1. LEKTIONEN FÜRS LEBEN
ENDECKT AM MITTELMEER
Mutter zu sein, ist kein einfacher Job. Auf einer Reise
nach Griechenland versuche ich meiner Tochter
zu vermitteln, warum Umweltbewusstsein wichtig ist.
Keine einfache Aufgabe…
QUINOA-SALAT
UND KOMPAKTPUDER
«Der Planethat Priorität!» Ich erinnere meine Tochter Louimmer mal wieder
daran, aber sie hält nichtviel davon. Ichdenkean andere junge Menschen,
die Demos organisieren undTransparentemitführen: «Wir haben keinen
Planet B» oder «Wenn er geschmolzenist, ist es vorbei». Sie gehen nichtfür
mich auf die Strasse, ich werde das kommendegrosseMassensterbenauf
Planet Erde wahrscheinlich nicht mehr erleben. Undfüge dann hinzu:«Aber
du schon. Sie demonstrierenfür dich, deine Kinder undEnkelkinder.»
Dassman in Plastik verpackte Lebensmittelwie Quinoa-SalatoderHummus
kauft, seine Garderobe jede Saison viel zu günstigerneuert oder Kosmetika
anhäuft, deren Verpackungzehnmalschwerer ist als das Produkt –diese
Dinge kannich nichtverstehen. «Benutz docheine natürliche Stückseife, die
2. brauchtkaumVerpackungundist erst nochnachhaltig produziert.»Leider
zeigt das ArgumentkaumWirkung…
GREEN WALKING
& TRASH PICKING
Ich bin viel zu Fussunterwegs auf Hydra. Autosgibt es keine auf dieser
wunderschönenInsel, in die sich schon LeonardCohenverliebt hatte. Auf
meinen Spaziergängensammleich PET-Flaschenundanderen Plastik ein. Ich
trete die Flaschen flach undpacke sie in meine Tasche. Manchehaben sich in
den Disteln verhakt. Die Farben der Etiketten sindausgebleicht, der Plastik ist
trüb. Sie liegen dort offensichtlich schonlänger. Ich will nicht, dasssie der
Wind ins Meer weht, wo sie sich zersetzenundvon Fischenundanderen
Meerestieren geschluckt werden.
Klar, ich will mein ökologischesGewissen beruhigen, wenn ich an die Fische
denke, die ich mit meiner Aktion vielleicht retten kann. Undnatürlichweiss
ich, dassdas nurein kleiner Tropfen auf einen heissenStein ist, eine
verzweifelte Geste. Aber nichts zutun, ist auch keine Option.
MÜLL?
ÜBER BORD!
Die Sonnestandnochtief, als ich an diesem Morgenzur Bucht hinunterging,
um ein wenig im Meer zu schwimmen. Das Wasserwar vollkommen klar, die
Sonnenstrahlenzauberten wellige Linien ins Meer. Undda sahich es – zuerst
erkannteich nurhelle Flecken auf der Wasseroberfläche, danndie zerrissene
Plastiktüte, die chirurgischenMaskenmit ihren Gummibändern, Plastik
überall: Wahrscheinlich ein Abfallsack, den jemand voneinem Bootins Meer
geworfen hatte;den Inhalthatte die Strömungin diese abgelegene Ecke der
Insel getrieben.
Ich spüre, wie der Zorn in mir aufsteigt. Wer tut soetwas? Wer wirft seinen
Wohlstandsdreck einfachso ins Meer?
«Lou, hilf mir, wir fischen das raus…» Gemeinsam nähernwir unsdem kleinen
Abfallteppich, fischen mit unseren Fingernden Dreck ausdem Wasser,
unterdrückenunserenEkel. Jetzt binich nicht mehr einfach nur zornig. Jetzt
bin ich wütend: auf die Gedankenlosigkeitunddie Arroganzder Menschheit,
die ihren eigenen Lebensraum, diese wunderbare Natur, ausreiner
Bequemlichkeit verdrecktunddas Leben unzähliger Lebewesen gefährdet,
Am Horizontzieht eine schneeweisse Jacht vorbei.
Sylvie Castagné
Zürich, den 27. August2021