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Benediktbeurer Gespräche
der Allianz Umweltstiftung 2011

„Die Stadt von morgen
wird durch den gebaut, der sie
neu zu denken wagt.“
I N H A L T      1




D I E B E N E DI K T B E U R E R G E S P R ÄC H E D E R AL L I AN Z

U M W E LT S T I F T U NG

am 06. Mai 2011 hatten zum Thema: „Die Stadt von morgen

wird durch den gebaut, der sie neu zu denken wagt.“




                              5      Pater Karl Geißinger,                   43   Prof. Dr. Harald Welzer,
                                     Rektor des Zentrums für Umwelt               Direktor des Center for Interdisciplinary
                                     und Kultur im Kloster Benediktbeuern,        Memory Research am Kulturwissen-
                                     Benediktbeuern                               schaftlichen Institut Essen
                                                                                  und Professor für Sozialpsychologie
                              9      Prof. Dr. h.c. Dieter Stolte,                an der Universität St. Gallen,
                                     Vorsitzender des Kuratoriums der             Essen
                                     Allianz Umweltstiftung,
                                     München                                 51   Diskussion des Tagungsthemas


                            15       Dr. Lutz Spandau,                       73   Impressum
                                     Vorstand der Allianz Umweltstiftung,
                                     München


                            23       Prof. Albert Speer,
                                     Architekt, Albert Speer & Partner,
                                     Frankfurt


                            31       Dr. Dieter Salomon,
                                     Oberbürgermeister der Stadt Freiburg
                                     im Breisgau,
                                     Freiburg
D I E       A L L I A N Z      U M W E L T S T I F T U N G             3




D I E AL L IA N Z U MW E LT ST I F TU NG :                                   Die Benediktbeurer Gespräche.
                                                                             Alljährlich treffen sich auf Einladung der
Aktiv für Mensch und Umwelt.
                                                                             Allianz Umweltstiftung streitbare und neu-
                                                                             gierige Geister im Kloster Benediktbeuern.
                                                                             Die Benediktbeurer Gespräche sollen
                                                                             den Blick weiten für die Fragestellungen
                           „Mitwirken an einem lebenswerten Dasein           von morgen.
                           in der Zukunft.“ Diese Maxime für Schutz,
                           Pflege und Entwicklung von Natur und              Leitmotiv der Benediktbeurer Gespräche ist,
                           Umwelt hat die Allianz Umweltstiftung in          die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu
                           ihrer Satzung verankert. Anlässlich ihres         fördern, starre Konfrontationen aufzulösen
                           100-jährigen Jubiläums im Jahr 1990 über-         und die umweltpolitischen Diskussionen zu
                           nahm die Allianz mit Gründung der Um welt-        versachlichen.
                           stiftung in einem neuen Bereich gesell -
                           schaftliche Verantwortung.                        Mit ihrer Streitkultur haben sich die Be ne-
                                                                             diktbeurer Gespräche zu einem Forum des
                           Bei allen Projekten bindet die Allianz            kontinuierlichen Neu-, Anders- und Weiter-
                           Umweltstiftung den wirtschaftenden                denkens entwickelt. Damit tragen sie dazu
                           Menschen ein. Dabei ist das wesentliche           bei, den Boden für eine nachhaltige Zu kunft
                           Ziel aller Förderprojekte der Schutz des          zu bereiten, denn die kann „in Zeiten, in
                           Naturhaus haltes unter Berücksichtigung           denen es keine linearen Handlungsanweisun-
                           der wirtschaftlichen Entwicklung.                 gen mehr gibt, nur im kontinu ierlichen
                                                                             gesellschaftlichen Lernprozess entstehen“,
                           Ökologisch und ökonomisch, sozial und             so Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz
                           kulturell – jedes Projekt leistet auf seine Art   Umweltstiftung.
                           einen Beitrag zur praktischen Umsetzung
                           eines aktuellen Zukunftsthemas. Denn immer        „Die Stadt von morgen wird durch den gebaut,
                           geht es um die Idee des „Sustainable De -         der sie neu zu denken wagt.“ war das Thema
                           vel opment“, die beispielhafte Realisierung       der fünfzehnten Benediktbeurer Gespräche
                           nachhaltigen Wirtschaftens – also um die          am 06. Mai 2011.
                           Förderung einer dauerhaft umweltgerechten
                           Entwicklung, die auch künftigen Generatio-        Die Referate und aus ihnen resultierende
                           nen ein lebenswertes Dasein ermöglichen           Schlussfolgerungen werden mit diesem
                           soll.                                             Band der Schriftenreihe „Benediktbeurer
                                                                             Gespräche der Allianz Umweltstiftung“
                           Ausgehend von der Überzeugung, dass               publiziert.
                           grundlegende Umweltfragen nur im gesell-
                           schaftlichen Konsens zu lösen sind, hat die
                           Allianz Umweltstiftung ein unabhängiges
                           Diskussionsforum geschaffen.
B E G r ü S S U N G             P A T E r   K A r L       G E I S S I N G E r        5




„D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T,

D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“

Begrüßung durch Pater Karl Geißinger, Rektor des Zentrums

für Umwelt und Kultur im Kloster Benediktbeuern.




                         Meine sehr verehrten Damen und Herren,


                         in meiner Eigenschaft als Leiter des Zent-
                         rums für Umwelt und Kultur danke ich Ihnen
                         allen, dass Sie heute hierher gekommen
                         sind, und heiße Sie ganz herzlich willkom-
                         men zu den traditionell von der Allianz
                         Umweltstiftung ausgerichteten Benediktbeurer
                         Gesprächen. Sie sind ein Zeichen unserer         denn es gibt gewaltige Probleme zu lösen.
                         engen Verbundenheit und Partnerschaft, die       Dabei geht es um Fragen der Infrastruktur,
                         sich im Laufe der letzten 15 Jahre bei vielen    der Wasser- und Energieversorgung, des
                         gemeinsamen Aktivitäten bewährt hat.             Verkehrs, der Sicherheit, des Katastrophen-
                                                                          schutzes, der Versorgung der Menschen auch
                         „Die Stadt von morgen wird durch den             in Krisensituationen, des Umweltschutzes
                         gebaut, der sie neu zu denken wagt“, lautet      und vieles mehr. Ich meine, dass die Planer
                         das Motto der diesjährigen Tagung. Es weist      solcher Megastädte gut daran täten, nicht
                         darauf hin, dass unsere moderne Welt             nur nach technischen Lösungen zu suchen,
                         einem besonders raschen Wandel unterwor-         sondern stets zugleich auch an die nicht
                         fen zu sein scheint. Zum ersten Mal in der       rein materiellen Bedürfnisse der Menschen
                         Geschichte der Menschheit leben mehr             zu denken, also an das, was eine Stadt im
                         Menschen in Städten als auf dem Land.            Grunde erst lebens- und liebenswert macht.
                         Dieser Trend wird sich fortsetzen – vor allem
                         in China, Indien und den Ländern Afrikas.        Das Leben von immer mehr Menschen
                         Ganz neue Metropolen und Megastädte              wird heute bestimmt von den Folgen der
                         werden entstehen. So wird das Leben in der       Globalisierung, der zunehmenden Mobili-
                         Stadt immer stärker das Leben der Menschen       tät, des Konsums und der sich rasant
                         prägen.                                          entwickelnden Kommunikationsmittel.
                                                                          Letztere führen dazu, dass wir uns zuneh-
                         Es ist nicht nur wichtig, sondern auch           mend in einer virtuellen Welt bewegen.
                         ungemein spannend, sich vorzustellen und         Wir sind ständig von Menschen umgeben
                         darüber zu diskutieren, wie diese Städte         und begegnen einander doch nicht
                         denn aussehen könnten, ja wie sie aussehen       wirklich.
                         sollten. Hier sind neue Ideen, kreative
                         Entwürfe und mutige Impulse gefragt,
6   B E G r ü S S U N G    P A T E r        K A r L      G E I S S I N G E r




                     Die menschlichen Grundbedürfnisse –            wird? Wie lässt sich ein gesunder Orga-
                     zum Beispiel nach einem Zuhause, nach          nismus schaffen, der wachsen kann, ohne
                     Geborgenheit, nach Heimat, nach Beziehun-      zu wuchern und sich selbst zu zerstören?
                     gen mit anderen Menschen, nach Gemein-         Wie kann man neue Städte denken, wo
                     schaft, nach einem Lebensumfeld, das wir       Menschen unterschiedlicher Kulturen und
                     selbst gestalten und mit bestimmen können –    Religionen willkommen sind und Arme und
                     all diese Bedürfnisse sind bei der Planung     Reiche miteinander leben können? Ist es
                     der neuen Städte zu berücksichtigen.           möglich, Gemeinwesen zu entwickeln, die
                                                                    zur Heimat werden können auch für
                     Werfen wir einen Blick auf das, was die        entwurzelte Menschen, die offen sind für
                     Großstädte unserer Welt heute für viele        Flüchtlinge, Vertriebene oder Gestrandete,
                     Menschen – für die, die in ihnen leben, und    Orte, in denen Menschen nicht ausgegrenzt
                     für die, die sie als Touristen besuchen –      werden und nicht in Gettos leben müssen,
                     attraktiv macht. Viele dieser Großstädte,      Städte mit Herz also?
                     sogar wenn sie nur allzu oft auch furchtbare
                     Elendsviertel haben oder von trostlosen        Müssen solche Städte Utopien bleiben? Ich
                     Trabantenstädten umgeben sind, vor allem       bin sehr gespannt, welche Entwürfe, welche
                     aber, wenn es sich um gewachsene, nicht        Impulse, welche Ideen und Fragen heute
                     einfach auf dem Reißbrett entworfene           im Laufe dieser Benediktbeurer Gespräche
                     und aus dem Boden gestampfte Städte            vorgestellt und diskutiert werden.
                     handelt, haben ein Zentrum, eine Mitte, ein
                     Herz. Was sie so anziehend macht, können       Nochmals herzlichen Dank Ihnen, die Sie
                     prachtvolle Bauwerke sein – sei es ein         hierher gekommen sind, und der Allianz
                     Schloss, eine Burg oder ein Dom – vielleicht   Umweltstiftung für die Wahl dieses Themas.
                     auch besondere Grünanlagen wie Gärten
                     oder Parks: In jedem Falle sind es Orte, die   Ich wünsche Ihnen allen fruchtbare Diskus-
                     Geschichte atmen, die einen besonderen         sionen und einen spannenden Tag.
                     Charme, eine bezaubernde Ästhetik oder
                     eine Atmosphäre haben, die einen gefangen
                     nimmt. Solche Städte besitzen ihre eigene
                     Identität oder vermitteln die des Landes,
                     in dem sie liegen. Kurz, es sind Städte mit
                     einem Herz, die mehr bieten als bloß
                     Wohnungen, Arbeitsplätze und Einkaufs-
                     zentren.


                     Für die Planer der Megastädte der Zukunft
                     stellen daher gerade solche Fragen die
                     größte Herausforderung dar: Wo wird das
                     lebendige Herz der neuen Stadt sein? Wie
                     kann man diese so gestalten, dass sie zum
                     Biotop, zum Lebensraum für Menschen
B E G r ü S S U N G              P r o F .      D r .     H . c .     D I E T E r        S T o L T E     9




„D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T,

D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“

Begrüßung durch Prof. Dr. h. c. Dieter Stolte, Vorsitzender des

Kuratoriums der Allianz Umweltstiftung.




                         Meine sehr verehrten Damen und Herren,


                         ich begrüße Sie herzlich zu den diesjährigen
                         Benediktbeurer Gesprächen der Allianz
                         Umweltstiftung. Sie erinnern sich vielleicht:
                         Im letzten Jahr haben wir an dieser Stelle den
                         20. Geburtstag der Allianz Umweltstiftung
                         gefeiert. Aber auch in diesem Jahr gibt es
                         ein Jubiläum: Die Benediktbeurer Gespräche       Mit diesen Schwerpunkten ihrer Förder-
                         der Allianz Umweltstiftung finden nun            tätigkeit sieht sich die Stiftung auf einem
                         bereits zum 15. Mal statt!                       guten Weg, auch in Zukunft wichtige Beiträge
                                                                          zur Lösung gesellschaftlich relevanter Pro-
                         Anlässlich ihres 20. Geburtstages hat die        bleme leisten zu können. Schließlich fühlt
                         Allianz Umweltstiftung eine Weiterentwick-       sie sich nach wie vor gleichermaßen verant-
                         lung ihrer bisherigen Förderkonzeption           wortlich für Natur und Umwelt in ihrer
                         diskutiert. Ein Expertengremium erörterte in     Vielfalt wie für Mensch und Gesellschaft in
                         diesem Zusammenhang vor allem die Mög-           unserer zunehmend globalisierten Welt.
                         lichkeit der Einbeziehung aktueller Probleme
                         und gesellschaftlich relevanter Fragen aus       Ein zentrales Zukunftsthema ist die fort-
                         dem Umweltbereich.                               schreitende Verstädterung, die enorme
                                                                          Zunahme sogenannter Megacities an Zahl
                         Ergebnis dieser Strategiegespräche war           und Größe. Nicht zuletzt aus diesem Grund
                         sowohl die Aktualisierung bisheriger als auch    wurde der Förderbereich „Leben in der
                         die Festlegung neuer Förderschwerpunkte der      Stadt“ in das Programm der Stiftung aufge-
                         Allianz Umweltstiftung in den Bereichen          nommen. Die Wahl des Themas der dies-
                                                                          jährigen Benediktbeurer Gespräche – „Die
                           Umwelt- und Klimaschutz,                       Stadt von morgen wird durch den gebaut,
                           Leben in der Stadt,                            der sie neu zu denken wagt“ – ist Ausdruck
                           nachhaltige Regionalentwicklung,               dieser neuen Konzeption.
                           Biodiversität und
                           Umweltkommunikation.
10   B E G r ü S S U N G    P r o F .       D r .      H . c .        D I E T E r       S T o L T E




                      Die Menschheit wächst und damit auch der           Gebäude. Im Wüstensand vor den Toren
                      Hunger nach Bildungs- und Aufstiegschancen.        Abu Dhabis entsteht unter Federführung
                      Immer mehr Menschen zieht es in die                des Büros des britischen Stararchitekten
                      Städte. Megacities wirken wie gesellschaft-        Norman Foster die ökologische Musterstadt
                      liche Magneten. Von ihnen erwarten die             Masdar, die ganz ohne die Verwendung
                      Menschen Lösungen für ihre Probleme – oft          fossiler Brennstoffe auskommen soll. „Die
                      nicht ahnend, dass sie die alten nur gegen         Stadt“, schreibt Hanno Reuterberg in seinem
                      neue eintauschen.                                  bemerkenswerten Artikel „Die andere
                                                                         Revolution“ in der ZEIT vom 24.02.2011,
                      Seit 2007 leben auf unserem Globus mehr            „will die Welt nicht allein durch Forschung
                      Menschen in Städten als in ländlichen              und Technik retten, sie möchte den Men-
                      Gebieten. UN-Prognosen zufolge wird sich           schen auch neue Gewohnheiten nahe-
                      die Verstädterung fortsetzen. Gleichzeitig         bringen. […]
                      verschieben sich die demographischen
                      Gewichte: Während die Bevölkerung in fast          Während in Deutschland Moderne und
                      allen Industriestaaten schrumpft, wächst sie       Tradition gern gegeneinander ausgespielt
                      in Schwellen- und Entwicklungsländern.             werden, finden sie hier mit erstaunlicher
                      Dieser Trend bedeutet weltweit eine große          Selbstverständlichkeit zusammen. […]
                      Herausforderung für Politiker und Städte-          Die Zukunft ist nicht futuristisch. Sie lernt
                      planer. Kofi Annan, der ehemalige UN-Gene-         aus der Geschichte.“
                      ralsekretär, hat sogar von einem „Jahrtausend
                      der Städte“ gesprochen. Zunehmend ent-             Anders in Südkorea. In der Nähe von
                      scheiden sich die Menschen gegen ein Leben         Seoul wird mit einem Mammutprojekt die
                      auf dem Land und für ein Leben in der Stadt:       „Stadt der Städte“ gebaut, ein modernes
                      Sie ziehen dorthin, wo sie sich Wohlstand          Utopia auf dem Wattenmeer durch Auf-
                      und eine bessere Zukunft erhoffen.                 schüttung von Erdreich abgerungenem Land:
                                                                         New Songdo City. Aber auch in China setzt
                      Unter welchen Voraussetzungen sind                 man noch auf städtebauliche Gigantomanie,
                      diese Hoffnungen berechtigt? Wie müssen            wie die Millionenstadt Chongqing zeigt,
                      die neuen Städte aussehen, damit sie sich          in der Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden
                      erfüllen?                                          schießen und Zehntausende von Wander-
                                                                         arbeitern ihr Glück suchen.
                      Die Ballungszentren – schon heute gibt
                      es mehr als 130 Städte mit über drei               Es fällt allerdings schwer zu glauben,
                      Millionen Einwohnern – verbrauchen etwa            dass die Zukunft der Menschheit von einem
                      80 Prozent der weltweit verfügbaren Ressour-       Leben in Städten geprägt sein soll, die
                      cen. Städte wie New York, London, Oslo,            komplett auf dem Reißbrett entstanden
                      Vancouver oder München arbeiten bereits            sind.
                      an Plänen zum Bau kombinierter Wohn- und
                      Arbeitsviertel, zur Reduzierung des Verkehrs
                      und zur Errichtung energieoptimierter
12   B E G r ü S S U N G    P r o F .        D r .      H . c .       D I E T E r      S T o L T E




                      Was eine Stadt im eigentlichen Sinne               Wie der chinesische Politiker Deng Xiaoping
                      ausmacht, ist schließlich ihr ureigener,           einmal gesagt hat, kommt es stets darauf
                      mindestens über Jahrzehnte, meist sogar            an, die Wahrheit in den Tatsachen zu suchen.
                      über Jahrhunderte gewachsener Charakter            Dies sollten auch wir tun bei der Beschäfti-
                      und ihre Geschichte, die nicht nur im              gung mit den Fragen, die sich uns stellen,
                      Stadtbild, sondern auch in der Vielfalt ihrer      wenn wir über das Thema unserer heutigen
                      Bewohner zum Ausdruck kommt.                       Veranstaltung diskutieren:


                      Vielen Großstädten droht heute eine                  Wie werden wir in den „Städten der
                      soziale Spaltung. Und das gilt nicht nur für         Zukunft“ wohnen, leben und arbeiten?
                      die Megacities Afrikas, Asiens und Süd-
                      amerikas mit ihren unkontrolliert wuchern-           Welche ökonomischen, ökologischen und
                      den Slums. Auch in Europa gilt es zu                 sozialen Gesichtspunkte werden bei der
                      verhindern, dass die Städte zunehmend in             Entwicklung und Gestaltung der Städte
                      ein lebendiges Zentrum und eine trostlose            eine Rolle spielen?
                      Peripherie zerfallen. Es ist eine wichtige
                      Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich die              Wie lässt sich die zunehmende Verstädte-
                      Infrastruktur einer Stadt entsprechend den           rung steuern, damit die „Stadt der Zukunft“
                      Bedürfnissen ihrer Bewohner entwickelt.              gestaltbar bleibt?
                      Dafür aber bedarf es neuer Mobilitäts-
                      konzepte, bei denen es nicht nur darum               Welche Folgen hat der demographische
                      gehen darf, möglichst viel Mobilität zu              Wandel für die Städte?
                      ermöglichen, sondern auch um die Frage
                      gehen muss, wieviel Mobilität mit welchen            Wie kann man Städte vor Katastrophen
                      Verkehrsmitteln eine moderne Stadt über-             schützen?
                      haupt braucht.
                                                                         Auf diese und viele andere essentielle
                      Städte verursachen massive Umwelt-                 Fragen gilt es Antworten zu finden. Allerdings
                      probleme: Sie breiten sich immer weiter aus,       wird wohl keine Antwort umfassend oder
                      verbrauchen enorme Mengen an Wasser und            gar endgültig sein können. Aber wir können –
                      Nahrungsmitteln, verpesten die Luft und            gleichsam Mosaiksteine aneinanderfügend –
                      produzieren Unmengen Müll. Städte produ-           allmählich ein Bild von der Stadt der Zukunft
                      zieren einen sehr großen Teil der weltweiten       entstehen lassen. Und wenn uns das heute
                      Gesamtemission von Treibhausgasen und              noch nicht gelingt, dann vielleicht morgen …
                      sind damit wesentlich mitverantwortlich für        oder übermorgen.
                      den Klimawandel.
                                                                         Ich freue mich, in unserem Kreis hervor-
                                                                         ragende Fachleute begrüßen zu können, die
                                                                         uns die vielfältigen Aspekte unseres neuen,
                                                                         hochaktuellen Themas erläutern werden:
13




  Herr Professor Albert Speer, international    diese stetig weiterentwickeln. In diesem
  renommierter Architekt und Stadtplaner        Sinne möchte ich den Salesianern Don
  mit Projekten u.a. in Dschidda, Shanghai      Boscos für die langjährige Zusammenarbeit
  und Moskau,                                   danken und gleichzeitig zusichern, dass
                                                wir sie auch in Zukunft tatkräftig unterstüt-
  Herr Dr. Dieter Salomon, Oberbürger-          zen werden.
  meister von Freiburg im Breisgau,
  Bündnis 90/Die Grünen,                        Meine Damen und Herren, ich wünsche
                                                uns allen ergiebige und interessante
  Prof. Dr. Harald Welzer vom Kulturwissen-     Benediktbeurer Gespräche 2011 mit leben-
  schaftlichen Institut Essen,                  digen Diskussionen.


  Herr Gerhard Matzig, im Feuilleton            Ich darf jetzt den Vorstand unserer
  der Süddeutschen Zeitung zuständig für        Umweltstiftung, Herrn Dr. Spandau, bitten,
  Architektur und Stadtplanung, hat gestern     in seiner bewährten Art die Leitung
  aus gesundheitlichen Gründen leider           der Benediktbeurer Gespräche 2011 zu
  absagen müssen. Herr Dr. Spandau hat          übernehmen.
  jedoch buchstäblich in letzter Minute
  eine interessante Lösung gefunden, die
  er Ihnen später vorstellen wird.


Meine Damen und Herren, an einem Ort
wie diesem, wo manch einer wohl eher
erwarten würde, in sich gekehrten Mönchen
in dunklen Kutten zu begegnen, haben die
Salesianer Don Boscos mit dem Zentrum für
Umwelt und Kultur eine weltoffene Institution
geschaffen. Hier wird in der geistigen Aus-
einandersetzung mit Fragen der Regionalität,
Umweltbildung und Nachhaltigkeit sowie
Kunst und Kultur die Einsicht in die unauf-
lösliche Vernetzung des Menschen mit der
Schöpfung vermittelt – und dies nicht auf
belehrende Weise, sondern stets getreu dem
Motto des Klosters mit „Freude am Leben“.


Mit den 15. Benediktbeurer Gesprächen
zeigen die Allianz Umweltstiftung und das
Zentrum für Umwelt und Kultur, dass sie
kontinuierlich an ihren Zielen arbeiten und
E I N F ü H r U N G         D r .     L U T Z       S P A N D A U         15




„D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T,

D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“

Einführung von Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz

Umweltstiftung, München.




                         Meine sehr geehrten Damen und Herren,


                         „Wir sollten uns alle Gedanken über die
                         Zukunft machen, weil wir den Rest unseres
                         Lebens in ihr werden verbringen müssen“,
                         hat der amerikanische Erfinder und Philosoph
                         Charles F. Kettering einmal gesagt.


                         Wer gäbe ihm nicht recht? Wer besäße           Lebens vielleicht 200 bis 300 Leute
                         nicht gerne eine Kristallkugel, die schon      getroffen. Heute dagegen lebt und arbeitet
                         früh zeigt, was auf einen zukommt?             zum Beispiel jeder Bewohner von New
                         Zum Beispiel wie unsere Städte in 15 oder      York City in einem Umkreis von weniger
                         20 Jahren aussehen. Schließlich werden         als einem Kilometer mit 20.000 Menschen
                         die meisten von uns einmal in ihnen leben      zusammen. Wir haben uns zum Homo
                         müssen.                                        urbanus entwickelt.


                         Das Jahr 2007 war ein Wendepunkt in            Inzwischen gibt es auf der Welt 400 Städte
                         der Geschichte der Menschheit: Einem           mit mehr als einer Million Einwohnern und
                         Bericht von UN-HABITAT, dem Programm           20 Städte mit über zehn Millionen. Die
                         der Vereinten Nationen für menschliche         Zahl der Menschen, die in Städten leben, hat
                         Siedlungen zufolge, lebten vor vier Jahren     sich seit 1950 vervierfacht. Im Jahr 2030
                         zum ersten Mal mehr Menschen in Städten        werden voraussichtlich mehr als 60 Prozent
                         als auf dem Land. In Zukunft, so die Prog-     der Erdbevölkerung in Städten leben. Bis
                         nose, wird der größte Teil der Weltbevölke-    zum Jahr 2050 könnten es 75 Prozent sein.
                         rung in riesigen Stadtgebieten wohnen,         Die Städte sind verantwortlich für 75 Prozent
                         die meisten davon zusammengepfercht und        des weltweiten Energieverbrauchs und für
                         übereinandergestapelt in Megastädten, die      80 Prozent der CO 2-Emissionen.
                         zusammen mit ihren wild wuchernden
                         Vorstädten oft mehr als zehn Millionen Ein-    Die am schnellsten wachsenden Städte
                         wohner zählen. Dies ist ein neues Phäno-       liegen in Indien, China und im südlichen
                         men. Noch vor 200 Jahren hat der durch-        Afrika.
                         schnittliche Erdenbürger im Laufe seines
16   E I N F ü H r U N G    D r .        L U T Z     S P A N D A U




                      Schätzungsweise einer von drei Stadt-           sowie Freizeit- und Einkaufszentren auf
                      bewohnern, insgesamt also rund eine Mil-        der grünen Wiese wucherten die Städte an
                      liarde Menschen, lebt in Slums aus schlecht     ihren Rändern ins Umland. Die bereits 1933
                      gebauten Hütten oder Häusern mit unzu-          verabschiedete „Charta von Athen“ des
                      reichender Trinkwasserversorgung und pre-       einflussreichen schweizerisch-französischen
                      kärer Sicherheitslage.                          Architekten Le Corbusier, mit der dieser
                                                                      die Schaffung lebenswerter Wohn- und
                      Gleichzeitig herrscht in vielen Städten –       Arbeitsgebiete durch Trennung der verschie-
                      oder Stadtteilen – nie dagewesener Wohl-        denen städtischen Funktionsbereiche pro-
                      stand mit scheinbar grenzenlosem Konsum         pagierte, hatte diese Entwicklung begünstigt,
                      einer vom Individualismus geprägten             die in den 70er Jahren des vergangenen
                      Gesellschaft. Niemand wird ernsthaft glau-      Jahrhunderts mit dem Ideal der autogerech-
                      ben, dass sich der Trend zur Verstädterung      ten Stadt ihren Höhepunkt erreichte. Wohnen
                      aufhalten oder gar umkehren ließe. Es           im Grünen außerhalb der Stadt war so zum
                      kann daher nur darum gehen, die Urbani-         Trend geworden.
                      sierung nachhaltig zu gestalten.
                                                                      Die Folgen dieser sogenannten Suburbani-
                      Es versteht sich von selbst, dass die Städte    sierung sind unübersehbar: hoher Flächen-
                      der reichen, technologisch hochentwickelten     verbrauch, ständig steigendes Verkehrs-
                      Regionen der Welt dabei eine Vorreiterrolle     aufkommen, zunehmende Umweltbelastung
                      übernehmen sollten. Wenn eine ökologisch        und sterbende Innenstädte. Heute versucht
                      verträgliche, nachhaltige Urbanisierung über-   man diesen Fehlentwicklungen mit den
                      haupt möglich ist, dann sind sie es, die        neuen Leitbildern Ökologie und Nachhaltig-
                      zeigen könnten, wie es konkret funktionie-      keit zu begegnen, wie sie sich in den 80er
                      ren kann. Die Städte Mitteleuropas mit ihren    und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts heraus-
                      komplexen, manchmal auch chaotischen            gebildet haben. Wieder sind die Städteplaner
                      Strukturen müssten als eine Art „Labor“         gefordert.
                      dienen, um durch beispielhafte Architektur
                      und eine weitsichtige Verkehrspolitik ein-      Bislang ist von wirklichen Verbesserungen
                      schließlich neuer Mobilitätskonzepte auch       nur wenig zu spüren. Noch immer sprechen
                      anderswo die Entwicklung der Städte positiv     Experten von der aufgelösten Stadt und
                      zu beeinflussen.                                vermelden ein zunehmendes Wachstum der
                                                                      Städte. Längst ist sogar von Stadt- und
                      Dabei scheint es mir wichtig, dass wir          Metropolregionen die Rede.
                      uns vom traditionellen Bild der Stadt verab-
                      schieden. Die „richtige“ Stadt, wie wir         Wird sich diese Entwicklung umkehren
                      sie uns noch immer vorstellen, ist ein bau-     lassen? Oder werden wir die Definition des
                      lich verdichteter Raum innerhalb eindeutiger    Begriffes Stadt neu überdenken müssen? Wie
                      Grenzen. Einen solchen klar abgegrenzten        sieht in Zeiten weiter wuchernder Städte
                      Raum, der einmal als eindeutiges Kriterium      und zunehmender Ressourcenknappheit die
                      für Urbanität gegolten hat, gibt es heute nur   Stadt der Zukunft aus?
                      noch selten, denn mit Gewerbegebieten
18   E I N F ü H r U N G    D r .     L U T Z       S P A N D A U




                      In einer sich ständig verändernden Welt        In der Süddeutschen Zeitung vom 9. Dezem-
                      ist es notwendig, das „Modell Stadt“           ber 2010 schrieb Gerhard Matzig unter der
                      fortzuentwickeln. Dabei gilt es, die Balance   Überschrift „Kathedralen für das Übermor-
                      zu finden zwischen Wirtschaftswachstum         genland“ über Prof. Speer: „Albert Speer und
                      und Nachhaltigkeit, zwischen baulicher         seine Partner sind so etwas wie das grüne
                      Expansion und Bewahrung des historischen       Gewissen der Branche. Erst vor kurzem
                      Erbes, zwischen einem sprunghaften             haben sie ein Manifest für nachhaltige Stadt-
                      Anstieg des Flächenverbrauchs und neuen        planung in Buchform veröffentlicht.“ Weiter
                      Formen des Zusammenlebens, zwischen            heißt es: „Der deutschen Ingenieurskunst,
                      gestiegenen Ansprüchen in Bezug auf die        der man hierzulande eher misstraut, bietet
                      individuelle Mobilität und den Kapazitäts-     man anderswo gerade dort Baugrund an, wo
                      grenzen der Verkehrswege, zwischen den         es um anspruchvolle und zukunftsweisende
                      Generationen und zwischen den sich immer       Architektur geht. Wenn sich die Konzepte
                      stärker spaltenden sozialen Gruppen.           von Albert Speer und Partner z.B. in Katar als
                                                                     tragfähig erweisen sollten, wird man dies
                      Die Zukunft der Stadt wird also vor allem      vielleicht sogar in Stuttgart zur Kenntnis
                      davon abhängen, ob es gelingt, zu einem        nehmen.“
                      tragfähigen Ausgleich zu kommen zwischen
                      diesen und vielen anderen unterschiedlichen    Für Professor Speer rührt ein Hauptproblem
                      ökonomischen und ökologischen Interessen       der europäischen Städte – besonders der
                      und Bedürfnissen immer komplexer werden-       im zweiten Weltkrieg stark zerstörten – von
                      der Gesellschaften.                            den von Le Corbusier geprägten Planungs-
                                                                     prinzipien der „funktionalen Stadt“. Sie
                      Ob und – wenn ja – wie dies gehen kann,        hatten dazu geführt, dass in den 50er und
                      wollen wir mit unseren Experten disku-         60er Jahren an den Stadträndern und somit
                      tieren.                                        weit entfernt von den Innenstädten, wo die
                                                                     Menschen arbeiteten und einkauften,
                      Wir begrüßen Herrn Prof. Albert Speer,         Hoch- und Reihenhaussiedlungen errichtet
                      ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Stadt-   wurden. Das Entstehen solcher Schlafstädte
                      und Regionalplanung in Kaiserslautern und      in den Außenbezirken war eng verbunden
                      Gastprofessor an der ETH Zürich.               mit damaligen gesellschaftlichen Idealen, die
                                                                     längst ihre Gültigkeit verloren haben, da
                      Das Büro Albert Speer & Partner in Frank-      inzwischen auch auf dem Gebiet der Städte-
                      furt am Main beschäftigt mehr als 120          planung ein Paradigmenwechsel stattgefunden
                      Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an       hat. Wie sich nämlich zeigte, hat das Pendeln
                      Projekten in Ägypten, Aserbaidschan, China,    zwischen Wohnstätte und Arbeitsplatz öko-
                      Katar, Russland, der Türkei und auch in        nomisch wie ökologisch erhebliche negative
                      Deutschland arbeiten.                          Folgen. So kostet die individuelle Mobilität
                                                                     jeden Haushalt im Durchschnitt mehr als
                      Prof. Speer hat zahlreiche internationale      zwölf Prozent seines Nettoeinkommens – von
                      Auszeichnungen erhalten und Preise             den Umweltschäden infolge des hohen
                      gewonnen.                                      Spritverbrauchs und des damit verbundenen
                                                                     CO 2-Ausstoßes ganz zu schweigen.
19




Heute, so Prof. Speer, soll die Stadt der         Stadtentwicklungspläne,
Zukunft dem Wunsch der Menschen gerecht
werden, am selben Ort zu wohnen und               Leitpläne einschließlich Verkehrspläne,
zu arbeiten. Ihrem Bedürfnis, mit dem Nach-       Lärmminderungspläne, Pläne zur
barn auf dem Markt einen Schwatz halten           Entwicklung der Wirtschaft und des
zu können, anstatt auf mehrspurigen Straßen       Wohnungsbaus, Jugendhilfepläne,
aneinander vorbeizurauschen, soll wieder          Kulturentwicklungspläne und Klima-
stärker entsprochen werden.                       schutzprogramme,


Wir wollen die vier K’s – Kultur, Konsum,         Flächennutzungspläne,
Kita und Kontakte – wieder mitten in der
Stadt.                                            Bebauungspläne, Projekt- und Erschlie-
                                                  ßungspläne sowie
Lieber Herr Prof. Speer, ist die Stadt der
Zukunft ein Dorf? Wir freuen uns über Ihre        städtebauliche Rahmenpläne,
Teilnahme an den Benediktbeurer Gesprä-
chen und begrüßen Sie herzlich.                 um nur einige wenige zu nennen.


Machen wir uns nun auf den Weg in die           Herr Oberbürgermeister Dr. Salomon,
wundersame Öko-Stadt Freiburg im Breisgau:      vermag eine Stadtverwaltung angesichts
Hier regieren die Grünen, Häuser drehen         einer solchen Flut von Regulierungs-
sich schon seit Jahren zur Sonne und die        vorgaben den Bedürfnissen ihrer Bürger
Menschen sind volkstümlich grün. In Freiburg    überhaupt noch gerecht zu werden? Ist
erreichten die Grünen bei der Landtagswahl      es angesichts dieser Lage nicht unausweich-
am 27. März dieses Jahres 43 Prozent. Regiert   lich, dass die Bürger selbst aktiv Leitvor-
wird die Stadt seit 2002 von dem grünen         stellungen für die Entwicklung ihrer Städte
Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon.           diskutieren und entwerfen nach dem
                                                Motto „Lebst du nur oder machst du schon
Vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister           mit?“ Ist es vor diesem Hintergrund nicht
war Dr. Salomon Abgeordneter im Landtag         alles andere als ermutigend, dass „Wut-
von Baden-Württemberg und Vorsitzender          bürger“ zum Wort des Jahres ernannt
der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.             wurde? Wie lässt sich eine Stadt unter
Dr. Salomon ist Pragmatiker. Manche sehen       solchen Bedingungen in und mit unserer
in ihm gar einen grünen Technokraten.           heutigen Gesellschaft noch entwickeln?


Vielleicht muss man Technokrat sein,            Kurz: Haben unsere Städte überhaupt
um überhaupt noch den Überblick behalten        noch eine Zukunft? Wir freuen uns,
zu können über die zahlreichen, bei der         von Ihnen mehr über diese Probleme zu
Entwicklung unserer Städte zu berücksich-       hören – und hoffentlich auch von den
tigenden behördlichen Vorgaben und ver-         Möglichkeiten, sie zu lösen – und begrüßen
waltungstechnischen Instrumente als             Sie herzlich hier in Benediktbeuern.
da sind:
20   E I N F ü H r U N G    D r .      L U T Z       S P A N D A U




                      Unsere Volksvertreter seien überfordert          Er fordert ein Ende der aus seiner Sicht
                      und zu sehr mit ihrem Kampf ums politische       unsäglichen Kombination aus Expertokratie
                      Überleben beschäftigt. Da die Kaste der          und Politik. Expertokratie bedeutet für
                      Politiker für Idealisten und Visionäre keinen    ihn, dass technokratische Planer festlegen,
                      Platz mehr habe, müsse der Anstoß von            was notwendig ist, dies dann an die Politiker
                      außen kommen, von einer neuen außerparla-        weitergeben, welche es nun ihrerseits auf
                      mentarischen Opposition – einer Art netz-        gesetzgeberischem Wege durchdrücken und
                      unterstützten APO 2.0, meinte der Soziologe      dann staunen, dass die Leute nicht wollen,
                      und Sozialpsychologe Prof. Dr. Harald            was ihnen da vor die Nase gesetzt wird.
                      Welzer auf der Utopia-Konferenz im Sep-
                      tember 2010.                                     Dies provoziert natürlich die Frage, wie
                                                                       heute überhaupt noch Projekte realisierbar
                      Prof. Welzer lehrt Sozialpsychologie an          sein sollen. Können Bürgerinnen und Bürger
                      der Universität Witten/Herdecke und leitet       wirklich die Experten ersetzen? Lässt sich
                      am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen       unter solchen Bedingungen die Stadt von
                      das Zentrum für interdisziplinäre Gedächtnis-    morgen überhaupt entwickeln? Wie könnte
                      forschung. Prof. Welzer forscht, um Fragen       die Planung und Entwicklung unserer Städte
                      zu beantworten – brisante und aktuelle           durch ein Zusammenspiel von Experten,
                      Fragen. Letztendlich, sagt er, betreibe er ein   Verwaltung und Bürgern gelingen?
                      Laboratorium der Gegenwart und der
                      Zukunft.                                         Wir freuen uns, mit Ihnen darüber diskutieren
                                                                       zu können und begrüßen Sie, Herr Prof.
                      Prof. Welzer sieht, dass die Bürger unserer      Welzer, herzlich hier bei den Benediktbeurer
                      Republik in verschiedenen Bereichen              Gesprächen.
                      dagegen zu protestieren beginnen, dass ihnen
                      Entscheidungen aufoktroyiert werden, die         Wie Herr Prof. Stolte bereits erwähnte,
                      mitzutragen sie nicht bereit ist. Zu der bei     hat Herr Matzig seine Teilnahme an unserer
                      Planungsprozessen üblichen Moderation, die       Veranstaltung kurzfristig abgesagt: Einer
                      oft zum Ziel hat „den Bürger mitzunehmen“,       Kehlkopfentzündung wegen kann er heute
                      bemerkte er in einem Interview über die          leider nicht kommen. Ich habe also die
                      Auseinandersetzung um das Projekt „Stutt-        Aufgabe, Ihnen – nach dem Vorbild Hannibals,
                      gart 21“ in der taz vom 23. Oktober 2010         der bei der Überquerung der Alpen gesagt
                      kritisch: „Ich zum Beispiel will von niemanden   haben soll: „Entweder wir finden einen Weg
                      mitgenommen werden. Bürger wollen Dinge          oder wir bauen einen“ – spätestens bis zum
                      beurteilen und Folgen von Entscheidungen         Beginn der Diskussion eine Lösung zu
                      für ihre eigene Gegenwart und Zukunft            präsentieren. Und ich verspreche Ihnen: Ich
                      abschätzen, das ist mehr als legitim. Die        werde eine finden.
                      Schlussfolgerung daraus ist, dass man sie von
                      Anfang an partizipieren lassen muss.“            Sinngemäß vertritt Herr Matzig in verschie-
                                                                       denen Beiträgen in der Süddeutschen Zeitung
                                                                       folgende Thesen: „Wenn wir heute über
                                                                       die Stadt von morgen diskutieren, geht es
21




nicht nur um München, Garmisch und
Olympia, es geht nicht nur um den Stuttgarter
Bahnhof, den Wiederaufbau des Berliner
Stadtschlosses, die Hamburger Elbphilhar-
monie oder die Dresdener Waldschlösschen-
Brücke, und es geht auch nicht nur um
Hochhäuser und Windkraftanlagen.


Es geht um weit mehr: Es geht um Revolte,
Bürgerbegehren und die Renaissance des
Außerparlamentarischen – und damit um
einen allmählich fast gespenstisch anmutenden
modernen Widerspruchsgeist, der einer
neuen Verdrossenheit entspringt.


Was hat sich geändert? Warum stoßen
Innovationen und Visionen heute auf soviel
Ablehnung? Warum misstraut man dem
Machbaren, dem Wandel, dem Neuen?


Es ist kaum zu bezweifeln, dass Fragen
der Nachhaltigkeit inzwischen nahezu alle
anderen Themen verdrängen. Wenn wir
wegen dieser grundsätzlichen Bedenken aber
jeglicher Euphorie für andere Dinge verlustig
gehen, werden wir kaum in der Lage sein,
Lösungen für die Probleme der Zukunft zu
finden – nicht einmal für die, die wir selbst
im Glauben an die Zukunft verursacht
haben.“


Ich denke, wir dürfen uns auf ebenso
spannende wie kontroverse Diskussions-
beiträge freuen. Lassen Sie uns keine
Zeit verlieren, lassen Sie uns einsteigen in
die Benediktbeurer Gespräche der Allianz
Umweltstiftung zum Thema „Die Stadt
von morgen wird durch den gebaut, der
sie neu zu denken wagt“.
V o r T r A G        P r o F .      A L B E r T        S P E E r      23




„D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T,

D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“

Vortrag von Prof. Albert Speer, Architekt, Albert Speer & Partner,

Frankfurt.




                         Meine sehr verehrten Damen und Herren,


                         zunächst möchte ich mich herzlich für die
                         heutige Einladung bedanken. Ich bedanke
                         mich bei Pater Geißinger, der in seiner
                         Begrüßungsansprache bereits ganz Wesent-
                         liches zum Thema gesagt hat, bei meinem
                         Freund und Weggenossen Dieter Stolte und
                         bei Herrn Dr. Spandau, der das Thema            nologien abgelesen werden kann, ist
                         weit geöffnet hat, so dass es für mich nicht    ein wesentliches Thema. Eben zu diesen
                         leicht werden wird, diese Bandbreite von        Umbrüchen gehört auch das Thema des
                         Aspekten in den mir zur Verfügung stehen-       heutigen Tages: neu denken. Genauso gehört
                         den 20 Minuten aufzugreifen. Es kann mir        aber auch die Geschichte, die Vergangenheit
                         nicht umfassend gelingen, weil „die Stadt“      dazu, also das, was die Menschen früher
                         als Thema einfach zu groß und zu vielschich-    gedacht haben. Eine der großen Herausforde-
                         tig ist. Wie Sie bereits wissen, sind mein      rungen der heutigen Epoche ist, dass man
                         Büro und ich in vielen Ländern dieser Erde      diese beiden Teile, Vergangenheit und sich
                         tätig und wir konnten dabei viele unter-        rasant wandelnde Gegenwart, zusammen
                         schiedliche Erfahrungen sammeln. Wegen          „denken“ muss.
                         der begrenzten Vortragszeit kann ich leider
                         nur einzelne Stücke dieses über Jahrzehnte      Beginnen möchte ich mit einem Zitat aus
                         angehäuften Schatzes erörtern und nicht         einem Aufsatz des bekannten deutschen
                         über die vielfältigen Entwicklungen reden,      Hirnforschers Prof. Dr. Wolf Singer mit dem
                         die aktuell in der ganzen Welt stattfinden.     Titel „Die Architektur des Gehirns als Modell
                         Ich werde mich daher auf einige wenige,         für komplexe Stadtstrukturen?“ Ich habe
                         wesentliche Bereiche konzentrieren.             mich des Öfteren mit Prof. Singer, der in
                                                                         Frankfurt forscht, über dieses Thema unter-
                         Bei dem bisher Gesagten wurde eines             halten. Er sagt, dass beide Systeme, das
                         bereits ganz klar: Die Menschheit befindet      Gehirn und die Stadt, aus einer Vielzahl eng
                         sich in einer Phase rasanten Umbruchs.          miteinander verknüpfter Komponenten
                         Die Geschwindigkeit selber, mit der sich        bestehen, die in hoch dynamischer Weise
                         die Welt heute verändert und die beispiels-     miteinander interagieren.
                         weise an der rasanten Entwicklung der
                         Kommunikations- und Informationstech-
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                      Beide Systeme seien das Ergebnis eines            Ich habe einmal den Begriff der „intel-
                      Entwicklungsprozesses, der im Wesentlichen        ligenten Stadt“ geprägt. Damit meine ich,
                      auf Prinzipien der Selbstorganisation beruht.     dass wir in unseren Siedlungen mit allen
                      Weder Stadt noch Gehirn entstünden nach           zur Verfügung stehenden Ressourcen intelli-
                      einem bis in die Einzelheiten ausgearbeiteten     gent und den sich verändernden Situationen
                      Plan. Beide Systeme wachsen und ihr Wachs-        angepasst, also flexibel umgehen. Dabei
                      tum werde im Wesentlichen von lokalen             müssen wir sowohl Chancen und Möglich-
                      Interaktionen koordiniert. Es scheine, als ob     keiten als auch die Probleme, die in den
                      sich komplexe Systeme – wenn ihre konstitu-       nächsten Jahrzehnten auf uns zukommen,
                      ierenden Elemente eine kritische Zahl             wegen der langen Reaktionszeiten bei der
                      überschreiten – nach immer gleichen Prinzi-       Veränderung gebauter Strukturen früh-
                      pien selbst organisierten und damit Stabilität    zeitig erkennen. Ich denke, dass wir dies
                      erlangten.                                        bislang bei weitem nicht intelligent genug
                                                                        tun. Dies gilt für die Städte überall auf
                      Dieses Doppelbild liefert auf die Stadt           der Welt.
                      bezogen eine wunderschöne und treffende
                      Zusammenfassung unserer Problematik:              Ich bin der Überzeugung, dass wir alle
                      Die Stadt ist ein lebendiger, sich ständig ver-   beim Umgang mit den Themen „Klimawandel“
                      ändernder Organismus, der nicht bis in alle       und „nachhaltiges Wirtschaften“ nicht konse-
                      Einzelheiten planbar ist. Die Rolle der           quent genug sind, und das nicht, weil wir
                      Stadtplaner ist daher auch nur ein Faktor         es nicht könnten, sondern weil unsere
                      unter vielen anderen. Ich habe schon immer        Organisationsstrukturen es nicht hinreichend
                      behauptet, dass die Bedeutung von Planung         fordern oder womöglich gar nicht zulassen.
                      und Architektur in unserer Gesellschaft           Die Veränderung unserer Lebensbedingungen,
                      und in den Medien im Vergleich zu ihrem           die Anpassung unserer Lebensweise an die
                      tatsächlichen Einfluss auf die Entwicklung        Rahmenbedingungen der heutigen Welt durch
                      unserer Lebensumstände maßlos über-               effizientere Nutzung von Energiereserven
                      schätzt wird.                                     und Ressourcen beginnt mit der Städtepla-
                                                                        nung und wirkt sich von dort ausgehend auf
                      Planung und Architektur haben – wenn              alle anderen Bereiche aus. Hier könnte sehr
                      man sie in der Gesamtheit der Faktoren ein-       viel mehr getan werden, als wir heute tun.
                      ordnet, die im Entwicklungsprozess der            Dafür, dass dies nicht geschieht, gibt es viele
                      Stadt eine Rolle spielen – vielleicht einen       Gründe.
                      Anteil von fünf Prozent. Planung ist
                      eben nur die Beratung zu Prozessen und            Um mehr tun zu können, brauchen wir
                      Entscheidungen, die dann unter dem Einfluss       ein neues Denken in Gesellschafts- und Wirt-
                      von Wirtschaft, Politik und anderen gesell-       schaftspolitik. Die Entwicklungsdynamik in
                      schaftlichen Kräften umgesetzt werden.            Wirtschaft und Wissenschaft dank weltweiter
                      Insofern sind Planer als Dienstleister aber       Kooperation, ermöglicht durch den Einsatz
                      durchaus auch wichtig, und das nicht              immer schnellerer, den ganzen Globus
                      nur für die bauliche Zukunft unserer Städte.      umspannender Kommunikationsmittel, eröff-
                      Sie beeinflussen im Erfolgsfall auch die          net ungeheure Chancen. Wenn ich mich
                      Lebensweise der Bewohner.
25




beispielsweise mit unseren Kollegen in China      keit und Flexibilität er mit Hilfe dieses
über eine wichtige Detailfrage im Zusam-          Werkzeugs ein Problem lösen kann. Das hat
menhang mit einem Projekt in Shanghai aus-        große Vorteile, aber eben auch einen unge-
tausche, ist dies in Sekundenschnelle getan.      heueren Nachteil: Die hohe Geschwindigkeit
Die Technologien, die dies ermöglichen, sind      und die Beliebigkeit der Planänderungen
also gewiss ein großer Segen – aber sie           zwingen nicht mehr zum fundierten Nach-
haben auch einen entscheidenden Nachteil:         denken. Alles wird austauschbar. Es funktio-
Sie lassen uns nicht mehr genügend Zeit, um       niert sehr einfach, aber die Resultate
über die wesentlichen Dinge nachzudenken.         erscheinen oft viel weniger durchdacht. Mehr
Eigentlich geht alles zu einfach. Wir werden      Technik bedeutet bei allen Möglichkeiten
nicht schnell, sondern hastig.                    also nicht in jedem Fall „neues Denken“.


Ich selbst kann mit diesen Techniken              Ganz ähnlich verhält es sich mit der
kaum umgehen. Ich habe nicht einmal ein           erhofften Energie- und Ressourceneinsparung
Handy – und komme so hervorragend                 durch neue Technik: Die oft als Lösung der
zurecht. Allerdings nur deshalb, weil es          Umweltprobleme angeführte Entkoppelung
hinter mir genug Menschen gibt, die               von Verbrauch und Produktion durch
mit diesen Medien umgehen können. Mir             technologischen Fortschritt findet tatsächlich
aber schafft die Abstinenz eine gewisse           statt. Die Einsparungen werden allerdings
Freiheit.                                         durch steigenden Konsum aufgefressen und
                                                  oft sogar überkompensiert. Und selbst wenn
Vor vielen Jahren, als es noch keine              wir nur unsere liebgewonnenen Standards
Computer gab, hatte ich mir angewöhnt,            halten, wird das Wohlstandsstreben von bald
an den Wochenenden durch das Büro zu              neun Milliarden Erdbewohnern auch trotz
gehen und zu einzelnen Projekten für deren        noch so großem technischen Fortschritt das
jeweilige Bearbeiter schriftliche Anmer-          System an den Anschlag bringen. Wirklich
kungen zu hinterlassen. Diese wurden von          nachhaltig kann deshalb nur ein Lebensstil
meinen Mitarbeitern „Liebesbriefe“ genannt.       ohne Konsumzuwachs sein, bei dem das Wohl-
Wer am Montag auf seinem Schreibtisch             ergehen des Einzelnen auf anderen als
keine Notiz vorfand war traurig, weil ich         materiellen Werten fußt.
mich offenbar um sein Projekt nicht geküm-
mert hatte. Auf diese Weise entstand eine         Zu den modernen Fehlentwicklungen
Zusammenarbeit, die auch optisch nachvoll-        gehört auch, dass wir viel zu schnell – und
ziehbar war.                                      das kennzeichnet zu einem Gutteil die Archi-
                                                  tekturgeschichte der Neuzeit – der Meinung
Heute gehe ich am Wochenende nicht                waren, wir müssten uns um die Historie
mehr ins Büro, denn ich finde dort die Arbeits-   und den Charakter einer Stadt überhaupt
stände nicht mehr physisch vor. Die Schreib-      keine Gedanken mehr machen. Die Architek-
tische sind leer, die gesamte Arbeit versteckt    tur präge einen neuen Menschen und der
sich im Computer. Wenn ich heute zu               neue Mensch lebe in einer anderen, technik-
einem Mitarbeiter gehe und mit ihm am Bild-       orientierten Welt ohne Geschichte.
schirm ein Thema diskutiere, bin ich immer
wieder erstaunt, mit welcher Geschwindig-
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                      Heute haben wir gelernt, dass in einer            Kühlung mittels Durchlüftung der Straßen
                      Welt, in der die Anforderungen an die Archi-      und Beschattung von Gebäuden wieder-
                      tektur immer ähnlicher werden – eine Küche        zubeleben, um deren Aufheizen unter der
                      in China hat die gleiche Größenordnung            Wüstensonne zu verhindern. Diese Prinzipien
                      und Ausstattung wie eine Küche in Europa          haben wir vor 35 Jahren in unserer Diplo-
                      oder den USA – Charakter und Flair einer          matenstadt von Riad in Saudi Arabien auch
                      Stadt für das urbane Leben künftig eine           schon erfolgreich angewandt, obgleich schon
                      viel größere Rolle spielen werden als die         damals und noch bis heute aufwändig klima-
                      Architektur. Ich versuche bei unseren Pro-        tisierte Glaspaläste in die Wüste gebaut
                      jekten stets, die Besonderheit und Einmalig-      wurden.
                      keit einer Stadt, die sich aus Kultur, Land-
                      schaft und Klima sowie den unterschiedlichen      Ich möchte betonen, dass „neues Denken“
                      gesellschaftlichen, religiösen und wirtschaft-    auch beinhalten muss, dass wir die Bevölke-
                      lichen Faktoren ergibt, in den Mittelpunkt        rung an der Entwicklung unserer Städte
                      unserer Planungen zu stellen.                     beteiligen. Wir müssen die Dinge mit den
                                                                        Menschen gemeinsam erarbeiten und sie
                      Wir sind in China nicht zuletzt deshalb           nicht erst nachträglich über Entscheidungen
                      erfolgreich, weil wir als eines der ersten aus-   informieren, die über ihre Köpfe hinweg
                      ländischen Architekturbüros die chinesische       getroffenen wurden. Bei zwei unserer Pro-
                      Stadtgeschichte studiert haben. Dabei             jekte in Köln und in München haben wir mit
                      entdeckten wir Prinzipien, die so modern          ernst genommener Partizipation viel erreicht.
                      und nachhaltig sind, dass wir sie zur Grund-      Das Projekt „Stuttgart 21“ hingegen ist aus
                      lage neuer Entwürfe machten. Auch die             meiner Sicht das erschreckendste Misslingen
                      für ihre enorme Lernfähigkeit bekannten           einer Planung in den letzten Jahren. Es
                      Chinesen berücksichtigen sie bei ihren            darf einfach nicht sein, dass man trotz
                      eigenen Arbeiten heute wieder viel stärker        Einhaltung aller vorgeschriebener formeller
                      als dies noch vor wenigen Jahren der Fall         Beteiligungsverfahren erst nach 15 Jahren
                      war. Ich bin fest davon überzeugt, dass           Planung anfängt, ernsthaft mit der Bevölke-
                      wir unsere Denkfaulheit und unser blindes         rung über Sinn und Nutzen eines solchen
                      Vertrauen in die modernen Technologien            Vorhabens ins Gespräch zu kommen.
                      überwinden und zum Nachdenken zurück-
                      kehren sollten.                                   Ich habe einmal den – zugegeben – wohl
                                                                        etwas utopischen und rein rechtlich leider
                      In unser neues Nachdenken müssen                  kaum praktikablen Vorschlag gemacht,
                      auch die aus dem Studium der Geschichte           dass man in Deutschland bei großen städte-
                      gewonnenen Erfahrungen einfließen.                baulich relevanten Maßnahmen die Suche
                      Von Prof. Stolte wurde bereits die Modell-        nach einem Konsens über ein Projekt
                      stadt Masdar in Abu Dhabi erwähnt. Dort           gesetzlich auf höchstens fünf Jahre begren-
                      wird nicht nur versucht, eine hypermoderne,       zen sollte. Reicht dieser Zeitraum nicht aus,
                      mustergültige neue Stadt ohne CO 2-Emis-          ist das Projekt abzubrechen. Alles andere
                      sionen zu bauen. Es wird auch versucht,           ist den Menschen nicht zumutbar.
                      uralte arabische Methoden der natürlichen
V o r T r A G           P r o F .        A L B E r T   S P E E r   29




In diesem Zusammenhang hört man –             Stadt München und den Münchner Vereinen
auch von Politikern – immer wieder, dass      FC Bayern und TSV 1860 ein auf ein Drei-
die Bürger daran schuld seien, dass Pro-      vierteljahr angesetztes Verfahren entwickelt
jekte lange verschleppt werden. Ich bin da    und dabei 28 Standorte untersucht. Am
vollkommen anderer Meinung: Schuld            Ende blieben zunächst zwei Standorte übrig
sind unsere komplexen, die Bevölkerung        und wir erreichten einen fast einstimmigen
nur minimal einbeziehenden Beteiligungs-      Beschluss des Stadtrates für Freimann, wo
verfahren. Man müsste sie ganz anders         das Stadion dann auch gebaut wurde. Wir
aufziehen. Bürgerentscheide aber – das        haben der Stadt München geraten, nicht zu
vorweg – sind dabei alleine auch nicht aus-   warten, bis kritische Bürgerinitiativen –
reichend, obwohl uns das einige gesell-       die es bei jedem Großvorhaben gibt – einen
schaftliche Kräfte glauben machen wollen.     Bürgerentscheid fordern, sondern selber eine
Stadtentwicklung ist in der Regel zu kom-     Abstimmung durchzuführen. Dazu gehörte
plex, um auf eine Ja/Nein-Entscheidung        selbstverständlich auch eine Art Wahlkampf,
reduziert zu werden.                          an dessen Organisation wir beteiligt waren.
                                              Zum allgemeinen Erstaunen waren dabei
Bei unserem Masterplan für Köln haben         über 65 Prozent aller abgegebenen Stimmen
wir das Prinzip der Partizipation beispiel-   für den Standort – bei einer Rekord-Wahl-
haft und sehr ernsthaft angewendet. Bei der   beteiligung von fast 40 Prozent. Damit war
Planung für die gesamte Innenstadt wurden     die Diskussion beendet.
sämtliche relevanten gesellschaftlichen
Gruppen über ein Jahr in den Arbeitsprozess   Wie dieses Beispiel zeigt, muss der Bau
eingebunden. Am Ende hatten wir einen         eines Stadions – und dabei geht es ja nicht
stabilen Konsens für unsere Vision zur        allein um die Arena, sondern auch um neue
„Kölner Innenstadt“ für die nächsten 20 bis   Autobahn- und U-Bahn-Anschlüsse, die
30 Jahre erreicht, die nun allmählich umge-   Verlegung von Industriearealen und vieles
setzt wird. Die Länge unserer Genehmigungs-   andere mehr – nach allen demokratischen
verfahren liegt also nicht an der Beteili-    Regeln der administrativen Kunst gesteuert
gung der Bürger, sondern an der mangelnden    werden, um alle Verfahrens-Hürden zu
Effizienz unserer Verwaltungen und politi-    nehmen. Und das ist uns bei der Allianz
schen Strukturen begründet. Wenn die          Arena innerhalb von nur zwei Jahren gelun-
Verfahren von Anfang an besser organisiert    gen – unter Einhaltung sämtlicher juristischer
und strukturiert werden, funktioniert         und gesellschaftlicher Regeln. Nach gerade
es auch.                                      einmal vier Jahren Bauzeit war das Stadion
                                              fertig. Warum ist das gelungen? Weil Deutsch-
Ein weiteres positives Beispiel ist die       land im Jahr darauf die Fußball-Weltmeister-
Allianz Arena in München. Der Bau eines       schaft ausgerichtet hat. Dies beweist,
neuen Fußballstadions für München war         dass es sehr wohl möglich ist, ein derart
zunächst heiß umstritten. Der Oberbürger-     großes Projekt unter Einbeziehung aller
meister und die Stadtverwaltung waren         relevanten Gruppen in so kurzer Zeit zu rea-
überzeugt, außer dem Olympiastadion gäbe      lisieren. An den notwendigen Fähigkeiten
es überhaupt keinen geeigneten Standort.      dafür fehlt es nicht. Wir setzen sie nur meist
Wir haben dann für die Suche nach alter-      nicht ein.
nativen Möglichkeiten gemeinsam mit der
V o r T r A G           D r .   D I E T E r        S A L o M o N        31




„D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T,

D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“

Vortrag von Dr. Dieter Salomon, Oberbürgermeister der Stadt

Freiburg im Breisgau.




                         Meine sehr verehrten Damen und Herren,


                         ich freue mich, dass ich Ihnen heute eini-
                         ges über die Stadt Freiburg erzählen und dies
                         dann in den Kontext des Tagungsthemas
                         stellen kann. Vor einigen Wochen habe ich
                         Herrn Dr. Spandau gefragt, worüber ich
                         denn in Benediktbeuern referieren solle.
                         Dr. Spandau meinte daraufhin, ich solle ein-      Unsere Demokratie ist im Vergleich mit
                         fach erzählen, wie ich mir das Freiburg der       dem chinesischen System sicherlich sehr
                         Zukunft vorstelle.                                langsam. Wenn wir unseren bisherigen
                                                                           Umgang mit der Atomkraft jetzt im gesell-
                         Und jetzt spricht Dr. Spandau hier von            schaftlichen Konsens korrigieren, ist
                         Megacities in Asien und Afrika, von globalen      unser System sogar ein – ich sage das mit
                         Entwicklungen im Städtebau. Was hat das           aller Vorsicht – fehlerfreundliches System.
                         alles mit dem kleinen Freiburg zu tun?            Zumindest wird demokratisch entschie-
                         Prof. Speer habe ich im letzten Herbst in         den, in welche Richtung es gehen soll.
                         Shanghai getroffen, wo wir mit chinesischen
                         Städteplanern über deren Vorstellung von          Zurück zu Freiburg. Die Stadt hat
                         den Städten der Zukunft diskutieren durften.      220.000 Einwohner. Shanghai hingegen
                         Der Unterschied zwischen China und                hat so viele Einwohner wie ganz Nord-
                         Freiburg – oder Deutschland – ist groß.           rhein-Westfalen. Es drängt sich die Frage
                                                                           auf, was die beiden Städte eigentlich
                         Dort gibt es vielleicht auch Wutbürger,           miteinander gemein haben. Kann man sie
                         aber diese dürfen sich nicht artikulieren.        überhaupt miteinander vergleichen?
                         Dort gibt es keine Zivilgesellschaft.
                         Bürgerbeteiligung sieht dort – überspitzt         Dennoch gibt es etwas, das alle Städte
                         formuliert – folgendermaßen aus: Morgens          der Welt gemeinsam haben: den hohen
                         klopft jemand an die Tür und teilt mit,           CO 2 -Ausstoß. Zusammen produzieren
                         dass man bis zum Abend ausziehen muss,            sie 80 Prozent aller CO 2 -Emissionen.
                         weil ein neues Stadtviertel errichtet             Will man für dieses Problem eine Lösung
                         wird.                                             finden, dann muss sie aus den Städten
                                                                           kommen.
32   V o r T r A G   D r .    D I E T E r        S A L o M o N




                      Ich hatte die Gelegenheit, beim Klima-          Nicht nur unsere Staatsform, die Demo-
                      Gipfel in Kopenhagen dabeizusein, denn          kratie – ich erinnere an die griechische Polis
                      im Rahmen der Veranstaltung gab es              der Antike – hat sich in Städten entwickelt.
                      auch ein Treffen von Bürgermeistern. Auf        Später, im Mittelalter, waren vor allem die
                      einer Podiumsveranstaltung habe ich Arnold      weitgehend unabhängigen Städte fortschritt-
                      Schwarzenegger erlebt, den ehemaligen           lich und wohlhabend. Sie kennen den
                      Gouverneur von Kalifornien. Er sagte –          Spruch: Stadtluft macht frei – und zwar
                      noch bevor der Gipfel gescheitert war –,        innerhalb der Stadtmauern und nicht außer-
                      er könne sich nicht vorstellen, dass sich       halb. Oder denken Sie an die oberitalieni-
                      194 Nationen auf einen gemeinsamen Plan         schen Städte der Renaissance und an die
                      würden einigen können. Darauf könne             der Hanse im Norden, die von Landesherren
                      man lange warten. Aber auch wenn es nicht       unabhängig Handel trieben. Schon früher
                      ginge, müsse man es zumindest versuchen.        waren Probleme, die in Städten entstanden,
                      Dazu müsse man allerdings von unten             immer nur durch Anstrengungen der Städte
                      beginnen, in den Städten, in den Regionen.      selbst lösbar.
                      Darauf gab es heftigen Beifall – kein Wunder,
                      schließlich saßen viele Bürgermeister im        Städte sind sehr unterschiedlich. Auch
                      Publikum.                                       wenn bei Ihren Einführungsworten, lieber
                                                                      Herr Dr. Spandau, ein leicht ironischer
                      Ich bin in verschiedenen Gremien tätig,         Unterton nicht zu überhören war: Freiburg
                      darunter auch in weltweiten Städtenetzen        ist nicht das kleine gallische Dorf. Dass
                      für Nachhaltigkeit. Unter anderem bin           bei der letzten Landtagswahl 43 Prozent
                      ich im Vorstand von ICLEI (International        Grün gewählt haben, heißt ja nicht, dass die
                      Council for Local Environmental Initiatives),   Stadt deshalb anders ist als andere. Wir sind
                      dem Internationalen Rat für kommunale           eine kleine Großstadt. Wir stehen an der
                      Umweltinitiativen. Wir alle haben schon in      34. Stelle der Liste der größten Städte
                      der Schule die Regel gelernt: Du darfst nicht   Deutschlands. Als ich 2002 gewählt wurde,
                      abschreiben. Wer es dennoch tut, wird           standen wir an der 40. Stelle. Wir sind also
                      bestraft. Bei der Stadtentwicklung gilt sie     gewachsen, während andere geschrumpft
                      nicht. Hier darf man sich hemmungslos bei       sind. In Westeuropa stehen wir grundsätz-
                      dem bedienen, was andere besser machen          lich vor dem Problem, dass die meisten
                      als man selbst. Man muss nur darauf achten,     Städte schrumpfen. Im Rest der Welt hin-
                      dass das, was andere vorgedacht und viel-       gegen wachsen sie.
                      leicht sogar schon umgesetzt haben, auch
                      auf die eigenen Probleme übertragbar ist. Das   Die Bevölkerung Europas schrumpft.
                      ist der Wettbewerb um die besten Lösungen.      Die europäischen Städte werden also nicht
                                                                      maßlos wachsen. Die Städte werden wohl
                      Deshalb müssen die Lösungen aus den             auch in der Zukunft ähnlich aussehen
                      Städten heraus kommen – auch wenn sie           wie heute. Aber sie müssen sich verändern.
                      im einzelnen sehr unterschiedlich sein          Wir müssen innerhalb des Bestehenden
                      können. Städte waren immer schon Keim-          umbauen. Um dies bewerkstelligen zu
                      zellen für Fortschritt und Umgestaltung.        können, brauchen wir Visionen.
V o r T r A G         D r .      D I E T E r    S A L o M o N   35




Was aber ist eine Vision? Helmut Schmidt         Verwaltungsbereiche Energie, Verkehr,
hat einmal gesagt: Wer Visionen hat, soll        Bauen und Soziales zusammenführt.
zum Arzt gehen. Das würde ich so nicht           Wie in vielen anderen Städten ist auch in
unterschreiben. Gewiss, viele Ideen haben        Freiburg eine Tendenz zur Reurbanisierung
mit der Wirklichkeit nichts zu tun und           zu beobachten. Immer mehr Menschen,
lassen sich auch nicht verwirklichen. Aber       die in den 60er und 70er Jahren in die
es gibt nicht nur negative, sondern auch         Vororte – in die sogenannten Speckgürtel –
positive Visionen.                               gezogen sind, kehren im fortgeschrittenen
                                                 Alter in die Innenstädte zurück, also
Alexander Mitscherlich, der große Frank-         dorthin, wo es eine urbane Infrastruktur
furter Soziologe, hat in den 60er Jahren des     mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Theatern,
vorigen Jahrhunderts ein Buch geschrieben        Kinos, Ärzten, Krankenhäusern, Volkshoch-
über „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“.        schulen usw. gibt.
Darin ging er davon aus, dass die Architektur
die Menschen prägt, und dass die Städte die      Freiburg ist eine Stadt, die in den letzten
Menschen krank machen – eine Horrorvision.       Jahren ständig gewachsen ist. Zuerst hat sich
Dem stelle ich eine positive Vision gegen-       der Osten der Bundesrepublik stark entvöl-
über wie die von Prof. Speer, die auch jeder     kert, dann teilweise der Norden. Aber auch
Oberbürgermeister haben sollte, der seine        wir im Süden und Südwesten werden nur
Stadt voranbringen möchte. Sie geht aus von      noch wenige Jahre wachsen. Der demogra-
der Erkenntnis, dass es der Mensch selbst        phische Wandel wird für uns die nächste
ist, der die Städte gestaltet und prägt.         Herausforderung sein. Wie werden Lösungen
Ausgangspunkt kann also nicht die Architek-      finden müssen für die Probleme, die sich
tur sein. Sie darf nicht zum Selbstzweck         daraus ergeben, dass die Menschen immer
werden, sondern muss dem Ziel dienen, den        älter und der Anteil der Alten an der Bevöl-
Menschen ein Stadtleben – Wohnen, Arbeiten,      kerung immer größer wird. Zugleich werden
Einkaufen und Freizeitgestaltung – zu ermög-     wir einen Umbau unserer Städte bewerk-
lichen, das sie eben nicht krank macht.          stelligen müssen.


Eine – wenn nicht die – Hauptforderung           Freiburg ist – auch wenn es 2010 von
für die Entwicklung aller Städte heißt: Sie      der Deutschen Umwelthilfe zur „Bundes-
müssen nachhaltig werden. Während der            hauptstadt des Klimaschutzes“ gewählt
letzten drei Tage fand in Stuttgart die Haupt-   wurde – kein Öko-Disneyland. Vielleicht
versammlung des Deutschen Städtetages            sind wir durch unsere ökologische Ausrich-
statt, in deren Rahmen ich ein Forum mit         tung in einer etwas besseren Lage als
dem Titel „Die Zukunft der Stadt ist nach-       andere Städte, aber auch wir befinden uns
haltig“ leiten durfte.                           in einem Umgestaltungsprozess, der noch
                                                 viele Jahre in Anspruch nehmen wird.
Dabei ging es um das Thema integrierte           Wir haben den großen Vorteil – und das
Stadtentwicklung, also darum, dass es allein     mag mit den 43 Prozent für die Grünen
schon aus Gründen des Klimaschutzes einer        zusammenhängen –, dass unserer Bürger
Politik bedarf, welche die unterschiedlichen     bereit sind, diesen Wandel mitzugehen.
36   V o r T r A G   D r .       D I E T E r     S A L o M o N




                      In einer demokratischen Gesellschaft ist        ohne ständig in die Fläche zu wachsen.
                      Bürgerbeteiligung schließlich Voraussetzung     Darüber wurde mit großer Bürgerbeteiligung
                      für gesellschaftlichen Wandel. Unser Image      diskutiert. Als ich ins Amt kam, wurde eine
                      als „Green City“ und die jährlich 25.000        Arbeitsgruppe gebildet, die diese Diskussion
                      Besucher aus aller Welt, welche die beiden      so lange moderiert hat, bis von 200 hoch-
                      neuen, integriert gebauten Stadtteile besich-   umstrittenen Flächen nur noch drei oder vier
                      tigen, bestätigen uns jedenfalls in unserer     strittig waren. Alle anderen wurden ein-
                      Politik.                                        stimmig akzeptiert. Seither gibt es über diesen
                                                                      Flächennutzungsplan keinen Streit mehr,
                      In den 60er Jahren herrschte in Freiburg        denn alle Beteiligten haben von Anfang an
                      Wohnungsnot. In der Folge wurden neue           mitgesprochen.
                      Stadtviertel aus Hochhäusern auf die grüne
                      Wiese gebaut – ohne jegliche Infrastruktur,     Ein solches Vorgehen ist also möglich,
                      Verkehrsanbindung oder öffentlichen             aber es ist sehr aufwendig. Andererseits ist
                      Nahverkehr. Es gab keine Kindergärten,          es ein gangbarer Weg, um aus Wutbürgern
                      keine Schulen, keine Kirchen, keine Ein-        Mutbürger zu machen.
                      kaufsmöglichkeiten. Da durften wir uns
                      nicht wundern, dass wir zehn Jahre später       Man muss den Bürgern die Möglichkeit
                      die größten sozialen Probleme hatten.           geben, Dinge in die eigene Hand zu nehmen,
                                                                      wobei die Verwaltung diesen Prozess
                      30 bis 40 Jahre danach haben wir ver-           natürlich steuern muss. Christian Ude, der
                      sucht, es besser zu machen, indem wir von       alte und neue Präsident des Deutschen
                      Anfang an die Infrastruktur mit aufgebaut       Städtetages, hat gesagt: Man muss die Bürger
                      haben.                                          ernst nehmen und ihnen Gelegenheit geben,
                                                                      sich zu äußern und sich einzubringen.
                      Was das Thema Bürgerbeteiligung und             Aber man darf auch in unserer repräsenta-
                      Stadtteilentwicklungsplan angeht, so wer-       tiven Demokratie das Kind nicht mit dem
                      den wir uns, Herr Prof. Speer, demnächst        Bade ausschütten und den demokratisch
                      den Masterplan von Köln ansehen. Dazu           gewählten ehrenamtlichen Gemeinderäten,
                      wird unser Baubürgermeister mit dem             die sich jahrelang intensiv mit bestimmten
                      Bauausschuss nach Köln fahren. Verwal-          Problembereichen beschäftigt haben, die
                      tungsfachleute aus verschiedenen Ämtern         Verantwortung nehmen.
                      werden in Workshops gemeinsam mit
                      der Bürgerschaft diskutieren, wie sich der      Man muss ihnen sagen: Ihr müsst am
                      betreffende Stadtteil in den nächsten           Ende den Bürgern gegenüber verantworten,
                      10 bis 15 Jahren entwickeln soll. Bürger-       was Ihr beschließt. Dafür seid Ihr gewählt
                      beteiligung bedeutet, die Menschen              und dafür müsst Ihr geradestehen.
                      mitzunehmen. Die zentrale Frage unseres
                      Flächennutzungsplans als Drehbuch für           Vor 20 Jahren, auf der ersten Umwelt-
                      die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte ist,       konferenz in Rio, wurden die Themen
                      wie wir unsere Stadt entwickeln können,         Klimaschutz und Nachhaltigkeit entdeckt.
                                                                      Der Begriff Nachhaltigkeit – englisch:
37




sustainability – stammt ursprünglich aus          weltwirtschaft, sah sich irgendwann
der Forstwirtschaft. Er besagt, dass man im       zu dem Einwurf veranlasst: „Ich muss hier
Prinzip nicht mehr verbrauchen darf als           festhalten: Freiburg ist nicht Deutschland.“
nachwächst. Jede Generation sollte so             Worauf ich erwidert habe: „Sie haben völlig
handeln, dass ihre Kinder und Enkel über          recht, Frau Müller. Aber ich würde auch
ihre Lebensbedingungen selbst entscheiden         nie behaupten, dass am Freiburger Wesen die
können. Ein solches Verhalten hat nicht           Welt genesen soll.“
nur eine große ökologische, sondern auch
eine ökonomische, finanzpolitische und            Es kommt nicht auf Freiburg an. Son-
soziale Komponente. Auch Städte funktionie-       dern es kommt darauf an, dass wir uns
ren nur, wenn der soziale Zusammenhalt            alle gemeinsam über die Zukunft der
gewährleistet ist. Wenn eine Stadt sozial         Städte unterhalten müssen, denn wir haben
auseinander bricht oder in sogenannte             Probleme zu lösen, die allen gemeinsam
„gated communities“ – eine Art Gettos der         sind. So unterschiedlich die Städte und so
Reichen – zerfällt, wie es in vielen Städten      verschieden die Wege zu ihrer Lösung daher
Südamerikas der Fall ist, dann funktioniert       auch sein mögen: Am Ende werden die
sie nicht.                                        Lösungen wohl doch ganz ähnlich aussehen
                                                  müssen.
Das soziale Miteinander in westeuro-
päischen Städten kann ich mir nur mit den
„drei T“ vorstellen, den drei Schlüsselbe-
griffen Technologie, Talent and Toleranz, die
dem amerikanischen Wirtschaftswissenschaft-
ler und Stadtsoziologen Richard Florida
zufolge die Zukunftschancen eines jeden
städtischen Gemeinwesens kennzeichnen.
„Technologie“ steht dabei für die für zukunfts-
trächtige Berufe zur Verfügung stehende
Technik, „Talent“ für eine möglichst große
Zahl kreativer Menschen, und „Toleranz“ für
ein hohes Maß an ethnischer, kultureller und
sozialer Vielfalt und einer offenen und freien
Atmosphäre.


Vorige Woche war ich zu einer Sitzung
der von Klaus Töpfer geleiteten Ethik-
kommission eingeladen. Bei dieser Gelegen-
heit habe ich von Freiburg und Südbaden
erzählt und von den Menschen, die dort
manchmal etwas anders denken als anders-
wo. Hildegard Müller, die Vorsitzende des
Bundesverbandes der Energie- und Um-
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     D I E B E N E DI KTB E U R E R G E S P R ÄC H E

     D E R AL L IA N Z U MWE LTS TI F T U NG 2011
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„ D I E S TA DT V O N M O R G E N W I R D

D U R C H D E N G E B AU T , D E R S I E N E U

Z U D E N KE N WAG T. “
40




     D I E B E N E DI KTB E U R E R G E S P R ÄC H E

     D E R AL L IA N Z U MWE LTS TI F T U NG 2011
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„ D I E S TA DT V O N M O R G E N W I R D

D U R C H D E N G E B AU T , D E R S I E N E U

Z U D E N KE N WAG T. “
V o r T r A G          P r o F .     D r .     H A r A L D         W E L Z E r        43




„D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T,

D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“

Vortrag von Prof. Dr. Harald Welzer, Direktor des Center for

Interdisciplinary Memory Research am Kulturwissenschaftlichen

Institut Essen und Professor für Sozialpsychologie an der

Universität St. Gallen.




                          Meine verehrten Damen und Herren,


                          ich kann unmittelbar anknüpfen an das,
                          was Herr Dr. Salomon und Herr Prof. Speer
                          gesagt haben. Herr Prof. Speer sprach von
                          der Problematik der Schnelligkeit. Dazu eine    Ich hatte das Welzersche Theorem ent-
                          kleine Anekdote, an der mir diese besonders     deckt: Das Gute schrumpft proportional zur
                          deutlich geworden ist:                          Ausdehnung der Arbeitszeit. Eine Katastrophe:
                                                                          Jeder dieser Leute arbeitet jetzt nicht mehr
                          Bei einem Flug von München nach Düs-            acht Stunden am Falschen, sondern 16 Stun-
                          seldorf stieg ich spätabends ins Flugzeug, zu   den oder noch mehr. Nicht mehr fünf Tage
                          einer Zeit, zu der man normalerweise ein        die Woche, sondern sieben. Diese Kostüm-
                          Buch liest oder Fernsehnachrichten schaut.      frauen und Laptopmänner, die Sparpotentiale
                          Die Kabine war wie üblich voll mit Laptop-      aufspüren, Optimierungsstrategien entwickeln,
                          männern, und die klappten, sobald die           Kommunikation verbessern, haben dafür
                          Anschnallzeichen erloschen waren, eben ihre     die doppelte Zeit zur Verfügung! Und die,
                          Bildschirme hoch und fingen an, Excel-          die für die Bearbeitung der dabei entstehen-
                          Tabellen auszufüllen, E-Mails zu beantworten,   den Kollateralkatastrophen zuständig sind,
                          Angebote zu schreiben, Berechnungen vor-        auch! Da die Menge derjenigen, die mit aller
                          zunehmen, Vermerke zu verfassen, Formulare      Anstrengung immer alles in die falsche
                          zu entwerfen, also alles das zu tun, was        Richtung optimieren, ohnehin um ein viel-
                          sie auch dann machen, wenn sie woanders         faches größer ist als die derjenigen, die gern
                          sind als im Flugzeug: im Büro, in Warte-        zwischendurch mal innehalten, um nach-
                          lounges, in Cafes, in Meetings und so weiter.   zudenken, wird der Überhang an Zeit, die
                          Dieselbe Sorte Leute hat früher ohne Laptops,   für Unsinn aufgewendet wird, immer größer,
                          Smart Phones, Meetings usw. bis 17 oder         während der Sinn immer kleiner wird:
                          18 Uhr in ihren hässlichen Büros gesessen und   man denkt ja nicht mehr, wenn man länger
                          dann Feierabend gemacht. Damals, so wurde       denkt. Dies hängt zusammen mit dem Pro-
                          mir mit einem Mal klar, hatten sie einfach      blem des Nicht-Innehaltenkönnens.
                          viel weniger Zeit, die falschen Dinge zu tun.
44   V o r T r A G   P r o F .     D r .      H A r A L D            W E L Z E r




                      In unserer Kultur der Dauerkommunika-              Weder bei den Informationen, die wir
                      tion und des Dauerarbeitens gibt es keine          über die Medien bekommen, noch bei unserer
                      Momente der Reflexion. Es merkt doch jeder         eigenen Beschäftigung mit Zukunftsproblemen
                      an sich selbst, wie sich die eigene Arbeits-       gibt es noch einen Moment der Reflexion.
                      weise verändert. Ich ertappe mich manchmal         Wir werden ständig mit Informationen über-
                      dabei, dass ich telefoniere und parallel dazu      flutet, ohne dass wir uns die Gelegenheit
                      E-Mails lese. Ein fürchterliches soziales          gäben, sie zu verarbeiten.
                      Verhalten, absolut unkonzentriert, aber es
                      ist das, was diese Technologien und Schnitt-       Damit kommen wir zum Kern der Pro-
                      stellen zwischen Mensch und Maschine bei           blematik, die sich – zumindest aus meiner
                      uns bewirken. Hier beginnt einiges aus             Sicht – aus der Entwicklung der Städte und
                      dem Ruder zu laufen.                               – sogar noch weiter gefasst – der modernen
                                                                         Gesellschaften insgesamt ergibt. Beides
                      Wenn man über Lösungen von Problemen               ist ja eng miteinander verknüpft. Fukushima
                      nachdenkt, vor denen die Städte stehen, ist        zeigt uns – abgesehen von den erwähnten
                      ein Moment des Innehaltens absolut not-            die Medien betreffenden Aspekten – noch
                      wendig, um erkennen zu können, dass man            etwas, was mich sehr nachdenklich gemacht
                      für viele Probleme noch überhaupt keine            hat. Diese Katastrophe hat sich in der dritt-
                      Lösung hat. Wir reagieren gleichsam wie die        größten Wirtschaftsmacht der Erde ereignet,
                      Pawlowschen Hunde: Wir sehen ein Problem           in einem Land, das kaum über eigene
                      und meinen, sofort eine Lösung finden zu           Bodenschätze verfügt. Das zeigt uns, dass
                      müssen – ohne zuvor auch nur vernünftig            wir ein System entwickelt haben, in dem es
                      nachgedacht und das Problem verstanden             möglich ist, zur drittgrößten Wirtschafts-
                      zu haben.                                          macht aufzusteigen, ohne die dafür notwen-
                                                                         digen natürlichen Ressourcen zu besitzen.
                      Noch ein bedrückender Aspekt des Pro-              In Fukushima wurde der Traum der Moderne
                      blems der Schnelligkeit: Fukushima ist die         zerstört, der Traum, dass sich die Menschen
                      größte technische Katastrophe, die es je           vollständig von der Natur und ihren Ressour-
                      gegeben hat. Wir wissen nicht, welche              cen unabhängig machen können.
                      Prozesse dort momentan ablaufen und wie
                      es weitergehen wird. In einem modernen             Man hat gesehen, dass die Emanzipation
                      Hochtechnologieland passiert eine derartige        von den natürlichen Gegebenheiten nicht
                      Katastrophe – und die mediale wie die              gelingt. Auch Menschen sind biologische
                      persönliche Aufmerksamkeit hält gerade             Wesen und befinden sich als solche in
                      mal eine Woche an! Bereits nach einer              ständigen Austauschprozessen mit der sie
                      Woche rangierten die Nachrichten darüber           umgebenden Natur. Unser gesamtes Wirt-
                      an dritter oder vierter Stelle. Nach nur einer     schafts-, Gesellschafts- und Lebensmodell
                      Woche erlahmt unser Interesse an diesem            trägt dem immer weniger Rechnung und
                      Thema! Journalisten sagen dazu, sie können         stößt daher zunehmend an Grenzen.
                      die Spannung nicht aufrechterhalten.               Das gilt nicht nur für das Thema Energie,
                                                                         sondern auch für alle anderen Ressourcen
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  • 1. Benediktbeurer Gespräche der Allianz Umweltstiftung 2011 „Die Stadt von morgen wird durch den gebaut, der sie neu zu denken wagt.“
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  • 3. I N H A L T 1 D I E B E N E DI K T B E U R E R G E S P R ÄC H E D E R AL L I AN Z U M W E LT S T I F T U NG am 06. Mai 2011 hatten zum Thema: „Die Stadt von morgen wird durch den gebaut, der sie neu zu denken wagt.“ 5 Pater Karl Geißinger, 43 Prof. Dr. Harald Welzer, Rektor des Zentrums für Umwelt Direktor des Center for Interdisciplinary und Kultur im Kloster Benediktbeuern, Memory Research am Kulturwissen- Benediktbeuern schaftlichen Institut Essen und Professor für Sozialpsychologie 9 Prof. Dr. h.c. Dieter Stolte, an der Universität St. Gallen, Vorsitzender des Kuratoriums der Essen Allianz Umweltstiftung, München 51 Diskussion des Tagungsthemas 15 Dr. Lutz Spandau, 73 Impressum Vorstand der Allianz Umweltstiftung, München 23 Prof. Albert Speer, Architekt, Albert Speer & Partner, Frankfurt 31 Dr. Dieter Salomon, Oberbürgermeister der Stadt Freiburg im Breisgau, Freiburg
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  • 5. D I E A L L I A N Z U M W E L T S T I F T U N G 3 D I E AL L IA N Z U MW E LT ST I F TU NG : Die Benediktbeurer Gespräche. Alljährlich treffen sich auf Einladung der Aktiv für Mensch und Umwelt. Allianz Umweltstiftung streitbare und neu- gierige Geister im Kloster Benediktbeuern. Die Benediktbeurer Gespräche sollen den Blick weiten für die Fragestellungen „Mitwirken an einem lebenswerten Dasein von morgen. in der Zukunft.“ Diese Maxime für Schutz, Pflege und Entwicklung von Natur und Leitmotiv der Benediktbeurer Gespräche ist, Umwelt hat die Allianz Umweltstiftung in die gesellschaftliche Auseinandersetzung zu ihrer Satzung verankert. Anlässlich ihres fördern, starre Konfrontationen aufzulösen 100-jährigen Jubiläums im Jahr 1990 über- und die umweltpolitischen Diskussionen zu nahm die Allianz mit Gründung der Um welt- versachlichen. stiftung in einem neuen Bereich gesell - schaftliche Verantwortung. Mit ihrer Streitkultur haben sich die Be ne- diktbeurer Gespräche zu einem Forum des Bei allen Projekten bindet die Allianz kontinuierlichen Neu-, Anders- und Weiter- Umweltstiftung den wirtschaftenden denkens entwickelt. Damit tragen sie dazu Menschen ein. Dabei ist das wesentliche bei, den Boden für eine nachhaltige Zu kunft Ziel aller Förderprojekte der Schutz des zu bereiten, denn die kann „in Zeiten, in Naturhaus haltes unter Berücksichtigung denen es keine linearen Handlungsanweisun- der wirtschaftlichen Entwicklung. gen mehr gibt, nur im kontinu ierlichen gesellschaftlichen Lernprozess entstehen“, Ökologisch und ökonomisch, sozial und so Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz kulturell – jedes Projekt leistet auf seine Art Umweltstiftung. einen Beitrag zur praktischen Umsetzung eines aktuellen Zukunftsthemas. Denn immer „Die Stadt von morgen wird durch den gebaut, geht es um die Idee des „Sustainable De - der sie neu zu denken wagt.“ war das Thema vel opment“, die beispielhafte Realisierung der fünfzehnten Benediktbeurer Gespräche nachhaltigen Wirtschaftens – also um die am 06. Mai 2011. Förderung einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung, die auch künftigen Generatio- Die Referate und aus ihnen resultierende nen ein lebenswertes Dasein ermöglichen Schlussfolgerungen werden mit diesem soll. Band der Schriftenreihe „Benediktbeurer Gespräche der Allianz Umweltstiftung“ Ausgehend von der Überzeugung, dass publiziert. grundlegende Umweltfragen nur im gesell- schaftlichen Konsens zu lösen sind, hat die Allianz Umweltstiftung ein unabhängiges Diskussionsforum geschaffen.
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  • 7. B E G r ü S S U N G P A T E r K A r L G E I S S I N G E r 5 „D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T, D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“ Begrüßung durch Pater Karl Geißinger, Rektor des Zentrums für Umwelt und Kultur im Kloster Benediktbeuern. Meine sehr verehrten Damen und Herren, in meiner Eigenschaft als Leiter des Zent- rums für Umwelt und Kultur danke ich Ihnen allen, dass Sie heute hierher gekommen sind, und heiße Sie ganz herzlich willkom- men zu den traditionell von der Allianz Umweltstiftung ausgerichteten Benediktbeurer Gesprächen. Sie sind ein Zeichen unserer denn es gibt gewaltige Probleme zu lösen. engen Verbundenheit und Partnerschaft, die Dabei geht es um Fragen der Infrastruktur, sich im Laufe der letzten 15 Jahre bei vielen der Wasser- und Energieversorgung, des gemeinsamen Aktivitäten bewährt hat. Verkehrs, der Sicherheit, des Katastrophen- schutzes, der Versorgung der Menschen auch „Die Stadt von morgen wird durch den in Krisensituationen, des Umweltschutzes gebaut, der sie neu zu denken wagt“, lautet und vieles mehr. Ich meine, dass die Planer das Motto der diesjährigen Tagung. Es weist solcher Megastädte gut daran täten, nicht darauf hin, dass unsere moderne Welt nur nach technischen Lösungen zu suchen, einem besonders raschen Wandel unterwor- sondern stets zugleich auch an die nicht fen zu sein scheint. Zum ersten Mal in der rein materiellen Bedürfnisse der Menschen Geschichte der Menschheit leben mehr zu denken, also an das, was eine Stadt im Menschen in Städten als auf dem Land. Grunde erst lebens- und liebenswert macht. Dieser Trend wird sich fortsetzen – vor allem in China, Indien und den Ländern Afrikas. Das Leben von immer mehr Menschen Ganz neue Metropolen und Megastädte wird heute bestimmt von den Folgen der werden entstehen. So wird das Leben in der Globalisierung, der zunehmenden Mobili- Stadt immer stärker das Leben der Menschen tät, des Konsums und der sich rasant prägen. entwickelnden Kommunikationsmittel. Letztere führen dazu, dass wir uns zuneh- Es ist nicht nur wichtig, sondern auch mend in einer virtuellen Welt bewegen. ungemein spannend, sich vorzustellen und Wir sind ständig von Menschen umgeben darüber zu diskutieren, wie diese Städte und begegnen einander doch nicht denn aussehen könnten, ja wie sie aussehen wirklich. sollten. Hier sind neue Ideen, kreative Entwürfe und mutige Impulse gefragt,
  • 8. 6 B E G r ü S S U N G P A T E r K A r L G E I S S I N G E r Die menschlichen Grundbedürfnisse – wird? Wie lässt sich ein gesunder Orga- zum Beispiel nach einem Zuhause, nach nismus schaffen, der wachsen kann, ohne Geborgenheit, nach Heimat, nach Beziehun- zu wuchern und sich selbst zu zerstören? gen mit anderen Menschen, nach Gemein- Wie kann man neue Städte denken, wo schaft, nach einem Lebensumfeld, das wir Menschen unterschiedlicher Kulturen und selbst gestalten und mit bestimmen können – Religionen willkommen sind und Arme und all diese Bedürfnisse sind bei der Planung Reiche miteinander leben können? Ist es der neuen Städte zu berücksichtigen. möglich, Gemeinwesen zu entwickeln, die zur Heimat werden können auch für Werfen wir einen Blick auf das, was die entwurzelte Menschen, die offen sind für Großstädte unserer Welt heute für viele Flüchtlinge, Vertriebene oder Gestrandete, Menschen – für die, die in ihnen leben, und Orte, in denen Menschen nicht ausgegrenzt für die, die sie als Touristen besuchen – werden und nicht in Gettos leben müssen, attraktiv macht. Viele dieser Großstädte, Städte mit Herz also? sogar wenn sie nur allzu oft auch furchtbare Elendsviertel haben oder von trostlosen Müssen solche Städte Utopien bleiben? Ich Trabantenstädten umgeben sind, vor allem bin sehr gespannt, welche Entwürfe, welche aber, wenn es sich um gewachsene, nicht Impulse, welche Ideen und Fragen heute einfach auf dem Reißbrett entworfene im Laufe dieser Benediktbeurer Gespräche und aus dem Boden gestampfte Städte vorgestellt und diskutiert werden. handelt, haben ein Zentrum, eine Mitte, ein Herz. Was sie so anziehend macht, können Nochmals herzlichen Dank Ihnen, die Sie prachtvolle Bauwerke sein – sei es ein hierher gekommen sind, und der Allianz Schloss, eine Burg oder ein Dom – vielleicht Umweltstiftung für die Wahl dieses Themas. auch besondere Grünanlagen wie Gärten oder Parks: In jedem Falle sind es Orte, die Ich wünsche Ihnen allen fruchtbare Diskus- Geschichte atmen, die einen besonderen sionen und einen spannenden Tag. Charme, eine bezaubernde Ästhetik oder eine Atmosphäre haben, die einen gefangen nimmt. Solche Städte besitzen ihre eigene Identität oder vermitteln die des Landes, in dem sie liegen. Kurz, es sind Städte mit einem Herz, die mehr bieten als bloß Wohnungen, Arbeitsplätze und Einkaufs- zentren. Für die Planer der Megastädte der Zukunft stellen daher gerade solche Fragen die größte Herausforderung dar: Wo wird das lebendige Herz der neuen Stadt sein? Wie kann man diese so gestalten, dass sie zum Biotop, zum Lebensraum für Menschen
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  • 11. B E G r ü S S U N G P r o F . D r . H . c . D I E T E r S T o L T E 9 „D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T, D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“ Begrüßung durch Prof. Dr. h. c. Dieter Stolte, Vorsitzender des Kuratoriums der Allianz Umweltstiftung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie herzlich zu den diesjährigen Benediktbeurer Gesprächen der Allianz Umweltstiftung. Sie erinnern sich vielleicht: Im letzten Jahr haben wir an dieser Stelle den 20. Geburtstag der Allianz Umweltstiftung gefeiert. Aber auch in diesem Jahr gibt es ein Jubiläum: Die Benediktbeurer Gespräche Mit diesen Schwerpunkten ihrer Förder- der Allianz Umweltstiftung finden nun tätigkeit sieht sich die Stiftung auf einem bereits zum 15. Mal statt! guten Weg, auch in Zukunft wichtige Beiträge zur Lösung gesellschaftlich relevanter Pro- Anlässlich ihres 20. Geburtstages hat die bleme leisten zu können. Schließlich fühlt Allianz Umweltstiftung eine Weiterentwick- sie sich nach wie vor gleichermaßen verant- lung ihrer bisherigen Förderkonzeption wortlich für Natur und Umwelt in ihrer diskutiert. Ein Expertengremium erörterte in Vielfalt wie für Mensch und Gesellschaft in diesem Zusammenhang vor allem die Mög- unserer zunehmend globalisierten Welt. lichkeit der Einbeziehung aktueller Probleme und gesellschaftlich relevanter Fragen aus Ein zentrales Zukunftsthema ist die fort- dem Umweltbereich. schreitende Verstädterung, die enorme Zunahme sogenannter Megacities an Zahl Ergebnis dieser Strategiegespräche war und Größe. Nicht zuletzt aus diesem Grund sowohl die Aktualisierung bisheriger als auch wurde der Förderbereich „Leben in der die Festlegung neuer Förderschwerpunkte der Stadt“ in das Programm der Stiftung aufge- Allianz Umweltstiftung in den Bereichen nommen. Die Wahl des Themas der dies- jährigen Benediktbeurer Gespräche – „Die Umwelt- und Klimaschutz, Stadt von morgen wird durch den gebaut, Leben in der Stadt, der sie neu zu denken wagt“ – ist Ausdruck nachhaltige Regionalentwicklung, dieser neuen Konzeption. Biodiversität und Umweltkommunikation.
  • 12. 10 B E G r ü S S U N G P r o F . D r . H . c . D I E T E r S T o L T E Die Menschheit wächst und damit auch der Gebäude. Im Wüstensand vor den Toren Hunger nach Bildungs- und Aufstiegschancen. Abu Dhabis entsteht unter Federführung Immer mehr Menschen zieht es in die des Büros des britischen Stararchitekten Städte. Megacities wirken wie gesellschaft- Norman Foster die ökologische Musterstadt liche Magneten. Von ihnen erwarten die Masdar, die ganz ohne die Verwendung Menschen Lösungen für ihre Probleme – oft fossiler Brennstoffe auskommen soll. „Die nicht ahnend, dass sie die alten nur gegen Stadt“, schreibt Hanno Reuterberg in seinem neue eintauschen. bemerkenswerten Artikel „Die andere Revolution“ in der ZEIT vom 24.02.2011, Seit 2007 leben auf unserem Globus mehr „will die Welt nicht allein durch Forschung Menschen in Städten als in ländlichen und Technik retten, sie möchte den Men- Gebieten. UN-Prognosen zufolge wird sich schen auch neue Gewohnheiten nahe- die Verstädterung fortsetzen. Gleichzeitig bringen. […] verschieben sich die demographischen Gewichte: Während die Bevölkerung in fast Während in Deutschland Moderne und allen Industriestaaten schrumpft, wächst sie Tradition gern gegeneinander ausgespielt in Schwellen- und Entwicklungsländern. werden, finden sie hier mit erstaunlicher Dieser Trend bedeutet weltweit eine große Selbstverständlichkeit zusammen. […] Herausforderung für Politiker und Städte- Die Zukunft ist nicht futuristisch. Sie lernt planer. Kofi Annan, der ehemalige UN-Gene- aus der Geschichte.“ ralsekretär, hat sogar von einem „Jahrtausend der Städte“ gesprochen. Zunehmend ent- Anders in Südkorea. In der Nähe von scheiden sich die Menschen gegen ein Leben Seoul wird mit einem Mammutprojekt die auf dem Land und für ein Leben in der Stadt: „Stadt der Städte“ gebaut, ein modernes Sie ziehen dorthin, wo sie sich Wohlstand Utopia auf dem Wattenmeer durch Auf- und eine bessere Zukunft erhoffen. schüttung von Erdreich abgerungenem Land: New Songdo City. Aber auch in China setzt Unter welchen Voraussetzungen sind man noch auf städtebauliche Gigantomanie, diese Hoffnungen berechtigt? Wie müssen wie die Millionenstadt Chongqing zeigt, die neuen Städte aussehen, damit sie sich in der Hochhäuser wie Pilze aus dem Boden erfüllen? schießen und Zehntausende von Wander- arbeitern ihr Glück suchen. Die Ballungszentren – schon heute gibt es mehr als 130 Städte mit über drei Es fällt allerdings schwer zu glauben, Millionen Einwohnern – verbrauchen etwa dass die Zukunft der Menschheit von einem 80 Prozent der weltweit verfügbaren Ressour- Leben in Städten geprägt sein soll, die cen. Städte wie New York, London, Oslo, komplett auf dem Reißbrett entstanden Vancouver oder München arbeiten bereits sind. an Plänen zum Bau kombinierter Wohn- und Arbeitsviertel, zur Reduzierung des Verkehrs und zur Errichtung energieoptimierter
  • 13.
  • 14. 12 B E G r ü S S U N G P r o F . D r . H . c . D I E T E r S T o L T E Was eine Stadt im eigentlichen Sinne Wie der chinesische Politiker Deng Xiaoping ausmacht, ist schließlich ihr ureigener, einmal gesagt hat, kommt es stets darauf mindestens über Jahrzehnte, meist sogar an, die Wahrheit in den Tatsachen zu suchen. über Jahrhunderte gewachsener Charakter Dies sollten auch wir tun bei der Beschäfti- und ihre Geschichte, die nicht nur im gung mit den Fragen, die sich uns stellen, Stadtbild, sondern auch in der Vielfalt ihrer wenn wir über das Thema unserer heutigen Bewohner zum Ausdruck kommt. Veranstaltung diskutieren: Vielen Großstädten droht heute eine Wie werden wir in den „Städten der soziale Spaltung. Und das gilt nicht nur für Zukunft“ wohnen, leben und arbeiten? die Megacities Afrikas, Asiens und Süd- amerikas mit ihren unkontrolliert wuchern- Welche ökonomischen, ökologischen und den Slums. Auch in Europa gilt es zu sozialen Gesichtspunkte werden bei der verhindern, dass die Städte zunehmend in Entwicklung und Gestaltung der Städte ein lebendiges Zentrum und eine trostlose eine Rolle spielen? Peripherie zerfallen. Es ist eine wichtige Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich die Wie lässt sich die zunehmende Verstädte- Infrastruktur einer Stadt entsprechend den rung steuern, damit die „Stadt der Zukunft“ Bedürfnissen ihrer Bewohner entwickelt. gestaltbar bleibt? Dafür aber bedarf es neuer Mobilitäts- konzepte, bei denen es nicht nur darum Welche Folgen hat der demographische gehen darf, möglichst viel Mobilität zu Wandel für die Städte? ermöglichen, sondern auch um die Frage gehen muss, wieviel Mobilität mit welchen Wie kann man Städte vor Katastrophen Verkehrsmitteln eine moderne Stadt über- schützen? haupt braucht. Auf diese und viele andere essentielle Städte verursachen massive Umwelt- Fragen gilt es Antworten zu finden. Allerdings probleme: Sie breiten sich immer weiter aus, wird wohl keine Antwort umfassend oder verbrauchen enorme Mengen an Wasser und gar endgültig sein können. Aber wir können – Nahrungsmitteln, verpesten die Luft und gleichsam Mosaiksteine aneinanderfügend – produzieren Unmengen Müll. Städte produ- allmählich ein Bild von der Stadt der Zukunft zieren einen sehr großen Teil der weltweiten entstehen lassen. Und wenn uns das heute Gesamtemission von Treibhausgasen und noch nicht gelingt, dann vielleicht morgen … sind damit wesentlich mitverantwortlich für oder übermorgen. den Klimawandel. Ich freue mich, in unserem Kreis hervor- ragende Fachleute begrüßen zu können, die uns die vielfältigen Aspekte unseres neuen, hochaktuellen Themas erläutern werden:
  • 15. 13 Herr Professor Albert Speer, international diese stetig weiterentwickeln. In diesem renommierter Architekt und Stadtplaner Sinne möchte ich den Salesianern Don mit Projekten u.a. in Dschidda, Shanghai Boscos für die langjährige Zusammenarbeit und Moskau, danken und gleichzeitig zusichern, dass wir sie auch in Zukunft tatkräftig unterstüt- Herr Dr. Dieter Salomon, Oberbürger- zen werden. meister von Freiburg im Breisgau, Bündnis 90/Die Grünen, Meine Damen und Herren, ich wünsche uns allen ergiebige und interessante Prof. Dr. Harald Welzer vom Kulturwissen- Benediktbeurer Gespräche 2011 mit leben- schaftlichen Institut Essen, digen Diskussionen. Herr Gerhard Matzig, im Feuilleton Ich darf jetzt den Vorstand unserer der Süddeutschen Zeitung zuständig für Umweltstiftung, Herrn Dr. Spandau, bitten, Architektur und Stadtplanung, hat gestern in seiner bewährten Art die Leitung aus gesundheitlichen Gründen leider der Benediktbeurer Gespräche 2011 zu absagen müssen. Herr Dr. Spandau hat übernehmen. jedoch buchstäblich in letzter Minute eine interessante Lösung gefunden, die er Ihnen später vorstellen wird. Meine Damen und Herren, an einem Ort wie diesem, wo manch einer wohl eher erwarten würde, in sich gekehrten Mönchen in dunklen Kutten zu begegnen, haben die Salesianer Don Boscos mit dem Zentrum für Umwelt und Kultur eine weltoffene Institution geschaffen. Hier wird in der geistigen Aus- einandersetzung mit Fragen der Regionalität, Umweltbildung und Nachhaltigkeit sowie Kunst und Kultur die Einsicht in die unauf- lösliche Vernetzung des Menschen mit der Schöpfung vermittelt – und dies nicht auf belehrende Weise, sondern stets getreu dem Motto des Klosters mit „Freude am Leben“. Mit den 15. Benediktbeurer Gesprächen zeigen die Allianz Umweltstiftung und das Zentrum für Umwelt und Kultur, dass sie kontinuierlich an ihren Zielen arbeiten und
  • 16.
  • 17. E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U 15 „D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T, D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“ Einführung von Dr. Lutz Spandau, Vorstand der Allianz Umweltstiftung, München. Meine sehr geehrten Damen und Herren, „Wir sollten uns alle Gedanken über die Zukunft machen, weil wir den Rest unseres Lebens in ihr werden verbringen müssen“, hat der amerikanische Erfinder und Philosoph Charles F. Kettering einmal gesagt. Wer gäbe ihm nicht recht? Wer besäße Lebens vielleicht 200 bis 300 Leute nicht gerne eine Kristallkugel, die schon getroffen. Heute dagegen lebt und arbeitet früh zeigt, was auf einen zukommt? zum Beispiel jeder Bewohner von New Zum Beispiel wie unsere Städte in 15 oder York City in einem Umkreis von weniger 20 Jahren aussehen. Schließlich werden als einem Kilometer mit 20.000 Menschen die meisten von uns einmal in ihnen leben zusammen. Wir haben uns zum Homo müssen. urbanus entwickelt. Das Jahr 2007 war ein Wendepunkt in Inzwischen gibt es auf der Welt 400 Städte der Geschichte der Menschheit: Einem mit mehr als einer Million Einwohnern und Bericht von UN-HABITAT, dem Programm 20 Städte mit über zehn Millionen. Die der Vereinten Nationen für menschliche Zahl der Menschen, die in Städten leben, hat Siedlungen zufolge, lebten vor vier Jahren sich seit 1950 vervierfacht. Im Jahr 2030 zum ersten Mal mehr Menschen in Städten werden voraussichtlich mehr als 60 Prozent als auf dem Land. In Zukunft, so die Prog- der Erdbevölkerung in Städten leben. Bis nose, wird der größte Teil der Weltbevölke- zum Jahr 2050 könnten es 75 Prozent sein. rung in riesigen Stadtgebieten wohnen, Die Städte sind verantwortlich für 75 Prozent die meisten davon zusammengepfercht und des weltweiten Energieverbrauchs und für übereinandergestapelt in Megastädten, die 80 Prozent der CO 2-Emissionen. zusammen mit ihren wild wuchernden Vorstädten oft mehr als zehn Millionen Ein- Die am schnellsten wachsenden Städte wohner zählen. Dies ist ein neues Phäno- liegen in Indien, China und im südlichen men. Noch vor 200 Jahren hat der durch- Afrika. schnittliche Erdenbürger im Laufe seines
  • 18. 16 E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U Schätzungsweise einer von drei Stadt- sowie Freizeit- und Einkaufszentren auf bewohnern, insgesamt also rund eine Mil- der grünen Wiese wucherten die Städte an liarde Menschen, lebt in Slums aus schlecht ihren Rändern ins Umland. Die bereits 1933 gebauten Hütten oder Häusern mit unzu- verabschiedete „Charta von Athen“ des reichender Trinkwasserversorgung und pre- einflussreichen schweizerisch-französischen kärer Sicherheitslage. Architekten Le Corbusier, mit der dieser die Schaffung lebenswerter Wohn- und Gleichzeitig herrscht in vielen Städten – Arbeitsgebiete durch Trennung der verschie- oder Stadtteilen – nie dagewesener Wohl- denen städtischen Funktionsbereiche pro- stand mit scheinbar grenzenlosem Konsum pagierte, hatte diese Entwicklung begünstigt, einer vom Individualismus geprägten die in den 70er Jahren des vergangenen Gesellschaft. Niemand wird ernsthaft glau- Jahrhunderts mit dem Ideal der autogerech- ben, dass sich der Trend zur Verstädterung ten Stadt ihren Höhepunkt erreichte. Wohnen aufhalten oder gar umkehren ließe. Es im Grünen außerhalb der Stadt war so zum kann daher nur darum gehen, die Urbani- Trend geworden. sierung nachhaltig zu gestalten. Die Folgen dieser sogenannten Suburbani- Es versteht sich von selbst, dass die Städte sierung sind unübersehbar: hoher Flächen- der reichen, technologisch hochentwickelten verbrauch, ständig steigendes Verkehrs- Regionen der Welt dabei eine Vorreiterrolle aufkommen, zunehmende Umweltbelastung übernehmen sollten. Wenn eine ökologisch und sterbende Innenstädte. Heute versucht verträgliche, nachhaltige Urbanisierung über- man diesen Fehlentwicklungen mit den haupt möglich ist, dann sind sie es, die neuen Leitbildern Ökologie und Nachhaltig- zeigen könnten, wie es konkret funktionie- keit zu begegnen, wie sie sich in den 80er ren kann. Die Städte Mitteleuropas mit ihren und 90er Jahren des 20. Jahrhunderts heraus- komplexen, manchmal auch chaotischen gebildet haben. Wieder sind die Städteplaner Strukturen müssten als eine Art „Labor“ gefordert. dienen, um durch beispielhafte Architektur und eine weitsichtige Verkehrspolitik ein- Bislang ist von wirklichen Verbesserungen schließlich neuer Mobilitätskonzepte auch nur wenig zu spüren. Noch immer sprechen anderswo die Entwicklung der Städte positiv Experten von der aufgelösten Stadt und zu beeinflussen. vermelden ein zunehmendes Wachstum der Städte. Längst ist sogar von Stadt- und Dabei scheint es mir wichtig, dass wir Metropolregionen die Rede. uns vom traditionellen Bild der Stadt verab- schieden. Die „richtige“ Stadt, wie wir Wird sich diese Entwicklung umkehren sie uns noch immer vorstellen, ist ein bau- lassen? Oder werden wir die Definition des lich verdichteter Raum innerhalb eindeutiger Begriffes Stadt neu überdenken müssen? Wie Grenzen. Einen solchen klar abgegrenzten sieht in Zeiten weiter wuchernder Städte Raum, der einmal als eindeutiges Kriterium und zunehmender Ressourcenknappheit die für Urbanität gegolten hat, gibt es heute nur Stadt der Zukunft aus? noch selten, denn mit Gewerbegebieten
  • 19.
  • 20. 18 E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U In einer sich ständig verändernden Welt In der Süddeutschen Zeitung vom 9. Dezem- ist es notwendig, das „Modell Stadt“ ber 2010 schrieb Gerhard Matzig unter der fortzuentwickeln. Dabei gilt es, die Balance Überschrift „Kathedralen für das Übermor- zu finden zwischen Wirtschaftswachstum genland“ über Prof. Speer: „Albert Speer und und Nachhaltigkeit, zwischen baulicher seine Partner sind so etwas wie das grüne Expansion und Bewahrung des historischen Gewissen der Branche. Erst vor kurzem Erbes, zwischen einem sprunghaften haben sie ein Manifest für nachhaltige Stadt- Anstieg des Flächenverbrauchs und neuen planung in Buchform veröffentlicht.“ Weiter Formen des Zusammenlebens, zwischen heißt es: „Der deutschen Ingenieurskunst, gestiegenen Ansprüchen in Bezug auf die der man hierzulande eher misstraut, bietet individuelle Mobilität und den Kapazitäts- man anderswo gerade dort Baugrund an, wo grenzen der Verkehrswege, zwischen den es um anspruchvolle und zukunftsweisende Generationen und zwischen den sich immer Architektur geht. Wenn sich die Konzepte stärker spaltenden sozialen Gruppen. von Albert Speer und Partner z.B. in Katar als tragfähig erweisen sollten, wird man dies Die Zukunft der Stadt wird also vor allem vielleicht sogar in Stuttgart zur Kenntnis davon abhängen, ob es gelingt, zu einem nehmen.“ tragfähigen Ausgleich zu kommen zwischen diesen und vielen anderen unterschiedlichen Für Professor Speer rührt ein Hauptproblem ökonomischen und ökologischen Interessen der europäischen Städte – besonders der und Bedürfnissen immer komplexer werden- im zweiten Weltkrieg stark zerstörten – von der Gesellschaften. den von Le Corbusier geprägten Planungs- prinzipien der „funktionalen Stadt“. Sie Ob und – wenn ja – wie dies gehen kann, hatten dazu geführt, dass in den 50er und wollen wir mit unseren Experten disku- 60er Jahren an den Stadträndern und somit tieren. weit entfernt von den Innenstädten, wo die Menschen arbeiteten und einkauften, Wir begrüßen Herrn Prof. Albert Speer, Hoch- und Reihenhaussiedlungen errichtet ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Stadt- wurden. Das Entstehen solcher Schlafstädte und Regionalplanung in Kaiserslautern und in den Außenbezirken war eng verbunden Gastprofessor an der ETH Zürich. mit damaligen gesellschaftlichen Idealen, die längst ihre Gültigkeit verloren haben, da Das Büro Albert Speer & Partner in Frank- inzwischen auch auf dem Gebiet der Städte- furt am Main beschäftigt mehr als 120 planung ein Paradigmenwechsel stattgefunden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an hat. Wie sich nämlich zeigte, hat das Pendeln Projekten in Ägypten, Aserbaidschan, China, zwischen Wohnstätte und Arbeitsplatz öko- Katar, Russland, der Türkei und auch in nomisch wie ökologisch erhebliche negative Deutschland arbeiten. Folgen. So kostet die individuelle Mobilität jeden Haushalt im Durchschnitt mehr als Prof. Speer hat zahlreiche internationale zwölf Prozent seines Nettoeinkommens – von Auszeichnungen erhalten und Preise den Umweltschäden infolge des hohen gewonnen. Spritverbrauchs und des damit verbundenen CO 2-Ausstoßes ganz zu schweigen.
  • 21. 19 Heute, so Prof. Speer, soll die Stadt der Stadtentwicklungspläne, Zukunft dem Wunsch der Menschen gerecht werden, am selben Ort zu wohnen und Leitpläne einschließlich Verkehrspläne, zu arbeiten. Ihrem Bedürfnis, mit dem Nach- Lärmminderungspläne, Pläne zur barn auf dem Markt einen Schwatz halten Entwicklung der Wirtschaft und des zu können, anstatt auf mehrspurigen Straßen Wohnungsbaus, Jugendhilfepläne, aneinander vorbeizurauschen, soll wieder Kulturentwicklungspläne und Klima- stärker entsprochen werden. schutzprogramme, Wir wollen die vier K’s – Kultur, Konsum, Flächennutzungspläne, Kita und Kontakte – wieder mitten in der Stadt. Bebauungspläne, Projekt- und Erschlie- ßungspläne sowie Lieber Herr Prof. Speer, ist die Stadt der Zukunft ein Dorf? Wir freuen uns über Ihre städtebauliche Rahmenpläne, Teilnahme an den Benediktbeurer Gesprä- chen und begrüßen Sie herzlich. um nur einige wenige zu nennen. Machen wir uns nun auf den Weg in die Herr Oberbürgermeister Dr. Salomon, wundersame Öko-Stadt Freiburg im Breisgau: vermag eine Stadtverwaltung angesichts Hier regieren die Grünen, Häuser drehen einer solchen Flut von Regulierungs- sich schon seit Jahren zur Sonne und die vorgaben den Bedürfnissen ihrer Bürger Menschen sind volkstümlich grün. In Freiburg überhaupt noch gerecht zu werden? Ist erreichten die Grünen bei der Landtagswahl es angesichts dieser Lage nicht unausweich- am 27. März dieses Jahres 43 Prozent. Regiert lich, dass die Bürger selbst aktiv Leitvor- wird die Stadt seit 2002 von dem grünen stellungen für die Entwicklung ihrer Städte Oberbürgermeister Dr. Dieter Salomon. diskutieren und entwerfen nach dem Motto „Lebst du nur oder machst du schon Vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister mit?“ Ist es vor diesem Hintergrund nicht war Dr. Salomon Abgeordneter im Landtag alles andere als ermutigend, dass „Wut- von Baden-Württemberg und Vorsitzender bürger“ zum Wort des Jahres ernannt der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. wurde? Wie lässt sich eine Stadt unter Dr. Salomon ist Pragmatiker. Manche sehen solchen Bedingungen in und mit unserer in ihm gar einen grünen Technokraten. heutigen Gesellschaft noch entwickeln? Vielleicht muss man Technokrat sein, Kurz: Haben unsere Städte überhaupt um überhaupt noch den Überblick behalten noch eine Zukunft? Wir freuen uns, zu können über die zahlreichen, bei der von Ihnen mehr über diese Probleme zu Entwicklung unserer Städte zu berücksich- hören – und hoffentlich auch von den tigenden behördlichen Vorgaben und ver- Möglichkeiten, sie zu lösen – und begrüßen waltungstechnischen Instrumente als Sie herzlich hier in Benediktbeuern. da sind:
  • 22. 20 E I N F ü H r U N G D r . L U T Z S P A N D A U Unsere Volksvertreter seien überfordert Er fordert ein Ende der aus seiner Sicht und zu sehr mit ihrem Kampf ums politische unsäglichen Kombination aus Expertokratie Überleben beschäftigt. Da die Kaste der und Politik. Expertokratie bedeutet für Politiker für Idealisten und Visionäre keinen ihn, dass technokratische Planer festlegen, Platz mehr habe, müsse der Anstoß von was notwendig ist, dies dann an die Politiker außen kommen, von einer neuen außerparla- weitergeben, welche es nun ihrerseits auf mentarischen Opposition – einer Art netz- gesetzgeberischem Wege durchdrücken und unterstützten APO 2.0, meinte der Soziologe dann staunen, dass die Leute nicht wollen, und Sozialpsychologe Prof. Dr. Harald was ihnen da vor die Nase gesetzt wird. Welzer auf der Utopia-Konferenz im Sep- tember 2010. Dies provoziert natürlich die Frage, wie heute überhaupt noch Projekte realisierbar Prof. Welzer lehrt Sozialpsychologie an sein sollen. Können Bürgerinnen und Bürger der Universität Witten/Herdecke und leitet wirklich die Experten ersetzen? Lässt sich am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen unter solchen Bedingungen die Stadt von das Zentrum für interdisziplinäre Gedächtnis- morgen überhaupt entwickeln? Wie könnte forschung. Prof. Welzer forscht, um Fragen die Planung und Entwicklung unserer Städte zu beantworten – brisante und aktuelle durch ein Zusammenspiel von Experten, Fragen. Letztendlich, sagt er, betreibe er ein Verwaltung und Bürgern gelingen? Laboratorium der Gegenwart und der Zukunft. Wir freuen uns, mit Ihnen darüber diskutieren zu können und begrüßen Sie, Herr Prof. Prof. Welzer sieht, dass die Bürger unserer Welzer, herzlich hier bei den Benediktbeurer Republik in verschiedenen Bereichen Gesprächen. dagegen zu protestieren beginnen, dass ihnen Entscheidungen aufoktroyiert werden, die Wie Herr Prof. Stolte bereits erwähnte, mitzutragen sie nicht bereit ist. Zu der bei hat Herr Matzig seine Teilnahme an unserer Planungsprozessen üblichen Moderation, die Veranstaltung kurzfristig abgesagt: Einer oft zum Ziel hat „den Bürger mitzunehmen“, Kehlkopfentzündung wegen kann er heute bemerkte er in einem Interview über die leider nicht kommen. Ich habe also die Auseinandersetzung um das Projekt „Stutt- Aufgabe, Ihnen – nach dem Vorbild Hannibals, gart 21“ in der taz vom 23. Oktober 2010 der bei der Überquerung der Alpen gesagt kritisch: „Ich zum Beispiel will von niemanden haben soll: „Entweder wir finden einen Weg mitgenommen werden. Bürger wollen Dinge oder wir bauen einen“ – spätestens bis zum beurteilen und Folgen von Entscheidungen Beginn der Diskussion eine Lösung zu für ihre eigene Gegenwart und Zukunft präsentieren. Und ich verspreche Ihnen: Ich abschätzen, das ist mehr als legitim. Die werde eine finden. Schlussfolgerung daraus ist, dass man sie von Anfang an partizipieren lassen muss.“ Sinngemäß vertritt Herr Matzig in verschie- denen Beiträgen in der Süddeutschen Zeitung folgende Thesen: „Wenn wir heute über die Stadt von morgen diskutieren, geht es
  • 23. 21 nicht nur um München, Garmisch und Olympia, es geht nicht nur um den Stuttgarter Bahnhof, den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses, die Hamburger Elbphilhar- monie oder die Dresdener Waldschlösschen- Brücke, und es geht auch nicht nur um Hochhäuser und Windkraftanlagen. Es geht um weit mehr: Es geht um Revolte, Bürgerbegehren und die Renaissance des Außerparlamentarischen – und damit um einen allmählich fast gespenstisch anmutenden modernen Widerspruchsgeist, der einer neuen Verdrossenheit entspringt. Was hat sich geändert? Warum stoßen Innovationen und Visionen heute auf soviel Ablehnung? Warum misstraut man dem Machbaren, dem Wandel, dem Neuen? Es ist kaum zu bezweifeln, dass Fragen der Nachhaltigkeit inzwischen nahezu alle anderen Themen verdrängen. Wenn wir wegen dieser grundsätzlichen Bedenken aber jeglicher Euphorie für andere Dinge verlustig gehen, werden wir kaum in der Lage sein, Lösungen für die Probleme der Zukunft zu finden – nicht einmal für die, die wir selbst im Glauben an die Zukunft verursacht haben.“ Ich denke, wir dürfen uns auf ebenso spannende wie kontroverse Diskussions- beiträge freuen. Lassen Sie uns keine Zeit verlieren, lassen Sie uns einsteigen in die Benediktbeurer Gespräche der Allianz Umweltstiftung zum Thema „Die Stadt von morgen wird durch den gebaut, der sie neu zu denken wagt“.
  • 24.
  • 25. V o r T r A G P r o F . A L B E r T S P E E r 23 „D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T, D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“ Vortrag von Prof. Albert Speer, Architekt, Albert Speer & Partner, Frankfurt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, zunächst möchte ich mich herzlich für die heutige Einladung bedanken. Ich bedanke mich bei Pater Geißinger, der in seiner Begrüßungsansprache bereits ganz Wesent- liches zum Thema gesagt hat, bei meinem Freund und Weggenossen Dieter Stolte und bei Herrn Dr. Spandau, der das Thema nologien abgelesen werden kann, ist weit geöffnet hat, so dass es für mich nicht ein wesentliches Thema. Eben zu diesen leicht werden wird, diese Bandbreite von Umbrüchen gehört auch das Thema des Aspekten in den mir zur Verfügung stehen- heutigen Tages: neu denken. Genauso gehört den 20 Minuten aufzugreifen. Es kann mir aber auch die Geschichte, die Vergangenheit nicht umfassend gelingen, weil „die Stadt“ dazu, also das, was die Menschen früher als Thema einfach zu groß und zu vielschich- gedacht haben. Eine der großen Herausforde- tig ist. Wie Sie bereits wissen, sind mein rungen der heutigen Epoche ist, dass man Büro und ich in vielen Ländern dieser Erde diese beiden Teile, Vergangenheit und sich tätig und wir konnten dabei viele unter- rasant wandelnde Gegenwart, zusammen schiedliche Erfahrungen sammeln. Wegen „denken“ muss. der begrenzten Vortragszeit kann ich leider nur einzelne Stücke dieses über Jahrzehnte Beginnen möchte ich mit einem Zitat aus angehäuften Schatzes erörtern und nicht einem Aufsatz des bekannten deutschen über die vielfältigen Entwicklungen reden, Hirnforschers Prof. Dr. Wolf Singer mit dem die aktuell in der ganzen Welt stattfinden. Titel „Die Architektur des Gehirns als Modell Ich werde mich daher auf einige wenige, für komplexe Stadtstrukturen?“ Ich habe wesentliche Bereiche konzentrieren. mich des Öfteren mit Prof. Singer, der in Frankfurt forscht, über dieses Thema unter- Bei dem bisher Gesagten wurde eines halten. Er sagt, dass beide Systeme, das bereits ganz klar: Die Menschheit befindet Gehirn und die Stadt, aus einer Vielzahl eng sich in einer Phase rasanten Umbruchs. miteinander verknüpfter Komponenten Die Geschwindigkeit selber, mit der sich bestehen, die in hoch dynamischer Weise die Welt heute verändert und die beispiels- miteinander interagieren. weise an der rasanten Entwicklung der Kommunikations- und Informationstech-
  • 26. 24 V o r T r A G P r o F . A L B E r T S P E E r Beide Systeme seien das Ergebnis eines Ich habe einmal den Begriff der „intel- Entwicklungsprozesses, der im Wesentlichen ligenten Stadt“ geprägt. Damit meine ich, auf Prinzipien der Selbstorganisation beruht. dass wir in unseren Siedlungen mit allen Weder Stadt noch Gehirn entstünden nach zur Verfügung stehenden Ressourcen intelli- einem bis in die Einzelheiten ausgearbeiteten gent und den sich verändernden Situationen Plan. Beide Systeme wachsen und ihr Wachs- angepasst, also flexibel umgehen. Dabei tum werde im Wesentlichen von lokalen müssen wir sowohl Chancen und Möglich- Interaktionen koordiniert. Es scheine, als ob keiten als auch die Probleme, die in den sich komplexe Systeme – wenn ihre konstitu- nächsten Jahrzehnten auf uns zukommen, ierenden Elemente eine kritische Zahl wegen der langen Reaktionszeiten bei der überschreiten – nach immer gleichen Prinzi- Veränderung gebauter Strukturen früh- pien selbst organisierten und damit Stabilität zeitig erkennen. Ich denke, dass wir dies erlangten. bislang bei weitem nicht intelligent genug tun. Dies gilt für die Städte überall auf Dieses Doppelbild liefert auf die Stadt der Welt. bezogen eine wunderschöne und treffende Zusammenfassung unserer Problematik: Ich bin der Überzeugung, dass wir alle Die Stadt ist ein lebendiger, sich ständig ver- beim Umgang mit den Themen „Klimawandel“ ändernder Organismus, der nicht bis in alle und „nachhaltiges Wirtschaften“ nicht konse- Einzelheiten planbar ist. Die Rolle der quent genug sind, und das nicht, weil wir Stadtplaner ist daher auch nur ein Faktor es nicht könnten, sondern weil unsere unter vielen anderen. Ich habe schon immer Organisationsstrukturen es nicht hinreichend behauptet, dass die Bedeutung von Planung fordern oder womöglich gar nicht zulassen. und Architektur in unserer Gesellschaft Die Veränderung unserer Lebensbedingungen, und in den Medien im Vergleich zu ihrem die Anpassung unserer Lebensweise an die tatsächlichen Einfluss auf die Entwicklung Rahmenbedingungen der heutigen Welt durch unserer Lebensumstände maßlos über- effizientere Nutzung von Energiereserven schätzt wird. und Ressourcen beginnt mit der Städtepla- nung und wirkt sich von dort ausgehend auf Planung und Architektur haben – wenn alle anderen Bereiche aus. Hier könnte sehr man sie in der Gesamtheit der Faktoren ein- viel mehr getan werden, als wir heute tun. ordnet, die im Entwicklungsprozess der Dafür, dass dies nicht geschieht, gibt es viele Stadt eine Rolle spielen – vielleicht einen Gründe. Anteil von fünf Prozent. Planung ist eben nur die Beratung zu Prozessen und Um mehr tun zu können, brauchen wir Entscheidungen, die dann unter dem Einfluss ein neues Denken in Gesellschafts- und Wirt- von Wirtschaft, Politik und anderen gesell- schaftspolitik. Die Entwicklungsdynamik in schaftlichen Kräften umgesetzt werden. Wirtschaft und Wissenschaft dank weltweiter Insofern sind Planer als Dienstleister aber Kooperation, ermöglicht durch den Einsatz durchaus auch wichtig, und das nicht immer schnellerer, den ganzen Globus nur für die bauliche Zukunft unserer Städte. umspannender Kommunikationsmittel, eröff- Sie beeinflussen im Erfolgsfall auch die net ungeheure Chancen. Wenn ich mich Lebensweise der Bewohner.
  • 27. 25 beispielsweise mit unseren Kollegen in China keit und Flexibilität er mit Hilfe dieses über eine wichtige Detailfrage im Zusam- Werkzeugs ein Problem lösen kann. Das hat menhang mit einem Projekt in Shanghai aus- große Vorteile, aber eben auch einen unge- tausche, ist dies in Sekundenschnelle getan. heueren Nachteil: Die hohe Geschwindigkeit Die Technologien, die dies ermöglichen, sind und die Beliebigkeit der Planänderungen also gewiss ein großer Segen – aber sie zwingen nicht mehr zum fundierten Nach- haben auch einen entscheidenden Nachteil: denken. Alles wird austauschbar. Es funktio- Sie lassen uns nicht mehr genügend Zeit, um niert sehr einfach, aber die Resultate über die wesentlichen Dinge nachzudenken. erscheinen oft viel weniger durchdacht. Mehr Eigentlich geht alles zu einfach. Wir werden Technik bedeutet bei allen Möglichkeiten nicht schnell, sondern hastig. also nicht in jedem Fall „neues Denken“. Ich selbst kann mit diesen Techniken Ganz ähnlich verhält es sich mit der kaum umgehen. Ich habe nicht einmal ein erhofften Energie- und Ressourceneinsparung Handy – und komme so hervorragend durch neue Technik: Die oft als Lösung der zurecht. Allerdings nur deshalb, weil es Umweltprobleme angeführte Entkoppelung hinter mir genug Menschen gibt, die von Verbrauch und Produktion durch mit diesen Medien umgehen können. Mir technologischen Fortschritt findet tatsächlich aber schafft die Abstinenz eine gewisse statt. Die Einsparungen werden allerdings Freiheit. durch steigenden Konsum aufgefressen und oft sogar überkompensiert. Und selbst wenn Vor vielen Jahren, als es noch keine wir nur unsere liebgewonnenen Standards Computer gab, hatte ich mir angewöhnt, halten, wird das Wohlstandsstreben von bald an den Wochenenden durch das Büro zu neun Milliarden Erdbewohnern auch trotz gehen und zu einzelnen Projekten für deren noch so großem technischen Fortschritt das jeweilige Bearbeiter schriftliche Anmer- System an den Anschlag bringen. Wirklich kungen zu hinterlassen. Diese wurden von nachhaltig kann deshalb nur ein Lebensstil meinen Mitarbeitern „Liebesbriefe“ genannt. ohne Konsumzuwachs sein, bei dem das Wohl- Wer am Montag auf seinem Schreibtisch ergehen des Einzelnen auf anderen als keine Notiz vorfand war traurig, weil ich materiellen Werten fußt. mich offenbar um sein Projekt nicht geküm- mert hatte. Auf diese Weise entstand eine Zu den modernen Fehlentwicklungen Zusammenarbeit, die auch optisch nachvoll- gehört auch, dass wir viel zu schnell – und ziehbar war. das kennzeichnet zu einem Gutteil die Archi- tekturgeschichte der Neuzeit – der Meinung Heute gehe ich am Wochenende nicht waren, wir müssten uns um die Historie mehr ins Büro, denn ich finde dort die Arbeits- und den Charakter einer Stadt überhaupt stände nicht mehr physisch vor. Die Schreib- keine Gedanken mehr machen. Die Architek- tische sind leer, die gesamte Arbeit versteckt tur präge einen neuen Menschen und der sich im Computer. Wenn ich heute zu neue Mensch lebe in einer anderen, technik- einem Mitarbeiter gehe und mit ihm am Bild- orientierten Welt ohne Geschichte. schirm ein Thema diskutiere, bin ich immer wieder erstaunt, mit welcher Geschwindig-
  • 28. 26 V o r T r A G P r o F . A L B E r T S P E E r Heute haben wir gelernt, dass in einer Kühlung mittels Durchlüftung der Straßen Welt, in der die Anforderungen an die Archi- und Beschattung von Gebäuden wieder- tektur immer ähnlicher werden – eine Küche zubeleben, um deren Aufheizen unter der in China hat die gleiche Größenordnung Wüstensonne zu verhindern. Diese Prinzipien und Ausstattung wie eine Küche in Europa haben wir vor 35 Jahren in unserer Diplo- oder den USA – Charakter und Flair einer matenstadt von Riad in Saudi Arabien auch Stadt für das urbane Leben künftig eine schon erfolgreich angewandt, obgleich schon viel größere Rolle spielen werden als die damals und noch bis heute aufwändig klima- Architektur. Ich versuche bei unseren Pro- tisierte Glaspaläste in die Wüste gebaut jekten stets, die Besonderheit und Einmalig- wurden. keit einer Stadt, die sich aus Kultur, Land- schaft und Klima sowie den unterschiedlichen Ich möchte betonen, dass „neues Denken“ gesellschaftlichen, religiösen und wirtschaft- auch beinhalten muss, dass wir die Bevölke- lichen Faktoren ergibt, in den Mittelpunkt rung an der Entwicklung unserer Städte unserer Planungen zu stellen. beteiligen. Wir müssen die Dinge mit den Menschen gemeinsam erarbeiten und sie Wir sind in China nicht zuletzt deshalb nicht erst nachträglich über Entscheidungen erfolgreich, weil wir als eines der ersten aus- informieren, die über ihre Köpfe hinweg ländischen Architekturbüros die chinesische getroffenen wurden. Bei zwei unserer Pro- Stadtgeschichte studiert haben. Dabei jekte in Köln und in München haben wir mit entdeckten wir Prinzipien, die so modern ernst genommener Partizipation viel erreicht. und nachhaltig sind, dass wir sie zur Grund- Das Projekt „Stuttgart 21“ hingegen ist aus lage neuer Entwürfe machten. Auch die meiner Sicht das erschreckendste Misslingen für ihre enorme Lernfähigkeit bekannten einer Planung in den letzten Jahren. Es Chinesen berücksichtigen sie bei ihren darf einfach nicht sein, dass man trotz eigenen Arbeiten heute wieder viel stärker Einhaltung aller vorgeschriebener formeller als dies noch vor wenigen Jahren der Fall Beteiligungsverfahren erst nach 15 Jahren war. Ich bin fest davon überzeugt, dass Planung anfängt, ernsthaft mit der Bevölke- wir unsere Denkfaulheit und unser blindes rung über Sinn und Nutzen eines solchen Vertrauen in die modernen Technologien Vorhabens ins Gespräch zu kommen. überwinden und zum Nachdenken zurück- kehren sollten. Ich habe einmal den – zugegeben – wohl etwas utopischen und rein rechtlich leider In unser neues Nachdenken müssen kaum praktikablen Vorschlag gemacht, auch die aus dem Studium der Geschichte dass man in Deutschland bei großen städte- gewonnenen Erfahrungen einfließen. baulich relevanten Maßnahmen die Suche Von Prof. Stolte wurde bereits die Modell- nach einem Konsens über ein Projekt stadt Masdar in Abu Dhabi erwähnt. Dort gesetzlich auf höchstens fünf Jahre begren- wird nicht nur versucht, eine hypermoderne, zen sollte. Reicht dieser Zeitraum nicht aus, mustergültige neue Stadt ohne CO 2-Emis- ist das Projekt abzubrechen. Alles andere sionen zu bauen. Es wird auch versucht, ist den Menschen nicht zumutbar. uralte arabische Methoden der natürlichen
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  • 31. V o r T r A G P r o F . A L B E r T S P E E r 29 In diesem Zusammenhang hört man – Stadt München und den Münchner Vereinen auch von Politikern – immer wieder, dass FC Bayern und TSV 1860 ein auf ein Drei- die Bürger daran schuld seien, dass Pro- vierteljahr angesetztes Verfahren entwickelt jekte lange verschleppt werden. Ich bin da und dabei 28 Standorte untersucht. Am vollkommen anderer Meinung: Schuld Ende blieben zunächst zwei Standorte übrig sind unsere komplexen, die Bevölkerung und wir erreichten einen fast einstimmigen nur minimal einbeziehenden Beteiligungs- Beschluss des Stadtrates für Freimann, wo verfahren. Man müsste sie ganz anders das Stadion dann auch gebaut wurde. Wir aufziehen. Bürgerentscheide aber – das haben der Stadt München geraten, nicht zu vorweg – sind dabei alleine auch nicht aus- warten, bis kritische Bürgerinitiativen – reichend, obwohl uns das einige gesell- die es bei jedem Großvorhaben gibt – einen schaftliche Kräfte glauben machen wollen. Bürgerentscheid fordern, sondern selber eine Stadtentwicklung ist in der Regel zu kom- Abstimmung durchzuführen. Dazu gehörte plex, um auf eine Ja/Nein-Entscheidung selbstverständlich auch eine Art Wahlkampf, reduziert zu werden. an dessen Organisation wir beteiligt waren. Zum allgemeinen Erstaunen waren dabei Bei unserem Masterplan für Köln haben über 65 Prozent aller abgegebenen Stimmen wir das Prinzip der Partizipation beispiel- für den Standort – bei einer Rekord-Wahl- haft und sehr ernsthaft angewendet. Bei der beteiligung von fast 40 Prozent. Damit war Planung für die gesamte Innenstadt wurden die Diskussion beendet. sämtliche relevanten gesellschaftlichen Gruppen über ein Jahr in den Arbeitsprozess Wie dieses Beispiel zeigt, muss der Bau eingebunden. Am Ende hatten wir einen eines Stadions – und dabei geht es ja nicht stabilen Konsens für unsere Vision zur allein um die Arena, sondern auch um neue „Kölner Innenstadt“ für die nächsten 20 bis Autobahn- und U-Bahn-Anschlüsse, die 30 Jahre erreicht, die nun allmählich umge- Verlegung von Industriearealen und vieles setzt wird. Die Länge unserer Genehmigungs- andere mehr – nach allen demokratischen verfahren liegt also nicht an der Beteili- Regeln der administrativen Kunst gesteuert gung der Bürger, sondern an der mangelnden werden, um alle Verfahrens-Hürden zu Effizienz unserer Verwaltungen und politi- nehmen. Und das ist uns bei der Allianz schen Strukturen begründet. Wenn die Arena innerhalb von nur zwei Jahren gelun- Verfahren von Anfang an besser organisiert gen – unter Einhaltung sämtlicher juristischer und strukturiert werden, funktioniert und gesellschaftlicher Regeln. Nach gerade es auch. einmal vier Jahren Bauzeit war das Stadion fertig. Warum ist das gelungen? Weil Deutsch- Ein weiteres positives Beispiel ist die land im Jahr darauf die Fußball-Weltmeister- Allianz Arena in München. Der Bau eines schaft ausgerichtet hat. Dies beweist, neuen Fußballstadions für München war dass es sehr wohl möglich ist, ein derart zunächst heiß umstritten. Der Oberbürger- großes Projekt unter Einbeziehung aller meister und die Stadtverwaltung waren relevanten Gruppen in so kurzer Zeit zu rea- überzeugt, außer dem Olympiastadion gäbe lisieren. An den notwendigen Fähigkeiten es überhaupt keinen geeigneten Standort. dafür fehlt es nicht. Wir setzen sie nur meist Wir haben dann für die Suche nach alter- nicht ein. nativen Möglichkeiten gemeinsam mit der
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  • 33. V o r T r A G D r . D I E T E r S A L o M o N 31 „D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T, D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“ Vortrag von Dr. Dieter Salomon, Oberbürgermeister der Stadt Freiburg im Breisgau. Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich freue mich, dass ich Ihnen heute eini- ges über die Stadt Freiburg erzählen und dies dann in den Kontext des Tagungsthemas stellen kann. Vor einigen Wochen habe ich Herrn Dr. Spandau gefragt, worüber ich denn in Benediktbeuern referieren solle. Dr. Spandau meinte daraufhin, ich solle ein- Unsere Demokratie ist im Vergleich mit fach erzählen, wie ich mir das Freiburg der dem chinesischen System sicherlich sehr Zukunft vorstelle. langsam. Wenn wir unseren bisherigen Umgang mit der Atomkraft jetzt im gesell- Und jetzt spricht Dr. Spandau hier von schaftlichen Konsens korrigieren, ist Megacities in Asien und Afrika, von globalen unser System sogar ein – ich sage das mit Entwicklungen im Städtebau. Was hat das aller Vorsicht – fehlerfreundliches System. alles mit dem kleinen Freiburg zu tun? Zumindest wird demokratisch entschie- Prof. Speer habe ich im letzten Herbst in den, in welche Richtung es gehen soll. Shanghai getroffen, wo wir mit chinesischen Städteplanern über deren Vorstellung von Zurück zu Freiburg. Die Stadt hat den Städten der Zukunft diskutieren durften. 220.000 Einwohner. Shanghai hingegen Der Unterschied zwischen China und hat so viele Einwohner wie ganz Nord- Freiburg – oder Deutschland – ist groß. rhein-Westfalen. Es drängt sich die Frage auf, was die beiden Städte eigentlich Dort gibt es vielleicht auch Wutbürger, miteinander gemein haben. Kann man sie aber diese dürfen sich nicht artikulieren. überhaupt miteinander vergleichen? Dort gibt es keine Zivilgesellschaft. Bürgerbeteiligung sieht dort – überspitzt Dennoch gibt es etwas, das alle Städte formuliert – folgendermaßen aus: Morgens der Welt gemeinsam haben: den hohen klopft jemand an die Tür und teilt mit, CO 2 -Ausstoß. Zusammen produzieren dass man bis zum Abend ausziehen muss, sie 80 Prozent aller CO 2 -Emissionen. weil ein neues Stadtviertel errichtet Will man für dieses Problem eine Lösung wird. finden, dann muss sie aus den Städten kommen.
  • 34. 32 V o r T r A G D r . D I E T E r S A L o M o N Ich hatte die Gelegenheit, beim Klima- Nicht nur unsere Staatsform, die Demo- Gipfel in Kopenhagen dabeizusein, denn kratie – ich erinnere an die griechische Polis im Rahmen der Veranstaltung gab es der Antike – hat sich in Städten entwickelt. auch ein Treffen von Bürgermeistern. Auf Später, im Mittelalter, waren vor allem die einer Podiumsveranstaltung habe ich Arnold weitgehend unabhängigen Städte fortschritt- Schwarzenegger erlebt, den ehemaligen lich und wohlhabend. Sie kennen den Gouverneur von Kalifornien. Er sagte – Spruch: Stadtluft macht frei – und zwar noch bevor der Gipfel gescheitert war –, innerhalb der Stadtmauern und nicht außer- er könne sich nicht vorstellen, dass sich halb. Oder denken Sie an die oberitalieni- 194 Nationen auf einen gemeinsamen Plan schen Städte der Renaissance und an die würden einigen können. Darauf könne der Hanse im Norden, die von Landesherren man lange warten. Aber auch wenn es nicht unabhängig Handel trieben. Schon früher ginge, müsse man es zumindest versuchen. waren Probleme, die in Städten entstanden, Dazu müsse man allerdings von unten immer nur durch Anstrengungen der Städte beginnen, in den Städten, in den Regionen. selbst lösbar. Darauf gab es heftigen Beifall – kein Wunder, schließlich saßen viele Bürgermeister im Städte sind sehr unterschiedlich. Auch Publikum. wenn bei Ihren Einführungsworten, lieber Herr Dr. Spandau, ein leicht ironischer Ich bin in verschiedenen Gremien tätig, Unterton nicht zu überhören war: Freiburg darunter auch in weltweiten Städtenetzen ist nicht das kleine gallische Dorf. Dass für Nachhaltigkeit. Unter anderem bin bei der letzten Landtagswahl 43 Prozent ich im Vorstand von ICLEI (International Grün gewählt haben, heißt ja nicht, dass die Council for Local Environmental Initiatives), Stadt deshalb anders ist als andere. Wir sind dem Internationalen Rat für kommunale eine kleine Großstadt. Wir stehen an der Umweltinitiativen. Wir alle haben schon in 34. Stelle der Liste der größten Städte der Schule die Regel gelernt: Du darfst nicht Deutschlands. Als ich 2002 gewählt wurde, abschreiben. Wer es dennoch tut, wird standen wir an der 40. Stelle. Wir sind also bestraft. Bei der Stadtentwicklung gilt sie gewachsen, während andere geschrumpft nicht. Hier darf man sich hemmungslos bei sind. In Westeuropa stehen wir grundsätz- dem bedienen, was andere besser machen lich vor dem Problem, dass die meisten als man selbst. Man muss nur darauf achten, Städte schrumpfen. Im Rest der Welt hin- dass das, was andere vorgedacht und viel- gegen wachsen sie. leicht sogar schon umgesetzt haben, auch auf die eigenen Probleme übertragbar ist. Das Die Bevölkerung Europas schrumpft. ist der Wettbewerb um die besten Lösungen. Die europäischen Städte werden also nicht maßlos wachsen. Die Städte werden wohl Deshalb müssen die Lösungen aus den auch in der Zukunft ähnlich aussehen Städten heraus kommen – auch wenn sie wie heute. Aber sie müssen sich verändern. im einzelnen sehr unterschiedlich sein Wir müssen innerhalb des Bestehenden können. Städte waren immer schon Keim- umbauen. Um dies bewerkstelligen zu zellen für Fortschritt und Umgestaltung. können, brauchen wir Visionen.
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  • 36.
  • 37. V o r T r A G D r . D I E T E r S A L o M o N 35 Was aber ist eine Vision? Helmut Schmidt Verwaltungsbereiche Energie, Verkehr, hat einmal gesagt: Wer Visionen hat, soll Bauen und Soziales zusammenführt. zum Arzt gehen. Das würde ich so nicht Wie in vielen anderen Städten ist auch in unterschreiben. Gewiss, viele Ideen haben Freiburg eine Tendenz zur Reurbanisierung mit der Wirklichkeit nichts zu tun und zu beobachten. Immer mehr Menschen, lassen sich auch nicht verwirklichen. Aber die in den 60er und 70er Jahren in die es gibt nicht nur negative, sondern auch Vororte – in die sogenannten Speckgürtel – positive Visionen. gezogen sind, kehren im fortgeschrittenen Alter in die Innenstädte zurück, also Alexander Mitscherlich, der große Frank- dorthin, wo es eine urbane Infrastruktur furter Soziologe, hat in den 60er Jahren des mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Theatern, vorigen Jahrhunderts ein Buch geschrieben Kinos, Ärzten, Krankenhäusern, Volkshoch- über „Die Unwirtlichkeit unserer Städte“. schulen usw. gibt. Darin ging er davon aus, dass die Architektur die Menschen prägt, und dass die Städte die Freiburg ist eine Stadt, die in den letzten Menschen krank machen – eine Horrorvision. Jahren ständig gewachsen ist. Zuerst hat sich Dem stelle ich eine positive Vision gegen- der Osten der Bundesrepublik stark entvöl- über wie die von Prof. Speer, die auch jeder kert, dann teilweise der Norden. Aber auch Oberbürgermeister haben sollte, der seine wir im Süden und Südwesten werden nur Stadt voranbringen möchte. Sie geht aus von noch wenige Jahre wachsen. Der demogra- der Erkenntnis, dass es der Mensch selbst phische Wandel wird für uns die nächste ist, der die Städte gestaltet und prägt. Herausforderung sein. Wie werden Lösungen Ausgangspunkt kann also nicht die Architek- finden müssen für die Probleme, die sich tur sein. Sie darf nicht zum Selbstzweck daraus ergeben, dass die Menschen immer werden, sondern muss dem Ziel dienen, den älter und der Anteil der Alten an der Bevöl- Menschen ein Stadtleben – Wohnen, Arbeiten, kerung immer größer wird. Zugleich werden Einkaufen und Freizeitgestaltung – zu ermög- wir einen Umbau unserer Städte bewerk- lichen, das sie eben nicht krank macht. stelligen müssen. Eine – wenn nicht die – Hauptforderung Freiburg ist – auch wenn es 2010 von für die Entwicklung aller Städte heißt: Sie der Deutschen Umwelthilfe zur „Bundes- müssen nachhaltig werden. Während der hauptstadt des Klimaschutzes“ gewählt letzten drei Tage fand in Stuttgart die Haupt- wurde – kein Öko-Disneyland. Vielleicht versammlung des Deutschen Städtetages sind wir durch unsere ökologische Ausrich- statt, in deren Rahmen ich ein Forum mit tung in einer etwas besseren Lage als dem Titel „Die Zukunft der Stadt ist nach- andere Städte, aber auch wir befinden uns haltig“ leiten durfte. in einem Umgestaltungsprozess, der noch viele Jahre in Anspruch nehmen wird. Dabei ging es um das Thema integrierte Wir haben den großen Vorteil – und das Stadtentwicklung, also darum, dass es allein mag mit den 43 Prozent für die Grünen schon aus Gründen des Klimaschutzes einer zusammenhängen –, dass unserer Bürger Politik bedarf, welche die unterschiedlichen bereit sind, diesen Wandel mitzugehen.
  • 38. 36 V o r T r A G D r . D I E T E r S A L o M o N In einer demokratischen Gesellschaft ist ohne ständig in die Fläche zu wachsen. Bürgerbeteiligung schließlich Voraussetzung Darüber wurde mit großer Bürgerbeteiligung für gesellschaftlichen Wandel. Unser Image diskutiert. Als ich ins Amt kam, wurde eine als „Green City“ und die jährlich 25.000 Arbeitsgruppe gebildet, die diese Diskussion Besucher aus aller Welt, welche die beiden so lange moderiert hat, bis von 200 hoch- neuen, integriert gebauten Stadtteile besich- umstrittenen Flächen nur noch drei oder vier tigen, bestätigen uns jedenfalls in unserer strittig waren. Alle anderen wurden ein- Politik. stimmig akzeptiert. Seither gibt es über diesen Flächennutzungsplan keinen Streit mehr, In den 60er Jahren herrschte in Freiburg denn alle Beteiligten haben von Anfang an Wohnungsnot. In der Folge wurden neue mitgesprochen. Stadtviertel aus Hochhäusern auf die grüne Wiese gebaut – ohne jegliche Infrastruktur, Ein solches Vorgehen ist also möglich, Verkehrsanbindung oder öffentlichen aber es ist sehr aufwendig. Andererseits ist Nahverkehr. Es gab keine Kindergärten, es ein gangbarer Weg, um aus Wutbürgern keine Schulen, keine Kirchen, keine Ein- Mutbürger zu machen. kaufsmöglichkeiten. Da durften wir uns nicht wundern, dass wir zehn Jahre später Man muss den Bürgern die Möglichkeit die größten sozialen Probleme hatten. geben, Dinge in die eigene Hand zu nehmen, wobei die Verwaltung diesen Prozess 30 bis 40 Jahre danach haben wir ver- natürlich steuern muss. Christian Ude, der sucht, es besser zu machen, indem wir von alte und neue Präsident des Deutschen Anfang an die Infrastruktur mit aufgebaut Städtetages, hat gesagt: Man muss die Bürger haben. ernst nehmen und ihnen Gelegenheit geben, sich zu äußern und sich einzubringen. Was das Thema Bürgerbeteiligung und Aber man darf auch in unserer repräsenta- Stadtteilentwicklungsplan angeht, so wer- tiven Demokratie das Kind nicht mit dem den wir uns, Herr Prof. Speer, demnächst Bade ausschütten und den demokratisch den Masterplan von Köln ansehen. Dazu gewählten ehrenamtlichen Gemeinderäten, wird unser Baubürgermeister mit dem die sich jahrelang intensiv mit bestimmten Bauausschuss nach Köln fahren. Verwal- Problembereichen beschäftigt haben, die tungsfachleute aus verschiedenen Ämtern Verantwortung nehmen. werden in Workshops gemeinsam mit der Bürgerschaft diskutieren, wie sich der Man muss ihnen sagen: Ihr müsst am betreffende Stadtteil in den nächsten Ende den Bürgern gegenüber verantworten, 10 bis 15 Jahren entwickeln soll. Bürger- was Ihr beschließt. Dafür seid Ihr gewählt beteiligung bedeutet, die Menschen und dafür müsst Ihr geradestehen. mitzunehmen. Die zentrale Frage unseres Flächennutzungsplans als Drehbuch für Vor 20 Jahren, auf der ersten Umwelt- die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte ist, konferenz in Rio, wurden die Themen wie wir unsere Stadt entwickeln können, Klimaschutz und Nachhaltigkeit entdeckt. Der Begriff Nachhaltigkeit – englisch:
  • 39. 37 sustainability – stammt ursprünglich aus weltwirtschaft, sah sich irgendwann der Forstwirtschaft. Er besagt, dass man im zu dem Einwurf veranlasst: „Ich muss hier Prinzip nicht mehr verbrauchen darf als festhalten: Freiburg ist nicht Deutschland.“ nachwächst. Jede Generation sollte so Worauf ich erwidert habe: „Sie haben völlig handeln, dass ihre Kinder und Enkel über recht, Frau Müller. Aber ich würde auch ihre Lebensbedingungen selbst entscheiden nie behaupten, dass am Freiburger Wesen die können. Ein solches Verhalten hat nicht Welt genesen soll.“ nur eine große ökologische, sondern auch eine ökonomische, finanzpolitische und Es kommt nicht auf Freiburg an. Son- soziale Komponente. Auch Städte funktionie- dern es kommt darauf an, dass wir uns ren nur, wenn der soziale Zusammenhalt alle gemeinsam über die Zukunft der gewährleistet ist. Wenn eine Stadt sozial Städte unterhalten müssen, denn wir haben auseinander bricht oder in sogenannte Probleme zu lösen, die allen gemeinsam „gated communities“ – eine Art Gettos der sind. So unterschiedlich die Städte und so Reichen – zerfällt, wie es in vielen Städten verschieden die Wege zu ihrer Lösung daher Südamerikas der Fall ist, dann funktioniert auch sein mögen: Am Ende werden die sie nicht. Lösungen wohl doch ganz ähnlich aussehen müssen. Das soziale Miteinander in westeuro- päischen Städten kann ich mir nur mit den „drei T“ vorstellen, den drei Schlüsselbe- griffen Technologie, Talent and Toleranz, die dem amerikanischen Wirtschaftswissenschaft- ler und Stadtsoziologen Richard Florida zufolge die Zukunftschancen eines jeden städtischen Gemeinwesens kennzeichnen. „Technologie“ steht dabei für die für zukunfts- trächtige Berufe zur Verfügung stehende Technik, „Talent“ für eine möglichst große Zahl kreativer Menschen, und „Toleranz“ für ein hohes Maß an ethnischer, kultureller und sozialer Vielfalt und einer offenen und freien Atmosphäre. Vorige Woche war ich zu einer Sitzung der von Klaus Töpfer geleiteten Ethik- kommission eingeladen. Bei dieser Gelegen- heit habe ich von Freiburg und Südbaden erzählt und von den Menschen, die dort manchmal etwas anders denken als anders- wo. Hildegard Müller, die Vorsitzende des Bundesverbandes der Energie- und Um-
  • 40. 38 D I E B E N E DI KTB E U R E R G E S P R ÄC H E D E R AL L IA N Z U MWE LTS TI F T U NG 2011
  • 41. 39 „ D I E S TA DT V O N M O R G E N W I R D D U R C H D E N G E B AU T , D E R S I E N E U Z U D E N KE N WAG T. “
  • 42. 40 D I E B E N E DI KTB E U R E R G E S P R ÄC H E D E R AL L IA N Z U MWE LTS TI F T U NG 2011
  • 43. 41 „ D I E S TA DT V O N M O R G E N W I R D D U R C H D E N G E B AU T , D E R S I E N E U Z U D E N KE N WAG T. “
  • 44.
  • 45. V o r T r A G P r o F . D r . H A r A L D W E L Z E r 43 „D I E S TADT V O N MO RG E N WI R D DU R C H D E N G E B AU T, D E R S I E N E U Z U D E N K E N WAGT.“ Vortrag von Prof. Dr. Harald Welzer, Direktor des Center for Interdisciplinary Memory Research am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen und Professor für Sozialpsychologie an der Universität St. Gallen. Meine verehrten Damen und Herren, ich kann unmittelbar anknüpfen an das, was Herr Dr. Salomon und Herr Prof. Speer gesagt haben. Herr Prof. Speer sprach von der Problematik der Schnelligkeit. Dazu eine Ich hatte das Welzersche Theorem ent- kleine Anekdote, an der mir diese besonders deckt: Das Gute schrumpft proportional zur deutlich geworden ist: Ausdehnung der Arbeitszeit. Eine Katastrophe: Jeder dieser Leute arbeitet jetzt nicht mehr Bei einem Flug von München nach Düs- acht Stunden am Falschen, sondern 16 Stun- seldorf stieg ich spätabends ins Flugzeug, zu den oder noch mehr. Nicht mehr fünf Tage einer Zeit, zu der man normalerweise ein die Woche, sondern sieben. Diese Kostüm- Buch liest oder Fernsehnachrichten schaut. frauen und Laptopmänner, die Sparpotentiale Die Kabine war wie üblich voll mit Laptop- aufspüren, Optimierungsstrategien entwickeln, männern, und die klappten, sobald die Kommunikation verbessern, haben dafür Anschnallzeichen erloschen waren, eben ihre die doppelte Zeit zur Verfügung! Und die, Bildschirme hoch und fingen an, Excel- die für die Bearbeitung der dabei entstehen- Tabellen auszufüllen, E-Mails zu beantworten, den Kollateralkatastrophen zuständig sind, Angebote zu schreiben, Berechnungen vor- auch! Da die Menge derjenigen, die mit aller zunehmen, Vermerke zu verfassen, Formulare Anstrengung immer alles in die falsche zu entwerfen, also alles das zu tun, was Richtung optimieren, ohnehin um ein viel- sie auch dann machen, wenn sie woanders faches größer ist als die derjenigen, die gern sind als im Flugzeug: im Büro, in Warte- zwischendurch mal innehalten, um nach- lounges, in Cafes, in Meetings und so weiter. zudenken, wird der Überhang an Zeit, die Dieselbe Sorte Leute hat früher ohne Laptops, für Unsinn aufgewendet wird, immer größer, Smart Phones, Meetings usw. bis 17 oder während der Sinn immer kleiner wird: 18 Uhr in ihren hässlichen Büros gesessen und man denkt ja nicht mehr, wenn man länger dann Feierabend gemacht. Damals, so wurde denkt. Dies hängt zusammen mit dem Pro- mir mit einem Mal klar, hatten sie einfach blem des Nicht-Innehaltenkönnens. viel weniger Zeit, die falschen Dinge zu tun.
  • 46. 44 V o r T r A G P r o F . D r . H A r A L D W E L Z E r In unserer Kultur der Dauerkommunika- Weder bei den Informationen, die wir tion und des Dauerarbeitens gibt es keine über die Medien bekommen, noch bei unserer Momente der Reflexion. Es merkt doch jeder eigenen Beschäftigung mit Zukunftsproblemen an sich selbst, wie sich die eigene Arbeits- gibt es noch einen Moment der Reflexion. weise verändert. Ich ertappe mich manchmal Wir werden ständig mit Informationen über- dabei, dass ich telefoniere und parallel dazu flutet, ohne dass wir uns die Gelegenheit E-Mails lese. Ein fürchterliches soziales gäben, sie zu verarbeiten. Verhalten, absolut unkonzentriert, aber es ist das, was diese Technologien und Schnitt- Damit kommen wir zum Kern der Pro- stellen zwischen Mensch und Maschine bei blematik, die sich – zumindest aus meiner uns bewirken. Hier beginnt einiges aus Sicht – aus der Entwicklung der Städte und dem Ruder zu laufen. – sogar noch weiter gefasst – der modernen Gesellschaften insgesamt ergibt. Beides Wenn man über Lösungen von Problemen ist ja eng miteinander verknüpft. Fukushima nachdenkt, vor denen die Städte stehen, ist zeigt uns – abgesehen von den erwähnten ein Moment des Innehaltens absolut not- die Medien betreffenden Aspekten – noch wendig, um erkennen zu können, dass man etwas, was mich sehr nachdenklich gemacht für viele Probleme noch überhaupt keine hat. Diese Katastrophe hat sich in der dritt- Lösung hat. Wir reagieren gleichsam wie die größten Wirtschaftsmacht der Erde ereignet, Pawlowschen Hunde: Wir sehen ein Problem in einem Land, das kaum über eigene und meinen, sofort eine Lösung finden zu Bodenschätze verfügt. Das zeigt uns, dass müssen – ohne zuvor auch nur vernünftig wir ein System entwickelt haben, in dem es nachgedacht und das Problem verstanden möglich ist, zur drittgrößten Wirtschafts- zu haben. macht aufzusteigen, ohne die dafür notwen- digen natürlichen Ressourcen zu besitzen. Noch ein bedrückender Aspekt des Pro- In Fukushima wurde der Traum der Moderne blems der Schnelligkeit: Fukushima ist die zerstört, der Traum, dass sich die Menschen größte technische Katastrophe, die es je vollständig von der Natur und ihren Ressour- gegeben hat. Wir wissen nicht, welche cen unabhängig machen können. Prozesse dort momentan ablaufen und wie es weitergehen wird. In einem modernen Man hat gesehen, dass die Emanzipation Hochtechnologieland passiert eine derartige von den natürlichen Gegebenheiten nicht Katastrophe – und die mediale wie die gelingt. Auch Menschen sind biologische persönliche Aufmerksamkeit hält gerade Wesen und befinden sich als solche in mal eine Woche an! Bereits nach einer ständigen Austauschprozessen mit der sie Woche rangierten die Nachrichten darüber umgebenden Natur. Unser gesamtes Wirt- an dritter oder vierter Stelle. Nach nur einer schafts-, Gesellschafts- und Lebensmodell Woche erlahmt unser Interesse an diesem trägt dem immer weniger Rechnung und Thema! Journalisten sagen dazu, sie können stößt daher zunehmend an Grenzen. die Spannung nicht aufrechterhalten. Das gilt nicht nur für das Thema Energie, sondern auch für alle anderen Ressourcen