Vortrag für die Leitungen der Kulturinstitute der Stadt Neuss zu den Themen "Dritter Ort" und Partizipation / Beteiligung im Bereich städtischer Kulturräume 2019-12-09
2. Inhalt
• Stadt und Dritter Ort - Klärungen
• Perspektiven
• Auflösung des Raums
• Aussichten
• Partizipation als Konzept
• Stufen, Treppen Pyramiden
• Kritik
• Beteiligung ganz praktisch
• Fazit
3. Stadt und „Dritte Orte”
Historische Aspekte
• Hintergrund: Krise der Städte infolge der
Industrialisierung.
• CIAM 1933: Definition einer funktionalen
Entflechtung der Stadt.
• 1970er: Kritik an Folgen der
Entflechtung.
• 1990er: Kritik an der Ökonomisierung der
Städte, Gentrifizierungsdebatte.
• 2000er: Stadtmarketing,
Städtetourismus, Aufwertung der
Innenstädte.
• 2010er: Reurbanisierung beschleunigt
sich, Bodenspekulation, Mietenproblem.
4. Perspektiven auf den
„Dritten Ort“
I. Der funktionslose Raum
II. Privat und Öffentlich
III. Ökonomie der Begegnung
IV. Öffentlicher Raum und
Kommerzialisierung
5. Perspektive I:
Der funktionslose Raum
• Primäre Funktionen des städtischen Raums: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen:
Der Wohnblock, das Villenviertel,
die Fabrik, der Handwerksbetrieb,
das Einkaufszentrum, die Fußgängerzone.
• Sekundäre Funktionen: Verwaltung, Kultur, Erholung/Freizeit:
Das Rathaus, die Bank,
das Stadttheater, das Museum,
der Stadtpark, der Mehrzweckplatz (Jahrmarkt, Zirkus…).
• Infrastrukturen: Verkehrsflächen, städtische Plätze….
• Dritte Orte, die zunächst keine Funktion erfüllen, aber darum Neues ermöglichen.
6. Perspektive II:
Privat und Öffentlich
• Klare Trennung von Privatheit und Öffentlichkeit In der bürgerlichen
Moderne.
• Eine Wohnung für jede Familie als Ziel des Städtebaus im 20. Jhdt.
• Suburbanisierung orientiert sich am Ideal der Kleinfamilie.
• Öffentliche Räume stark formalisiert, nach Schichten differenziert und durch
Habitus abgeschlossen.
• Subkulturen verwischen und negieren die Dichotomie „Privat / Öffentlich“
und besetzen so die Ränder.
• Gegenkulturen nehmen dies auf und etablieren neue Räume als Dritte Orte.
7. Perspektive III:
Ökonomie der Begegnung
• Starke Segmentierung der US-amerikanischen Gesellschaft
• Geschlossene Welten der weißen Mittelschicht.
• Ray Oldenburg: Informelle Orte der Begegnung und des Austauschs fehlen.
• Bedeutung von Friseurläden, Kneipen, Cafés, Buchläden etc.
• Räume, in denen man sich jenseits von Arbeit und Familie auch unverabredet
treffen kann sind Dritte Orte
9. Perspektive IV:
Öffentlicher Raum und Kommerzialisierung
• Tendenz zur Privatisierung öffentlicher Güter.
• Kommerzialisierung öffentlicher Räume.
• Stadtmarketing unterscheidet nicht zwischen Identifikation und Vermarktung.
• Dritte Orte funktionieren jenseits solcher Marktlogik
• Menschen können sich dort aufhalten, ohne zu konsumieren.
10. Auflösung des
Raumes?
• Digitalisierung
• Omnipräsenz vernetzter Information
• Infragestellung gewohnter Dichotomien
• Räume zerfransen, werden löchrig
• „Dritter Ort“ schwierig zu lokalisieren
11. Zwischenfazit
• Keine eindeutige Definition für „Dritter Ort“
• Perspektiven decken sich teilweise – widersprechen sich aber auch.
• Einrichtungen wie Bibliotheken vom Charakter keine Dritten Orte im Sinne der
Perspektiven I-III – was ist mit dem Konsumzwang (Bsp. Idea Stores)?
• Aber: „Dritter Ort“ als Marketingkonzept derzeit über Bibliotheken hinaus wirksam.
• Wird damit zu einem erklärungsbedürftigen Diskursgegenstand.
• Schlagworte bergen die Gefahr, Kontexte aus den Augen zu verlieren.
• Es gibt bisher keine spezifischen Erfolgsfaktoren, außer „mehr Menschen kommen“.
12. Aussichten
• Kulturelle Räume im Kontext neu denken
• Dritter Ort als Facette des Raums beschreibbar?
• Gestaltung und Betrieb müssen stimmig sein
• Kulissen sind keine Inhalte
• Marketing ist in Ordnung, ersetzt aber nicht die
inhaltliche Auseinandersetzung:
Wer begegnet wem und wozu?
Für wen machen wir das?
Wen schließen wir ggf. schon durch die Gestaltung aus (Habitus)?
• Klarheit und Wahrheit auch bei den Zielen.
14. Stufen, Treppen, Pyramiden
• Partizipation geht weiter als Beteiligung.
• Unterschiedliche Formen der Darstellung partizipativer Prozesse.
• Evolution von der Ignoranz zur Selbstorganisation.
• Expertengesteuerte Planung vs. nutzergesteuerte Planung.
• Thema Scheinbeteiligung – gibt es auf jeder Stufe.
• Hoher Grad der Beteiligung = Hohe Qualität?
• Welcher Grad der Beteiligung passt zum Prozess und zur Zielgruppe?
15. Kritik
• Beteiligung als Hype
• Partizipation und Habitus
• Repräsentativität
• Partizipation als Kultur
• Ergebnisse merkwürdig ähnlich
• Qualität der Konzepte?
• Über-Partizipation
• „Tyrannei der Veränderung“
17. Keine Beteiligung ohne Konzept
• Warum wollen wir eine Beteiligung?
Gibt es gute Gründe, eine Beteiligung durchzuführen?
Zieldefinition
• Was wollen wir wissen?
Welchen Erkenntnisgewinn versprechen wir uns?
Was können wir erfahren, was wir nicht schon wissen?
• Wen wollen wir beteiligen?
Die Bevölkerung ist keine Gruppe
Zielgruppe definieren
Wie können wir die gewünschte Gruppe erreichen und aktivieren?
18. Formen & Formate in der
informellen Beteiligung
• Stufe der Partizipation
• Direkte und indirekte Beteiligung
• Repräsentativer Charakter
• Town Hall Meetings
• Workshops
• Digitale Formate
• Beteiligungsprozesse
19. Methoden in
Beteiligungsprozessen
• Information
• Sammelnde und ordnende Phasen
• Diskursive Methoden
(Fishbowl, Brown Bag)
• Ideensammlung
(Brainstorming, World Café)
• Auswertung (Clustering,
Planungsevaluation)
• Iterative Prozesse im Methodenmix
(Design-Thinking, Co-Design)
20. Zwischenfazit
• Partizipation ist eine Kultur, Beteiligung ist kontextabhängig
• Relevanz von Vorerfahrungen
• Wollen wir etwas für eine Zielgruppe oder zusammen mit ihr gestalten?
• Beteiligung als Rückversicherung ist legitim aber: Transparenz ist wichtig!
• Form, Format und Methode müssen zum Thema und zur Institution passen.
21. Die Diskussion
Zusammengefasst
• „Dritter Ort“ wird verkürzt und
missverständlich verwendet.
• Kulturräume sind mehr und sollten mehr sein,
als „Dritte Orte“.
• Als räumliche Facette sind „Dritte Orte“ aber
evtl. interessant.
• Kein Zwang zur Begegnung – Rückzugsräume
schaffen.
• Sehen „Dritte Orte“ überall gleich aus, nimmt
man den Kontext nicht ernst.
• Beteiligung ist kein Selbstzweck.
• Expertengesteuerte Planung kann je nach
Thema und Kontext die bessere Variante sein.
• Methodenvielfalt bedeutet auch
Verantwortung.
22. Zum Weiterlesen:
• Blog von Dr. Karsten Schuldt (HTW Chur): https://bildungundgutesleben.wordpress.com/
kritische Beiträge u.a. zu „Aat Voss Bibliotheken“, Partizipation und Design Thinking
• Beitrag in Die Zeit 49/2019 zum Thema Introversion:
https://www.zeit.de/2019/49/introvertierte-menschen-charakter-ruhe-stille-staerken
• Zu den variierenden Leiter- Stufen und Pyramiden der Partizipation (zwei Beispiele):
Leiter (ursprüngliches Modell): Arnstein, Sherry R. (1969): „A Ladder of Citizen Participation,“ Journal
of the American Planning Association, Vol. 35, No. 4, 216-224.
Pyramide: Straßburger/Rieger (Hg.) (2014): Partizipation kompakt - Für Studium, Lehre und Praxis
sozialer Berufe.
23. Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit
Olaf Eigenbrodt
bibliothek@oskarsson.de
www.oskarsson.de
Notas do Editor
Erwägen Sie, über Folgendes zu sprechen:
Übersicht – Formate, Formen, Methoden der Bürgerbeteiligung
Erwägen Sie, über Folgendes zu sprechen:
Übersicht – Formate, Formen, Methoden der Bürgerbeteiligung
Erwägen Sie, über Folgendes zu sprechen:
Übersicht – Formate, Formen, Methoden der Bürgerbeteiligung
Erwägen Sie, über Folgendes zu sprechen:
Übersicht – Formate, Formen, Methoden der Bürgerbeteiligung