3. Zweitens neue technologische Entwicklungen: Infrastrukturen haben lange Innovationszyklen: Ein
Elektrotechniker von 1920 würde wahrscheinlich die meisten Gerätschaften in einem heutigen Umspannwerk
interpretieren können. Ein Straßenbauer sowieso – aber auch ein Lehrer von 1910 würde keine Probleme haben, sich
im heutigen Schulbetrieb zurecht zu finden. Dies ändert sich jedoch gerade. Durch die Digitalisierung unserer Welt
werden sich auch die Infrastrukturen massiv verändern. Sie kennen die berühmten „e-Wörter“: E-Energy, E-Mobility,
E-Health, E-Government, E-Learning. Beim BITKOM haben wir diese fünf Felder als die „intelligenten Netze der
Zukunft“ bezeichnet. Das „e“, dass diese Infrastrukturen um eine neue, digitale Ebene ergänzt werden. Es handelt
sich zwar um ganz verschiedene Infrastrukturen, aber im Kern geht es um das gleiche. Abstrakt gesprochen: ITK-
Technologie wird dazu benutzt, die Effizienz der gesamten Infrastruktur zu erhöhen. Dies geschieht dadurch, dass man
den Austausch von Informationen darüber, was eigentlich genau in der Infrastruktur passiert, verbessert und so die
Einzelteile besser auf einander abstimmen kann.
Beispielsweise Energienetze: Ich will an dieser Stelle nicht die Details von Smart Grids vorstellen. Viele von Ihnen
werden das Thema kennen. Experten gehen davon aus, dass weltweit sieben Prozent des CO2-Ausstoßes durch
Smart Grids eingespart werden können. Das ist möglich durch die Absenkung der Lastspitzen aufgrund eines
intelligenten Nachfragemanagements, höhere Flexibilität im Netz bei der Einspeisung erneuerbarer Energien.
Außerdem können E-Mobility-Konzepte in das Szenario integriert werden.
Beispielsweise E-Health: Das Gesundheitssystem ist geprägt von zahlreichen Informationsinseln. De facto wissen
Krankenhäuser, niedergelassene Ärzte, Apotheken und Kassen nicht genau, was der andere tut. Das ist nicht nur per
se teuer und oft auch gefährlich, sondern bietet auch zahlreiche Möglichkeiten des Betruges. Die elektronische
Gesundheitskarte ist in diesem Kontext nichts anderes als eine intelligente Netzinfrastruktur die eine Erhebung von
Patientendaten und das Management des Zugriffs auf diese Daten übernommen hätte. Das Einsparpotenzial betrüge
pro Jahr 1.2 Mrd Euro. Angesichts der kommenden Belastungen aufgrund des demografischen Wandels ein wichtiger
Ansatzpunkt.
Interessant ist übrigens, dass diese überragende Relevanz von Infrastrukturen in den sich entwickelnden Ländern
natürlich wesentlich klarer zu erkennen ist. Infrastruktur-Politik ist in Indien, China oder Brasilien (mit Abstrichen) das
zentrale Politikfeld der letzten Jahre gewesen. Wenn ich von einer Renaissance der Infrastruktur-Politik in der OECD-
Welt spreche, dann können wir davon ausgehen, dass sich diese Renaissance zumindest in Teilen an Vorbildern aus
den BRIC-Staaten orientieren wird. Wir können nicht davon ausgehen, dass die Infrastrukturen der Zukunft
unbedingt in der OECD-Welt als erstes implementiert werden. Das ist vielleicht ein starkes Indiz für den globalen
Strukturwandel, in dem wir uns gerade befinden.
2 Analyseraster Infrastrukturen
Ich würde an dieser Stelle gerne ein Analysemodell für diese Infrastrukturen vorstellen, anhand dessen die
Funktionsweise deutlicher wird. Die Digitalisierung der Infrastrukturen wird zu drei Ebenen führen, die wir
unterscheiden sollten. Am Beispiel des Stromnetzes wird dies deutlich.
• Die erste Ebene besteht aus den physischen Infrastrukturen, die schon lange existieren: Gebäude, Masten, Kabel
etc.
• Die zweite Ebene besteht aus einem Sensor, der misst, was in den physischen Infrastrukturen genau passiert
und einer Daten-Plattform, auf der die Daten zusammenlaufen. Im Fall des Energiesektors handelt es sich hier
um die so genannten Smart Meter, die in regelmäßigen Abständen über den Stromverbrauch eines Haushalts
oder eines gewerblichen Nutzers informiert und diese Daten versendet. Gleiche Funktion haben zum Beispiel die
Kameras von TollCollect im Bereich der intelligenten Verkehrsnetze.
Technisch gesehen sind hier mehrere Umsetzungen möglich. Ohne auf Details eingehen zu wollen: Es wäre
sowohl eine richtige Datenbank denkbar, auf der alle Nutzer- und Nutzungsdaten gespeichert werden. Es wäre
aber auch denkbar, dass man eine Art Datendrehscheibe einrichtet, die im Grunde genommen nur
Kommunikationskanäle zwischen Nutzern und Anbietern von Applikationen öffnet.
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