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Weniger Vereinsamung für schwer demenziell Erkrankte
Hochschule untersucht Wohnkonzept „Beschütztes Wohnen“


Osnabrück,      September         2011.    Die    Kombination       aus         Teilnahme   am
Gemeinschaftsleben und der Möglichkeit, sich in private Räume zurückzuziehen, wirkt
sich positiv auf Menschen mit Demenz im späten Stadium der Erkrankung aus. Das
haben    Wissenschaftler     der      Hochschule        Osnabrück         im     Rahmen     des
Evaluationsprojektes „Beschütztes Wohnen“ herausgefunden. Anhand teilnehmender
Beobachtungen, in Gesprächen und Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern,
pflegenden Angehörigen sowie der Pflegedienstleitung wurde untersucht, welche
Effekte das 2009 im Heywinkel-Haus Osnabrück ins Leben gerufene Wohnkonzept
„Beschütztes Wohnen“ auf die Erkrankten hat. Besonderes Augenmerk legte die
Studiengruppe auf die Frage, ob sich die Lebensqualität der Bewohner durch
Gesellschaft und Aktivitäten verbessert.



„Wir konnten feststellen, dass die Bewohner im Beschützten Wohnen häufiger Kontakt
zum Pflegepersonal haben und eine Vereinsamung im Einzelzimmer vermieden wird“,
erläutert Prof. Dr. Elke Hotze, Professorin für Pflegewissenschaft an der Hochschule
Osnabrück und Projektleiterin. „Darüber hinaus besteht auch für das Pflegepersonal die
Möglichkeit,   die   demenziell    Erkrankten     stärker    im   Blick    zu    behalten   und
dementsprechend ihre Signale besser wahrnehmen zu können.“ Den Betroffenen gebe
dies Vertrauen und Zuversicht, da ihre Bedürfnisse auch ohne eine gezielte Artikulation
bemerkt werden. Das Heywinkel-Haus lehnt sich mit seinem Modell „Beschütztes
Wohnen“ an das mittlerweile in zahlreichen Einrichtungen umgesetzte Konzept der so
genannten Pflegeoasen an. Dort werden die oftmals wenig mobilen Bewohner in einem
Gemeinschaftsraum betreut, um sie so vor Isolation zu schützen. „Anders als beim
Modell der Pflegeoasen, bei dem die Bewohner Tag und Nacht in einem
Gemeinschaftsraum betreut werden, haben die demenziell Erkrankten bei uns jedoch
die Möglichkeit, sich nach Bedarf in individuelle Bewohnerzimmer zurückzuziehen“,
erklärt Eckhard Kallert, Geschäftsführer der Heywinkel-Haus gGmbH.



Besonders dieses kontrovers diskutierte Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und
Gemeinschaftserleben stand bei der Untersuchung der Hochschule Osnabrück im
Vordergrund. „Zusammenfassend können wir sagen, dass die Kombination den Alltag
der   demenziell     Erkrankten     bereichert.   Das       erkennen      wir    an   konkreten
Verhaltensänderungen wie z.B. längeren Wachphasen der Bewohner“, so Hotze. „Die
Umsetzung des Konzeptes erfolgt zudem mit großem Engagement der Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter und zeichnet sich durch ein hohes Maß an Flexibilität aus.“ Der
besondere Vorteil des Konzeptes liegt nach Einschätzung der Studiengruppe in der
Wahlmöglichkeit für    die      Bewohner. „Die Rückzugsmöglichkeit der   demenziell
Erkrankten bedeutet allerdings auch, dass das Pflegepersonal den Gemeinschaftsraum
verlassen muss, um sich den Bewohnern in den Privatzimmern zuzuwenden“, fährt
Hotze fort. „Hier sind eine ausreichende Personalbesetzung und die konsequente
Umsetzung einer engen Bezugspflege notwendig, damit der Vorteil gegenüber den
Pflegeoasen erhalten bleibt.“

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  • 1. Weniger Vereinsamung für schwer demenziell Erkrankte Hochschule untersucht Wohnkonzept „Beschütztes Wohnen“ Osnabrück, September 2011. Die Kombination aus Teilnahme am Gemeinschaftsleben und der Möglichkeit, sich in private Räume zurückzuziehen, wirkt sich positiv auf Menschen mit Demenz im späten Stadium der Erkrankung aus. Das haben Wissenschaftler der Hochschule Osnabrück im Rahmen des Evaluationsprojektes „Beschütztes Wohnen“ herausgefunden. Anhand teilnehmender Beobachtungen, in Gesprächen und Interviews mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, pflegenden Angehörigen sowie der Pflegedienstleitung wurde untersucht, welche Effekte das 2009 im Heywinkel-Haus Osnabrück ins Leben gerufene Wohnkonzept „Beschütztes Wohnen“ auf die Erkrankten hat. Besonderes Augenmerk legte die Studiengruppe auf die Frage, ob sich die Lebensqualität der Bewohner durch Gesellschaft und Aktivitäten verbessert. „Wir konnten feststellen, dass die Bewohner im Beschützten Wohnen häufiger Kontakt zum Pflegepersonal haben und eine Vereinsamung im Einzelzimmer vermieden wird“, erläutert Prof. Dr. Elke Hotze, Professorin für Pflegewissenschaft an der Hochschule Osnabrück und Projektleiterin. „Darüber hinaus besteht auch für das Pflegepersonal die Möglichkeit, die demenziell Erkrankten stärker im Blick zu behalten und dementsprechend ihre Signale besser wahrnehmen zu können.“ Den Betroffenen gebe dies Vertrauen und Zuversicht, da ihre Bedürfnisse auch ohne eine gezielte Artikulation bemerkt werden. Das Heywinkel-Haus lehnt sich mit seinem Modell „Beschütztes Wohnen“ an das mittlerweile in zahlreichen Einrichtungen umgesetzte Konzept der so genannten Pflegeoasen an. Dort werden die oftmals wenig mobilen Bewohner in einem Gemeinschaftsraum betreut, um sie so vor Isolation zu schützen. „Anders als beim Modell der Pflegeoasen, bei dem die Bewohner Tag und Nacht in einem Gemeinschaftsraum betreut werden, haben die demenziell Erkrankten bei uns jedoch die Möglichkeit, sich nach Bedarf in individuelle Bewohnerzimmer zurückzuziehen“, erklärt Eckhard Kallert, Geschäftsführer der Heywinkel-Haus gGmbH. Besonders dieses kontrovers diskutierte Spannungsfeld zwischen Privatsphäre und Gemeinschaftserleben stand bei der Untersuchung der Hochschule Osnabrück im Vordergrund. „Zusammenfassend können wir sagen, dass die Kombination den Alltag der demenziell Erkrankten bereichert. Das erkennen wir an konkreten Verhaltensänderungen wie z.B. längeren Wachphasen der Bewohner“, so Hotze. „Die
  • 2. Umsetzung des Konzeptes erfolgt zudem mit großem Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und zeichnet sich durch ein hohes Maß an Flexibilität aus.“ Der besondere Vorteil des Konzeptes liegt nach Einschätzung der Studiengruppe in der Wahlmöglichkeit für die Bewohner. „Die Rückzugsmöglichkeit der demenziell Erkrankten bedeutet allerdings auch, dass das Pflegepersonal den Gemeinschaftsraum verlassen muss, um sich den Bewohnern in den Privatzimmern zuzuwenden“, fährt Hotze fort. „Hier sind eine ausreichende Personalbesetzung und die konsequente Umsetzung einer engen Bezugspflege notwendig, damit der Vorteil gegenüber den Pflegeoasen erhalten bleibt.“