Acht von zehn Menschen leben bereits heute in Entwicklungsländern. Entwicklungsländer verzeichnen die größten Wachstumsraten der Einwohnerzahl und werden in Zukunft noch weiter oben auf der Liste der bevölkerungsreichsten Länder liegen. Deutschland dagegen fällt auf der Bevölkerungsskala zurück: Nahm es vor drei Jahren noch Platz 14 ein, liegt es heute schon an 16. Stelle und im Jahr 2050 wird es wahrscheinlich den 29. Platz belegen. Das geht aus dem Datenreport 2011 hervor, den die Stiftung Weltbevölkerung heute herausgibt.
Nr. 1/2024 - Mittelstandsfinanzierung + Nachhaltigkeit
Datenreport 2011
1. Datenreport 2011
der Stiftung Weltbevölkerung
Soziale und demographische Daten weltweit
hre
20 J a
Aufklärung schafft Zukunft
Population Reference Bureau
3. Datenreport 2011
Highlights
Die Weltbevölkerung wächst heute schneller denn je – so Afrika: Größte Wachstumsraten weltweit
viele Menschen wie jetzt gab es noch nie auf unserem Das Wachstum der Weltbevölkerung findet fast aus-
Planeten. Vom Beginn der Menschheit bis etwa zum schließlich in den Entwicklungsländern statt. Am
Jahr 1800 hat es gedauert, bis es eine Milliarde Erden- stärksten ist es in Afrika. Dort wird sich die Zahl der
bürger gab. Die Zeit seit dem 20. Jahrhundert ist von Menschen von heute einer Milliarde auf voraussichtlich
einem rasanten Wachstum geprägt: Ins Jahr 1900 startete 3,6 Milliarden Menschen zum Ende des Jahrhunderts
die Menschheit noch mit 1,6 Milliarden Menschen, mehr als verdreifachen. In Europa dagegen schrumpft
bis 1999 hat sie sich nahezu vervierfacht, dann lebten die Bevölkerung.
bereits sechs Milliarden Menschen auf unserem
Planeten. Dieses Jahr – voraussichtlich am 31. Oktober Die unterschiedlichen Bevölkerungsdynamiken wirken
– wird nach den Projektionen der Vereinten Nationen sich auch auf die regionale Verteilung der Weltbevöl-
der siebenmilliardste Mensch geboren. Auch in Zukunft kerung aus. Während der Anteil Asiens und auch der
wird die Weltbevölkerung weiter wachsen. Zur Jahr- Europas zurückgehen, nimmt der afrikanische Anteil in
hundertmitte werden wahrscheinlich rund 9,6 Milliarden den kommenden neun Jahrzehnten deutlich zu. Zu
Menschen auf unserem Planeten leben, im Jahr 2100 Beginn des 22. Jahrhunderts wird wahrscheinlich fast
dann nach den UN-Projektionen 10,1 Milliarden jeder dritte Mensch in Afrika leben.
Menschen.
Warum nimmt die Bevölkerung in Afrika so rapide zu?
Bei den Projektionen liegen Annahmen über die Ein Grund liegt in der sehr jungen Altersstruktur der
zukünftige Sterbe- und Geburtenentwicklung zugrunde. Bevölkerung: Mehr als vierzig Prozent der Afrikaner
Die UN gehen davon aus, dass die durchschnittliche sind jünger als 15 Jahre. Nur vier Prozent sind über 65.
Kinderzahl pro Frau von heute 2,5 Kindern weltweit bis Zum Vergleich: In Europa sind nur 16 Prozent der
zum Jahr 2100 auf zwei Kinder sinkt. Wenn die durch- Bevölkerung unter 15 Jahren alt. Allein diese Jugend-
schnittliche Kinderzahl dann nur um ein halbes Kind generation garantiert dem Kontinent ein Bevölkerungs-
pro Frau höher liegen würde, hätte das extrem große wachstum auf lange Zeit hinaus. Aber das ist nicht der
Auswirkungen: Dann gäbe es am Ende des Jahrhunderts einzige Grund: Der starke Zuwachs liegt auch an der
bereits 15,8 Milliarden Erdenbürger. Bei einem halben sehr hohen Gesamtfruchtbarkeitsrate, also der Kinder-
Kind weniger würden dann nur noch 6,2 Milliarden zahl pro Frau. Heute bekommt eine Frau in Afrika
Menschen auf der Erde leben. durchschnittlich 4,7 Kinder, in Afrika südlich der Sahara
sind es sogar 5,2 – das sind mehr als in jeder anderen
Region der Welt. In Uganda beispielsweise sind es sogar
mehr als sechs Kinder pro Frau.
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Weltbevölkerungsprojektionen für 2100
Bevölkerung in Milliarden
12
10
Am wenigsten entwickelte Länder
8
6
Weniger entwickelte Regionen
4
(ohne die am wenigsten entwickelten Länder)
2
0
Industrieländer
50
60
50
70
90
00
70
80
90
00
10
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40
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80
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19
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21
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Grafik: Stiftung Weltbevölkerung
Quelle: Vereinte Nationen, World Population Prospects: The 2010 Revision, 2011
Die Weltbevölkerung wird bis zum Jahr 2100 stark wachsen, dabei findet das Wachstum fast ausschließlich in
Entwicklungsländern statt. Während die Bevölkerung in Industrieländern nahezu konstant bleibt, kommen in den
Entwicklungsländern in den nächsten 90 Jahren voraussichtlich drei Milliarden Menschen hinzu. Laut UN-Prognosen
könnten somit im Jahr 2100 fast 8,8 Milliarden Menschen in Entwicklungsländern leben.
4. 4
5
Mangelnder Zugang zu Verhütungsmitteln in Zahl der Armen zugenommen hat, und zwar um rund
Entwicklungsländern 100 Millionen Menschen. Auch die Zahl der Hungernden
Viele Frauen bekommen in Afrika mehr Kinder als ist drastisch gestiegen.
sie es sich wünschen, da ihnen oft das Wissen um wirk-
same Verhütungsmittel fehlt oder sie keine Möglichkeit Das starke Bevölkerungswachstum erhöht auch den
haben, die Mittel zu beschaffen. Beispielsweise hätten Druck auf das Bildungssystem. Zwar wurden im
in Äthiopien, Kenia und Uganda Frauen gerne durch- Bildungsbereich seit 1990 Fortschritte in Afrika südlich
schnittlich ein bis zwei Kinder weniger. Weltweit haben der Sahara erzielt, so etwa bei der Einschulungsquote
215 Millionen Frauen keinen Zugang zu modernen und der Lese- und Schreibfähigkeit. Jedoch ist die
Verhütungsmethoden, obwohl sie gerne eine Schwanger- Analphabetenquote nach wie vor hoch: Unter den 15-
schaft vermeiden wollen. In Afrika südlich der Sahara bis 24-Jährigen kann jeder Vierte nicht schreiben und
profitieren durchschnittlich nur 19 Prozent der lesen. Schon heute erschweren die hohen Schülerzahlen
Frauen davon. Fortschritte im Bildungsbereich. Steigen sie weiter,
werden damit zum einen deutlich mehr Lehrer notwendig
und entsprechend ausgebildetes Personal fehlt. Zum
anderen können sich arme, kinderreiche Familien oft
Verheiratete Frauen, nicht für alle Kinder eine Grundschulbildung leisten –
die Verhütungsmethoden anwenden nach Regionen dadurch erhalten einige Kinder keine Bildung, bei
anderen wird sie verzögert, unterbrochen oder verkürzt.
Anteil der Anwenderinnen in Prozent Nicht einmal jedes zweite Kind schließt in Afrika süd-
moderne Methoden lich der Sahara die Grundschule ab.
Verhütung allgemein
80 Je stärker die Bevölkerung zunimmt, desto schlechter
78 können außerdem Gesundheitsleistungen für alle
74 73 73
67 gewährleistet werden. Schon heute ist das Gesundheits-
60 64
59 60 60 63 system in Afrika südlich der Sahara unzureichend. So
wird beispielsweise noch nicht einmal jede zweite
40 Geburt durch einen Arzt oder eine Hebamme begleitet.
Die Folge: eine dramatisch hohe Müttersterblichkeit.
20 23 Das Risiko einer Frau, im Laufe ihres Lebens an den
19 Folgen einer Schwangerschaft oder Geburt zu sterben,
beträgt hier 1 zu 31. Zum Vergleich: In Deutschland
0
Subsahara Asien Latein- Nord- Europa Ozeanien
liegt es bei 1 zu 11.100.
Afrika (inkl. China) amerika amerika
und Karibik Gelingt es, das Bevölkerungswachstum zu verlangsamen,
Grafik: Stiftung Weltbevölkerung so öffnet sich ein so genanntes demografisches Fenster:
Quelle: Datenreport 2011 Es tritt eine Phase ein, in der Geburten- und Sterberaten
sinken und der Anteil der Menschen im arbeitsfähigen
Alter gegenüber dem der Kinder und Älteren, die ver-
sorgt werden müssen, steigt. Dieses Zeitfenster bietet
Ländern die einzigartige Gelegenheit, ihren Lebens-
Bevölkerungswachstum verschärft die Armut standard zu verbessern. Denn jetzt kann das Einkommen
in Afrika eher für Investitionen als für die Versorgung junger und
Das daraus resultierende starke Bevölkerungswachs- alter Menschen verwendet werden. Ein Beispiel hierfür
tum trägt entscheidend zur Armut vieler Menschen in ist das rasante Wirtschaftswachstum der ostasiatischen
Afrika bei und erschwert eine nachhaltige Entwicklung. Tigerstaaten in den 1980er und 1990er Jahren. Sie nutzten
Schon heute leben 63 Prozent der Afrikaner von den demografischen Vorteil, um in Bildung, Gesund-
weniger als zwei US-Dollar pro Tag, in Afrika südlich heitsfürsorge und andere zentrale öffentliche Dienst-
der Sahara sind es sogar 72 Prozent. Jeder Dritte leidet leistungen zu investieren. Damit konnte eine nachhaltige
Hunger. Je stärker die Bevölkerung zunimmt, desto Entwicklung in Gang gesetzt werden und die Lebens-
mehr Menschen konkurrieren um die ohnehin schon situation der Menschen hat sich deutlich verbessert.
knappen Ressourcen wie Ackerland, Wasser und Um auch in Afrika Entwicklungschancen zu ermöglichen,
Nahrung und desto schlechter kann die Bevölkerung muss in Aufklärung und Familienplanung investiert
versorgt werden. So ist seit 1990 zwar das reale Pro- werden. Dabei sollte ein besonderer Schwerpunkt auf
Kopf-Einkommen gestiegen, jedoch hat das hohe Jugendlichen liegen. Sie sind die Eltern von morgen
Bevölkerungswachstum dazu geführt, dass die absolute und der Schlüssel zur Entwicklung ihres Landes.
5. Mädchen in Entwicklungsländern
Im Fokus
Fast die Hälfte der Weltbevölkerung ist heute jünger als 25 Jahre. Besonders viele junge Menschen leben in
Entwicklungsländern. Von den 1,2 Milliarden Erdenbürgern, die derzeit zwischen 15 und 24 Jahre alt sind,
leben hier fast 90 Prozent. Es ist wichtig, dass für sie bereits in jungen Jahren die Weichen richtig gestellt
werden. Ihre Zukunft ist jedoch gefährdet. Mädchen und junge Frauen sind in Entwicklungsländern besonderen
gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt.
Teenagerschwangerschaften
In vielen Entwicklungsländern werden Mädchen
bereits im Kindesalter verheiratet und sind mit 15 Jahren
zum ersten Mal schwanger. Jedes Jahr werden etwa
sieben Millionen Teenager in Entwicklungsländern
ungewollt schwanger. Eine Schwangerschaft kann für
sie schnell lebensgefährlich werden: Komplikationen
bei der Schwangerschaft oder Geburt zählen zu den
Haupttodesursachen für Mädchen und junge Frauen in
Entwicklungsländern. Da ihr Körper noch nicht reif genug
dafür ist, haben Mädchen im Teenageralter ein doppelt
so hohes Risiko, während der Schwangerschaft oder bei
der Geburt zu sterben, wie Frauen über 20 Jahre. Jedes
Jahr sterben so etwa 70.000 Mädchen. Diejenigen, die
überleben, haben anschließend oft mit gesundheitlichen
Problemen wie Bluthochdruck oder Blutarmut zu
kämpfen – diese Risiken sind bei jungen Frauen wesent- Mangelndes Wissen über Sexualität und Verhütung
lich höher als bei erwachsenen Frauen. Sie könnten In Entwicklungsländern wissen junge Menschen
durch eine gute Schwangerenbetreuung und entspre- häufig nicht, wie sie sich vor ungewollten Schwanger-
chende Ernährung vermieden werden, in Entwicklungs- schaften und HIV/Aids schützen können. Ihnen fehlen
ländern haben aber viele junge Frauen dazu keinen meist sowohl das notwendige Wissen über Verhütungs-
Zugang. Eine frühe Schwangerschaft hat nicht nur mittel als auch der Zugang dazu. Auch die reichen
gesundheitliche Risiken zur Folge. Junge Mütter müssen Staaten der Welt haben erkannt, wie wichtig es ist, dies
zudem häufig die Schule oder Ausbildung abbrechen, zu ändern: Die Kairoer Weltbevölkerungskonferenz hat
und es beginnt ein Kreislauf der Armut. bereits im Jahr 1994 das Recht von Jugendlichen auf
Aufklärung und Verhütung offiziell anerkannt. Außerdem
HIV/Aids gehört es zu den Millennium-Entwicklungszielen, dass
Mädchen in Entwicklungsländern sind außerdem bis zum Jahr 2015 alle Mädchen und Frauen Zugang zu
besonders der Gefahr ausgesetzt, sich mit HIV/Aids zu Familienplanung haben sollen. Die Ziele wurden zur
infizieren. Alle 14 Sekunden steckt sich ein junger Jahrtausendwende von 189 Staaten verabschiedet, um die
Mensch (15–24 Jahre) mit dem tödlichen Virus an. Aus Lebenssituation in Entwicklungsländern zu verbessern.
biologischen und gesellschaftlichen Gründen sind
junge Frauen einem höheren Risiko ausgesetzt als ihre Bildung, Aufklärung und der Zugang zu Verhütungs-
männlichen Altersgenossen. Häufig werden sie mit mitteln sind entscheidend, damit Mädchen in
einem mehrere Jahre älteren Mann verheiratet. Entwicklungsländern ungewollte Schwangerschaften
Damit steigt auch das Risiko, dass diese – oft sexuell und HIV/Aids vermeiden können und sie die Chance
erfahrenen – Männer HIV-positiv sind und sie infizieren. auf ein Leben frei von Armut haben. Dazu sind ent-
sprechende Investitionen seitens der Industrieländer
notwendig. Um allen Menschen Zugang zu Verhütungs-
methoden zu geben, müssten die Investitionen von
derzeit jährlich 3,1 auf 6,7 Milliarden US-Dollar mehr
als verdoppelt werden.