimiert sich der für den Anwender im Algo- rithmus einzustellende Parametersatz auf einen einzelnen Wert. In Abhängigkeit der Komplexität der zu lösenden Aufgabe ist daher nur die Anzahl der Partikeln festzule- gen. Bild 11: Beispielhafter Verlauf des erweiterten „Constriction Coefficient“ Erfahrungsgemäß sollte die obere Grenze von χ im zufälligen Bereich der Berech- nungen mindestens 1,5 betragen. Dies sichert die gute globale Suchraumabdeckung, wobei hingegen der untere Grenzwert in dieser Phase relativ unbedeutend ist. Ver- suche mit χ von bis zu 30 als oberem Grenzwert ergaben keine wesentlichen Verän- derungen im Schwarmverhalten. Der Endwert von χ ist sehr sensibel einzustellen und hat einen integralen Einfluss auf die Konvergenz des Schwarms und somit auf 146
  • 22. die Güte des Endergebnisses. Ist der Wert zu gering, werden die Partikeln in ihrer Bewegung so sehr eingeschnürt, dass keine lokale Suche mehr erfolgen kann. Ein zu hoher Betrag von χ lässt zu große Ortsänderungen der Partikeln zu, dass schließ- lich keine zufriedenstellende Konvergenz erreicht wird und der Bereich der bisher besten Position nur unzureichend evaluiert wird. Die beschriebenen Verbesserungen werden in einer graphischen Darstellung deut- lich. Bild 12: Partikelschwarm im Suchraum unter Verwendung des erweiterten „Constric- tion Coefficient“ 147
  • 23. Der dargestellte Suchraum ist die Funktionslandschaft einer zweidimensionalen, mo- difizierten Griewank-Funktion. 75 Partikeln finden hierbei über 200 Iterationen das Maximum der Funktion. Die Einzelbilder eins bis sechs zeigen die Partikelverteilung zum Zeitpunkt von 1 (1), 10 (2), 30 (3), 50 (4), 100 (5) und 200 (6) Iterationsschritten. Bild 13: Partikelschwarm der Originalversion im Suchraum Im Vergleich ist zu erkennen, dass die Originalversion relativ schnell konvergiert und keine zufriedenstellende globale Suche ausführt. Die erweiterte Version hingegen 148
  • 24. vollzieht eine erschöpfende Suchraumerkundung und läuft am Ende der Iterationen in eine kontrollierte Konvergenz. 4.4 PSO mit erweitertem „Constriction Coefficient“ für die Nockenoptimierung Obwohl die beschriebene Erweiterung des PSO-Algorithmus durch die verfeinerte „Constriction Coefficient“-Methode in einer wesentlichen Verbesserung und Kontrolle des Schwarmverhaltens resultiert, sind die mit dieser Methode erzielten Ergebnisse der Nockenoptimierungsrechnungen nicht zufriedenstellend. Dies resultiert aus der gewählten Formulierung der zu optimierenden Funktion (Güte- funktion). Im Fall der Nockenoptimierung liegt das globale Optimum in der Regel am Rand des n-dimensionalen Suchraums. Die stochastische Reinitialisierung der Parti- keln bei Suchraumgrenzverletzungen führt in diesem Anwendungsfall zu einer unzu- reichenden Ergebnisqualität, ist aber zielführend, wenn das Optimum eher in der Mit- te des Suchraumes erwartet wird. Werden die Partikeln bei Grenzverletzungen auf die Dimensionsgrenze gesetzt, liefert der Algorithmus sehr gute Ergebnisse. Eine Reduzierung des Zufallsintervalls von χ auf [0,1;0,6] innerhalb der ersten 60% der Iterationen erhöht die Leistung zusätzlich. Um die Güte des Endergebnisses zu ver- bessern, wurde der Endwert von χ zudem auf 0,01 empirisch in den letzten 10% der Iterationen reduziert. Der Startwert des linearen Abschnitts wird entsprechend auf 0,3 vermindert. Bild 14: Beispielhafter Verlauf des erweiterten, angepassten „Constriction Coefficient“ 149
  • 25. Eine Reduzierung der globalen Sucheigenschaft mit der gesteigerten Möglichkeit, frühzeitiger zu konvergieren, ist für die Nockenoptimierung zielführend und zeigt er- neut die Individualität von Optimierungsaufgaben und die Notwendigkeit, den Opti- mierer sinnvoll und oftmals empirisch an das Problem zu adaptieren. 5. Zusammenfassung Im Rahmen der Entwicklung eines Common-Rail-Einspritzsystems für mittelschnell- laufende Großdieselmotoren wird ein geschlossenes Verfahren zur Entwicklung einer optimalen Kontur einer Einspritznocke vorgestellt. Aufgrund des Fördermengenbe- darfs des Motors ist ein Dreifachnocken erforderlich. Die optimale Kontur des No- ckens ergibt sich aus einer Vielzahl von Kriterien, Randbedingungen und Optimie- rungszielen. Für die Fertigung wird eine Auflösung von 0,5° Nockendrehwinkel gefordert. Eine Nockenkontur überstreicht 120° Nockendrehwinkel. Somit ergeben sich für die Be- rechnung der Kontur 241 Stützstellen. Das Ziel ist die Entwicklung einer optimalen Kontur des Nockens, abhängig von allen Kriterien und Beschränkungen. Aufgrund der Vielzahl dieser Randbedingungen bietet sich die Verwendung eines Optimie- rungsalgorithmus an. Die vielversprechenden Erfahrungen aus vorangegangenen Entwicklungsarbeiten führen zur Anwendung der Partikelschwarmoptimierung (PSO). Eine optimale Nockenkontur erfüllt die Anforderungen an jeder einzelnen Stützstelle. Es wird daher eine freie Hubkurve ohne zusätzliche Bedingungen (z.B. lineare Ge- schwindigkeitsverläufe) erstellt. So werden die Potentiale maximal ausgeschöpft. Je- de Stützstelle der Nockenkontur ist damit grundsätzlich innerhalb der gewählten An- forderungen und Beschränkungen unabhängig von allen anderen. Sie werden somit als unabhängige Parameter verwendet. Die Optimierungsaufgabe umfasst daher 241 Dimensionen. Das vorgestellte Verfahren liefert optimale Nockenkonturen. Literatur [1] Clerc, M.: Particle Swarm Optimization. ISTE - Hermes Science Publishing, London, 2006 [2] Eberhart, R.; Kennedy, J.: Swarm Intelligence. Morgan Kaufmann Publishers, San Francisco, 2001 [3] Große-Löscher, H.: Application of PSO for the optimization of Diesel engine operation. Deliverables D11.2.b+c, HERCULES Integrated Project, EU Sixth Framework Program, TIP3-CT-2003-506676, Augsburg, 2007 [4] Große-Löscher, H., Haberland, H., Yalcin, H.: Verfahren zur Optimierung einer Einspritzdüse für eine Brennkraftmaschine. Offenlegungsschrift, Deutsches Patent- und Markenamt, DE 102006043460 A1 2008.03.27, München, 2008 [5] Große-Löscher, H., Haberland, H.: Schwarmintelligenz zur Optimierung von Einspritzdüsen. MTZ – Motortechnische Zeitschrift, Nr. 2, S. 80-85, Springer Automotive Media, Wiesbaden, 2010 [6] Große-Löscher, H.: Particle Swarm Intelligence: A Particle Swarm Optimizer with Enhanced Global Search Qualities and Guaranteed Convergence, Pro- 150
  • 26. ceedings of 55th IWK – Internationales Wissenschaftliches Kolloquium, pp. 186- 191, Ilmenau University of Technology, Ilmenau, 2010 [7] Helwig, S., Wanka, R.: Particle Swarm Optimization in High-Dimensional Bounded Search Spaces. Proceedings of IEEE Swarm Intelligence Sympo- sium, pp. 198-205, 2007 151