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Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“
Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V.
27. November 2012 in Berlin



Redemanuskript zum Vortrag


Fritz Pleitgen

Vortrag 55. Jahresversammlung “Aktion Gemeinsinn”
Am 27. November in Berlin, Jägerstraße 1

Ethos in Medien und Werbung –
gibt es das noch?


Die Aktion Gemeinsinn hat mich gebeten, auf ihrer
Jahresversammlung über Ethik und Medien zu sprechen. Ich
komme dem Wunsch gerne nach, auch aus eigenem Interesse.
Schließlich geht es um Prinzipien meines Journalistenberufs, die
mir wichtig sind. Der Titel “Ethos in Medien” klingt akademisch
abstrakt, das Thema ist aber von konkreter Alltäglichkeit.

Wie komme ich darauf? Die Medien sind ein bestimmender
Faktor unserer freiheitlichen Demokratien. Über sie erfahren wir,
was um uns herum – nah oder fern – geschieht. Wie wir die
Ereignisse und Vorgänge wahrnehmen und wie wir sie bewerten,
ist im Wesentlichen Sache der Vermittlung. Ob seriös oder
leichtfertig, sachlich oder reißerisch, gekonnt oder dilettantisch,
die Herangehensweise hängt entscheidend vom Ethos der Medien
ab, die wir in Anspruch nehmen.

Wenn die Medien ihre ethischen Grundsätze – Unabhängigkeit,
Wahrhaftigkeit, Mitgefühl, Sachkunde und Glaubwürdigkeit –
einhalten, dann ist die Versorgung der Bevölkerung mit der
bestmöglichen Vielfalt an Informationen und Meinungen
gesichert. Selbst Ausfälle sind zu verkraften; sie würden durch das
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dann immer noch üppige mediale Angebot – gedruckte Presse,
Radio, Fernsehen, Internet – für die Bürgerinnen und Bürger
hinreichend kompensiert. Die Gefahr, einer politisch vorsortierten
Einheits-Information und Einheitsmeinung ausgeliefert zu sein, ist
bei uns nicht so schnell gegeben.

Dennoch gilt es, wachsam zu sein und wachsam zu bleiben.
Unfehlbar sind die Medien nicht, nicht einmal unumstritten. In der
Hitze des Wettbewerbs können sie sich leicht verrennen oder über
das Ziel hinausschießen. Und Selbstkritik gehört nicht zu ihren
stärksten Eigenschaften. Nehmen wir den Fall Christian Wulff.
Der Niedersachse war nur kurz Präsident der Bundesrepublik
Deutschland. Zum Verhängnis wurde ihm seine Neigung, Vorteile
in Anspruch zu nehmen, die mit seinen Ämtern als
Ministerpräsident oder später als Bundespräsident schwer oder gar
nicht in Einklang zu bringen waren, wie der Kredit für sein Haus
oder Auslagen für Urlaube und Wochenendausflüge.

Es war die Presse, die dem Bundespräsidenten auf die Schliche
kam. Ihrem Auftrag entsprechend hat sie zu informieren und
aufzuklären, Fehlentwicklungen aufzudecken und
Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft auf die Finger zu
schauen. Nicht immer geht es dabei mit Glacehandschuhen zu.
Wenn etwas nicht koscher abgelaufen ist und die Presse nachfragt,
dann pflegen Betroffene in den seltensten Fällen die Karten offen
auf den Tisch zu legen. Eher versuchen sie, zu verschleiern oder
zu mauern.

Ratsam ist eine solche Taktik nicht. Wenn die Presse eine Spur
aufgenommen hat, dann lässt sie nicht so leicht locker. Sie setzt
immer wieder nach, klopft mit penetranter Beharrlichkeit auf den
Busch. Das sorgt ständig für neue Schlagzeilen, was wiederum zur
Folge hat, dass der strittige Fall nicht nur länger in der
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öffentlichen Diskussion bleibt, sondern auch noch an Gewicht
zunimmt.

Beides dürfte kaum im Sinne der Betroffenen sein, wird aber oft
genug von ihnen selbst verursacht, in der Absicht, Schlimmeres
für sich zu verhüten. Das Interesse der Allgemeinheit ist ihnen
dabei nicht so wichtig. Das ist Sache der Presse. Das Ende ist fast
immer das gleiche. Es kommt heraus, was sich wirklich abgespielt
hat.

So war es auch im Fall Wulff. Seine Verteidigungsstrategie war
seltsam beschränkt. Statt Fehler souverän einzugestehen,
versuchte er, ein stattliches Darlehen oder attraktive
Urlaubseinladungen als normale Freundschaftsleistungen
herunterzuspielen. Die Rechnung ging nicht auf, stattdessen
lieferte er der Presse reichlich neues Futter. Mit seiner
Hinhaltetaktik trug Christian Wulff selbst zum Bild des
gewöhnlichen Schnäppchenjägers bei, den die große Mehrheit der
Bevölkerung nicht mehr als Bundespräsidenten haben wollte.

Von seinem Amt zurückgetreten ist Christian Wulff schließlich,
als die Staatsanwaltschaft Hannover ankündigte, ein
Ermittlungsverfahren zu eröffnen. Der Druck der öffentlichen
Meinung, den die Berichterstattung der Medien hervorgerufen
hatte, wird die Initiative der Staatsanwaltschaft möglicherweise
befördert haben.

Inzwischen haben wir mit Joachim Gauck längst einen neuen
Bundespräsidenten, mit dem die Bevölkerung überaus zufrieden
ist. Ende gut, alles gut? Nicht ganz! Die Verantwortlichen in den
Medien haben durchaus Anlass, die Berichterstattung ihrer
Unternehmungen selbstkritisch zu überprüfen. Gewiss, es ging um
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das höchste Amt im Staate. Aber im Rausch der Enthüllungen
ging die Verhältnismäßigkeit zuweilen arg verloren.

Kapitale Vergehen waren nicht aufzudecken, es ging um eine
Reihe von Peinlichkeiten. Doch in den Nachrichten nahmen
Meldungen zum Fall Wulff – mochten sie noch so unwesentlich
sein – wochenlang Spitzenpositionen ein; selbst vor Ereignissen
von Weltrang oder nationaler Bedeutung.
Genau genommen begingen die Medien in den Wochen der Affäre
um den damaligen Bundespräsidenten in vielfacher Wiederholung
fahrlässige Irreführung des Publikums. Die Gefahr wurde
heraufbeschworen, der Bundespräsident wolle die Pressefreiheit
einschränken, nachdem er auf der Mailbox eines Chefredakteurs
von Krieg gesprochen hatte. Darauf führten sich Journalisten auf,
als drohe ihnen das Schicksal des früheren russischen Oligarchen
Chordokowski, den Putins Richter auf viele Jahre hinter Gitter
brachten.

Doch was hatten sie vom Bundespräsidenten Christian Wulff zu
befürchten? Konnte er ihnen die GSG 9 auf den Hals hetzen oder
sie ins Straflager schicken lassen? Wohl kaum! Höchstens in die
Sansibar als Straflager auf Sylt. Wir leben nicht in Putins
Russland, noch nicht einmal in Berlusconis Italien und auch nicht
im Frankreich von Sarkozy, der Chefredakteuren die Fresse
polieren wollte. Wer wem bei uns die Fresse poliert, haben wir im
Fall Wulff gesehen.

Die Presse in Deutschland hat einen mächtigen Beschützer. Das ist
das Bundesverfassungsgericht. Wenn wir das Gefühl haben, die
Pressefreiheit könnte Schaden nehmen, haben wir die
Möglichkeit, nach Karlsruhe zu gehen, wenn der Fall bedeutend
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genug ist oder unsere Beschwerde in Instanzen vorher nicht
angemessen behandelt wurde. Dies ist mehrfach
geschehen. Die Pressefreiheit ist dabei immer gestärkt
weggekommen.

Im Fall Wulff legten die Talk Shows besonderen Eifer an den Tag.
Dutzendfach nahmen sie sich der Causa an. Dadurch wurden
Vorgänge abgedrängt, die wirklich an die Substanz unseres
Gemeinwesens gehen, wie das jahrelange Morden des
Nationalsozialistischen Untergrunds. Doch zu dieser
Journalistenpflicht mochte man sich im Fernsehen nicht engagiert
aufraffen. Die Soap Opera im Schloss Bellevue versprach bei
leichter Vorbereitung mehr Publikum als die arbeitsintensive
investigative Beschäftigung mit den rechtsradikalen Schandtaten.

Der November scheint für hochrangige Politiker ein schwieriger
Monat zu werden. In diesem Jahr hat sich die Presse den SPD-
Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück aufs Korn genommen. Die
Fälle sind nicht oder kaum miteinander vergleichbar. Steinbrück
hat sich nicht aushalten lassen oder denen, die ihn angeheuert
hatten, nach dem Mund geredet. Die hohen Honorare, die ihm
gezahlt wurden, hat er nicht mit vorgehaltener Pistole gefordert
und kassiert, sondern sie sind ihm als marktüblich überwiesen
worden.

Den Vorwurf, bei seinem Gewinnstreben sein politisches Mandat
nicht voll wahrgenommen zu haben, hat er allerdings nicht bei
jedermann entkräften können. Insgesamt hat sein Fall die Chance,
bald als eine Episode in den Hintergrund zu treten, falls nichts
Neues hinzukommt. Doch auch hier hat der Betroffene seinen
Beitrag geleistet, die Sache höher zu spielen. Als die ersten Fragen
kamen, hat der Kanzlerkandidat zunächst offensiv gemauert, statt
gleich – so weit er es konnte - alle Karten auf den Tisch zu legen.
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Die Bemerkung, dieses oder jenes ginge niemanden etwas an,
verfängt bei der Presse nicht. Sie ist weder barmherzig noch
zartfühlend. Selbst reflektierend ist sie auch nicht immer, sonst
hätte sie zur Relativierung der Verhältnisse darauf hingewiesen,
dass renommierte Journalisten noch höhere Honorare für ihre
Vorträge verbuchen können. Darunter auch Kollegen, die ihre
Bekanntheit mit Hilfe öffentlicher Gelder erlangten.

Die Presse – mit diesem Begriff meine ich alle Medien, also auch
Rundfunk und Internet – ist nicht abzuschütteln, wenn sie einen
Fall riecht. Für die Betroffenen kann das zum Fegefeuer werden.
Nehmen wir den Fall des Duisburger Oberbürgermeister Adolf
Sauerland. Er hat bei der Loveparade-Tragödie 2010, bei der 21
junge Menschen das Leben verloren, eine klägliche Rolle gespielt.

Sauerland hatte die Loveparade für seine Stadt haben wollen, aber
er war es nicht allein. Fast alle hatten die Veranstaltung als
Attraktion für junge Menschen gut geheißen: der damalige
Ministerpräsident, seine Nachfolgerin, der jetzige Innenminister,
die Medien und auch wir von der Kulturhauptstadt Europas 2010
“Essen für das Ruhrgebiet”. Einzig der frühere Polizeichef warnte.

Doch als die entscheidenden Gespräche über die Organisation
geführt wurden, waren derartige Warnungen oder Einwendungen
nicht erhoben worden. Als dann das Unglück geschah, wurde
Adolf Sauerland als der Alleinschuldige an den Pranger gestellt.
Dass die Staatsanwaltschaft keine Handhabe sah, ihn strafrechtlich
zu verfolgen, spielte keine Rolle. Die Presse ließ nicht locker, bis
Sauerland abgewählt war.

Dabei wäre Selbstkritik angebracht gewesen, denn auch die Presse
hatte versagt. Sie hatte sich nicht nur für die Loveparade
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eingesetzt, sie hatte auch die Vorbereitungen intensiv verfolgt. Zu
ihrer Aufgabe hätte es gehört, auf Schwachstellen aufmerksam zu
machen. Nichts davon! Weder im Rundfunk noch in den
Zeitungen wurde auf mögliche Gefahren aufmerksam gemacht.

Dabei hatte die Presse den Ort des Geschehens vorher besichtigt,
aber nichts Bedrohliches festgestellt. Nachdem die Katastrophe
geschehen war, wusste sie allerdings, dass der Tunnel zur
Todesfalle werden musste. Vorher dazu – wie gesagt – kein Wort!

Statt allein die Spur zum Oberbürgermeister zu verfolgen, wäre es
gerade bei einer Katastrophe vom Ausmaß der Loveparade 2010
notwendig gewesen, den ganzen Hergang akribisch auszuleuchten.
So wird das Gerichtsverfahren abzuwarten sein. Ausgang offen!
Adolf Sauerland wird nicht zu den Angeklagten gehören. Das
spricht ihn nicht von der moralischen Verantwortung frei.
Die Medien werden gerne als die “Vierte Gewalt” im Staat
bezeichnet. Ursprünglich stammt der Ausdruck von dem
britischen Staatsphilosophen Edmund Burke. Bereits im Jahr 1774
hatte er in einer Parlamentsrede von der “Vierten Gewalt” im Staat
gesprochen, die er als wichtigste Gewalt im Staat ansah.

Das Verständnis der Medien als “Vierte Gewalt” ist heute noch
weit verbreitet. Dabei wird die Ansicht vertreten, die Medien seien
im rechtstaatlichen Prinzip der Gewaltenteilung die “Vierte
Gewalt”, weil sie die wesentliche und oft einzige Einrichtung
darstellten, die zu neuen Impulsen und vor allem zur Kontrolle der
Staatsgewalten in der Lage sei.

Wie sieht es in Wirklichkeit aus? Medien sind, wenn sie
unabhängig agieren können, eine wirkungsvolle Kontroll-Instanz.
Daran besteht kein Zweifel. Durch ihre Berichterstattung tragen
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sie in zweierlei Hinsicht zum Funktionieren des demokratischen
Systems bei. Auf der einen Seite überwachen sie durch intensive
Recherchen und Hintergrundinformationen die Tätigkeit von
Politikern und anderen Verantwortlichen in unserem Staat.

Auf der anderen Seite bilden sie die Schnittstelle zwischen den
Regierenden und den Wählern, indem sie über politische Inhalte,
Entscheidungen und Planungen berichten und dadurch die
Bevölkerung über die Vorstellungen der politisch
Verantwortlichen in Kenntnis setzen. Kurzum: Medien
informieren, damit sich die Bürger souverän ihre eigenen Urteile
bilden können.
Doch reicht dies, um sie als “Vierte Gewalt” im Staat zu
verstehen? Ich meine nein! Im Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland findet sich hierzu kein Wort. Presse und Rundfunk
werden weder zu den drei Gewalten – Legislative, Exekutive und
Judikative – direkt in Bezug gesetzt noch als “Vierte Gewalt” im
Sinne einer Kontrollinstanz bezeichnet.

Dies ist auch nicht nötig. Es reicht, dass die Medien die volle
Teilnahme und Mitwirkung der Bevölkerung am politischen
Leben ermöglichen. Dafür müssen die Voraussetzungen stimmen,
was der französische Publizist Louis Terrenoire auf die Formel
gebracht hat: “Die Presse muss schreiben können, was sie will,
damit gewisse Leute nicht tun können, was sie wollen.”

Dürfen die Medien veröffentlichen, was sie wollen?
Uneingeschränkt ja, wenn die zur Veröffentlichung vorgesehenen
Vorgänge sauber recherchiert sind und der wahrheitsgemäßen
Information und Aufklärung der Bevölkerung dienen. Zu beachten
ist in jedem Fall die Wahrung der Menschenwürde, die aber auch
nicht als undurchdringlicher Schutz von fragwürdigen
Machenschaften herhalten darf.
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In den Statuten der Verlage und Rundfunkanstalten wie auch des
Presserates sind die Regeln beschrieben, die bei der
Berichterstattung zu beachten sind. Unlautere Methoden bei der
Recherche sollten unterbleiben, ebenso Ehrverletzungen und
Verletzungen von religiösen oder weltanschaulichen
Überzeugungen. Unbestätigte Meldungen müssen erkennbar sein.
Was falsch dargestellt wurde, sollte umgehend richtig gestellt
werden.
Alles schön und gut, aber die Grenzen sind fließend. Für
Interpretationen bleibt da viel Platz. Insbesondere für ausgefuchste
Juristen, wissen das zu nutzen. Der Presserat, eingerichtet von
Verlagen und Journalistenverbänden, kann gegen diese Macht
kaum oder gar nichts ausrichten, wenn er grobe Regelverletzungen
missbilligt. Die Mitglieder ziehen gegen solche Missbilligungen
alle Register. Im Namen der Pressefreiheit setzen sie sich gegen
drohende oder ausgesprochene Rügen zur Wehr setzen.

Medien sind weder himmlische Einrichtungen noch des Teufels.
Sie sind Menschenwerk – mit Stärken und Schwächen. Wenn sie
den nötigen Spielraum haben, sind sie Beschützer und Motoren für
die Entwicklung erfolgreicher Demokratien. Hinzu gekommen ist
Ende des letzten Jahrtausends das Internet.

Das Internet ist per se ein demokratisches Medium. Es bietet
theoretisch allen Menschen Zugang zu einem Universum an
Informationen. Früher war mediale Öffentlichkeit mehr oder
weniger auf die Territorien innerhalb von Staatsgrenzen
beschränkt. Heute leben wir im Global Village. Im digitalen
Zeitalter sind Zugang und Verbreitung von Informationen
demokratisiert.
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Jeder kann sich mit seinen Ideen und Aussagen – ohne große
Mühen und Kosten – an die globale Öffentlichkeit wenden und um
Unterstützung werben, wie das beim Arabischen Frühling
geschehen ist oder gegenwärtig in Syrien passiert. Die
Bevölkerungen lassen sich nicht mehr so leicht wie früher unter
Kontrolle halten, was Diktaturen und autoritäre Regime sehr
beunruhigt. In ihrer Furcht, die Macht zu verlieren, greifen sie zu
rigiden Maßnahmen. Sie errichten im Internet Brandmauern, so
genannte Firewalls. Auf die Dauer wird es den Mauerbauern aber
nicht helfen.

Der Zugang zu Informationen ist noch nie so schnell, so einfach
und kostengünstig gewesen wie heute und in Zukunft. Doch es
gibt auch Schattenseiten. Das soziale Netzwerk Facebook verfügt
über mehr Daten von mehr Menschen als sie irgendeine Dikatur
auf Erden besitzt, was nicht beruhigend ist. Risikofrei ist das
Internetangebot auch sonst nicht. Es bietet nicht nur alle
Wahrheiten, sondern auch alle Lügen dieser Welt feil. Zu
erkennen ist das häufig nicht.

Um trotzdem der ungeheuren Informationsflut Herr zu werden,
sollte schon früh in der Schule Medienkompetenz gelehrt werden.
Für die Heranbildung zu mündigen Staatsbürgern wäre das eine
wertvolle Hilfe. Kurz und gut: wenn man die Medien richtig zu
nutzen versteht, dann lässt sich mit ihrer Hilfe ein guter
demokratischer und prosperierender Staat machen, der sich in der
weltweiten Konkurrenz sicher behauptet.

Zu dieser Erkenntnis ist der Vater der amerikanischen
Unabhängigkeitserklärung, Thomas Jefferson, bereits gekommen,
als die Verfassung der USA ausgearbeitet wurde.
Damals – um 1790 – erklärte er, wenn er die Wahl hätte zwischen
einer Regierung ohne Zeitungen oder Zeitungen ohne Regierung,
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würde er das Zweite wählen. Entsprechend fand in der
amerikanischen Verfassung die Pressefreiheit neben der
Religions- und Meinungsfreiheit gleich im First Amendment ihren
Platz.

Was Jefferson erklärte, war eine kühne Feststellung für das 18.
Jahrhundert, als in Deutschland und Europa Fürsten, Könige und
Zaren für ihre jeweiligen Territorien das alleinige Sagen hatten.
Jeffersons Postulat wäre im Übrigen auch heute noch eine kühne
Forderung. Später als Präsident hat er sich allerdings häufig über
die Presse beschwert, nicht selten mit Grund, denn die eben
beschriebenen selbst entwickelten Regeln des Journalismus gab es
noch nicht. Stattdessen wurde nach Herzenslust diffamiert.
Angesichts der Vielzahl der Zeitungen, die im Übrigen nur kleine
Auflagen hatten, waren die Verunglimpfungen zu verkraften.
Jefferson wurde jedenfalls wiedergewählt.

Da ich nun tief in die Presse-Geschichte geraten bin, möchte ich
das europäische Licht nicht ganz unter den Scheffel stellen. Seine
modernen Ideen hatte Thomas Jefferson vom Alten Kontinent
mitgebracht. Was die Rolle der Presse anging, kamen die stärksten
Impulse aus England. Edmund Burke habe ich bereits erwähnt.

Bereits vor ihm, im 17. und 18. Jahrhundert, entwickelte sich mit
der Idee der Aufklärung die Überzeugung, dass zum Wesen des
Menschen auch die Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit
als überstaatliche Menschenrechte gehören. Die damals
existierende kirchlich-staatliche Pressezensur wurde mehr und
mehr als eine unwürdige Bevormundung geistig freier Menschen
empfunden.

Als wichtigstes Instrument zur Durchsetzung von
Menschenrechten und Mitbestimmung galt das Grundrecht auf
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Pressefreiheit. Als erster moderner Staat hat demzufolge England
seinen Bürgern Pressefreiheit gewährt, in dem es 1695 das
abgelaufene Zensurstatut nicht verlängerte. Das englische Vorbild
strahlte in die Neue Welt hinaus. Wir in Deutschland hinkten
dieser Entwicklung um Jahrhunderte hinterher. Die Pressefreiheit
von heute haben wir den fürchterlichen Erfahrungen mit der Nazi-
Diktatur und der klugen Politik der Westalliierten zu verdanken.

Insbesondere die Amerikaner und Briten legten nach dem Zweiten
Weltkrieg Wert darauf, dass sich neben dem wirtschaftlichen
Aufbau des materiell und moralisch völlig zerstörten Deutschlands
auch ein krisenfestes demokratisches Bewusstsein in unserem
Land entwickelt. Um dies zu gewährleisten, wurde eine kräftige
unabhängige Qualitätspresse und ein ebenfalls unabhängiger,
leistungsstarker Rundfunk als unbedingt erforderlich angesehen.
“Die Skandale sind auch nicht mir das, was sie mal waren,”
sagte mir ein herausragender Politiker vergangener Jahre. Er
meinte Fälle wie den Parteispendenskandal, über den der
ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl seinen Ehrenvorsitz in der
CDU verlor und trotzdem nicht damit herausrückte, woher das
Geld gekommen war. Von der Qualität hat die Bundespolitik im
neuen Jahrtausend nichts Gleichwertiges an Skandalen zu bieten
gehabt.

Das meint auch der Journalist Matthias Kepplinger, der im
Berliner Tagesspiegel an die Starfighter- und SPIEGEL-Affäre
erinnerte und fast resigniert feststellte, dass man sich als
investigativer Journalist heutzutage mit privat genutzten
Bonusmeilen und einem fliegenden Minister-Teppich begnügen
müsste. Auch in den Vereinigten Staaten registrierte der Kollege,
was Skandale angeht, einen starken “Qualitätseinbruch”. Um ein
Impeachment, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den
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Präsidenten einzuleiten, bedurfte es vor 40 Jahren im Watergate-
Skandal krimineller Taten wie den Einbruch beim politischen
Gegner und illegal abgehörter Gespräche im Weißen Haus, später
reichte eine Liebesaffäre des Präsidenten.

Es wird bei Skandalen mit zweierlei Maß gemessen. Den
Unterschied macht die Presse, je nachdem wie engagiert sie zu
Werke geht. Was den einen Politiker wegen Vorteilsnahme zum
Rücktritt zwingt, kann den anderen ungeschoren lassen. Matthias
Kepplinger hat für die unterschiedlichen Reaktionen und
Wirkungen schlagende Beispiele parat. Die Ehec-Infektionen mit
50 Todesopfern hielt die Republik für Monate in Atem. Berichte,
dass jährlich zwischen 10 000 und 20 000 Menschen an
Infektionen sterben, die sie sich in Krankenhäusern zugezogen
haben, wurden hingegen gleichmütig hingenommen.

Wozu hyper-aktive Berichterstattung führen kann, belegt die BSE-
Affäre. Nur 0, 004 Prozent der getesteten Rinder hatte den Infekt.
Die Dramatisierung durch die Medien hatte weit reichende
Folgen. 80 000 vermutlich gesunde Tiere wurden getötet. Der
Verkauf von Rindfleisch brach um 50 Prozent ein. Der Verlust
ging in die Milliarde. Dabei sei es gefährlicher zu heiraten als
Rindfleisch zu essen, konstatierte Kepplinger trocken. Man werde
eher durch seinen eigenen Partner ermordet als dass man durch
Rindfleisch ums Leben komme.

Die Medien haben Missstände aufzudecken. Je mehr sie das
erreichen, desto mehr schaffen sie Stoff für Skandale. Das muss
nicht gegen den Zustand des jeweiligen Staates sprechen, sondern
eher für die Leistungsfähigkeit der Medien, was wiederum dem
Staat und seiner Bevölkerung zugute kommt, denn dadurch
können Missstände beseitigt werden. So haben wir das scheinbare
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Paradox, dass es die meisten und größten Missstände in den
Ländern mit den wenigsten Skandalen gibt.

Die Medien nehmen ein Wächteramt wahr. Dies erfordert
höchstes Verantwortungsbewusstsein und handwerkliches
Können. Dilettantismus und Fahrlässigkeit können viel Unheil
anrichten. Politikverdrossenheit ist für eine demokratische
Gesellschaft eine gefährliche Entwicklung. Daran tragen nach
meiner Beobachtung nicht allein die Politiker selbst Schuld. Auch
die Medien haben ihren Anteil.

Mit Unbehagen verfolge ich, wenn Kampagnen ausbrechen, die
die Politiker generell als eine geltungssüchtige, inkompetente und
raffgierige Kaste aussehen lassen. Wenn es um Diäten geht, ist mit
Kommentaren dieser Art zuverlässig zu rechnen. Dass die eigene
Branche selbst gerne Vergünstigungen – wie beim Autokauf, bei
Bahnfahrten, Flugreisen und Urlaubsaufenthalten – in Anspruch
nimmt, wird nur gelegentlich und dann recht rücksichtsvoll
thematisiert.

Jürgen Leinemann, langjähriger SPIEGEL-Autor, hat von
Journalisten ein reflektiertes Verhältnis zu sich selbst und ihrem
Beruf, einen bewussten Umgang mit der eigenen Subjektivität
eingefordert. Dies solle selbst auferlegte Pflicht sein. Wie sich
Journalisten zur Macht und gegenüber Mächtigen verhalten, das
sei nicht nur individuell relevant, sondern habe auch politische
Folgen. Schließlich hat er uns von den Medien eine schöne
Gedichtzeile von Peter Rühmkorf ins Stammbuch geschrieben:
“Bleib erschütterbar und widersteh!”

Oft wird bei uns von mutigem Journalismus gesprochen, leider
auch von der eigenen Branche. In Deutschland braucht kein
Journalist besonderen Mut, um seinen Beruf auszuüben, erst recht
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nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Unsereins ist geschützt
durch Redakteurausschüssen, Personalräte und Gerichte. Das ist in
anderen Ländern nicht der Fall. Da kann investigative
Berichterstattung den Verlust der Freiheit oder des Lebens kosten.
Entweder durch den Staat oder durch kriminelle Organisationen
wie die Mafia.

Medien haben ihren Spielraum verantwortungsvoll zu nutzen.
Verantwortungsvoll! Manchmal habe ich den Eindruck, dass trotz
allem guten Willen aus Fahrlässigkeit bedenkliche Stimmungen in
unserem Land erzeugt werden. So ist zu beobachten, dass in
kritischen Situationen in unserer scheinbar weltoffenen
Bevölkerung nationalistische Verhaltensweisen auftauchen. Die
nun schon lange währende Schuldenkrise in der Eurozone liefert
ein solches Beispiel. Was über die Länder und ihre Menschen
gesagt wird, die ihre Probleme trotz Hilfen bislang nicht
gemeistert haben, atmet zuweilen wenig Respekt und Verständnis.

Leider werden solche Sichtweisen durch unbedachte und vorlaute
Äußerungen von Politikern hervorgerufen und bestärkt, von
Kommentaren in den Medien ganz zu schweigen. Aber
zunehmend beschleicht mich der Verdacht, dass dazu auch das
wichtigste Element des Journalismus erheblich beiträgt: die
Nachrichten.

Nachrichten gelten als objektiv, Nachrichten werden als bare
Münze genommen, bei Nachrichten geht man davon aus, dass sie
das wahre Bild des Geschehens vom Tage widerspiegeln. Doch
leider trifft das nicht zu. In den Nachrichten hat das Nationale
Vorrang vor dem Internationalen, das Interessantere vor dem
Trocken-Bedeutsamen. Beim Fall Wulff haben völlig
unbeachtliche Bemerkungen politischer Hinterbänkler spielend
wichtige Vorgänge von den vorderen Plätzen verdrängt. Auswahl
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und Rangordnung der Themen lassen beim Konsumenten
unbewusst Deutschland als Nabel der Welt erscheinen.

Bei internationalen Veranstaltungen, wie Gipfeltreffen der Staats-
und Regierungschefs oder Zusammenkünfte der Finanzminister
wird die deutsche Rolle so dominant dargestellt, dass die
Positionen und Argumente der anderen Teilnehmer wie
Randerscheinungen wirken. Wenn man sich dann im Fernsehen
oder in Zeitungen Englands, Frankreichs oder Spaniens zusätzlich
informiert, glaubt man sich auf der falschen Beerdigung. So wird
das schwer mit dem europäischen Bewusstsein, denn in anderen
Ländern wird in gleicher Weise verfahren. Mein Traum wäre
deshalb, die Tagesschau würde uns täglich – meinetwegen auf
Phoenix – 30 Minuten oder eine Stunde Weltnachrichten liefern.
Dann hätten wir das ganze Bild.

Da wir gerade beim Ausland sind, komme ich nicht daran vorbei,
ethische Entgleisungen der Medien in England, dem Mutterland
der freien Presse, zu beklagen. Reporter der auflagenstarken und
mit Premier Cameron verbandelten News of the World werden
beschuldigt, Polizeibeamte bestochen und Mailboxen von
Mitgliedern des Königshauses und Terroropfern abgehört zu
haben. Ein Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt. Es ist zu
hoffen, dass diese Kommission nicht zu Ergebnissen kommt, die
die Pressefreiheit einschränken könnten. Das könnte Rückwirkung
auf andere Länder haben, auch auf uns. Wollen wir es nicht
hoffen.

Der Zeitpunkt ist nicht besonders günstig. Ein weiterer Skandal
hat das Ansehen der britischen Medien zusätzlich beschädigt. Die
hoch angesehene BBC musste eingestehen, Informationen über
einen prominenten Mitarbeiter, der Hunderte Kinder missbraucht
haben soll, zurückgehalten zu haben. Die unerträgliche Sache
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wurde noch dadurch verschlimmert, weil der Sender andererseits
einen Politiker völlig ungerechtfertigt in den Verdacht des
gleichen Delikts brachte. Die Krise wird sicher überwunden, aber
der Ansehensverlust wird auf lange Zeit nicht wettzumachen sein.

Aber auch in Deutschland gibt es schlechte Nachrichten. Nicht
wegen ethischen Versagens, sondern wegen wirtschaftlicher
Probleme. Die Frankfurter Rundschau, die Financial Times
Deutschland und das Magazin Prinz müssen aufgeben. Andere
renommierte Zeitungen sind ebenfalls in Schwierigkeiten. Kann
unter diesen Umständen guter Journalismus überleben?

Die ZEIT hat in ihrer jetzigen Ausgabe diese Frage Deutschlands
wichtigsten Medienmachern gestellt. Die Auskünfte sind
erstaunlich optimistisch. Der Tenor lautet:
Kompetenz, Glaubwürdigkeit, sorgfältige Recherche, gekonnte
Aufbereitung und festes Rückgrat sichern das Überleben.
Voraussetzung ist, dass nicht nur auf Papier, sondern auch online
bester Journalismus geboten wird.

Das Gleiche gilt für die audiovisuellen Medien. Wenn das befolgt
wird, ist tatsächlich – wie eine Schlagzeile verspricht– noch
reichlich Zukunft da. Das Schöne daran ist: laut ZEIT haben wir
heute schon, was Vielfalt, Ernsthaftigkeit und Unabhängigkeit
angeht – die vielleicht beste Medienlandschaft der Welt. Eine
schöne Ansage! So lässt sich auch die Frage Ihrer Tagung
beantworten: Ethos in Medien – gibt es das noch? Ja, das gibt es
noch. Nicht immer und überall, aber in Deutschland vorwiegend.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Verfasser
Dr. h.c. Fritz Pleitgen
Intendant a.D. des Westdeutschen Rundfunks
WDR, Köln, Präsident der Deutschen Krebshilfe
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Anschrift des Veranstalters:
Aktion Gemeinsinn e.V.
Am Hofgarten 10
53113 Bonn
info@gemeinsinn.de
www.gemeinsinn.de
Tel. 0228 222306

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  • 1. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin Redemanuskript zum Vortrag Fritz Pleitgen Vortrag 55. Jahresversammlung “Aktion Gemeinsinn” Am 27. November in Berlin, Jägerstraße 1 Ethos in Medien und Werbung – gibt es das noch? Die Aktion Gemeinsinn hat mich gebeten, auf ihrer Jahresversammlung über Ethik und Medien zu sprechen. Ich komme dem Wunsch gerne nach, auch aus eigenem Interesse. Schließlich geht es um Prinzipien meines Journalistenberufs, die mir wichtig sind. Der Titel “Ethos in Medien” klingt akademisch abstrakt, das Thema ist aber von konkreter Alltäglichkeit. Wie komme ich darauf? Die Medien sind ein bestimmender Faktor unserer freiheitlichen Demokratien. Über sie erfahren wir, was um uns herum – nah oder fern – geschieht. Wie wir die Ereignisse und Vorgänge wahrnehmen und wie wir sie bewerten, ist im Wesentlichen Sache der Vermittlung. Ob seriös oder leichtfertig, sachlich oder reißerisch, gekonnt oder dilettantisch, die Herangehensweise hängt entscheidend vom Ethos der Medien ab, die wir in Anspruch nehmen. Wenn die Medien ihre ethischen Grundsätze – Unabhängigkeit, Wahrhaftigkeit, Mitgefühl, Sachkunde und Glaubwürdigkeit – einhalten, dann ist die Versorgung der Bevölkerung mit der bestmöglichen Vielfalt an Informationen und Meinungen gesichert. Selbst Ausfälle sind zu verkraften; sie würden durch das
  • 2. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin dann immer noch üppige mediale Angebot – gedruckte Presse, Radio, Fernsehen, Internet – für die Bürgerinnen und Bürger hinreichend kompensiert. Die Gefahr, einer politisch vorsortierten Einheits-Information und Einheitsmeinung ausgeliefert zu sein, ist bei uns nicht so schnell gegeben. Dennoch gilt es, wachsam zu sein und wachsam zu bleiben. Unfehlbar sind die Medien nicht, nicht einmal unumstritten. In der Hitze des Wettbewerbs können sie sich leicht verrennen oder über das Ziel hinausschießen. Und Selbstkritik gehört nicht zu ihren stärksten Eigenschaften. Nehmen wir den Fall Christian Wulff. Der Niedersachse war nur kurz Präsident der Bundesrepublik Deutschland. Zum Verhängnis wurde ihm seine Neigung, Vorteile in Anspruch zu nehmen, die mit seinen Ämtern als Ministerpräsident oder später als Bundespräsident schwer oder gar nicht in Einklang zu bringen waren, wie der Kredit für sein Haus oder Auslagen für Urlaube und Wochenendausflüge. Es war die Presse, die dem Bundespräsidenten auf die Schliche kam. Ihrem Auftrag entsprechend hat sie zu informieren und aufzuklären, Fehlentwicklungen aufzudecken und Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft auf die Finger zu schauen. Nicht immer geht es dabei mit Glacehandschuhen zu. Wenn etwas nicht koscher abgelaufen ist und die Presse nachfragt, dann pflegen Betroffene in den seltensten Fällen die Karten offen auf den Tisch zu legen. Eher versuchen sie, zu verschleiern oder zu mauern. Ratsam ist eine solche Taktik nicht. Wenn die Presse eine Spur aufgenommen hat, dann lässt sie nicht so leicht locker. Sie setzt immer wieder nach, klopft mit penetranter Beharrlichkeit auf den Busch. Das sorgt ständig für neue Schlagzeilen, was wiederum zur Folge hat, dass der strittige Fall nicht nur länger in der
  • 3. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin öffentlichen Diskussion bleibt, sondern auch noch an Gewicht zunimmt. Beides dürfte kaum im Sinne der Betroffenen sein, wird aber oft genug von ihnen selbst verursacht, in der Absicht, Schlimmeres für sich zu verhüten. Das Interesse der Allgemeinheit ist ihnen dabei nicht so wichtig. Das ist Sache der Presse. Das Ende ist fast immer das gleiche. Es kommt heraus, was sich wirklich abgespielt hat. So war es auch im Fall Wulff. Seine Verteidigungsstrategie war seltsam beschränkt. Statt Fehler souverän einzugestehen, versuchte er, ein stattliches Darlehen oder attraktive Urlaubseinladungen als normale Freundschaftsleistungen herunterzuspielen. Die Rechnung ging nicht auf, stattdessen lieferte er der Presse reichlich neues Futter. Mit seiner Hinhaltetaktik trug Christian Wulff selbst zum Bild des gewöhnlichen Schnäppchenjägers bei, den die große Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr als Bundespräsidenten haben wollte. Von seinem Amt zurückgetreten ist Christian Wulff schließlich, als die Staatsanwaltschaft Hannover ankündigte, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen. Der Druck der öffentlichen Meinung, den die Berichterstattung der Medien hervorgerufen hatte, wird die Initiative der Staatsanwaltschaft möglicherweise befördert haben. Inzwischen haben wir mit Joachim Gauck längst einen neuen Bundespräsidenten, mit dem die Bevölkerung überaus zufrieden ist. Ende gut, alles gut? Nicht ganz! Die Verantwortlichen in den Medien haben durchaus Anlass, die Berichterstattung ihrer Unternehmungen selbstkritisch zu überprüfen. Gewiss, es ging um
  • 4. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin das höchste Amt im Staate. Aber im Rausch der Enthüllungen ging die Verhältnismäßigkeit zuweilen arg verloren. Kapitale Vergehen waren nicht aufzudecken, es ging um eine Reihe von Peinlichkeiten. Doch in den Nachrichten nahmen Meldungen zum Fall Wulff – mochten sie noch so unwesentlich sein – wochenlang Spitzenpositionen ein; selbst vor Ereignissen von Weltrang oder nationaler Bedeutung. Genau genommen begingen die Medien in den Wochen der Affäre um den damaligen Bundespräsidenten in vielfacher Wiederholung fahrlässige Irreführung des Publikums. Die Gefahr wurde heraufbeschworen, der Bundespräsident wolle die Pressefreiheit einschränken, nachdem er auf der Mailbox eines Chefredakteurs von Krieg gesprochen hatte. Darauf führten sich Journalisten auf, als drohe ihnen das Schicksal des früheren russischen Oligarchen Chordokowski, den Putins Richter auf viele Jahre hinter Gitter brachten. Doch was hatten sie vom Bundespräsidenten Christian Wulff zu befürchten? Konnte er ihnen die GSG 9 auf den Hals hetzen oder sie ins Straflager schicken lassen? Wohl kaum! Höchstens in die Sansibar als Straflager auf Sylt. Wir leben nicht in Putins Russland, noch nicht einmal in Berlusconis Italien und auch nicht im Frankreich von Sarkozy, der Chefredakteuren die Fresse polieren wollte. Wer wem bei uns die Fresse poliert, haben wir im Fall Wulff gesehen. Die Presse in Deutschland hat einen mächtigen Beschützer. Das ist das Bundesverfassungsgericht. Wenn wir das Gefühl haben, die Pressefreiheit könnte Schaden nehmen, haben wir die Möglichkeit, nach Karlsruhe zu gehen, wenn der Fall bedeutend
  • 5. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin genug ist oder unsere Beschwerde in Instanzen vorher nicht angemessen behandelt wurde. Dies ist mehrfach geschehen. Die Pressefreiheit ist dabei immer gestärkt weggekommen. Im Fall Wulff legten die Talk Shows besonderen Eifer an den Tag. Dutzendfach nahmen sie sich der Causa an. Dadurch wurden Vorgänge abgedrängt, die wirklich an die Substanz unseres Gemeinwesens gehen, wie das jahrelange Morden des Nationalsozialistischen Untergrunds. Doch zu dieser Journalistenpflicht mochte man sich im Fernsehen nicht engagiert aufraffen. Die Soap Opera im Schloss Bellevue versprach bei leichter Vorbereitung mehr Publikum als die arbeitsintensive investigative Beschäftigung mit den rechtsradikalen Schandtaten. Der November scheint für hochrangige Politiker ein schwieriger Monat zu werden. In diesem Jahr hat sich die Presse den SPD- Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück aufs Korn genommen. Die Fälle sind nicht oder kaum miteinander vergleichbar. Steinbrück hat sich nicht aushalten lassen oder denen, die ihn angeheuert hatten, nach dem Mund geredet. Die hohen Honorare, die ihm gezahlt wurden, hat er nicht mit vorgehaltener Pistole gefordert und kassiert, sondern sie sind ihm als marktüblich überwiesen worden. Den Vorwurf, bei seinem Gewinnstreben sein politisches Mandat nicht voll wahrgenommen zu haben, hat er allerdings nicht bei jedermann entkräften können. Insgesamt hat sein Fall die Chance, bald als eine Episode in den Hintergrund zu treten, falls nichts Neues hinzukommt. Doch auch hier hat der Betroffene seinen Beitrag geleistet, die Sache höher zu spielen. Als die ersten Fragen kamen, hat der Kanzlerkandidat zunächst offensiv gemauert, statt gleich – so weit er es konnte - alle Karten auf den Tisch zu legen.
  • 6. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin Die Bemerkung, dieses oder jenes ginge niemanden etwas an, verfängt bei der Presse nicht. Sie ist weder barmherzig noch zartfühlend. Selbst reflektierend ist sie auch nicht immer, sonst hätte sie zur Relativierung der Verhältnisse darauf hingewiesen, dass renommierte Journalisten noch höhere Honorare für ihre Vorträge verbuchen können. Darunter auch Kollegen, die ihre Bekanntheit mit Hilfe öffentlicher Gelder erlangten. Die Presse – mit diesem Begriff meine ich alle Medien, also auch Rundfunk und Internet – ist nicht abzuschütteln, wenn sie einen Fall riecht. Für die Betroffenen kann das zum Fegefeuer werden. Nehmen wir den Fall des Duisburger Oberbürgermeister Adolf Sauerland. Er hat bei der Loveparade-Tragödie 2010, bei der 21 junge Menschen das Leben verloren, eine klägliche Rolle gespielt. Sauerland hatte die Loveparade für seine Stadt haben wollen, aber er war es nicht allein. Fast alle hatten die Veranstaltung als Attraktion für junge Menschen gut geheißen: der damalige Ministerpräsident, seine Nachfolgerin, der jetzige Innenminister, die Medien und auch wir von der Kulturhauptstadt Europas 2010 “Essen für das Ruhrgebiet”. Einzig der frühere Polizeichef warnte. Doch als die entscheidenden Gespräche über die Organisation geführt wurden, waren derartige Warnungen oder Einwendungen nicht erhoben worden. Als dann das Unglück geschah, wurde Adolf Sauerland als der Alleinschuldige an den Pranger gestellt. Dass die Staatsanwaltschaft keine Handhabe sah, ihn strafrechtlich zu verfolgen, spielte keine Rolle. Die Presse ließ nicht locker, bis Sauerland abgewählt war. Dabei wäre Selbstkritik angebracht gewesen, denn auch die Presse hatte versagt. Sie hatte sich nicht nur für die Loveparade
  • 7. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin eingesetzt, sie hatte auch die Vorbereitungen intensiv verfolgt. Zu ihrer Aufgabe hätte es gehört, auf Schwachstellen aufmerksam zu machen. Nichts davon! Weder im Rundfunk noch in den Zeitungen wurde auf mögliche Gefahren aufmerksam gemacht. Dabei hatte die Presse den Ort des Geschehens vorher besichtigt, aber nichts Bedrohliches festgestellt. Nachdem die Katastrophe geschehen war, wusste sie allerdings, dass der Tunnel zur Todesfalle werden musste. Vorher dazu – wie gesagt – kein Wort! Statt allein die Spur zum Oberbürgermeister zu verfolgen, wäre es gerade bei einer Katastrophe vom Ausmaß der Loveparade 2010 notwendig gewesen, den ganzen Hergang akribisch auszuleuchten. So wird das Gerichtsverfahren abzuwarten sein. Ausgang offen! Adolf Sauerland wird nicht zu den Angeklagten gehören. Das spricht ihn nicht von der moralischen Verantwortung frei. Die Medien werden gerne als die “Vierte Gewalt” im Staat bezeichnet. Ursprünglich stammt der Ausdruck von dem britischen Staatsphilosophen Edmund Burke. Bereits im Jahr 1774 hatte er in einer Parlamentsrede von der “Vierten Gewalt” im Staat gesprochen, die er als wichtigste Gewalt im Staat ansah. Das Verständnis der Medien als “Vierte Gewalt” ist heute noch weit verbreitet. Dabei wird die Ansicht vertreten, die Medien seien im rechtstaatlichen Prinzip der Gewaltenteilung die “Vierte Gewalt”, weil sie die wesentliche und oft einzige Einrichtung darstellten, die zu neuen Impulsen und vor allem zur Kontrolle der Staatsgewalten in der Lage sei. Wie sieht es in Wirklichkeit aus? Medien sind, wenn sie unabhängig agieren können, eine wirkungsvolle Kontroll-Instanz. Daran besteht kein Zweifel. Durch ihre Berichterstattung tragen
  • 8. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin sie in zweierlei Hinsicht zum Funktionieren des demokratischen Systems bei. Auf der einen Seite überwachen sie durch intensive Recherchen und Hintergrundinformationen die Tätigkeit von Politikern und anderen Verantwortlichen in unserem Staat. Auf der anderen Seite bilden sie die Schnittstelle zwischen den Regierenden und den Wählern, indem sie über politische Inhalte, Entscheidungen und Planungen berichten und dadurch die Bevölkerung über die Vorstellungen der politisch Verantwortlichen in Kenntnis setzen. Kurzum: Medien informieren, damit sich die Bürger souverän ihre eigenen Urteile bilden können. Doch reicht dies, um sie als “Vierte Gewalt” im Staat zu verstehen? Ich meine nein! Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland findet sich hierzu kein Wort. Presse und Rundfunk werden weder zu den drei Gewalten – Legislative, Exekutive und Judikative – direkt in Bezug gesetzt noch als “Vierte Gewalt” im Sinne einer Kontrollinstanz bezeichnet. Dies ist auch nicht nötig. Es reicht, dass die Medien die volle Teilnahme und Mitwirkung der Bevölkerung am politischen Leben ermöglichen. Dafür müssen die Voraussetzungen stimmen, was der französische Publizist Louis Terrenoire auf die Formel gebracht hat: “Die Presse muss schreiben können, was sie will, damit gewisse Leute nicht tun können, was sie wollen.” Dürfen die Medien veröffentlichen, was sie wollen? Uneingeschränkt ja, wenn die zur Veröffentlichung vorgesehenen Vorgänge sauber recherchiert sind und der wahrheitsgemäßen Information und Aufklärung der Bevölkerung dienen. Zu beachten ist in jedem Fall die Wahrung der Menschenwürde, die aber auch nicht als undurchdringlicher Schutz von fragwürdigen Machenschaften herhalten darf.
  • 9. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin In den Statuten der Verlage und Rundfunkanstalten wie auch des Presserates sind die Regeln beschrieben, die bei der Berichterstattung zu beachten sind. Unlautere Methoden bei der Recherche sollten unterbleiben, ebenso Ehrverletzungen und Verletzungen von religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen. Unbestätigte Meldungen müssen erkennbar sein. Was falsch dargestellt wurde, sollte umgehend richtig gestellt werden. Alles schön und gut, aber die Grenzen sind fließend. Für Interpretationen bleibt da viel Platz. Insbesondere für ausgefuchste Juristen, wissen das zu nutzen. Der Presserat, eingerichtet von Verlagen und Journalistenverbänden, kann gegen diese Macht kaum oder gar nichts ausrichten, wenn er grobe Regelverletzungen missbilligt. Die Mitglieder ziehen gegen solche Missbilligungen alle Register. Im Namen der Pressefreiheit setzen sie sich gegen drohende oder ausgesprochene Rügen zur Wehr setzen. Medien sind weder himmlische Einrichtungen noch des Teufels. Sie sind Menschenwerk – mit Stärken und Schwächen. Wenn sie den nötigen Spielraum haben, sind sie Beschützer und Motoren für die Entwicklung erfolgreicher Demokratien. Hinzu gekommen ist Ende des letzten Jahrtausends das Internet. Das Internet ist per se ein demokratisches Medium. Es bietet theoretisch allen Menschen Zugang zu einem Universum an Informationen. Früher war mediale Öffentlichkeit mehr oder weniger auf die Territorien innerhalb von Staatsgrenzen beschränkt. Heute leben wir im Global Village. Im digitalen Zeitalter sind Zugang und Verbreitung von Informationen demokratisiert.
  • 10. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin Jeder kann sich mit seinen Ideen und Aussagen – ohne große Mühen und Kosten – an die globale Öffentlichkeit wenden und um Unterstützung werben, wie das beim Arabischen Frühling geschehen ist oder gegenwärtig in Syrien passiert. Die Bevölkerungen lassen sich nicht mehr so leicht wie früher unter Kontrolle halten, was Diktaturen und autoritäre Regime sehr beunruhigt. In ihrer Furcht, die Macht zu verlieren, greifen sie zu rigiden Maßnahmen. Sie errichten im Internet Brandmauern, so genannte Firewalls. Auf die Dauer wird es den Mauerbauern aber nicht helfen. Der Zugang zu Informationen ist noch nie so schnell, so einfach und kostengünstig gewesen wie heute und in Zukunft. Doch es gibt auch Schattenseiten. Das soziale Netzwerk Facebook verfügt über mehr Daten von mehr Menschen als sie irgendeine Dikatur auf Erden besitzt, was nicht beruhigend ist. Risikofrei ist das Internetangebot auch sonst nicht. Es bietet nicht nur alle Wahrheiten, sondern auch alle Lügen dieser Welt feil. Zu erkennen ist das häufig nicht. Um trotzdem der ungeheuren Informationsflut Herr zu werden, sollte schon früh in der Schule Medienkompetenz gelehrt werden. Für die Heranbildung zu mündigen Staatsbürgern wäre das eine wertvolle Hilfe. Kurz und gut: wenn man die Medien richtig zu nutzen versteht, dann lässt sich mit ihrer Hilfe ein guter demokratischer und prosperierender Staat machen, der sich in der weltweiten Konkurrenz sicher behauptet. Zu dieser Erkenntnis ist der Vater der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, Thomas Jefferson, bereits gekommen, als die Verfassung der USA ausgearbeitet wurde. Damals – um 1790 – erklärte er, wenn er die Wahl hätte zwischen einer Regierung ohne Zeitungen oder Zeitungen ohne Regierung,
  • 11. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin würde er das Zweite wählen. Entsprechend fand in der amerikanischen Verfassung die Pressefreiheit neben der Religions- und Meinungsfreiheit gleich im First Amendment ihren Platz. Was Jefferson erklärte, war eine kühne Feststellung für das 18. Jahrhundert, als in Deutschland und Europa Fürsten, Könige und Zaren für ihre jeweiligen Territorien das alleinige Sagen hatten. Jeffersons Postulat wäre im Übrigen auch heute noch eine kühne Forderung. Später als Präsident hat er sich allerdings häufig über die Presse beschwert, nicht selten mit Grund, denn die eben beschriebenen selbst entwickelten Regeln des Journalismus gab es noch nicht. Stattdessen wurde nach Herzenslust diffamiert. Angesichts der Vielzahl der Zeitungen, die im Übrigen nur kleine Auflagen hatten, waren die Verunglimpfungen zu verkraften. Jefferson wurde jedenfalls wiedergewählt. Da ich nun tief in die Presse-Geschichte geraten bin, möchte ich das europäische Licht nicht ganz unter den Scheffel stellen. Seine modernen Ideen hatte Thomas Jefferson vom Alten Kontinent mitgebracht. Was die Rolle der Presse anging, kamen die stärksten Impulse aus England. Edmund Burke habe ich bereits erwähnt. Bereits vor ihm, im 17. und 18. Jahrhundert, entwickelte sich mit der Idee der Aufklärung die Überzeugung, dass zum Wesen des Menschen auch die Glaubens-, Gewissens- und Meinungsfreiheit als überstaatliche Menschenrechte gehören. Die damals existierende kirchlich-staatliche Pressezensur wurde mehr und mehr als eine unwürdige Bevormundung geistig freier Menschen empfunden. Als wichtigstes Instrument zur Durchsetzung von Menschenrechten und Mitbestimmung galt das Grundrecht auf
  • 12. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin Pressefreiheit. Als erster moderner Staat hat demzufolge England seinen Bürgern Pressefreiheit gewährt, in dem es 1695 das abgelaufene Zensurstatut nicht verlängerte. Das englische Vorbild strahlte in die Neue Welt hinaus. Wir in Deutschland hinkten dieser Entwicklung um Jahrhunderte hinterher. Die Pressefreiheit von heute haben wir den fürchterlichen Erfahrungen mit der Nazi- Diktatur und der klugen Politik der Westalliierten zu verdanken. Insbesondere die Amerikaner und Briten legten nach dem Zweiten Weltkrieg Wert darauf, dass sich neben dem wirtschaftlichen Aufbau des materiell und moralisch völlig zerstörten Deutschlands auch ein krisenfestes demokratisches Bewusstsein in unserem Land entwickelt. Um dies zu gewährleisten, wurde eine kräftige unabhängige Qualitätspresse und ein ebenfalls unabhängiger, leistungsstarker Rundfunk als unbedingt erforderlich angesehen. “Die Skandale sind auch nicht mir das, was sie mal waren,” sagte mir ein herausragender Politiker vergangener Jahre. Er meinte Fälle wie den Parteispendenskandal, über den der ehemalige Bundeskanzler Helmut Kohl seinen Ehrenvorsitz in der CDU verlor und trotzdem nicht damit herausrückte, woher das Geld gekommen war. Von der Qualität hat die Bundespolitik im neuen Jahrtausend nichts Gleichwertiges an Skandalen zu bieten gehabt. Das meint auch der Journalist Matthias Kepplinger, der im Berliner Tagesspiegel an die Starfighter- und SPIEGEL-Affäre erinnerte und fast resigniert feststellte, dass man sich als investigativer Journalist heutzutage mit privat genutzten Bonusmeilen und einem fliegenden Minister-Teppich begnügen müsste. Auch in den Vereinigten Staaten registrierte der Kollege, was Skandale angeht, einen starken “Qualitätseinbruch”. Um ein Impeachment, ein Amtsenthebungsverfahren gegen den
  • 13. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin Präsidenten einzuleiten, bedurfte es vor 40 Jahren im Watergate- Skandal krimineller Taten wie den Einbruch beim politischen Gegner und illegal abgehörter Gespräche im Weißen Haus, später reichte eine Liebesaffäre des Präsidenten. Es wird bei Skandalen mit zweierlei Maß gemessen. Den Unterschied macht die Presse, je nachdem wie engagiert sie zu Werke geht. Was den einen Politiker wegen Vorteilsnahme zum Rücktritt zwingt, kann den anderen ungeschoren lassen. Matthias Kepplinger hat für die unterschiedlichen Reaktionen und Wirkungen schlagende Beispiele parat. Die Ehec-Infektionen mit 50 Todesopfern hielt die Republik für Monate in Atem. Berichte, dass jährlich zwischen 10 000 und 20 000 Menschen an Infektionen sterben, die sie sich in Krankenhäusern zugezogen haben, wurden hingegen gleichmütig hingenommen. Wozu hyper-aktive Berichterstattung führen kann, belegt die BSE- Affäre. Nur 0, 004 Prozent der getesteten Rinder hatte den Infekt. Die Dramatisierung durch die Medien hatte weit reichende Folgen. 80 000 vermutlich gesunde Tiere wurden getötet. Der Verkauf von Rindfleisch brach um 50 Prozent ein. Der Verlust ging in die Milliarde. Dabei sei es gefährlicher zu heiraten als Rindfleisch zu essen, konstatierte Kepplinger trocken. Man werde eher durch seinen eigenen Partner ermordet als dass man durch Rindfleisch ums Leben komme. Die Medien haben Missstände aufzudecken. Je mehr sie das erreichen, desto mehr schaffen sie Stoff für Skandale. Das muss nicht gegen den Zustand des jeweiligen Staates sprechen, sondern eher für die Leistungsfähigkeit der Medien, was wiederum dem Staat und seiner Bevölkerung zugute kommt, denn dadurch können Missstände beseitigt werden. So haben wir das scheinbare
  • 14. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin Paradox, dass es die meisten und größten Missstände in den Ländern mit den wenigsten Skandalen gibt. Die Medien nehmen ein Wächteramt wahr. Dies erfordert höchstes Verantwortungsbewusstsein und handwerkliches Können. Dilettantismus und Fahrlässigkeit können viel Unheil anrichten. Politikverdrossenheit ist für eine demokratische Gesellschaft eine gefährliche Entwicklung. Daran tragen nach meiner Beobachtung nicht allein die Politiker selbst Schuld. Auch die Medien haben ihren Anteil. Mit Unbehagen verfolge ich, wenn Kampagnen ausbrechen, die die Politiker generell als eine geltungssüchtige, inkompetente und raffgierige Kaste aussehen lassen. Wenn es um Diäten geht, ist mit Kommentaren dieser Art zuverlässig zu rechnen. Dass die eigene Branche selbst gerne Vergünstigungen – wie beim Autokauf, bei Bahnfahrten, Flugreisen und Urlaubsaufenthalten – in Anspruch nimmt, wird nur gelegentlich und dann recht rücksichtsvoll thematisiert. Jürgen Leinemann, langjähriger SPIEGEL-Autor, hat von Journalisten ein reflektiertes Verhältnis zu sich selbst und ihrem Beruf, einen bewussten Umgang mit der eigenen Subjektivität eingefordert. Dies solle selbst auferlegte Pflicht sein. Wie sich Journalisten zur Macht und gegenüber Mächtigen verhalten, das sei nicht nur individuell relevant, sondern habe auch politische Folgen. Schließlich hat er uns von den Medien eine schöne Gedichtzeile von Peter Rühmkorf ins Stammbuch geschrieben: “Bleib erschütterbar und widersteh!” Oft wird bei uns von mutigem Journalismus gesprochen, leider auch von der eigenen Branche. In Deutschland braucht kein Journalist besonderen Mut, um seinen Beruf auszuüben, erst recht
  • 15. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin nicht im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Unsereins ist geschützt durch Redakteurausschüssen, Personalräte und Gerichte. Das ist in anderen Ländern nicht der Fall. Da kann investigative Berichterstattung den Verlust der Freiheit oder des Lebens kosten. Entweder durch den Staat oder durch kriminelle Organisationen wie die Mafia. Medien haben ihren Spielraum verantwortungsvoll zu nutzen. Verantwortungsvoll! Manchmal habe ich den Eindruck, dass trotz allem guten Willen aus Fahrlässigkeit bedenkliche Stimmungen in unserem Land erzeugt werden. So ist zu beobachten, dass in kritischen Situationen in unserer scheinbar weltoffenen Bevölkerung nationalistische Verhaltensweisen auftauchen. Die nun schon lange währende Schuldenkrise in der Eurozone liefert ein solches Beispiel. Was über die Länder und ihre Menschen gesagt wird, die ihre Probleme trotz Hilfen bislang nicht gemeistert haben, atmet zuweilen wenig Respekt und Verständnis. Leider werden solche Sichtweisen durch unbedachte und vorlaute Äußerungen von Politikern hervorgerufen und bestärkt, von Kommentaren in den Medien ganz zu schweigen. Aber zunehmend beschleicht mich der Verdacht, dass dazu auch das wichtigste Element des Journalismus erheblich beiträgt: die Nachrichten. Nachrichten gelten als objektiv, Nachrichten werden als bare Münze genommen, bei Nachrichten geht man davon aus, dass sie das wahre Bild des Geschehens vom Tage widerspiegeln. Doch leider trifft das nicht zu. In den Nachrichten hat das Nationale Vorrang vor dem Internationalen, das Interessantere vor dem Trocken-Bedeutsamen. Beim Fall Wulff haben völlig unbeachtliche Bemerkungen politischer Hinterbänkler spielend wichtige Vorgänge von den vorderen Plätzen verdrängt. Auswahl
  • 16. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin und Rangordnung der Themen lassen beim Konsumenten unbewusst Deutschland als Nabel der Welt erscheinen. Bei internationalen Veranstaltungen, wie Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs oder Zusammenkünfte der Finanzminister wird die deutsche Rolle so dominant dargestellt, dass die Positionen und Argumente der anderen Teilnehmer wie Randerscheinungen wirken. Wenn man sich dann im Fernsehen oder in Zeitungen Englands, Frankreichs oder Spaniens zusätzlich informiert, glaubt man sich auf der falschen Beerdigung. So wird das schwer mit dem europäischen Bewusstsein, denn in anderen Ländern wird in gleicher Weise verfahren. Mein Traum wäre deshalb, die Tagesschau würde uns täglich – meinetwegen auf Phoenix – 30 Minuten oder eine Stunde Weltnachrichten liefern. Dann hätten wir das ganze Bild. Da wir gerade beim Ausland sind, komme ich nicht daran vorbei, ethische Entgleisungen der Medien in England, dem Mutterland der freien Presse, zu beklagen. Reporter der auflagenstarken und mit Premier Cameron verbandelten News of the World werden beschuldigt, Polizeibeamte bestochen und Mailboxen von Mitgliedern des Königshauses und Terroropfern abgehört zu haben. Ein Untersuchungsausschuss wurde eingesetzt. Es ist zu hoffen, dass diese Kommission nicht zu Ergebnissen kommt, die die Pressefreiheit einschränken könnten. Das könnte Rückwirkung auf andere Länder haben, auch auf uns. Wollen wir es nicht hoffen. Der Zeitpunkt ist nicht besonders günstig. Ein weiterer Skandal hat das Ansehen der britischen Medien zusätzlich beschädigt. Die hoch angesehene BBC musste eingestehen, Informationen über einen prominenten Mitarbeiter, der Hunderte Kinder missbraucht haben soll, zurückgehalten zu haben. Die unerträgliche Sache
  • 17. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin wurde noch dadurch verschlimmert, weil der Sender andererseits einen Politiker völlig ungerechtfertigt in den Verdacht des gleichen Delikts brachte. Die Krise wird sicher überwunden, aber der Ansehensverlust wird auf lange Zeit nicht wettzumachen sein. Aber auch in Deutschland gibt es schlechte Nachrichten. Nicht wegen ethischen Versagens, sondern wegen wirtschaftlicher Probleme. Die Frankfurter Rundschau, die Financial Times Deutschland und das Magazin Prinz müssen aufgeben. Andere renommierte Zeitungen sind ebenfalls in Schwierigkeiten. Kann unter diesen Umständen guter Journalismus überleben? Die ZEIT hat in ihrer jetzigen Ausgabe diese Frage Deutschlands wichtigsten Medienmachern gestellt. Die Auskünfte sind erstaunlich optimistisch. Der Tenor lautet: Kompetenz, Glaubwürdigkeit, sorgfältige Recherche, gekonnte Aufbereitung und festes Rückgrat sichern das Überleben. Voraussetzung ist, dass nicht nur auf Papier, sondern auch online bester Journalismus geboten wird. Das Gleiche gilt für die audiovisuellen Medien. Wenn das befolgt wird, ist tatsächlich – wie eine Schlagzeile verspricht– noch reichlich Zukunft da. Das Schöne daran ist: laut ZEIT haben wir heute schon, was Vielfalt, Ernsthaftigkeit und Unabhängigkeit angeht – die vielleicht beste Medienlandschaft der Welt. Eine schöne Ansage! So lässt sich auch die Frage Ihrer Tagung beantworten: Ethos in Medien – gibt es das noch? Ja, das gibt es noch. Nicht immer und überall, aber in Deutschland vorwiegend. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Verfasser Dr. h.c. Fritz Pleitgen Intendant a.D. des Westdeutschen Rundfunks WDR, Köln, Präsident der Deutschen Krebshilfe
  • 18. Ethos in Medien und Werbung – gibt´s das noch?“ Eine Tagung zum 55-jährigen Bestehen der Aktion Gemeinsinn e.V. 27. November 2012 in Berlin Anschrift des Veranstalters: Aktion Gemeinsinn e.V. Am Hofgarten 10 53113 Bonn info@gemeinsinn.de www.gemeinsinn.de Tel. 0228 222306