2. chenden Lernzielen, gibt dem Feedback
erst die eigentliche Bedeutung im konti-
nuierlichen Lernprozess.
Wie wichtig Feedback für die persön-
liche Weiterentwicklung im Sinne des le-
benslangen Lernens ist, zeigt eine Meta-
analyse von Davis et al., in der bei 20 Ver-
gleichen zwischen Selbst- und Fremdein-
schätzung nur 7-mal eine positive Asso-
ziation gefunden wurde [5]. Das Alarmie-
rende an den Ergebnissen ist aber v. a.,
dass die schlechteste Übereinstimmung
bei den am wenigsten kompetenten Ärz-
ten nachgewiesen wurde und dass diese
sich aber am besten eingeschätzt hatten.
Was sind die Charakteristika
effektiven Feedbacks?
Als übergeordnetes Prinzip sollte die posi-
tive Wertschätzung allem Feedback zu-
grunde liegen. Dieses Prinzip sollte bei
vielen der empfohlenen „Techniken“ eine
Anpassung an die spezifische Feedback-
Situation ermöglichen (. Tab. 1, [6]).
Spezifität
Durch das präzise Beschreiben von spe-
zifischem Verhalten durch den Trainer
kann Beobachtetes widergespiegelt wer-
den [1]. Durch die Konzentration auf das
konkrete Verhalten, bewegt sich das Feed-
back weg von der Persönlichkeit des Ler-
nenden (und evtl. vorhandenen Vorurtei-
len). So kann es dem Empfänger des Feed-
backs leichter fallen, dies anzunehmen
und mögliche Verhaltensänderungen zu
prüfen. Vom Prinzip her stellt Feedback
eine externe Perspektive für konkretes
Verhalten zur Verfügung. Den Charak-
ter oder die Persönlichkeit der Menschen
werden wir hingegen mit Feedback kaum
ändern können.
Frequenz, Zeitpunkt und Umfang
Feedback wird effektiv, wenn es häufig
und zeitnahe zum Ereignis gegeben wird.
Das Verhalten ist dem Lernenden dann
besser in Erinnerung und kann genau-
er reflektiert werden. Tage später ist es
oft schwer, sich der konkreten Situation
und der emotionalen Verstrickung zu er-
innern. Ausnahme davon wäre ein emo-
tional sehr belastendes Ereignis, das erst
nach emotionaler Verarbeitung durch die
Betroffenen reflektiert und analysiert wer-
den kann [3].
Feedback zu einem einzelnen Zeit-
punkt ist dem wiederholt gegebenen
Feedback unterlegen, weil häufige kleine-
re Korrekturen leichter umzusetzen sind
und eine allmähliche Annäherung an das
erwartete Lernziel ermöglicht wird [1, 11].
Dies ist umso bedeutsamer, je eher der
Gegenstand des Feedbacks im Bereich
von haltungsbezogenen Lernzielen liegt.
Einschränkend muss aber erwähnt wer-
den, dass zu häufiges Feedback vom Ler-
ner als einengend empfunden werden
kann oder auch eine Abhängigkeit vom
Lehrerschaffenkann.DauerndeInterven-
tionen der Trainer erschweren die Selbst-
einschätzung der Lernenden und erlau-
ben es nicht, dass Lernende unabhängig
und selbstständig werden.
Verstärkendes und
korrigierendes Feedback
Beide Formen sind für Lernende nützlich,
wenn das Feedback zielorientiert ist. Ver-
stärkendes Feedback (auch als „Positives“
bezeichnet) vor korrigierendem (auch
„Negatives“ genannt) erhöht die Auf-
merksamkeit beim Empfänger. Darüber
hinaus stärkt es die Wahrnehmung des
Tab. 1 Charakteristika effektiven Feedbacks
Charakteristikum Beispiel
Spezifität Beschreibt ein präzises Beispiel
oderVerhalten
„Ich denke, dein Zugang verur-
sacht Probleme“ vs.„Du machst
das falsch“
Frequenz undTiming Häufig und zeitnahe zum
Ereignis
Verstärkend Beschreibt das Ziel von Feed-
back besser als der Begriff
„positives“ Feedback
„Was willst du beibehalten –
ausbauen?“
Korrigierend Nimmt emotionale Bindung
vom„Negativem“ weg
„Was willst du nicht mehr
machen?“
Reaktion auf Feedback Übergang vom Beschreiben
und Reflektieren zu möglichen
Änderungen
„Kannst du mit dem Beschrie-
benen etwas anfangen?“
Aktionsplan Ist das Ziel von Feedback,
kommt vom Lernenden selbst
„Was werden deine nächsten
Schritte sein?“
Lernklima, -ziele, Evaluation Vorrausetzungen für effektives
Feedback
Edukative Schleife (s. Abb.1)
Tab. 2 Feedback-Regeln
Feedbackgeben
– Alle beobachteten Punkte sind Ressourcen
–Wertschätzung (Feedback ist ein Geschenk)
– Feedback persönlich direkt an Empfänger
– Sachlich, konkrete Beispiele undWahrnehmungen
– KeineVermutungen
– Nichts stehen lassen
– Stärken stärken
– Schwächen schwächen
Feedbackannehmen
– Niemand muss Feedback nehmen
– Ruhig bis zum Ende anhören
–Verständnisfragen stellen
– Keine Erklärungen oder Rechtfertigungen
– In eigeneWorte fassen
–Veränderungsplan für Zukunft überlegen
–Vorschläge ausprobieren
194 | Notfall + Rettungsmedizin 3 · 2012
Leitthema
4. Diese durch Körpersprache und Mimik
vermittelten „indirekten“ Feedbacks ber-
gen die Gefahr, unklar oder doppeldeutig
zu sein bzw. vom Lernenden nicht wahr-
genommen zu werden. Minimales Feed-
back ist in der Regel unidirektional, d. h.,
dass sich der Feedback-Geber hinsichtlich
des Effekts kaum rückversichern kann.
Vorteilhaft ist natürlich der geringe Zeit-
bedarf, der in entsprechenden Situationen
immerhin hilfreich sein kann.
Beispiel für minimales Feedback:
„ja –gut – das ist korrekt“ – oder: „du
machst einen Fehler“
Beschreibendes Feedback
Nun spiegelt der Trainer direkt Beobach-
tetes, indem er die Performanz des Ler-
nenden konkret beschreibt. Er teilt zudem
mit, warum er die Performanz für korrekt
oder falsch hält und begründet somit sei-
ne Bewertung. Daraus können dann Ver-
besserungsansätze abgeleitet werden.
Beispiele für verhaltensbezogenes Feedback:
„Deine Fallpräsentation war klar und
gut strukturiert.“
„Deinem Bericht fehlen wesentliche
Untersuchungsergebnisse.“
„Ich stimme dir zu, da…“
“… das nächste Mal würde ich Folgen-
des machen…“
Interaktives Feedback
Hier wird der Lernende aufgefordert zu ar-
tikulieren, was das zuvor gegebene Feed-
backbeiihmauslöstundwieerodersiesich
diesbezüglich selbst einzuschätzt. Es kann
dann im Anschluss dazu ein Feedback zu
dieser Selbsteinschätzung gegeben werden
undsichausderDiskussionzwischenFeed-
back-Geber und -Nehmer ein Aktionsplan
für die Zukunft entwickeln. Wenn der re-
sultierende Aktionsplan vom Lernenden
selbst kommt, steigert das die Akzeptanz
für eine Verhaltensänderung enorm. Dies
leitet hin zum zuvor schon beschriebenen
Konzept des Feed-Forward [4].
Interaktives Feedback soll die Fähig-
keit zur Selbsteinschätzung fördern. We-
sentliche Defizite sind hier empirisch be-
legt (wie bereits erwähnt) und auch außer-
halb der Medizin beobachtet worden [5, 8,
16]. Daher gilt es als effektiver, wenn ein
Aktionsplan nicht allein aufgrund eigener
Einschätzungen, sondern gemeinsam mit
dem Trainer entwickelt wird („monitored
self-directed learning“; [9]).
Beispiele für interaktives Feedback:
„Wie schätzt du deine Leistung ein? – Ich
sehe das auch so.“
“…stimmstdumeinerBeobachtungzu?“
„Was möchtest du ändern?“
Praktisches zum„eigenen“
Aktionsplan zum Erlernen
von effektivem Feedback
Ganz sicherlich kann effektives Feedback
nicht durch das Lesen eines Artikels oder
durch pures Beobachten anderer erlernt
werden (. Tab. 2, [2, 12]). Das muss in
der Praxis geschehen [13], in Workshops
zum Erarbeiten und Üben von Feedback
und v. a., indem wir Feedback zu unse-
rem Feedback einholen. So können auch
wir uns überlegen, was unsere nächsten
Schritte sein sollen [2, 10, 18].
Auf jeden Fall müssen wir uns auf eine
Beziehung mit den Lernenden einlassen
[21]. Man kann das gut als „Konversa-
tion“ darstellen, in der der Fokus auf spe-
zifisch veränderbarem Verhalten liegt und
nicht auf dem Charakter der Person (Mi-
lan Teaching and Learning in Medicine,
. Tab. 3, PEARLS). Das kann gelingen,
wenn Inhalt und Beziehung möglichst
nicht vermischt werden.
Hinsichtlich des Informationsumfangs
funktioniert Feedback nicht als reiner
„Download“vonbeobachtetenFakten.Das
führt lediglich zu einem „Overload“ von
Information, sodass schließlich gar nichts
mehr aufgenommen und verändert wer-
den kann. Der Feedback-Geber muss die
Schwerpunkte setzen, die aus seiner Sicht
am wichtigsten sind.
„Feedback-Geben“ solltedeutlich expli-
zit gemacht werden, damit es als solches
wahrgenommen werden kann. Mehrere
Untersuchungen haben aufgezeigt, dass
Lernende angeben, sich Feedback öfter zu
wünschen, es aber viel zu selten bekom-
men. Im Gegensatz dazu geben Lehrer an,
durchaus häufig Feedback zu geben [19].
Genauso wichtig ist es, sich Zeit zu
nehmen für Evaluation und Einschätzung.
Evaluation
Aktionsplan
„Was beibehalten?”
„Womit starten?”
„Was beenden?”
„Nächste Schritte?”
Abb. 3 8Von der Evaluation zum Aktionsplan.Während des Evaluationspro-
zesses beobachtet die Lehrkraft („L“) die Interaktion der Studierenden („S“)
mit dem Inhalt des Unterrichts („I“) und bekommt entsprechende Information
über die Performanz zurück. Im Feedback kann nun gemeinsam analysiert und
reflektiert werden, was beibehalten („Stärken stärken“) und was beendet oder
verändert werden soll („Schwächen schwächen“). Daraus können dann die Ler-
nenden ihre nächsten Schritte herausarbeiten und gelangen mit Unterstüt-
zung der Lehrkraft zum Aktionsplan künftigerVeränderungen
verhaltensbezogenes
F e e d b a c k
minimales interaktives
Lernklima
Lernziele
Evaluation
Abb. 2 8 Säulen für effektives Feedback. Die
verschiedenen Ebenen von Feedback können
erst effektiv sein, wenn das Lernklima ein Ge-
spräch im gegenseitigenVertrauen zulässt. Die
Lernziele als Grundlage der Beobachtung und
der Einschätzung müssen bekannt sein, um
einerseits Evaluationskriterien zu haben und an-
dererseits neue Lernziele (einen„Aktionsplan“)
zu formulieren
196 | Notfall + Rettungsmedizin 3 · 2012
Leitthema
5. Bei kontinuierlichem Feedback besteht
die Gelegenheit zu wiederholter Perfor-
manz und wiederholtem Feedback, wo-
durch Kompetenzen und Verhalten suk-
zessive verfeinert werden können.
Wenn möglich, sollte Augenmerk auf
das Etablieren von kontinuierlichem Feed-
back gelegt werden. K.A. Ericsson beschäf-
tigte sich mit der essenziellen Bedeutung
vonkontinuierlichemFeedbackimZusam-
menhang mit dem von ihm als „delibera-
te practice“ bezeichneten Verhalten. Damit
wird eine Form von „zielgerichteter Praxis“
beschrieben, in der der Trainer die Übun-
gen so arrangiert, dass der Plan zur Verbes-
serungderspezifischenKompetenzenstän-
dig neu angepasst wird. „Deliberate practi-
ce“ macht letztlich den Unterschied zwi-
schen Weiterentwicklung und Stagnation
aus(odergardenAbfallvombereitserwor-
benen Kompetenzniveau; [7]).
Feedback ist gerade wegen unserer
Schwierigkeiten in der Selbsteinschät-
zung als „Außenwahrnehmung“ so wich-
tig. Das Konzept des lebenslangen Ler-
nens geht ja davon aus, dass eigene Kom-
petenzlücken wahrgenommen werden
und diese durch entsprechende Lernakti-
vitäten aufgefüllt werden.
Fazit für die Praxis
F Der Zweck von effektivem Feedback,
wie schon eingangs erwähnt, ist
1Stärken zu stärken und
1Schwächen zu schwächen.
F Feedback geben kann erlernt werden,
und zwar auf der Ebene vonWissen,
Fertigkeiten und Haltungen. In der
Interaktion mit dem Lernenden soll
ein Perspektivenabgleich zwischen
spezifischer, zeitnaher Beschreibung
eines beobachtetenVerhaltens mit
einem vorgegeben Standard erfol-
gen, mit dem Ziel einen Plan zurVer-
haltensänderung zu formulieren.
Effektives Feedback ermöglicht letzt-
endlich
1den Lernenden ihrWissen, ihre
Fertigkeiten und ihre Haltungen zu
verbessern,
1den Lehrenden zu erfahren, wie sie
ihren Unterricht effektiver gestal-
ten können.
Korrespondenzadresse
Dr. J. Breckwoldt
Klinik für Anästhesiologie
mit Schwerpunkt operative
Intensivmedizin, Charite –
Universitätsmedizin Berlin,
Campus Benjamin Franklin
Hindenburgdamm 30,
12200 Berlin
jan.breckwoldt@charite.deDanksagung. Vie-
le Gedanken dieses Artikels stammen aus der publi-
zierten Literatur, aber noch viel mehr aus den vielen
Gelegenheiten zu Feedback im Unterricht. So möch-
ten wir uns besonders bei allen Lernenden bedanken,
die unsere Erkenntnisse im Feedback erweitert haben.
Speziellen Einfluss hatten sicherlich auch die Erfahrun-
gen aus den Kursen des European Resucitation Coun-
cils und aus denWorkshops des„Stanford Faculty De-
velopment Center for MedicalTeachers“ (http://sfdc.
stanford.edu/; [17]), das die theoretische Grundlage für
den Artikel geliefert hat.
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor
gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-
senkonflikt besteht.
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21. Ridder JM van de, Stokking KM, McGaghieWC, Ca-
te OT ten (2008)What is feedback in clinical educa-
tion? Med Educ 42:189–197
Tab. 3 Effektives Feedback geben – das„PEARLS“-Konzept nach [14, 15]: Um eine Bezie-
hung aufzubauen sind folgende Punkte entscheidend
Partnership (Partnerschaft): „Ich schätze es, mit dir an dem Projekt zu
arbeiten“
Empathy (Einfühlungsvermögen): „Es klingt frustrierend, sich so abzumühen“
Apology (Entschuldigung): „Es tut mir leid, von deinen Schwierigkeiten zu
hören“
Respect (Respekt): „Danke, dass du deine Ansichten mit uns teilst“
Legitimation (Rechtfertigung): „Das ist wirklich eine schwierige Aufgabe“
Support (Unterstützung): „Mal schauen, wie ich dir dabei helfen kann“
197Notfall + Rettungsmedizin 3 · 2012 |