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Swetlana W. Pogorelskaja
Die parteinahen Stiftungen als Akteure und
Instrumente der deutschen Auûenpolitik
I. Einleitung
Wenn man es sich zum Ziel setzt, den hierzulande
seit mehr als dreiûig Jahren in Wissenschaft und
Publizistik gefçhrten Diskurs zu Fragen der
auûen- und entwicklungspolitischen Tåtigkeit der
deutschen Nichtregierungsorganisationen (im Fol-
genden NGO = Non-Governmental Organiza-
tions) zu analysieren, wird man feststellen, dass
der græûte Teil der Beitråge den politischen Stif-
tungen1
gewidmet ist, zugleich aber auch, dass dies
oft in emotionaler Weise erfolgt: Stiftungen wer-
den gelobt ± manchmal çbertrieben; sie werden
gerçgt ± manchmal auch çbertrieben. Und was
besonders erstaunlich ist: gelobt und gerçgt wer-
den sie nicht selten fçr ein und dasselbe.
Das ist auch kein Wunder. Der græûte Teil der
deutschen NGOs, die heutzutage in VENRO2
ver-
treten sind, wollen ± in den besten entwicklungs-
politischen Traditionen ± den Armen dieser Welt
helfen, und zwar unparteilich und unpolitisch. Die
Stiftungen aber wollen mehr: ¹Wir wollen zugleich
auf die Gestaltung politischer und gesellschaftli-
cher Ordnungen, auf politische Entscheidungspro-
zesse und auf die Entwicklung politischer und
gesellschaftlicher Institutionen einwirken.ª3
Und
sie wollen es nicht nur ± sie tun es. Diese Zielset-
zung bietet daher immer neues Material fçr immer
neue innenpolitische Diskussionen zu fast immer
denselben Themen. Fassen wir diese seit dreiûig
Jahren so gut wie konstant gebliebenen Themen-
komplexe zusammen:
± Innenpolitisch wird immer wieder çber die
Legalitåt der Globalzuschçsse des Bundes an die
Stiftungen (Stichwort: ¹verdeckte Parteienfinan-
zierungª) gestritten, dies zumeist im Hinblick auf
die innenpolitische Bildungsarbeit der Stiftungen.
Selbst die bekannte Entscheidung des Bundesver-
fassungsgerichtes (BVerfG) von 1986 konnte diese
Debatte weder beenden noch entschårfen.4
± Auch im Diskurs zur auûen- und entwicklungs-
politischen Arbeit der Stiftungen, die bekanntlich
vom Bundesministerium fçr wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Auswårti-
gen Amt (AA) und zu kleineren Teilen von ande-
ren Ressorts finanziert wird, nimmt das Thema der
¹Parteinåheª einen bedeutenden Platz ein. Den
Stiftungen wird u. a. vorgeworfen, mit den Geldern
der deutschen Steuerzahler ¹Parteienauûenpoli-
tikª zu finanzieren. Nicht selten taucht dieses
Thema auch im Zusammenhang mit den Spen-
denaffåren (wie z. B. der Flick-Affåre) auf; gele-
gentlich wirft man den Stiftungen auch vor, als
¹Geldwåsche-Anlagenª aufzutreten und der Be-
reicherung nahe stehender Parteien zu dienen.5
± Ein weiterer Themenkomplex, der im Zusam-
menhang mit der Auslandsarbeit der Stiftungen
besonders håufig diskutiert wird, ist ebenfalls ±
wenn auch indirekt ± mit Finanzierungsfragen ver-
1 Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES, der SPD nahe ste-
hend), die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS, der CDU nahe
stehend), die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS, der CSU nahe
stehend), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS, der FDP
nahe stehend), die Heinrich-Bæll-Stiftung (HBS, Bçndnis 90/
den Grçnen nahe stehend), die Rosa-Luxemburg-Stiftung
(RLS, der PDS nahe stehend).
2 VENRO e. V. = Verband Entwicklungspolitik deutscher
Nichtregierungsorganisationen.
3 Ottfried Henning, Netzwerke schaffen, in: KAS/Einblicke
vom Oktober 1997, S. 8.
4 Vgl. Urteil des BVerfG vom 14. 7. 1986: Gewåhrung von
Globalzuschçssen zur politischen Bildungsarbeit an partei-
nahe Stiftungen, in: Entscheidungen des Bundesverfassungs-
gerichts, Band 73, Tçbingen 1987, S. 1±39. Diesem Urteil ging
eine von Bçndnis 90/Die Grçnen, die damals keine eigene
Stiftung hatten, iniziierte Diskussion voraus. Vgl. ferner Uwe
Gçnter/Michael Vesper, Wie weiter mit dem Stiftungsgeld?,
in: Zeitschrift fçr Rechtspolitik, 27 (1994) 8, S. 289±291, sowie
Gemeinsame Erklårung der KAS, FES, FNS, HSS und HBS
vom November 1998, 11 S. (vervielfåltigt); Grundsåtze der
Finanzierung politischer Stiftungen, Sankt-Augustin, 3. Fe-
bruar 2000, 6 S. (vervielfåltigt).
5 Zum sog. ¹spanischen Fall Flickª siehe u. a. Lotar La-
busch, Ein Hauch von Flick bringt die deutschen Stiftungen in
Verruf, in: Kælner Stadt-Anzeiger vom 7. November 1984,
S. 2; Walter Haubrich, Deutsches Geld in spanischer Politik,
in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 2. Februar
2000, S. 3. Ferner wurde die Tåtigkeit der Stiftungen auf der
iberischen Halbinsel wieder unter die Lupe genommen im
Zusammenhang mit den Vorwçrfen, dass die zweckge-
bundenen Gelder aus den sog. ¹Reptilienfondsª des Bundes-
kanzleramtes, die deutsche Parteien fçr die Unterstçtzung
der demokratischen Kråfte in Spanien und Portugal in den
Jahren 1974 bis 1982 erhielten, teilweise wieder an die nahe
stehenden Parteien zurçckgeflossen seien. Vgl. Hans Leyen-
decker, Alltågliches unter strengster Geheimhaltung, in:
Sçddeutsche Zeitung (SZ) vom 2. Februar 2000, S. 7; Tina
Stadlmayer, BND-Geld fçr Portugal und Spanien, in: die ta-
geszeitung vom 2. Februar 2000, S. 6.
29 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
bunden. Es geht um die Intensitåt der Parteinåhe
in der entwicklungspolitischen Projektarbeit. Be-
sonders in den achtziger Jahren håuften sich im
Zusammenhang mit den lateinamerikanischen
Aktivitåten der Stiftungen die Vorwçrfe, die Stif-
tungen trçgen, indem sie die den deutschen Par-
teien ¹nahe stehendenª Parteien und Organisatio-
nen im Ausland unterstçtzen, die deutschen
innenpolitischen Auseinandersetzungen ins Aus-
land.6
± Schlieûlich und nicht zuletzt wird çber die Tåtig-
keit der Stiftungen im Ausland hinsichtlich ihres
Verhåltnisses zur deutschen Auûenpolitik und offi-
ziellen Diplomatie gestritten. In den letzten zwan-
zig Jahren reichte die Palette der in diesem
Zusammenhang diskutierten Fragen von Vorwçr-
fen, ¹geheime Diplomatieª oder ¹Nebenauûen-
politikª zu betreiben, bis zu Lobesliedern auf die
Flexibilitåt und Scharfsichtigkeit der Stiftungen,
die frçhzeitig politische Kråfte dort erkannten und
færderten, wo die offizielle deutsche Auûenpolitik
noch an den alten Strukturen hing.
Alle diese Themenkomplexe sind eng mitein-
ander verflochten; dies spiegelt den realen Stand
der Dinge wider: Die Stiftungen, die sich als
¹Grenzgånger zwischen Gesellschafts- und Staa-
tenweltª7
von anderen NGOs durch ihre unmittel-
bare Verankerung in der offiziellen Politik unter-
scheiden, und doch ± aus rechtlicher Perspektive
gesehen ± sowohl innenpolitisch als auch interna-
tional als NGO's auftreten, befinden sich inmitten
der vielfåltigen innen-, auûen- und internationa-
len Beziehungen, die in der heutigen interdepen-
denten Welt nicht mehr voneinander zu trennen
sind.
Bezogen auf die Intensitåt der Parteinåhe gehe ich
in meinem Beitrag davon aus, dass die politischen
Stiftungen in hinreichender Weise sowohl organisa-
torisch als auch in ihrer Willensbildung von ihren
Parteien unabhångig sind. Auch wenn die ¹Partei-
nåheª immer wieder in ihrer praktischen innen-
politischen Tåtigkeit zum Ausdruck kommt, ist die
Verbindung zwischen der Stiftung und der Partei
keineswegs eingleisig. Es handelt sich eher um eine
Art Wechselbeziehung, die allerdings von rechtli-
cher Seite schwer nachzuweisen ist, da sie nicht auf
dem offiziellen, sondern eher auf einem ideellen
und politisch-persænlichen Niveau zum Ausdruck
kommt.8
Die Aufgaben, die die Stiftungen zu
bewåltigen haben, çberschreiten die speziellen
Interessen der Parteien und werden nicht unbe-
dingt von ihnen bestimmt, was gerade am Beispiel
der Auslandståtigkeit der Stiftungen besonders
deutlich zu sehen ist. Was kann mit Hilfe von politi-
schen Stiftungen auûenpolitisch bewegt werden?
Welche Rolle spielen die Stiftungen bei der Gestal-
tung der deutschen Auûenpolitik?9
II. Entwicklungspolitische Arbeit
und auûenpolitischer Auftrag
Schon in den frçhen sechziger Jahren wurde im
Auswårtigen Amt (AA) der Wert der Stiftungen
als auûenpolitische Instrumente erkannt.10
Es
waren die Jahre, in denen die Richtlinien der Poli-
tik gegençber den Entwicklungslåndern im allge-
meinen Kontext der damaligen deutschen Auûen-
politik im Hinblick auf die Deutschlandpolitik11
und bezogen auf die Besonderheiten dieser Staa-
ten entworfen wurden. Es waren auch die Jahre
der Streitigkeiten çber die Verteilung der Kompe-
tenzen zwischen dem AA und dem neu geschaffe-
nen BMZ, ferner der praxisbezogenen Diskussio-
nen çber das Verhåltnis zwischen ¹Auûenpolitikª,
¹Entwicklungshilfeª und ¹Entwicklungspolitikª.
Wåhrend das Auswårtige Amt den Standpunkt
vertrat, dass ¹die Entwicklungshilfe das wichtigste
Instrument unserer Auûenpolitik im Verhåltnis
zur Dritten Welt ist und bleibtª12
, behauptete das
BMZ, dass ¹die Entwicklungshilfe ihren Haupt-
grund in sich selbst hatª13
, und daher nicht mit
6 Vgl. Konrad Adam, Der Staat als Spender, in: FAZ vom
8. Mårz 1985, S. 3; Gættrik Wewer, Fragen an die politischen
Stiftungen, in: Das Parlament vom 13. September 1986, S. 4.
7 Diese Bezeichnung gibt Sebastian Bartsch mit Verweis
auf Ernst-Otto Czempiel: Sebastian Bartsch, Politische Stif-
tungen: Grenzgånger zwischen Gesellschafts- und Staaten-
welt, in: Wolf-Dieter Eberwein/Karl Kaiser, Deutschlands
neue Auûenpolitik, Bd. 4: Institutionen und Ressourcen,
Mçnchen 1998, S. 185±198, hier: S. 193.
8 Vgl. u. a. Henning von Vieregge, Parteistiftungen, Baden-
Baden 1977, und Alan Watson, Die politischen Stiftungen in
Westdeutschland, Bonn±London 1976.
9 Zur Auslandsarbeit der Stiftungen vgl. u. a. Roland Kress,
Die politischen Stiftungen in der Entwicklungspolitik, Bo-
chum 1985; Maximilian Schçrmann, Zwischen Partnerschaft
und politischem Auftrag, Saarbrçcken 1989; Annette Spit-
zenpfeil, Der Beitrag der politischen Stiftungen zur entwick-
lungspolitischen Zusammenarbeit, Frankfurt/M. 1996; Swet-
lana W. Pogorelskaja, Die politischen Stiftungen in der
deutschen Auûenpolitik, Bonn 1997.
10 Die FES wurde schon 1925 gegrçndet; die KAS ging
1964 aus der 1958 gegrçndeten Politischen Akademie Eich-
holz hervor; die FNS wurde 1958 und die HSS 1967 ge-
grçndet.
11 Vgl. Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 651, Aufzeichnung
¹Auûenpolitik und Entwicklungspolitikª vom 6. Mai 1966:
¹Die Entwicklungspolitik war ein unverzichtbares In-
strument bei der Abschirmung und Verteidigung unseres Al-
leinvertretungsanspruchs.ª (AA III B 1 = Archivbestand
Grundsatzfragen der Entwicklungshilfe).
12 Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 651. Aufzeichnung ¹Au-
ûenpolitische Notwendigkeit der Entwicklungshilfeª vom
2. November 1965.
13 Walter Scheel, Entwicklungshilfe und Auûenpolitik, in:
Bulletin vom 16. November 1965, S. 1463.
30Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
auûenpolitischen Aufgaben (die damals nicht sel-
ten mit den Interessen der auswårtigen Tagespoli-
tik, wie z. B. dem Alleinvertretungsanspruch, iden-
tifiziert wurden) belastet werden solle ± und
spåter, dass sie, im Unterschied zur traditionellen
Auûenpolitik, ¹nicht nur eine Sache von Staaten,
sondern von Gesellschaftenª14
sei.
Der Kompetenzstreit zwischen den zwei Ressorts
beeinflusste allerdings eher die Institutionelle Ge-
staltung der Entwicklungspolitik denn ihre inhalt-
liche Ausrichtung. Die Entwicklungspolitik aller
Geberlånder war in den Zeiten der Block-Kon-
frontation von langfristigen, u. a. auch ideologisch
geprågten auûenpolitischen Zielsetzungen nicht zu
trennen; auch die Modernisierung der Entwick-
lungskonzepte war in das Geflecht auûenpoliti-
scher und auûenwirtschaftlicher Interessen einge-
bunden. Entwicklungspolitik war ein Bestandteil
der Systemkonkurrenz und diente u. a. dem
Export der Ordnungsmodelle. Die Projekte, die
entwicklungspolitisch als ¹Hilfe zur Selbsthilfeª
bezeichnet wurden, trugen gleichzeitig zur gçnsti-
gen Gestaltung der Beziehungen zu den entspre-
chenden Låndern bei15
. Die Entwicklungslånder
lehnten jedoch eine ¹politische Bindungª ab.
Fçr die Durchsetzung der langfristigen deutschen
auûenpolitischen Zielsetzungen in den Entwick-
lungslåndern sollten also Mittel und Wege ge-
funden werden, die çber die çblichen auûen-
politischen Methoden hinausgehen wçrden.
¹Technische Hilfeª, die als ¹der Bereich der Ent-
wicklungshilfe, in dem insbesondere durch Ver-
mittlung von Wissen und Kænnen . . . geholfen
werden sollª16
± zuerst nur als eine Voraussetzung
fçr eine spåtere wirtschaftliche Hilfe oder als eine
Begleitung dieser Entwicklungshilfe ±, auftrat,
gewann allmåhlich an selbstståndiger politischer
Bedeutung. Ihr wichtigster Bestandteil war die
gesellschaftspolitische Bildung, welche die ¹He-
ranbildung einer demokratischen, nichttotalitåren
Fçhrungsschicht und des dazu gehærenden Nach-
wuchses in den gesellschaftlichen Schlçsselberei-
chen der Entwicklungslånder, und zwar auf natio-
naler, regionaler und ærtlicher Ebeneª, bewirken
sollte. Diese ¹weltanschaulich und politisch gebun-
denen Bildungsmaûnahmenª sollten ¹mittels der
den drei groûen Parteien nahe stehenden Bil-
dungsinstitutionen: Akademie Eichholz, FES und
FNSª17
durchgefçhrt werden.
Somit wurden die Stiftungen schon in den frçhen
sechziger Jahren dort im politischen Bereich ein-
gesetzt, wo staatliche Aktivitåten als eine Einmi-
schung in die inneren Angelegenheiten des Gast-
landes betrachtet werden konnten ± zumal wenn
es um Kontakte zu oppositionellen Kråften, um
die Unterstçtzung von politischen Parteien und
Gewerkschaften ging. ¹Zur Durchfçhrung von
Maûnahmen politischen Charakters . . . dçrfen in
erster Linie Institutionen wie FES, FNS, Eichholz
usw. herangezogen werden, damit die Bundesre-
gierung nicht als direkter Geldgeber auftritt.ª18
Darçber hinaus wurden sie auch mit einigen kul-
turpolitischen Aufgaben beauftragt (wobei die
Kulturpolitik gegençber diesen Låndern eher als
Bildungshilfe interpretiert wurde).19
Nach Mei-
nung der Stiftungen selbst sollte ¹die gesellschafts-
politische Kontaktpflege . . . ausschlieûlich und
unmittelbar durch die KAS, FES und FNSª erfol-
gen, da ¹das politische Risiko geringer istª20
.
Das auûenpolitische Engagement der Stiftungen
begann also mit ihrem Einsatz in Låndern Afrikas,
Asiens und Lateinamerikas; insbesondere in
Lateinamerika ist es den Stiftungen im Laufe der
Zeit gelungen, ihre Pråsenz çber den ganzen Kon-
tinent auszudehnen.21
In den ersten zehn Jahren
ihrer entwicklungspolitischen Arbeit entstanden
die Formen, Methoden und Instrumente, die fçr
die Tåtigkeit der Stiftungen auch heuzutage noch
charakteristisch sind. Schwerpunkte ihrer entwick-
lungspolitischen Arbeit liegen grundsåtzlich im
gesellschaftlich-politischen Bereich; erklårtes Ziel
war und ist es, zur Entwicklung in Richtung
Demokratie und Marktwirtschaft beizutragen. Die
Arbeit soll multiplikatorische Effekte entfalten;
daher gehæren zu den Zielgruppen Journalisten,
Politiker, Gewerkschaftler, Dozenten, Mitarbeiter
der kommunalen Verwaltung usw. Die langfristig
angelegten Projekte haben eine klare ordnungspo-
14 BMZ, Pressemitteilung ¹Was ist Entwicklungspolitik?ª
vom 14. April 1969.
15 ¹Jedes der Motive fçr die Entwicklungspolitikª war nach
Meinung des Auswårtigen Amtes, ¹auch ein Motiv der deut-
schen Auûenpolitikª. Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 651:
¹Auûenpolitik und Entwicklungspolitikª vom 16. Mai 1966.
16 Auswårtiges Amt III B 2, Bd. 304: ¹Leistungen der BRD
im Rahmen der Technischen Hilfeª vom 10. September 1963.
(AA III B 2 = Archivbestand Technische Hilfe).
17 Ebd.
18 Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 313. Aufzeichnung ¹Be-
schwernisse im Verhåltnis zum BMZª (Entwurf), Februar
1963.
19 Vgl. Auswårtiges Amt III B 2, Bd. 304: ¹Bericht çber die
kulturellen Maûnahmen in den Entwicklungslåndernª vom
15. August 1963.
20 Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 721: FES. ¹Ausschuss
¹Nachkontakteª bei der ¹Arbeitsgemeinschaft fçr inter-
nationalen Kulturaustauschª, (Entwurf), vom 25. Oktober
1965.
21 Voraussetzung fçr die erfolgreiche Arbeit war, dass es in
einigen Låndern des Kontinents bereits Parteien sozial-
demokratischer und christdemokratischer Orientierung gab.
Daher konnten die Stiftungen in der ersten Phase mit der
¹politischen Kaderausbildung fçr Mitglieder der bestehenden
demokratischen Parteienª beginnen (Auswårtiges Amt III B
2, Bd. 366).
31 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
litische Ausrichtung: Es geht um die ¹Demokra-
tiefærderungª in allen Bereichen des gesellschaftli-
chen Lebens.
Zu den Partnerorganisationen in den Projektlån-
dern gehæren alle die (in der Regel nichtstaatli-
chen) Organisationen, die zur Entwicklung von
Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Marktwirt-
schaft beitragen kænnen. Waren diese Organisatio-
nen nicht vorhanden, wurden sie nicht selten vor
Ort von den Stiftungen selbst oder mit ihrer Hilfe
geschaffen. Die Zusammenarbeit mit den Regie-
rungen war zwar nicht ausgeschlossen, wurde aber
der Úffentlichkeit nicht gerne pråsentiert; die Fær-
derung der nichtstaatlichen demokratischen Insti-
tutionen stand im Vordergrund.22
Man ging und
geht davon aus, dass die entwicklungspolitische
Wirksamkeit der Projekte in entscheidender Weise
davon abhångt, dass die gesellschaftlich-politi-
schen Kråfte vor Ort nicht als Objekte der Stif-
tungsarbeit auftreten, sondern als Subjekte zu
ihrer Gestaltung beitragen.23
In den letzten zehn
Jahren allerdings wurde immer mehr Wert auf die
Zusammenarbeit mit den ¹Einrichtungen des Staa-
tes, wie Parlament, Regierung und Judikativeª24
gelegt; nicht selten geht es um die unmittelbare
Beratung der Regierungen. Als wichtigste ent-
wicklungspolitische Tåtigkeitsfelder werden fçr
die Stiftungen heutzutage die ¹Færderung demo-
kratischer Ordnungen, Unterstçtzung nachhaltiger
wirtschaftlicher Entwicklung, Bekåmpfung der
Armut, Færderung umweltbewussten Handelns,
Krisenpråventionª genannt,25
also die Aufgaben,
die auch andere NGOs zu bewåltigen haben.
Es fållt schwer, zwischen entwicklungspolitischem
und auûenpolitischem Beitrag der Stiftungen in
den Entwicklungslåndern zu unterscheiden, da
es gerade im Fall der Projekte, die zum Aufbau
und zur Festigung von demokratischen, pluralisti-
schen und rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen
beitragen sollen, wohl kaum mæglich ist, die
entwicklungs- und auûenpolitischen Zielsetzun-
gen eindeutig voneinander zu trennen. Auch die
Finanzierung der Projekte ist hier kein Kriterium:
In ein und demselben Land kænnen einige Pro-
jekte vom Auswårtigen Amt, einige vom BMZ
finanziert werden. Grundsåtzlich werden heutzu-
tage mit den Mitteln des Auswårtigen Amts die
Maûnahmen unterstçtzt, die offensichtlich in die
Kompetenz der Auûenpolitik gehæren, wie z. B.
Færderung internationaler Kontakte oder bilatera-
ler Beziehungen. Das BMZ finanziert dagegen die
Projekte, die typische ¹entwicklungspolitischeª
Zçge tragen und in der Regel langfristig (Færde-
rungszeitraum von drei bis vier Jahren) angelegt
sind wie die gesellschaftspolitische Bildung oder
Maûnahmen zur Sozialstrukturhilfe; dieser Be-
reich wird in den heutigen entwicklungspolitischen
Ûberlegungen immer noch als ¹die nichtstaatliche
Technische Zusammenarbeit im weiteren Sinneª26
definiert. Sie kænnte aber auch als eine ¹Auûen-
politik im weiteren Sinneª definiert werden.
Das Engagement der Stiftungen in den Staaten des
ehemaligen Ostblocks kann ± obwohl es ebenfalls
um ¹Demokratiefærderungª geht ± mit dem in den
Entwicklungslåndern nur bedingt verglichen wer-
den, wenngleich nicht selten vom entwicklungspo-
litischen Beitrag in den gesellschaftlich-politischen
Bereichen gesprochen wird, wo diese Staaten
¹åhnliche Defiziteª27
aufweisen wie die Entwick-
lungslånder. Diese Staaten zåhlten frçher zu den
Industrielåndern. Die Zusammenarbeit, welche
die Stiftungen noch vor der Wende mit einigen
von ihnen begannen, wies formell die Zçge auf,
die teilweise auch fçr ihre Tåtigkeit in den westli-
chen Industriestaaten charakteristisch waren ± mit
dem Unterschied, dass es in dem von den Stiftun-
gen gepflegten intensiven und vielseitigen Dialog
mit den westlichen Verbçndeten primår um die
Entwicklung und Festigung der europåischen und
transatlantischen Prozesse ging. Die in den Ost-
blockstaaten aufgenommene Arbeit dagegen trug
den Charakter eines kritischen Gedankenaustau-
sches, vorwiegend auf der Ebene der Gesell-
schaftswissenschaften, die in den damaligen Ost-
blockstaaten allerdings eng mit den Parteieliten
vernetzt waren.28
Vor allem die FES als die SPD-
nahe Stiftung wurde von den damaligen kommunis-
tischen Parteieliten als ein geeigneter Gespråchs-
partner akzeptiert (wie es auch in China, wo die
FES seit Anfang der achtziger Jahre pråsent ist,
der Fall ist).
22 Grundsåtzlich arbeiteten die Stiftungen schon immer mit
den Regierungen zusammen, wenn nur die Mæglichkeit dazu
bestand, da sie sich dadurch schnellere strukturwirksame
Effekte ihrer Arbeit versprachen. Besonders effizient war die
Arbeit, wenn eine von der Stiftung gefærderte demokratische
Partei an der Regierung beteiligt war. Mit den Regierungen
wurde auch in den Låndern zusammengearbeitet, wo es in-
folge der undemokratischen Gesellschaftsordnung keinen
nichtstaatlichen Partner fçr die Zusammenarbeit gab.
23 Vgl. Karl Osner, Der entwicklungspolitische Beitrag der
politischen Stiftungen, Sankt Augustin 1976, S. 69.
24 BMZ, Pressemitteilung: Carl Dieter Spranger, Rede bei
der Pressekonferenz mit den Vorsitzenden der politischen
Stiftungen am 26. Februar 1997 in Bonn, S. 2.
25 BMZ, ¹Die entwicklungspolitische Arbeit der politi-
schen Stiftungenª, Informationsvermerk fçr den Bundestags-
ausschuss fçr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung vom August 1999, S. 1.
26 BMZ, ¹Schwerpunktsetzung in der Entwicklungs-
zusammenarbeitª, Arbeitspapier vom 16. Juni 2000, S. 2.
27 BMZ (Anm. 25).
28 So hat z. B. die FES seit Anfang der siebziger Jahre
flankierend zur damaligen Ostpolitik Osteuropa im Pro-
gramm; zunåchst ging es um den Journalistenaustausch mit
Polen, Ungarn und der Sowjetunion, spåter kamen Post-
graduiertenprogramme und wissenschaftlicher Dialog hinzu.
32Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
Ein Schwenk hin zu einer gezielten Unterstçtzung
der Reformbemçhungen erfolgte Ende der achtzi-
ger Jahre; die Vorbereitung dieser Strategien ging
allerdings z. T. schon auf den Anfang der achtziger
Jahre zurçck. Anfang der neunziger Jahre war der
Kurswechsel abgeschlossen; alle politischen Stif-
tungen waren in Osteuropa und in den Nachfolge-
staaten der Sowjetunion pråsent und færderten im
Rahmen ihrer ¹Demokratisierungsprogrammeª
die reformorientierten Kråfte auf allen Ebenen,
wo es nur ging ± sei es in Politik, Gerichtswe-
sen, kommunaler Selbstverwaltung oder Wissen-
schaft.29
Im bildungspolitischen Angebot unter-
schieden sich die Stiftungen damals nur in
Nuancen, stårker aber in der Auswahl der Lånder,
was nicht zuletzt auf die Koordination ihrer Arbeit
zurçckging. Grundsåtzlich handelte es sich bei der
Arbeit in den Staaten Mittelosteuropas (MOE)
und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion (GUS)
± im Unterschied zu den Dritte-Welt-Låndern, wo
die ¹klassischeª Unterentwicklung zu beheben
war ± darum, die nur diesen Staaten eigenen
Probleme im Verlauf der Tansitionsprozesse zu
bekåmpfen und somit zur Stabilisierung der De-
mokratien und der (sozial)marktwirtschaftlichen
Strukturen beizutragen.
So unterschiedlich wie die MOE/GUS-Staaten
sind, so breit gefåchert war und ist auch die
Spanne der Projektarbeit der Stiftungen in diesen
Staaten: von den in den NATO- und EU-Beitritts-
kandidaten durchgefçhrten Projekten zur Schaf-
fung der fçr die Einbeziehung dieser Staaten in die
westliche Gemeinschaft notwendigen Strukturen
bis hin zu einer eher kultur- und entwicklungspoli-
tisch ausgerichteten Arbeit in mittelasiatischen
Låndern.30
Grundsåtzlich konzentrierten sich die
vom BMZ finanzierten Projekte auf die Bereiche
der Parlaments- und Rechtsberatung, Færderung
der Verwaltungsstrukturen, Færderung der Markt-
wirtschaft, Færderung der Gewerkschaften, Ver-
bånde und freien Medien (einschl. Journalisten-
ausbildung) sowie der Zusammenarbeit mit den
wissenschaftlichen und universitåren Einrichtun-
gen. Die vom Auswårtigen Amt finanzierten Pro-
jekte richteten sich auf die Bereiche der interna-
tionalen Sicherheitsfragen, der Entwicklung der
Zusammenarbeit mit Europa und der bilateralen
Beziehungen. Die langfristige Stabilisierung der
Staaten zumal Ost- und Sçdosteuropas auf der
Basis von Demokratie und Marktwirtschaft hat
primåre Bedeutung und ist gerade fçr Deutsch-
land auch innenpolitisch lebenswichtig.
III. Die politischen Stiftungen im
System der deutschen Auûenpolitik
1. Stiftungen als ¹Instrumenteª der Auûenpolitik
Somit treten bei einem Ûberblick çber das inter-
nationale Engagement der Stiftungen vor allem
zwei ihrer wichtigen Funktionen in den Vorder-
grund, die Anlass geben kænnen, die Stiftungen als
einen Teil des auûenpolitischen Instrumentariums,
ja sie sogar als ¹wirksamste und bewåhrteste
Instrumente der deutschen Auûenpolitikª31
zu
betrachten.
Erstens: Die Stiftungen begleiten und ergånzen die
amtliche Politik gegençber den Staaten durch eine
Reihe von Maûnahmen im politischen und vorpo-
litischen Raum, deren Durchfçhrung gerade durch
den Status der Stiftungen, die einerseits als NGOs
auftreten und andererseits unmittelbar in der offi-
ziellen Politik und (falls die nahe stehende Partei
an der Macht ist) auch in den deutschen Regie-
rungsstrukturen verankert sind, an Effizienz
gewinnt. Auf den europapolitischen und transat-
lantischen Ebenen wird die amtliche Politik
dadurch nicht nur begleitet und ergånzt, sondern
zum groûen Teil auch entlastet. In den Entwick-
lungslåndern und den MOE/GUS-Staaten kommt
die begleitende und ergånzende Funktion auch
dort zum Ausdruck, wo die Stiftungen mit jenen
politischen Kråften zusammenarbeiten, mit denen
Kontakte auf offizieller Ebene aus diplomatischen
Grçnden nicht ratsam sind, die aber ihrem politi-
schen Potenzial nach fçr die deutsche Auûenpoli-
tik wichtig sind.
Zweitens: Die Stiftungen ermæglichen die Um-
setzung langfristiger auûenpolitischer Prioritåten
dort, wo sie mit den klassischen Mitteln des Aus-
wårtigen Dienstes prinzipiell nicht zu erreichen
sind und wo auch andere entwicklungspolitische
Trågerorganisationen kaum einzusetzen sind. In
der Tat kænnen die Stiftungen dank ihrer Flexibi-
litåt dort handeln, wo die klassische Diplomatie
versagt; mehr sogar: Dank ihrem Nichtregierungs-
29 Wåhrend die aus Dissidentenkreisen stammenden poli-
tischen Parteien diese westliche Færderung als etwas Selbst-
verståndliches empfanden, brauchten die zu ¹Demokratenª
gewordenen ehemaligen kommunistischen Funktionåre Zeit,
um zu begreifen, dass sie von Subjekten des politischen Dia-
logs zu ¹Objektenª der bildungspolitischen Arbeit geworden
sind.
30 Ausfçhrlich çber die Arbeit der politischen Stiftungen in
den GUS-Staaten sowie in den baltischen Staaten bis Mitte
der neunziger Jahre vgl. S. W. Pogorelskaja (Anm. 9). Vgl.
auch BMZ, Die Tåtigkeit der politischen Stiftungen in Mittel-
und Osteuropa sowie der ehemaligen Sowjetunion, Informa-
tionsvermerk vom 26. Februar 1997; BMZ (Anm. 25), S. 8±12
und 15±18.
31 Roman Herzog, Weltweites Wirken fçr Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit. Ansprache zur Jubilåumsveranstaltung
der FES am 8. Mårz 1995 in Bonn, (vervielfåltigt), S. 2.
33 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
status kænnen sie sich in mehreren Entwicklungs-
låndern und auch in den Transformationsstaaten
dort engagieren, wo deutsche staatliche Hilfe als
Einmischung in die inneren Angelegenheiten
bezeichnet werden kænnte. Sie dringen in alle
wichtigen Bereiche der Politik und Gesellschaft
durch; dabei ¹konkurrieren sie im Ausland nicht
gegeneinander. Ihre Beratung ist pluralistischª32
.
Dieser Pluralismus der Beratung ermæglichte es,
falls in einem Land mit Ansåtzen demokratischer
Ordnung alle Stiftungen pråsent waren, so gut wie
alle etablierten politischen Kråfte in die Projektar-
beit einzubeziehen. Dort z. B., wo die HSS Kon-
takte zur Regierung pflegte, arbeitete die FES mit
der Opposition. Wo eine derartige Færderung des
politischen Pluralismus nicht mæglich oder wo nur
eine der Stiftungen pråsent war, wurde versucht,
die Arbeit auf der Grundlage eines mæglichst brei-
ten demokratischen Konsenses durchzufçhren und
als Vermittler zwischen den håufig gegeneinander
kåmpfenden demokratischen Kråften aufzutreten.
Die Stiftungen gingen aber nicht nur in die Lån-
der, in denen bereits Ansåtze fçr eine demokrati-
sche Entwicklung vorhanden waren oder in denen
Interesse an westlichen bzw. deutschen Modellen
bestand; sie gingen çberall hin, wo die deutschen
Regierungen sie gerne haben wollten ± wenn man
sie nur hereinlieû; und in der Regel lieû man sie
herein, weil sie lukrative und auch unpolitisch aus-
sehende Angebote machen konnten, an welchen
selbst autoritåre Herrscher eines Entwicklungslan-
des Interesse hatten. Die HSS mit ihren Projekten
z. B. im Bereich beruflicher Bildung, die sie in eini-
gen nicht unproblematischen Entwicklungslåndern
durchfçhrte, wurde in diesem Zusammenhang
nicht selten in Deutschland kritisiert. Es gab aller-
dings Regime, die nur mit der HSS zusammenar-
beiten konnten; und es bestand Interesse, auf diese
Regime zumindest mittelbar Einfluss im demokra-
tischen Sinne nehmen zu kænnen.
Andere Stiftungen engagierten sich dort, wo es aus
unterschiedlichen Grçnden keine Mæglichkeit gab,
mit politischer Arbeit zu beginnen, und wo auch
die Regierungen nicht unbedingt kooperationswil-
lig waren, zunåchst in kulturpolitischen und wis-
senschaftlichen Bereichen; Kontakte mit wissen-
schaftlichen und universitåren Einrichtungen
wurden geknçpft. Das waren bewåhrte Positionen,
auf die sich die Stiftungen immer zurçckziehen
konnten, falls die von ihnen begonnene politische
Projektarbeit abgebrochen werden musste, ein
auûenpolitisch bedingtes Interesse am Verbleib im
Lande aber weiterhin bestand.
Drittens: Neben den zwei genannten Funktionen
erfçllen die Stiftungen noch eine Beratungsfunk-
tion fçr die deutsche Auûenpolitik, die von Diplo-
maten zwar nur als ein ¹Nebeneffektª der eigentli-
chen Stiftungsarbeit eingeschåtzt wird, allerdings
einen nicht unwichtigen Beitrag zur Gestaltung
der auûenpolitischen Konzepte leistet, da die Stif-
tungen infolge ihrer langfristigen Pråsenz in den
¹Grauzonenª der Politik in den Projektlåndern
çber Informationen verfçgen, zu welchen die offi-
zielle Diplomatie keinen Zugang hat. Allerdings
sind diese Informationsrçckflçsse nur gering for-
malisiert. Grundsåtzlich fassen die Stiftungen Jah-
resaufzeichnungen zur Situation in den Projektlån-
dern zusammen, die dem Auswårtigen Amt zur
Kenntnis vorgelegt werden. Es gibt einen Informa-
tionsaustausch auch mit anderen Ressorts, mit den
Botschaften vor Ort, und Mitarbeiter des Auswår-
tigen Amtes besuchen die Veranstaltungen der
Stiftungen. Der eigentliche Rçckfluss von Infor-
mationen der Stiftungen in die deutschen politi-
schen Strukturen und dadurch in die Auûenpolitik
erfolgt aber durch die Informations- und Bera-
tungsarbeit, welche die Stiftungen fçr die ihnen
nahe stehenden Parteien leisten. Eben diese Be-
ratungsarbeit gab wohl seinerzeit den Anlass,
Stiftungen als ¹politische Frçhwarnsystemeª zu
bezeichnen, die ¹uns die Augen æffnen fçr die Ent-
wicklungen der Welt, damit wir uns rechtzeitig
darauf einstellenª33
.
Schon bei dieser Beratungståtigkeit betritt man
ein Terrain, wo es schwer fållt, die Arbeit der Stif-
tungen eindeutig im ¹instrumentalenª Sinne zu
interpretieren. Stiftungen sind keine Instrumente
im klassischen Sinne des Wortes. Es gibt nur
wenige offizielle Mæglichkeiten, sie in ihrer Tåtig-
keit direkt zu beeinflussen; dies kann eigentlich
vor allem mit finanziellen Mitteln geschehen. Alle
Projekte ± auch die, die dem BMZ vorgelegt wer-
den ± werden vom Auswårtigen Amt unter Einbe-
ziehung der Botschaften hinsichtlich mæglicher
auûenpolitischer Bedenken oder mæglicher Ûber-
32 FES, Presseinformation vom 26. Februar 1997. Darçber
kann man allerdings streiten. Zumindest in den siebziger
Jahren gab es Fålle, wo sich die Stiftungen in einigen Pro-
jektlåndern durch die Unterstçtzung der gegeneinander
kåmpfenden politischen Kråfte indirekt untereinander be-
hindert haben, bis ihnen das BMZ nahe legte, ihre Arbeit
besser zu koordinieren. Die Kontroversen betreffend die
Auslandsarbeit wurden gelegentlich sogar in die deutsche in-
nenpolitische Diskussion getragen. Vgl. z. B. Volkmar Kæhler,
SPD diskreditiert Gedanken der politischen Stiftungen. Hilfe
der FES fçr Exponenten der Gewalttåtigkeit und der Desta-
bilisierung, in: Deutschland-Union-Dienst, 34 (1980) 108,
S. 4.
33 Gçnter Rinsche, Freiheit und Demokratie, Ge-
rechtigkeit und Selbsthilfe ± die entwicklungspolitischen
Ziele der Konrad-Adenauer-Stiftung, Rede anlåsslich der
Bundespressekonferenz in Bonn zum Thema ¹Aufgaben der
politischen Stiftungen in der Entwicklungszusammenarbeitª
am 26. Februar 1997, in: KAS-Presseinformation vom
26. Februar 1997, S. 1.
34Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
schneidungen mit den Aktivitåten anderer deut-
scher bzw. westlicher Trågerorganisationen ge-
prçft; sollten Bedenken bestehen bzw. Ûberschnei-
dungen absehbar sein, wird den Stiftungen
empfohlen, ihr Projekt zu çberdenken bzw. mit
anderen Organisationen zu koordinieren.
2. Stiftungen als ¹Akteureª der Auûenpolitik
Die Stiftungen kænnen also nur bedingt als auûen-
politische Instrumente bezeichnet werden. Sie sind
kein ¹Werkzeugª der Auûenpolitik; dafçr sind sie
viel zu selbstståndig, manchmal sogar eigenwillig.
Sie sind auf der internationalen Bçhne vertreten;
wie mehrere andere NGOs treten sie als Akteure
internationaler Politik auf, indem sie zur interna-
tionalen Kommunikation beitragen und versu-
chen, auf die Ausgestaltung der internationalen
Beziehungen Einfluss zu nehmen und internatio-
nale Netzwerke zu schaffen. Kænnen aber die
Auûenbeziehungen der Stiftungen den Rang
nationaler Auûenpolitik beanspruchen? Es gab
einige Fålle, in denen Projekte der Stiftungen im
Ausland sich von den offiziellen deutschen auûen-
politischen Konzepten unterschieden bzw. ihnen
sogar widersprachen. Es gab auch Fålle, wo eine
solche Tåtigkeit unmittelbaren Bezug zur Neuge-
staltung dieser Konzepte gewann. Und es gab,
wenn auch selten, Fålle, in denen die von den Stif-
tungen aufgrund ihres Selbstverståndnisses (ver-
bunden mit ihrer Parteinåhe) durchgefçhrten und
fçr ihren internationalen Ruf wichtigen Projekte
problematisch auf den Gang der bilateralen Bezie-
hungen einwirkten oder gar zu diplomatischen
Komplikationen fçhrten. Beispiele dafçr sind etwa
die Tibet-Konferenz der FNS in Bonn 199634
und
die Iran-Tagung der HBS in Berlin 2000.35
Viertens: In diesem Zusammenhang ist noch eine
weitere auûenpolitische Funktion der Stiftungen
zu nennen, nåmlich die ¹pråventiveª Funktion, die
sie fçr die offizielle Auûenpolitik spielen bzw. zu
spielen versuchen. Diese Funktion wurde in den
siebziger und achtziger Jahren besonders håufig in
Verbindung mit der sog. ¹Stiftungsauûenpolitikª
und einer daraus angeblich resultierenden ¹Spal-
tung der deutschen Auûenpolitikª diskutiert.36
Von einer solchen ¹Spaltungª kann heute im Zei-
chen einer zunehmend ¹entstaatlichtenª Auûen-
politik nicht mehr die Rede sein, doch steht diese
Funktion, die nicht selten zugespitzt als ¹politische
Abenteuerlustª der Stiftungen kritisiert wurde, an
der Grenze zwischen den Bereichen, denen die
Stiftungen als Instrumente eingesetzt werden, und
denen, wo sie als selbstståndige Akteure auftreten.
Es kommt dabei vor allem auf die Bewertung an,
wie bedeutend in der langfristigen Perspektive
eines etwaigen Machtwechsels und der kçnftigen
Zusammenarbeit die von den Stiftungen in einigen
Entwicklungslåndern gefærderten oppositionellen
Gruppen der Bundesregierung erschienen. In den
siebziger und achtziger Jahren orientierten sich
einige der Stiftungen an den politischen Kråften,
die von ihnen als perspektivenreich eingeschåtzt
wurden, die aber der damaligen deutschen Auûen-
politik selbst im Fall ihrer Regierungsçbernahme
und der daraus resultierenden Notwendigkeit,
diplomatische Beziehungen zu pflegen, als proble-
matisch erschienen.37
Allerdings gab es auch Fålle,
in denen die von den Stiftungen gewåhlte ± und
vom Misstrauen der amtlichen Auûenpolitik
begleitete ± Strategie langfristig auûenpolitische
Gewinne brachte.38
34 Im Juni 1996, im Vorfeld des Besuches von Auûenmi-
nister Kinkel in China, plante die FNS in Bonn eine inter-
nationale Tibet-Konferenz, zu welcher auch der im Exil
lebende Dalai Lama eingeladen werden sollte. Nach heftigen
offiziellen Protesten von chinesischer Seite strich die Bun-
desregierung der FNS die bereits bewilligten Mittel fçr die
Durchfçhrung des Projektes, um sich offiziell von diesem
Projekt zu distanzieren. Die Konferenz fand trotzdem statt;
ihr folgte im Jahre 2000 eine weitere Tibet-Konferenz in
Berlin, die allerdings ohne diplomatische Komplikationen
verlief.
35 Die im April 2000 in Berlin von der HBS durchgefçhrte
dreitåtige Tagung ¹Iran nach den Parlamentswahlen ± die
Reformdynamik der Islamischen Republikª, zu welcher
17 reformorientierte Politiker, Kçnstler, Intellektuelle und
Theologen aus dem Iran eingeladen wurden und die als Ver-
such gedacht war, den iranischen Reformern aus unter-
schiedlichen Fraktionen ein breites Forum fçr Diskussionen
anzubieten, verlief von Anfang an unglçcklich, da sie von
lauten Protesten seitens der in Deutschland lebenden Exil-
Iraner begleitet wurde. Darçber hinaus wurde sie von Irans
Konservativen zum Schlag gegen die Reformer benutzt. Alle
17 Teilnehmer wurden im Iran angeklagt. Einige von ihnen
wurden zu hohen Strafen verurteilt. Die HBS forderte die
sofortige Freilassung der Gefangenen. Das Nachspiel auf
diplomatischer Ebene: Das Auswårtige Amt åuûerte offiziell
¹tiefe Besorgnisª der Bundesregierung çber die Urteile; der
Iran protestierte offiziell gegen die Berliner Reaktionen.
36 Vgl. u. a. Konrad Adam, Der Staat als Spender, in: FAZ
vom 8. Mårz 1985, S. 4.
37 ¹Um einen Beitrag zum Aufbau und zur Festigung der
demokratischen Strukturen und zur inneren Befriedung zu
leistenª, arbeitete z. B. die FES in den achtziger Jahren in
Nicaragua mit den den regierenden Sandinisten unterstellten
Behærden zusammen, wodurch sich Spannungen mit der of-
fiziellen Politik des Auswårtigen Amtes ergaben. Daneben
unterstçtzte die KAS die den Sandinisten nicht unterstellten
Organisationen und christlich-demokratischen Kråfte, die
FNS die liberalen Kråfte.
38 Mitte der sechziger Jahre z. B. ergaben sich Spannungen
zwischen der FES und der deutschen Botschaft in Paraguay
im Zusammenhang mit dem FES-Projekt zur Heranbildung
einer Fçhrungsschicht. Der Hinweis des Botschafters, dass
¹das erneute Eintreten Paraguays fçr die deutsche Wieder-
vereinigung . . . den Vorzug vor . . . zweifelhaften Demo-
kratisierungsplånen der Stiftung verdientª, hat die FES nicht
beeinflusst. Auswårtiges Amt, III B 1, Bd. 721, Botschaft der
BRD Paraguay, 16. September 1966. Als jçngeres Beispiel
kann die Zusammenarbeit der FES mit dem Afrikanischen
National-Kongress in Sçdafrika genannt werden: ¹Wir haben
mit . . . dem ANC çber viele Jahre zusammengearbeitet und
um Vertrauen geworben. Manche haben uns damals dafçr
35 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
Das Auswårtige Amt warnte die Stiftungen des
æfteren davor, sich in parteipolitische Kåmpfe in
den Projektlåndern einzumischen. Allerdings kann
eine Stiftung aufgrund ihres Nichtregierungsstatus
eben auf dieser Einmischung bestehen, falls es
ihrem Selbstverståndnis entspricht. In diesem
Sinne hatte die FNS, die sich gern als weltweite
Kåmpferin fçr Menschenrechte sieht ± und nicht
selten darunter leidet ±, ihre Tibet-Konferenz an-
gelegt.39
Die Iran-Tagung der HBS, die ein breites
Forum fçr den Meinungsaustausch der iranischen
Reformer sein sollte und zu den geschilderten
Ergebnissen fçhrte, wurde spåter von einigen ihrer
Veranstalter ebenfalls als eine berechtigte, ja sogar
notwendige Einmischung im Sinne des Kampfes
um die Menschenrechte interpretiert.40
Aber auch als ¹Akteureª kænnen die Stiftungen
nur bedingt bezeichnet werden; ihr auûen-
politisches Auftreten geht nicht selten auf ihre
Parteinåhe zurçck und hat auch etwas mit ihrem
Engagement in entsprechenden internationalen
Organisationen zu tun.41
Die ¹Eigenwilligkeitª,
welche die Stiftungen in ihrer Auslandståtigkeit
zum einen gegençber den eigenen Parteien mit
dem Verweis auf die Notwendigkeit eines ¹breite-
ren Ansatzesª im Dienst der deutschen, ja çber-
haupt westlicher Interessen artikulieren, zum
anderen gegençber dem Auswårtigen Amt mit
dem Verweis auf ihr Selbstverståndnis und mit der
Begrçndung, ihren Partnern gehære die Zukunft,
demonstrieren, folgt aus ihrer einzigartigen Stel-
lung im politischen System Deutschlands. Sie sind
in den Parteien und in der Politik, vom Parlament
bis zur Regierung, verankert und genieûen dabei
den Status einer international agierenden NGO.
Sie sind weder ¹Akteureª noch ¹Instrumenteª, sie
sind beides in einem. Und sie wissen dies zu schåt-
zen und zu nutzen. Aber auch die amtliche Politik
weiû dies zu schåtzen und zu nutzen, zumal immer
wieder çber die Rolle der Stiftungen bei der Ver-
tretung deutscher Interessen, bezogen auf die
gestiegene internationale Verantwortung Deutsch-
lands, reflektiert wird.
3. Koordination der Auslandsarbeit der Stiftun-
gen mit der offiziellen Auûenpolitik und unter-
einander
Wie wird die Auslandsarbeit der Stiftungen koor-
diniert und geprçft? Ihre Projekte, auch wenn sie
nicht im Rahmen der amtlichen auûenpolitischen
Konzepte liegen, werden bewilligt, wenn von
ihnen (im Fall einer entwicklungspolitischen Aus-
richtung) ein eindeutig positiver, strukturwirk-
samer Effekt zu erwarten ist und solange sie das
¹Kerngebietª der deutschen Auûenpolitik nicht
antasten. Die Grenzen der ideologischen Toleranz
sind ziemlich breit angelegt; ein minimaler demo-
kratischer Konsens reicht. Eine Stiftung kann ihre
Arbeit in einem Entwicklungsland mit dem Ver-
such beginnen, demokratische Kråfte zu konsoli-
dieren. Indem die Stiftungen ihre Pråsenz in die-
sem Land ausweiten, koordinieren sie ihre
Tåtigkeit und ¹teilenª gelegentlich untereinander
die Einflusssphåre und die Partner. Da der
Umfang der Zuwendungen in den letzten Jahren
abnimmt, wird die Frage der Koordination und
Zusammenarbeit besonders aktuell. Die Bçnde-
lung der Kråfte erscheint als das kleinere Ûbel im
Vergleich zu einem finanziell bedingten Rçckzug
aus Regionen, wo im Laufe mehrerer Jahre effizi-
ente Arbeit geleistet wurde und gute Netzwerke
aufgebaut wurden. Eine solche Strategie wird
nicht zuletzt auch durch den in den neunziger Jah-
ren erreichen ¹auûenpolitischen Konsensusª der
etablierten Parteien ermæglicht.
Die freiwillige Selbstkoordination der Stiftungen
ist nicht streng formalisiert und verlåuft çberwie-
gend auf der Ebene der Treffen der Leiter der
Internationalen Abteilungen. Vom BMZ und AA
werden regelmåûig ¹Routinegespråcheª mit den
Stiftungen durchgefçhrt. Die Evaluierung der Pro-
jekte erfolgt sowohl aufgrund der jåhrlichen Ver-
wendungsnachweise, welche die Stiftungen an das
AA und BMZ richten, als auch aufgrund der Bot-
schaftsberichte (wie z. B. die entwicklungspoliti-
schen Zwei-Jahres-Berichte); in Einzelfållen kæn-
nen die Projekte von externen Gutachtern im
Auftrage des BMZ evaluiert werden.
Die Zusammenarbeit zwischen den Botschaften
und den Stiftungen spielt grundsåtzlich eine sehr
wichtige Rolle. Sowohl vor der Eræffnung eines
Bçros als auch vor der Bewilligung eines neuen
Projektes bzw. einer neuen Færderphase wird die
Botschaft vor Ort vom Auswårtigen Amt ange-
fragt. Es gab Fålle, dass die Botschaften die Abwe-
kritisiert. Wir aber wussten, dass es ohne ihn keine Læsung
geben wird.ª FES-Presseinformation vom 26. Februar 1997,
S. 2 f.
39 Nach der Tibet-Konferenz bekam das Bçro der FNS in
Peking die Folgen zu spçren: Die bereits begonnene Ko-
operation mit chinesischen Partnerorganisationen (in China
wurden die Partnerorganisationen den Stiftungen ¹von obenª
zugeteilt) wurde von chinesischer Seite storniert, das Bçro
geschlossen. Es gab auch andere åhnliche Fålle: In Kenia z. B.
wurde die Vertreterin der FNS im Jahre 1994 unter dem
Vorwurf der ¹Einmischung in die inneren Angelegenheitenª
aus dem Land ausgewiesen.
40 ¹Selbstverståndlich ist eine politische Stiftung . . . dazu
verpflichtet, sich gerade in die Angelegenheiten der Lånder
einzumischen, in denen Unterdrçckung herrscht.ª Bahman
Nirumand, Ein Beitrag zur Aufklårung, in: Tageszeitung vom
25. Januar 2001, S. 11.
41 In diesem Zusammenhang war z. B. die Tåtigkeit der
FES im Rahmen der so genannten ¹lateinamerikanischen
Offensive der Sozialistischen Internationaleª Ende der sieb-
ziger Jahre Gegenstand von Diskussionen.
36Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
senheit der Stiftungen bedauerten und Anregun-
gen hinsichtlich des einen oder anderen mæglichen
Bereiches, wo sich die Stiftungen engagieren kænn-
ten, gaben. In der Regel sind Botschaften und Stif-
tungen aufeinander angewiesen. Die Botschaften
erhalten normalerweise von den Stiftungen aus-
fçhrliche Informationen çber ihre Tåtigkeit; in
einigen Botschaften ist inzwischen eine regelmå-
ûige ¹Stiftungsrundeª eingerichtet worden. Gele-
gentlich arbeiten Botschaften und Stiftungen im
Rahmen ein und desselben Projektes zusammen,
insbesondere, wenn das Projekt vom Auswårtigen
Amt finanziert wird. Eine solche Zusammenarbeit
wird in den Entwicklungslåndern im Rahmen der
Projekte zur Demokratiefærderung durchgefçhrt.42
Es gab zwar auch Fålle, dass die Beziehungen
zwischen den Botschaften und Stiftungen nicht
unproblematisch verliefen. Doch ¹bei geeigneten,
parteiçbergreifenden Maûnahmen . . . sind die
Stiftungen in der Regel geeignete und gesuchte
Partnerª43
.
IV. ¹Partnerschaft auf dem Weg zur
Demokratieª oder ¹externe
Einflussnahmeª?
Es sind mehrere Vorwçrfe, mit welchen die Stif-
tungen vor allem im Zusammenhang mit ihrer
Arbeit in den Entwicklungslåndern und spåter in
den MOE/GUS-Staaten konfrontiert wurden und
werden. Einige davon gehæren definitiv der Ver-
gangenheit an, andere bleiben immer noch aktuell.
In den Zeiten der Block-Konfrontation wurden
die Stiftungen zum Gegenstand ideologisch
geprågter Kritik. Insbesondere in den siebziger
Jahren wurde ihre entwicklungspolitische Tåtig-
keit unter diesem Gesichtspunkt als eine ¹Wçhl-
arbeitª interpretiert,44
bis hin zu der Behauptung,
die Stiftungen håtten durch ihre bildungspolitische
Arbeit (Stichwort: ¹ideologische Diversionª) am
Putsch in Chile mitgewirkt.45
Dieser Kritik lag die
allgemeine These zugrunde, Stiftungen stçnden im
Dienst des ¹Monopolkapitalsª und begleiteten die
Expansion der westdeutschen Wirtschaft in die
Entwicklungslånder. Diese These ging vom direk-
ten Einfluss der Wirtschaft auf die Politik aus und
wurde in den siebziger und achtziger Jahren nicht
nur in den Gesellschaftswissenschaften der Ost-
blockstaaten vertreten, sondern auch von links-
orientierten westlichen Beobachtern geteilt. Spe-
ziell in Bezug auf Lateinamerika warf man den
Stiftungen gelegentlich vor, durch die Unterstçt-
zung der demokratischen Eliten, die aus diversen
Grçnden die Zusammenarbeit mit den USA
ablehnten, die nordamerikanische Politik auf dem
sçdlichen Kontinent indirekt zu ergånzen und zu
færdern. Heutzutage werden solche Vorwçrfe
kaum noch erhoben. Dafçr aber werden die Stif-
tungen immer wieder kritisiert, sich in die inneren
Angelegenheiten der Projektlånder einzumischen.
Grundsåtzlich versuchen die Stiftungen durch ihre
Arbeit, keinen Anlass zu solchen Beschuldigungen
zu geben. Legalitåt, Offenheit und Kontrolle sind
die wichtigsten Grundlagen ihrer Auslandståtig-
keit. In Deutschland sind sie der ministeriellen
Kontrolle unterworfen, in den Projektlåndern sind
sie bei den entsprechenden Behærden registriert;
auch ihre Projekte erfolgen mit der Zustimmung
der ærtlichen Behærden. Sollten sie mit den oppo-
sitionellen Kråften zusammenarbeiten, ist es
immer die legale Opposition. Und doch betreffen
diese Vorwçrfe unmittelbar den Charakter der
Stiftungståtigkeit. Sie kænnen z. B. im Zusammen-
hang mit der ¹parteinahenª Arbeit vorgebracht
werden ± entweder von der Regierung, falls mit
der Opposition zusammengearbeitet wird, oder
von der Opposition, falls die von den Stiftungen
unterstçtzten Parteien an der Macht sind.46
In eini-
gen Låndern kann selbst Wahlhilfe fçr die legalen
oppositionellen Kråfte als Einmischung eingestuft
werden, insbesondere wenn es dabei nicht nur um
Know-how, sondern auch um die Ausstattungshilfe
geht. Bekannt sind u. a. die Vorwçrfe, die in die-
sem Zusammenhang den christlich orientierten
politischen Stiftungen im Jahre 1987 in Ecuador,
der FNS im Jahre 1994 in Kenia, der FES und der
FNS im Jahre 1999 in Simbabwe und im Jahre
2000 in Russland gemacht wurden.
Darçber hinaus neigten gelegentlich einige der
von den Stiftungen im demokratischen Geist
gefærderten Organisationen dazu, unerwartet eine
politische Eigendynamik zu entwickeln, die den
Machthabern ungelegen war und den Anlass gab,
Stiftungen der Einmischung zu beschuldigen. So
war ¹die weit reichende und letztlich entschei-
dende Unterstçtzung demokratischer Parteienª
auf der iberischen Halbinsel Mitte der siebziger
Jahre, die den demokratischen Wandel in Spanien
42 Z. B. die Zusammenarbeit im Bereich der Wahl-
beobachtungen. Vgl. Auswårtiges Amt, Bericht çber die Zu-
sammenarbeit der Botschaften mit den politischen Stiftungen
bei der Umsetzung der Demokratisierungshilfe vom 6. Sep-
tember 1995.
43 Ebd.
44 Vgl. ¹Zentrum Bonner Provokationenª, in: Neues
Deutschland vom 22. August 1967, S. 1.
45 Vgl. ¹Die stillen Instituteª, in: Såchsische Zeitung vom
7. Dezember 1973, S. 2.
46 In den achtziger Jahren fanden in Venezuela in diesem
Zusammenhang sogar Parlamentsdebatten çber die Einfluss-
nahme durch auswårtige Kråfte auf die Innenpolitik statt.
37 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
und Portugal ermæglichte und ¹wesentlich zum
internationalen Renommee der Stiftungen beige-
tragen hatª47
, Mitte der achtziger Jahre zum
Gegenstand innenpolitischer Diskussionen in Spa-
nien u. a. im Zusammenhang mit den Flick-Gel-
dern geworden, und sie ist erst kçrzlich wieder in
Deutschland wegen der neuen Erkenntnisse zu
Spendenaffåren wieder aufgerollt worden.
Der Begriff ¹Demokratisierungª auch im Hinblick
auf eine Unterstçtzung der Transformationspro-
zesse in den MOE/GUS-Staaten gibt einen deutli-
chen Hinweis auf eine externe Einflussnahme.
Daher wird er heutzutage nicht mehr so håufig
benutzt wie noch Anfang der neunziger Jahre,
obwohl er exakt das Wesen der Stiftungsarbeit
widerspiegelt. Es geht um eine direkte (finanzielle
und Ausstattungshilfe an die Partnerorganisatio-
nen) und indirekte (Beratung, bildungspolitische
Arbeit) Einflussnahme auf den Gang der Trans-
formationsprozesse. In den MOE/GUS-Staaten
waren die Stiftungen im Verlauf der neunziger
Jahre praktisch auf allen Ebenen vertreten, und
zwar gleichzeitig. Sie wirkten bei der Heranbil-
dung der zentralen staatlichen Institutionen (ins-
besondere Parlament und Judikative) mit, durch
die Færderung der demokratischen Parteien und
kommunalen Selbstverwaltung trugen sie zu den
Prozessen der demokratischen Transformation bei,
und sie versuchten, durch Bildung und Beratung
auch eine so genannte ¹Verhaltenstransformationª
zur Færderung der Zivilgesellschaft zu bewirken.
In der westlichen Forschung und Publizistik wird
die Einflussnahme auf den Gang von Transforma-
tionsprozessen bzw. ¹auf zentrale politische Wei-
chenstellungen in anderen Staatenª48
weitgehend
positiv eingeschåtzt, weil sie die Konsolidierung
der nach westlichem Vorbild funktionierenden
Demokratien zum Ziel hat. Man wundert sich
daher, weshalb den Stiftungsvertretern in einigen
Låndern eben wegen dieses ¹Einflussesª gelegent-
lich die Tçr gewiesen wird. So wie in Deutschland
immer wieder Stiftungen in dem einen oder ande-
ren Bereich ihrer Tåtigkeit angefochten werden,
so wird es auch im Ausland immer wieder politi-
sche Kråfte geben, die den Stiftungen Einmi-
schung in die inneren Angelegenheiten vorwerfen
werden. In den MOE-Staaten kommt solche Kritik
nicht selten von Seiten der rechten, nationalisti-
schen Kråfte, die sich gegen den ¹westlichenª und
± im historischen Kontext ± insbesondere gegen
den ¹deutschenª Einfluss wehren. Solche Kritik
wird auch von Seiten der Nationalkommunisten
geåuûert. Gerade hier aber kænnen die Unter-
schiede zwischen den Stiftungen, die auf ihre Par-
teinåhe zurçckgehen, einen guten Dienst leisten.
Indem die PDS-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung
ihre Projektarbeit in vollem Maûe aufnimmt, wer-
den so gut wie alle etablierten deutschen politi-
schen Kråfte mit ihren Stiftungen im Ausland ver-
treten sein. Daher wåre es sinnvoll, dass jede
Stiftung im Rahmen der fçr alle Stiftungen
gemeinsamen Richtlinien noch deutlicher ihre
eigenen Schwerpunkte und Prioritåten setzt und
durchaus auch aus ihrer Parteinåhe resultierende
Besonderheiten intensiver pflegt. Dieser Beson-
derheiten wegen werden die deutschen Stiftungen
manchmal von bestimmten politischen Kråften in
den Entwicklungslåndern wie in den MOE/GUS-
Staaten als Kontakt- oder Kooperationspartner
gesucht, und nicht weil sie generell ¹vom Westenª
(bzw. ¹vom Nordenª) kommen. Nach wie vor blei-
ben fçr diese Staaten auch spezielle deutsche
Erfahrungen von Interesse.
Eines steht fest: Wie umstritten einige Aktivitåten
der Stiftungen manchmal auch sein mægen, ihnen
und den ihnen åhnlichen Organisationen gehært
die Zukunft. Die allmåhliche ¹Entstaatlichungª
der Auûenpolitik, die nicht eine Abwertung tra-
ditioneller Formen des auswårtigen Dienstes ist,
sondern die Erweiterung der auûenpolitischen
Strategien in Zeiten rasch fortschreitender Inter-
dependenz, bedeutet, dass die Rolle der Stiftungen
in der deutschen Auûenpolitik vermutlich noch
græûer werden wird. Daher wåre es auch fçr dieje-
nigen Staaten, in denen man sich aus unterschied-
lichen Grçnden manchmal nicht als Subjekt der
Zusammenarbeit, sondern als Objekt des Einflus-
ses empfindet, wohl empfehlenswert, die langfristi-
gen Vorteile zu erkennen, welche die Auûenpoli-
tik durch Kooperation mit den Stiftungen und
anderen NGOs gewinnt.
47 S. Bartsch (Anm. 7), S. 194.
48 Ebd., S. 194.
38Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002

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Die partienhen stiftungs als akteure der deutsche aussenpolitik

  • 1. Swetlana W. Pogorelskaja Die parteinahen Stiftungen als Akteure und Instrumente der deutschen Auûenpolitik I. Einleitung Wenn man es sich zum Ziel setzt, den hierzulande seit mehr als dreiûig Jahren in Wissenschaft und Publizistik gefçhrten Diskurs zu Fragen der auûen- und entwicklungspolitischen Tåtigkeit der deutschen Nichtregierungsorganisationen (im Fol- genden NGO = Non-Governmental Organiza- tions) zu analysieren, wird man feststellen, dass der græûte Teil der Beitråge den politischen Stif- tungen1 gewidmet ist, zugleich aber auch, dass dies oft in emotionaler Weise erfolgt: Stiftungen wer- den gelobt ± manchmal çbertrieben; sie werden gerçgt ± manchmal auch çbertrieben. Und was besonders erstaunlich ist: gelobt und gerçgt wer- den sie nicht selten fçr ein und dasselbe. Das ist auch kein Wunder. Der græûte Teil der deutschen NGOs, die heutzutage in VENRO2 ver- treten sind, wollen ± in den besten entwicklungs- politischen Traditionen ± den Armen dieser Welt helfen, und zwar unparteilich und unpolitisch. Die Stiftungen aber wollen mehr: ¹Wir wollen zugleich auf die Gestaltung politischer und gesellschaftli- cher Ordnungen, auf politische Entscheidungspro- zesse und auf die Entwicklung politischer und gesellschaftlicher Institutionen einwirken.ª3 Und sie wollen es nicht nur ± sie tun es. Diese Zielset- zung bietet daher immer neues Material fçr immer neue innenpolitische Diskussionen zu fast immer denselben Themen. Fassen wir diese seit dreiûig Jahren so gut wie konstant gebliebenen Themen- komplexe zusammen: ± Innenpolitisch wird immer wieder çber die Legalitåt der Globalzuschçsse des Bundes an die Stiftungen (Stichwort: ¹verdeckte Parteienfinan- zierungª) gestritten, dies zumeist im Hinblick auf die innenpolitische Bildungsarbeit der Stiftungen. Selbst die bekannte Entscheidung des Bundesver- fassungsgerichtes (BVerfG) von 1986 konnte diese Debatte weder beenden noch entschårfen.4 ± Auch im Diskurs zur auûen- und entwicklungs- politischen Arbeit der Stiftungen, die bekanntlich vom Bundesministerium fçr wirtschaftliche Zu- sammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Auswårti- gen Amt (AA) und zu kleineren Teilen von ande- ren Ressorts finanziert wird, nimmt das Thema der ¹Parteinåheª einen bedeutenden Platz ein. Den Stiftungen wird u. a. vorgeworfen, mit den Geldern der deutschen Steuerzahler ¹Parteienauûenpoli- tikª zu finanzieren. Nicht selten taucht dieses Thema auch im Zusammenhang mit den Spen- denaffåren (wie z. B. der Flick-Affåre) auf; gele- gentlich wirft man den Stiftungen auch vor, als ¹Geldwåsche-Anlagenª aufzutreten und der Be- reicherung nahe stehender Parteien zu dienen.5 ± Ein weiterer Themenkomplex, der im Zusam- menhang mit der Auslandsarbeit der Stiftungen besonders håufig diskutiert wird, ist ebenfalls ± wenn auch indirekt ± mit Finanzierungsfragen ver- 1 Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES, der SPD nahe ste- hend), die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS, der CDU nahe stehend), die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS, der CSU nahe stehend), die Friedrich-Naumann-Stiftung (FNS, der FDP nahe stehend), die Heinrich-Bæll-Stiftung (HBS, Bçndnis 90/ den Grçnen nahe stehend), die Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS, der PDS nahe stehend). 2 VENRO e. V. = Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen. 3 Ottfried Henning, Netzwerke schaffen, in: KAS/Einblicke vom Oktober 1997, S. 8. 4 Vgl. Urteil des BVerfG vom 14. 7. 1986: Gewåhrung von Globalzuschçssen zur politischen Bildungsarbeit an partei- nahe Stiftungen, in: Entscheidungen des Bundesverfassungs- gerichts, Band 73, Tçbingen 1987, S. 1±39. Diesem Urteil ging eine von Bçndnis 90/Die Grçnen, die damals keine eigene Stiftung hatten, iniziierte Diskussion voraus. Vgl. ferner Uwe Gçnter/Michael Vesper, Wie weiter mit dem Stiftungsgeld?, in: Zeitschrift fçr Rechtspolitik, 27 (1994) 8, S. 289±291, sowie Gemeinsame Erklårung der KAS, FES, FNS, HSS und HBS vom November 1998, 11 S. (vervielfåltigt); Grundsåtze der Finanzierung politischer Stiftungen, Sankt-Augustin, 3. Fe- bruar 2000, 6 S. (vervielfåltigt). 5 Zum sog. ¹spanischen Fall Flickª siehe u. a. Lotar La- busch, Ein Hauch von Flick bringt die deutschen Stiftungen in Verruf, in: Kælner Stadt-Anzeiger vom 7. November 1984, S. 2; Walter Haubrich, Deutsches Geld in spanischer Politik, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 2. Februar 2000, S. 3. Ferner wurde die Tåtigkeit der Stiftungen auf der iberischen Halbinsel wieder unter die Lupe genommen im Zusammenhang mit den Vorwçrfen, dass die zweckge- bundenen Gelder aus den sog. ¹Reptilienfondsª des Bundes- kanzleramtes, die deutsche Parteien fçr die Unterstçtzung der demokratischen Kråfte in Spanien und Portugal in den Jahren 1974 bis 1982 erhielten, teilweise wieder an die nahe stehenden Parteien zurçckgeflossen seien. Vgl. Hans Leyen- decker, Alltågliches unter strengster Geheimhaltung, in: Sçddeutsche Zeitung (SZ) vom 2. Februar 2000, S. 7; Tina Stadlmayer, BND-Geld fçr Portugal und Spanien, in: die ta- geszeitung vom 2. Februar 2000, S. 6. 29 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 2. bunden. Es geht um die Intensitåt der Parteinåhe in der entwicklungspolitischen Projektarbeit. Be- sonders in den achtziger Jahren håuften sich im Zusammenhang mit den lateinamerikanischen Aktivitåten der Stiftungen die Vorwçrfe, die Stif- tungen trçgen, indem sie die den deutschen Par- teien ¹nahe stehendenª Parteien und Organisatio- nen im Ausland unterstçtzen, die deutschen innenpolitischen Auseinandersetzungen ins Aus- land.6 ± Schlieûlich und nicht zuletzt wird çber die Tåtig- keit der Stiftungen im Ausland hinsichtlich ihres Verhåltnisses zur deutschen Auûenpolitik und offi- ziellen Diplomatie gestritten. In den letzten zwan- zig Jahren reichte die Palette der in diesem Zusammenhang diskutierten Fragen von Vorwçr- fen, ¹geheime Diplomatieª oder ¹Nebenauûen- politikª zu betreiben, bis zu Lobesliedern auf die Flexibilitåt und Scharfsichtigkeit der Stiftungen, die frçhzeitig politische Kråfte dort erkannten und færderten, wo die offizielle deutsche Auûenpolitik noch an den alten Strukturen hing. Alle diese Themenkomplexe sind eng mitein- ander verflochten; dies spiegelt den realen Stand der Dinge wider: Die Stiftungen, die sich als ¹Grenzgånger zwischen Gesellschafts- und Staa- tenweltª7 von anderen NGOs durch ihre unmittel- bare Verankerung in der offiziellen Politik unter- scheiden, und doch ± aus rechtlicher Perspektive gesehen ± sowohl innenpolitisch als auch interna- tional als NGO's auftreten, befinden sich inmitten der vielfåltigen innen-, auûen- und internationa- len Beziehungen, die in der heutigen interdepen- denten Welt nicht mehr voneinander zu trennen sind. Bezogen auf die Intensitåt der Parteinåhe gehe ich in meinem Beitrag davon aus, dass die politischen Stiftungen in hinreichender Weise sowohl organisa- torisch als auch in ihrer Willensbildung von ihren Parteien unabhångig sind. Auch wenn die ¹Partei- nåheª immer wieder in ihrer praktischen innen- politischen Tåtigkeit zum Ausdruck kommt, ist die Verbindung zwischen der Stiftung und der Partei keineswegs eingleisig. Es handelt sich eher um eine Art Wechselbeziehung, die allerdings von rechtli- cher Seite schwer nachzuweisen ist, da sie nicht auf dem offiziellen, sondern eher auf einem ideellen und politisch-persænlichen Niveau zum Ausdruck kommt.8 Die Aufgaben, die die Stiftungen zu bewåltigen haben, çberschreiten die speziellen Interessen der Parteien und werden nicht unbe- dingt von ihnen bestimmt, was gerade am Beispiel der Auslandståtigkeit der Stiftungen besonders deutlich zu sehen ist. Was kann mit Hilfe von politi- schen Stiftungen auûenpolitisch bewegt werden? Welche Rolle spielen die Stiftungen bei der Gestal- tung der deutschen Auûenpolitik?9 II. Entwicklungspolitische Arbeit und auûenpolitischer Auftrag Schon in den frçhen sechziger Jahren wurde im Auswårtigen Amt (AA) der Wert der Stiftungen als auûenpolitische Instrumente erkannt.10 Es waren die Jahre, in denen die Richtlinien der Poli- tik gegençber den Entwicklungslåndern im allge- meinen Kontext der damaligen deutschen Auûen- politik im Hinblick auf die Deutschlandpolitik11 und bezogen auf die Besonderheiten dieser Staa- ten entworfen wurden. Es waren auch die Jahre der Streitigkeiten çber die Verteilung der Kompe- tenzen zwischen dem AA und dem neu geschaffe- nen BMZ, ferner der praxisbezogenen Diskussio- nen çber das Verhåltnis zwischen ¹Auûenpolitikª, ¹Entwicklungshilfeª und ¹Entwicklungspolitikª. Wåhrend das Auswårtige Amt den Standpunkt vertrat, dass ¹die Entwicklungshilfe das wichtigste Instrument unserer Auûenpolitik im Verhåltnis zur Dritten Welt ist und bleibtª12 , behauptete das BMZ, dass ¹die Entwicklungshilfe ihren Haupt- grund in sich selbst hatª13 , und daher nicht mit 6 Vgl. Konrad Adam, Der Staat als Spender, in: FAZ vom 8. Mårz 1985, S. 3; Gættrik Wewer, Fragen an die politischen Stiftungen, in: Das Parlament vom 13. September 1986, S. 4. 7 Diese Bezeichnung gibt Sebastian Bartsch mit Verweis auf Ernst-Otto Czempiel: Sebastian Bartsch, Politische Stif- tungen: Grenzgånger zwischen Gesellschafts- und Staaten- welt, in: Wolf-Dieter Eberwein/Karl Kaiser, Deutschlands neue Auûenpolitik, Bd. 4: Institutionen und Ressourcen, Mçnchen 1998, S. 185±198, hier: S. 193. 8 Vgl. u. a. Henning von Vieregge, Parteistiftungen, Baden- Baden 1977, und Alan Watson, Die politischen Stiftungen in Westdeutschland, Bonn±London 1976. 9 Zur Auslandsarbeit der Stiftungen vgl. u. a. Roland Kress, Die politischen Stiftungen in der Entwicklungspolitik, Bo- chum 1985; Maximilian Schçrmann, Zwischen Partnerschaft und politischem Auftrag, Saarbrçcken 1989; Annette Spit- zenpfeil, Der Beitrag der politischen Stiftungen zur entwick- lungspolitischen Zusammenarbeit, Frankfurt/M. 1996; Swet- lana W. Pogorelskaja, Die politischen Stiftungen in der deutschen Auûenpolitik, Bonn 1997. 10 Die FES wurde schon 1925 gegrçndet; die KAS ging 1964 aus der 1958 gegrçndeten Politischen Akademie Eich- holz hervor; die FNS wurde 1958 und die HSS 1967 ge- grçndet. 11 Vgl. Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 651, Aufzeichnung ¹Auûenpolitik und Entwicklungspolitikª vom 6. Mai 1966: ¹Die Entwicklungspolitik war ein unverzichtbares In- strument bei der Abschirmung und Verteidigung unseres Al- leinvertretungsanspruchs.ª (AA III B 1 = Archivbestand Grundsatzfragen der Entwicklungshilfe). 12 Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 651. Aufzeichnung ¹Au- ûenpolitische Notwendigkeit der Entwicklungshilfeª vom 2. November 1965. 13 Walter Scheel, Entwicklungshilfe und Auûenpolitik, in: Bulletin vom 16. November 1965, S. 1463. 30Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 3. auûenpolitischen Aufgaben (die damals nicht sel- ten mit den Interessen der auswårtigen Tagespoli- tik, wie z. B. dem Alleinvertretungsanspruch, iden- tifiziert wurden) belastet werden solle ± und spåter, dass sie, im Unterschied zur traditionellen Auûenpolitik, ¹nicht nur eine Sache von Staaten, sondern von Gesellschaftenª14 sei. Der Kompetenzstreit zwischen den zwei Ressorts beeinflusste allerdings eher die Institutionelle Ge- staltung der Entwicklungspolitik denn ihre inhalt- liche Ausrichtung. Die Entwicklungspolitik aller Geberlånder war in den Zeiten der Block-Kon- frontation von langfristigen, u. a. auch ideologisch geprågten auûenpolitischen Zielsetzungen nicht zu trennen; auch die Modernisierung der Entwick- lungskonzepte war in das Geflecht auûenpoliti- scher und auûenwirtschaftlicher Interessen einge- bunden. Entwicklungspolitik war ein Bestandteil der Systemkonkurrenz und diente u. a. dem Export der Ordnungsmodelle. Die Projekte, die entwicklungspolitisch als ¹Hilfe zur Selbsthilfeª bezeichnet wurden, trugen gleichzeitig zur gçnsti- gen Gestaltung der Beziehungen zu den entspre- chenden Låndern bei15 . Die Entwicklungslånder lehnten jedoch eine ¹politische Bindungª ab. Fçr die Durchsetzung der langfristigen deutschen auûenpolitischen Zielsetzungen in den Entwick- lungslåndern sollten also Mittel und Wege ge- funden werden, die çber die çblichen auûen- politischen Methoden hinausgehen wçrden. ¹Technische Hilfeª, die als ¹der Bereich der Ent- wicklungshilfe, in dem insbesondere durch Ver- mittlung von Wissen und Kænnen . . . geholfen werden sollª16 ± zuerst nur als eine Voraussetzung fçr eine spåtere wirtschaftliche Hilfe oder als eine Begleitung dieser Entwicklungshilfe ±, auftrat, gewann allmåhlich an selbstståndiger politischer Bedeutung. Ihr wichtigster Bestandteil war die gesellschaftspolitische Bildung, welche die ¹He- ranbildung einer demokratischen, nichttotalitåren Fçhrungsschicht und des dazu gehærenden Nach- wuchses in den gesellschaftlichen Schlçsselberei- chen der Entwicklungslånder, und zwar auf natio- naler, regionaler und ærtlicher Ebeneª, bewirken sollte. Diese ¹weltanschaulich und politisch gebun- denen Bildungsmaûnahmenª sollten ¹mittels der den drei groûen Parteien nahe stehenden Bil- dungsinstitutionen: Akademie Eichholz, FES und FNSª17 durchgefçhrt werden. Somit wurden die Stiftungen schon in den frçhen sechziger Jahren dort im politischen Bereich ein- gesetzt, wo staatliche Aktivitåten als eine Einmi- schung in die inneren Angelegenheiten des Gast- landes betrachtet werden konnten ± zumal wenn es um Kontakte zu oppositionellen Kråften, um die Unterstçtzung von politischen Parteien und Gewerkschaften ging. ¹Zur Durchfçhrung von Maûnahmen politischen Charakters . . . dçrfen in erster Linie Institutionen wie FES, FNS, Eichholz usw. herangezogen werden, damit die Bundesre- gierung nicht als direkter Geldgeber auftritt.ª18 Darçber hinaus wurden sie auch mit einigen kul- turpolitischen Aufgaben beauftragt (wobei die Kulturpolitik gegençber diesen Låndern eher als Bildungshilfe interpretiert wurde).19 Nach Mei- nung der Stiftungen selbst sollte ¹die gesellschafts- politische Kontaktpflege . . . ausschlieûlich und unmittelbar durch die KAS, FES und FNSª erfol- gen, da ¹das politische Risiko geringer istª20 . Das auûenpolitische Engagement der Stiftungen begann also mit ihrem Einsatz in Låndern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas; insbesondere in Lateinamerika ist es den Stiftungen im Laufe der Zeit gelungen, ihre Pråsenz çber den ganzen Kon- tinent auszudehnen.21 In den ersten zehn Jahren ihrer entwicklungspolitischen Arbeit entstanden die Formen, Methoden und Instrumente, die fçr die Tåtigkeit der Stiftungen auch heuzutage noch charakteristisch sind. Schwerpunkte ihrer entwick- lungspolitischen Arbeit liegen grundsåtzlich im gesellschaftlich-politischen Bereich; erklårtes Ziel war und ist es, zur Entwicklung in Richtung Demokratie und Marktwirtschaft beizutragen. Die Arbeit soll multiplikatorische Effekte entfalten; daher gehæren zu den Zielgruppen Journalisten, Politiker, Gewerkschaftler, Dozenten, Mitarbeiter der kommunalen Verwaltung usw. Die langfristig angelegten Projekte haben eine klare ordnungspo- 14 BMZ, Pressemitteilung ¹Was ist Entwicklungspolitik?ª vom 14. April 1969. 15 ¹Jedes der Motive fçr die Entwicklungspolitikª war nach Meinung des Auswårtigen Amtes, ¹auch ein Motiv der deut- schen Auûenpolitikª. Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 651: ¹Auûenpolitik und Entwicklungspolitikª vom 16. Mai 1966. 16 Auswårtiges Amt III B 2, Bd. 304: ¹Leistungen der BRD im Rahmen der Technischen Hilfeª vom 10. September 1963. (AA III B 2 = Archivbestand Technische Hilfe). 17 Ebd. 18 Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 313. Aufzeichnung ¹Be- schwernisse im Verhåltnis zum BMZª (Entwurf), Februar 1963. 19 Vgl. Auswårtiges Amt III B 2, Bd. 304: ¹Bericht çber die kulturellen Maûnahmen in den Entwicklungslåndernª vom 15. August 1963. 20 Auswårtiges Amt III B 1, Bd. 721: FES. ¹Ausschuss ¹Nachkontakteª bei der ¹Arbeitsgemeinschaft fçr inter- nationalen Kulturaustauschª, (Entwurf), vom 25. Oktober 1965. 21 Voraussetzung fçr die erfolgreiche Arbeit war, dass es in einigen Låndern des Kontinents bereits Parteien sozial- demokratischer und christdemokratischer Orientierung gab. Daher konnten die Stiftungen in der ersten Phase mit der ¹politischen Kaderausbildung fçr Mitglieder der bestehenden demokratischen Parteienª beginnen (Auswårtiges Amt III B 2, Bd. 366). 31 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 4. litische Ausrichtung: Es geht um die ¹Demokra- tiefærderungª in allen Bereichen des gesellschaftli- chen Lebens. Zu den Partnerorganisationen in den Projektlån- dern gehæren alle die (in der Regel nichtstaatli- chen) Organisationen, die zur Entwicklung von Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Marktwirt- schaft beitragen kænnen. Waren diese Organisatio- nen nicht vorhanden, wurden sie nicht selten vor Ort von den Stiftungen selbst oder mit ihrer Hilfe geschaffen. Die Zusammenarbeit mit den Regie- rungen war zwar nicht ausgeschlossen, wurde aber der Úffentlichkeit nicht gerne pråsentiert; die Fær- derung der nichtstaatlichen demokratischen Insti- tutionen stand im Vordergrund.22 Man ging und geht davon aus, dass die entwicklungspolitische Wirksamkeit der Projekte in entscheidender Weise davon abhångt, dass die gesellschaftlich-politi- schen Kråfte vor Ort nicht als Objekte der Stif- tungsarbeit auftreten, sondern als Subjekte zu ihrer Gestaltung beitragen.23 In den letzten zehn Jahren allerdings wurde immer mehr Wert auf die Zusammenarbeit mit den ¹Einrichtungen des Staa- tes, wie Parlament, Regierung und Judikativeª24 gelegt; nicht selten geht es um die unmittelbare Beratung der Regierungen. Als wichtigste ent- wicklungspolitische Tåtigkeitsfelder werden fçr die Stiftungen heutzutage die ¹Færderung demo- kratischer Ordnungen, Unterstçtzung nachhaltiger wirtschaftlicher Entwicklung, Bekåmpfung der Armut, Færderung umweltbewussten Handelns, Krisenpråventionª genannt,25 also die Aufgaben, die auch andere NGOs zu bewåltigen haben. Es fållt schwer, zwischen entwicklungspolitischem und auûenpolitischem Beitrag der Stiftungen in den Entwicklungslåndern zu unterscheiden, da es gerade im Fall der Projekte, die zum Aufbau und zur Festigung von demokratischen, pluralisti- schen und rechtsstaatlichen Rahmenbedingungen beitragen sollen, wohl kaum mæglich ist, die entwicklungs- und auûenpolitischen Zielsetzun- gen eindeutig voneinander zu trennen. Auch die Finanzierung der Projekte ist hier kein Kriterium: In ein und demselben Land kænnen einige Pro- jekte vom Auswårtigen Amt, einige vom BMZ finanziert werden. Grundsåtzlich werden heutzu- tage mit den Mitteln des Auswårtigen Amts die Maûnahmen unterstçtzt, die offensichtlich in die Kompetenz der Auûenpolitik gehæren, wie z. B. Færderung internationaler Kontakte oder bilatera- ler Beziehungen. Das BMZ finanziert dagegen die Projekte, die typische ¹entwicklungspolitischeª Zçge tragen und in der Regel langfristig (Færde- rungszeitraum von drei bis vier Jahren) angelegt sind wie die gesellschaftspolitische Bildung oder Maûnahmen zur Sozialstrukturhilfe; dieser Be- reich wird in den heutigen entwicklungspolitischen Ûberlegungen immer noch als ¹die nichtstaatliche Technische Zusammenarbeit im weiteren Sinneª26 definiert. Sie kænnte aber auch als eine ¹Auûen- politik im weiteren Sinneª definiert werden. Das Engagement der Stiftungen in den Staaten des ehemaligen Ostblocks kann ± obwohl es ebenfalls um ¹Demokratiefærderungª geht ± mit dem in den Entwicklungslåndern nur bedingt verglichen wer- den, wenngleich nicht selten vom entwicklungspo- litischen Beitrag in den gesellschaftlich-politischen Bereichen gesprochen wird, wo diese Staaten ¹åhnliche Defiziteª27 aufweisen wie die Entwick- lungslånder. Diese Staaten zåhlten frçher zu den Industrielåndern. Die Zusammenarbeit, welche die Stiftungen noch vor der Wende mit einigen von ihnen begannen, wies formell die Zçge auf, die teilweise auch fçr ihre Tåtigkeit in den westli- chen Industriestaaten charakteristisch waren ± mit dem Unterschied, dass es in dem von den Stiftun- gen gepflegten intensiven und vielseitigen Dialog mit den westlichen Verbçndeten primår um die Entwicklung und Festigung der europåischen und transatlantischen Prozesse ging. Die in den Ost- blockstaaten aufgenommene Arbeit dagegen trug den Charakter eines kritischen Gedankenaustau- sches, vorwiegend auf der Ebene der Gesell- schaftswissenschaften, die in den damaligen Ost- blockstaaten allerdings eng mit den Parteieliten vernetzt waren.28 Vor allem die FES als die SPD- nahe Stiftung wurde von den damaligen kommunis- tischen Parteieliten als ein geeigneter Gespråchs- partner akzeptiert (wie es auch in China, wo die FES seit Anfang der achtziger Jahre pråsent ist, der Fall ist). 22 Grundsåtzlich arbeiteten die Stiftungen schon immer mit den Regierungen zusammen, wenn nur die Mæglichkeit dazu bestand, da sie sich dadurch schnellere strukturwirksame Effekte ihrer Arbeit versprachen. Besonders effizient war die Arbeit, wenn eine von der Stiftung gefærderte demokratische Partei an der Regierung beteiligt war. Mit den Regierungen wurde auch in den Låndern zusammengearbeitet, wo es in- folge der undemokratischen Gesellschaftsordnung keinen nichtstaatlichen Partner fçr die Zusammenarbeit gab. 23 Vgl. Karl Osner, Der entwicklungspolitische Beitrag der politischen Stiftungen, Sankt Augustin 1976, S. 69. 24 BMZ, Pressemitteilung: Carl Dieter Spranger, Rede bei der Pressekonferenz mit den Vorsitzenden der politischen Stiftungen am 26. Februar 1997 in Bonn, S. 2. 25 BMZ, ¹Die entwicklungspolitische Arbeit der politi- schen Stiftungenª, Informationsvermerk fçr den Bundestags- ausschuss fçr wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick- lung vom August 1999, S. 1. 26 BMZ, ¹Schwerpunktsetzung in der Entwicklungs- zusammenarbeitª, Arbeitspapier vom 16. Juni 2000, S. 2. 27 BMZ (Anm. 25). 28 So hat z. B. die FES seit Anfang der siebziger Jahre flankierend zur damaligen Ostpolitik Osteuropa im Pro- gramm; zunåchst ging es um den Journalistenaustausch mit Polen, Ungarn und der Sowjetunion, spåter kamen Post- graduiertenprogramme und wissenschaftlicher Dialog hinzu. 32Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 5. Ein Schwenk hin zu einer gezielten Unterstçtzung der Reformbemçhungen erfolgte Ende der achtzi- ger Jahre; die Vorbereitung dieser Strategien ging allerdings z. T. schon auf den Anfang der achtziger Jahre zurçck. Anfang der neunziger Jahre war der Kurswechsel abgeschlossen; alle politischen Stif- tungen waren in Osteuropa und in den Nachfolge- staaten der Sowjetunion pråsent und færderten im Rahmen ihrer ¹Demokratisierungsprogrammeª die reformorientierten Kråfte auf allen Ebenen, wo es nur ging ± sei es in Politik, Gerichtswe- sen, kommunaler Selbstverwaltung oder Wissen- schaft.29 Im bildungspolitischen Angebot unter- schieden sich die Stiftungen damals nur in Nuancen, stårker aber in der Auswahl der Lånder, was nicht zuletzt auf die Koordination ihrer Arbeit zurçckging. Grundsåtzlich handelte es sich bei der Arbeit in den Staaten Mittelosteuropas (MOE) und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion (GUS) ± im Unterschied zu den Dritte-Welt-Låndern, wo die ¹klassischeª Unterentwicklung zu beheben war ± darum, die nur diesen Staaten eigenen Probleme im Verlauf der Tansitionsprozesse zu bekåmpfen und somit zur Stabilisierung der De- mokratien und der (sozial)marktwirtschaftlichen Strukturen beizutragen. So unterschiedlich wie die MOE/GUS-Staaten sind, so breit gefåchert war und ist auch die Spanne der Projektarbeit der Stiftungen in diesen Staaten: von den in den NATO- und EU-Beitritts- kandidaten durchgefçhrten Projekten zur Schaf- fung der fçr die Einbeziehung dieser Staaten in die westliche Gemeinschaft notwendigen Strukturen bis hin zu einer eher kultur- und entwicklungspoli- tisch ausgerichteten Arbeit in mittelasiatischen Låndern.30 Grundsåtzlich konzentrierten sich die vom BMZ finanzierten Projekte auf die Bereiche der Parlaments- und Rechtsberatung, Færderung der Verwaltungsstrukturen, Færderung der Markt- wirtschaft, Færderung der Gewerkschaften, Ver- bånde und freien Medien (einschl. Journalisten- ausbildung) sowie der Zusammenarbeit mit den wissenschaftlichen und universitåren Einrichtun- gen. Die vom Auswårtigen Amt finanzierten Pro- jekte richteten sich auf die Bereiche der interna- tionalen Sicherheitsfragen, der Entwicklung der Zusammenarbeit mit Europa und der bilateralen Beziehungen. Die langfristige Stabilisierung der Staaten zumal Ost- und Sçdosteuropas auf der Basis von Demokratie und Marktwirtschaft hat primåre Bedeutung und ist gerade fçr Deutsch- land auch innenpolitisch lebenswichtig. III. Die politischen Stiftungen im System der deutschen Auûenpolitik 1. Stiftungen als ¹Instrumenteª der Auûenpolitik Somit treten bei einem Ûberblick çber das inter- nationale Engagement der Stiftungen vor allem zwei ihrer wichtigen Funktionen in den Vorder- grund, die Anlass geben kænnen, die Stiftungen als einen Teil des auûenpolitischen Instrumentariums, ja sie sogar als ¹wirksamste und bewåhrteste Instrumente der deutschen Auûenpolitikª31 zu betrachten. Erstens: Die Stiftungen begleiten und ergånzen die amtliche Politik gegençber den Staaten durch eine Reihe von Maûnahmen im politischen und vorpo- litischen Raum, deren Durchfçhrung gerade durch den Status der Stiftungen, die einerseits als NGOs auftreten und andererseits unmittelbar in der offi- ziellen Politik und (falls die nahe stehende Partei an der Macht ist) auch in den deutschen Regie- rungsstrukturen verankert sind, an Effizienz gewinnt. Auf den europapolitischen und transat- lantischen Ebenen wird die amtliche Politik dadurch nicht nur begleitet und ergånzt, sondern zum groûen Teil auch entlastet. In den Entwick- lungslåndern und den MOE/GUS-Staaten kommt die begleitende und ergånzende Funktion auch dort zum Ausdruck, wo die Stiftungen mit jenen politischen Kråften zusammenarbeiten, mit denen Kontakte auf offizieller Ebene aus diplomatischen Grçnden nicht ratsam sind, die aber ihrem politi- schen Potenzial nach fçr die deutsche Auûenpoli- tik wichtig sind. Zweitens: Die Stiftungen ermæglichen die Um- setzung langfristiger auûenpolitischer Prioritåten dort, wo sie mit den klassischen Mitteln des Aus- wårtigen Dienstes prinzipiell nicht zu erreichen sind und wo auch andere entwicklungspolitische Trågerorganisationen kaum einzusetzen sind. In der Tat kænnen die Stiftungen dank ihrer Flexibi- litåt dort handeln, wo die klassische Diplomatie versagt; mehr sogar: Dank ihrem Nichtregierungs- 29 Wåhrend die aus Dissidentenkreisen stammenden poli- tischen Parteien diese westliche Færderung als etwas Selbst- verståndliches empfanden, brauchten die zu ¹Demokratenª gewordenen ehemaligen kommunistischen Funktionåre Zeit, um zu begreifen, dass sie von Subjekten des politischen Dia- logs zu ¹Objektenª der bildungspolitischen Arbeit geworden sind. 30 Ausfçhrlich çber die Arbeit der politischen Stiftungen in den GUS-Staaten sowie in den baltischen Staaten bis Mitte der neunziger Jahre vgl. S. W. Pogorelskaja (Anm. 9). Vgl. auch BMZ, Die Tåtigkeit der politischen Stiftungen in Mittel- und Osteuropa sowie der ehemaligen Sowjetunion, Informa- tionsvermerk vom 26. Februar 1997; BMZ (Anm. 25), S. 8±12 und 15±18. 31 Roman Herzog, Weltweites Wirken fçr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Ansprache zur Jubilåumsveranstaltung der FES am 8. Mårz 1995 in Bonn, (vervielfåltigt), S. 2. 33 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 6. status kænnen sie sich in mehreren Entwicklungs- låndern und auch in den Transformationsstaaten dort engagieren, wo deutsche staatliche Hilfe als Einmischung in die inneren Angelegenheiten bezeichnet werden kænnte. Sie dringen in alle wichtigen Bereiche der Politik und Gesellschaft durch; dabei ¹konkurrieren sie im Ausland nicht gegeneinander. Ihre Beratung ist pluralistischª32 . Dieser Pluralismus der Beratung ermæglichte es, falls in einem Land mit Ansåtzen demokratischer Ordnung alle Stiftungen pråsent waren, so gut wie alle etablierten politischen Kråfte in die Projektar- beit einzubeziehen. Dort z. B., wo die HSS Kon- takte zur Regierung pflegte, arbeitete die FES mit der Opposition. Wo eine derartige Færderung des politischen Pluralismus nicht mæglich oder wo nur eine der Stiftungen pråsent war, wurde versucht, die Arbeit auf der Grundlage eines mæglichst brei- ten demokratischen Konsenses durchzufçhren und als Vermittler zwischen den håufig gegeneinander kåmpfenden demokratischen Kråften aufzutreten. Die Stiftungen gingen aber nicht nur in die Lån- der, in denen bereits Ansåtze fçr eine demokrati- sche Entwicklung vorhanden waren oder in denen Interesse an westlichen bzw. deutschen Modellen bestand; sie gingen çberall hin, wo die deutschen Regierungen sie gerne haben wollten ± wenn man sie nur hereinlieû; und in der Regel lieû man sie herein, weil sie lukrative und auch unpolitisch aus- sehende Angebote machen konnten, an welchen selbst autoritåre Herrscher eines Entwicklungslan- des Interesse hatten. Die HSS mit ihren Projekten z. B. im Bereich beruflicher Bildung, die sie in eini- gen nicht unproblematischen Entwicklungslåndern durchfçhrte, wurde in diesem Zusammenhang nicht selten in Deutschland kritisiert. Es gab aller- dings Regime, die nur mit der HSS zusammenar- beiten konnten; und es bestand Interesse, auf diese Regime zumindest mittelbar Einfluss im demokra- tischen Sinne nehmen zu kænnen. Andere Stiftungen engagierten sich dort, wo es aus unterschiedlichen Grçnden keine Mæglichkeit gab, mit politischer Arbeit zu beginnen, und wo auch die Regierungen nicht unbedingt kooperationswil- lig waren, zunåchst in kulturpolitischen und wis- senschaftlichen Bereichen; Kontakte mit wissen- schaftlichen und universitåren Einrichtungen wurden geknçpft. Das waren bewåhrte Positionen, auf die sich die Stiftungen immer zurçckziehen konnten, falls die von ihnen begonnene politische Projektarbeit abgebrochen werden musste, ein auûenpolitisch bedingtes Interesse am Verbleib im Lande aber weiterhin bestand. Drittens: Neben den zwei genannten Funktionen erfçllen die Stiftungen noch eine Beratungsfunk- tion fçr die deutsche Auûenpolitik, die von Diplo- maten zwar nur als ein ¹Nebeneffektª der eigentli- chen Stiftungsarbeit eingeschåtzt wird, allerdings einen nicht unwichtigen Beitrag zur Gestaltung der auûenpolitischen Konzepte leistet, da die Stif- tungen infolge ihrer langfristigen Pråsenz in den ¹Grauzonenª der Politik in den Projektlåndern çber Informationen verfçgen, zu welchen die offi- zielle Diplomatie keinen Zugang hat. Allerdings sind diese Informationsrçckflçsse nur gering for- malisiert. Grundsåtzlich fassen die Stiftungen Jah- resaufzeichnungen zur Situation in den Projektlån- dern zusammen, die dem Auswårtigen Amt zur Kenntnis vorgelegt werden. Es gibt einen Informa- tionsaustausch auch mit anderen Ressorts, mit den Botschaften vor Ort, und Mitarbeiter des Auswår- tigen Amtes besuchen die Veranstaltungen der Stiftungen. Der eigentliche Rçckfluss von Infor- mationen der Stiftungen in die deutschen politi- schen Strukturen und dadurch in die Auûenpolitik erfolgt aber durch die Informations- und Bera- tungsarbeit, welche die Stiftungen fçr die ihnen nahe stehenden Parteien leisten. Eben diese Be- ratungsarbeit gab wohl seinerzeit den Anlass, Stiftungen als ¹politische Frçhwarnsystemeª zu bezeichnen, die ¹uns die Augen æffnen fçr die Ent- wicklungen der Welt, damit wir uns rechtzeitig darauf einstellenª33 . Schon bei dieser Beratungståtigkeit betritt man ein Terrain, wo es schwer fållt, die Arbeit der Stif- tungen eindeutig im ¹instrumentalenª Sinne zu interpretieren. Stiftungen sind keine Instrumente im klassischen Sinne des Wortes. Es gibt nur wenige offizielle Mæglichkeiten, sie in ihrer Tåtig- keit direkt zu beeinflussen; dies kann eigentlich vor allem mit finanziellen Mitteln geschehen. Alle Projekte ± auch die, die dem BMZ vorgelegt wer- den ± werden vom Auswårtigen Amt unter Einbe- ziehung der Botschaften hinsichtlich mæglicher auûenpolitischer Bedenken oder mæglicher Ûber- 32 FES, Presseinformation vom 26. Februar 1997. Darçber kann man allerdings streiten. Zumindest in den siebziger Jahren gab es Fålle, wo sich die Stiftungen in einigen Pro- jektlåndern durch die Unterstçtzung der gegeneinander kåmpfenden politischen Kråfte indirekt untereinander be- hindert haben, bis ihnen das BMZ nahe legte, ihre Arbeit besser zu koordinieren. Die Kontroversen betreffend die Auslandsarbeit wurden gelegentlich sogar in die deutsche in- nenpolitische Diskussion getragen. Vgl. z. B. Volkmar Kæhler, SPD diskreditiert Gedanken der politischen Stiftungen. Hilfe der FES fçr Exponenten der Gewalttåtigkeit und der Desta- bilisierung, in: Deutschland-Union-Dienst, 34 (1980) 108, S. 4. 33 Gçnter Rinsche, Freiheit und Demokratie, Ge- rechtigkeit und Selbsthilfe ± die entwicklungspolitischen Ziele der Konrad-Adenauer-Stiftung, Rede anlåsslich der Bundespressekonferenz in Bonn zum Thema ¹Aufgaben der politischen Stiftungen in der Entwicklungszusammenarbeitª am 26. Februar 1997, in: KAS-Presseinformation vom 26. Februar 1997, S. 1. 34Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 7. schneidungen mit den Aktivitåten anderer deut- scher bzw. westlicher Trågerorganisationen ge- prçft; sollten Bedenken bestehen bzw. Ûberschnei- dungen absehbar sein, wird den Stiftungen empfohlen, ihr Projekt zu çberdenken bzw. mit anderen Organisationen zu koordinieren. 2. Stiftungen als ¹Akteureª der Auûenpolitik Die Stiftungen kænnen also nur bedingt als auûen- politische Instrumente bezeichnet werden. Sie sind kein ¹Werkzeugª der Auûenpolitik; dafçr sind sie viel zu selbstståndig, manchmal sogar eigenwillig. Sie sind auf der internationalen Bçhne vertreten; wie mehrere andere NGOs treten sie als Akteure internationaler Politik auf, indem sie zur interna- tionalen Kommunikation beitragen und versu- chen, auf die Ausgestaltung der internationalen Beziehungen Einfluss zu nehmen und internatio- nale Netzwerke zu schaffen. Kænnen aber die Auûenbeziehungen der Stiftungen den Rang nationaler Auûenpolitik beanspruchen? Es gab einige Fålle, in denen Projekte der Stiftungen im Ausland sich von den offiziellen deutschen auûen- politischen Konzepten unterschieden bzw. ihnen sogar widersprachen. Es gab auch Fålle, wo eine solche Tåtigkeit unmittelbaren Bezug zur Neuge- staltung dieser Konzepte gewann. Und es gab, wenn auch selten, Fålle, in denen die von den Stif- tungen aufgrund ihres Selbstverståndnisses (ver- bunden mit ihrer Parteinåhe) durchgefçhrten und fçr ihren internationalen Ruf wichtigen Projekte problematisch auf den Gang der bilateralen Bezie- hungen einwirkten oder gar zu diplomatischen Komplikationen fçhrten. Beispiele dafçr sind etwa die Tibet-Konferenz der FNS in Bonn 199634 und die Iran-Tagung der HBS in Berlin 2000.35 Viertens: In diesem Zusammenhang ist noch eine weitere auûenpolitische Funktion der Stiftungen zu nennen, nåmlich die ¹pråventiveª Funktion, die sie fçr die offizielle Auûenpolitik spielen bzw. zu spielen versuchen. Diese Funktion wurde in den siebziger und achtziger Jahren besonders håufig in Verbindung mit der sog. ¹Stiftungsauûenpolitikª und einer daraus angeblich resultierenden ¹Spal- tung der deutschen Auûenpolitikª diskutiert.36 Von einer solchen ¹Spaltungª kann heute im Zei- chen einer zunehmend ¹entstaatlichtenª Auûen- politik nicht mehr die Rede sein, doch steht diese Funktion, die nicht selten zugespitzt als ¹politische Abenteuerlustª der Stiftungen kritisiert wurde, an der Grenze zwischen den Bereichen, denen die Stiftungen als Instrumente eingesetzt werden, und denen, wo sie als selbstståndige Akteure auftreten. Es kommt dabei vor allem auf die Bewertung an, wie bedeutend in der langfristigen Perspektive eines etwaigen Machtwechsels und der kçnftigen Zusammenarbeit die von den Stiftungen in einigen Entwicklungslåndern gefærderten oppositionellen Gruppen der Bundesregierung erschienen. In den siebziger und achtziger Jahren orientierten sich einige der Stiftungen an den politischen Kråften, die von ihnen als perspektivenreich eingeschåtzt wurden, die aber der damaligen deutschen Auûen- politik selbst im Fall ihrer Regierungsçbernahme und der daraus resultierenden Notwendigkeit, diplomatische Beziehungen zu pflegen, als proble- matisch erschienen.37 Allerdings gab es auch Fålle, in denen die von den Stiftungen gewåhlte ± und vom Misstrauen der amtlichen Auûenpolitik begleitete ± Strategie langfristig auûenpolitische Gewinne brachte.38 34 Im Juni 1996, im Vorfeld des Besuches von Auûenmi- nister Kinkel in China, plante die FNS in Bonn eine inter- nationale Tibet-Konferenz, zu welcher auch der im Exil lebende Dalai Lama eingeladen werden sollte. Nach heftigen offiziellen Protesten von chinesischer Seite strich die Bun- desregierung der FNS die bereits bewilligten Mittel fçr die Durchfçhrung des Projektes, um sich offiziell von diesem Projekt zu distanzieren. Die Konferenz fand trotzdem statt; ihr folgte im Jahre 2000 eine weitere Tibet-Konferenz in Berlin, die allerdings ohne diplomatische Komplikationen verlief. 35 Die im April 2000 in Berlin von der HBS durchgefçhrte dreitåtige Tagung ¹Iran nach den Parlamentswahlen ± die Reformdynamik der Islamischen Republikª, zu welcher 17 reformorientierte Politiker, Kçnstler, Intellektuelle und Theologen aus dem Iran eingeladen wurden und die als Ver- such gedacht war, den iranischen Reformern aus unter- schiedlichen Fraktionen ein breites Forum fçr Diskussionen anzubieten, verlief von Anfang an unglçcklich, da sie von lauten Protesten seitens der in Deutschland lebenden Exil- Iraner begleitet wurde. Darçber hinaus wurde sie von Irans Konservativen zum Schlag gegen die Reformer benutzt. Alle 17 Teilnehmer wurden im Iran angeklagt. Einige von ihnen wurden zu hohen Strafen verurteilt. Die HBS forderte die sofortige Freilassung der Gefangenen. Das Nachspiel auf diplomatischer Ebene: Das Auswårtige Amt åuûerte offiziell ¹tiefe Besorgnisª der Bundesregierung çber die Urteile; der Iran protestierte offiziell gegen die Berliner Reaktionen. 36 Vgl. u. a. Konrad Adam, Der Staat als Spender, in: FAZ vom 8. Mårz 1985, S. 4. 37 ¹Um einen Beitrag zum Aufbau und zur Festigung der demokratischen Strukturen und zur inneren Befriedung zu leistenª, arbeitete z. B. die FES in den achtziger Jahren in Nicaragua mit den den regierenden Sandinisten unterstellten Behærden zusammen, wodurch sich Spannungen mit der of- fiziellen Politik des Auswårtigen Amtes ergaben. Daneben unterstçtzte die KAS die den Sandinisten nicht unterstellten Organisationen und christlich-demokratischen Kråfte, die FNS die liberalen Kråfte. 38 Mitte der sechziger Jahre z. B. ergaben sich Spannungen zwischen der FES und der deutschen Botschaft in Paraguay im Zusammenhang mit dem FES-Projekt zur Heranbildung einer Fçhrungsschicht. Der Hinweis des Botschafters, dass ¹das erneute Eintreten Paraguays fçr die deutsche Wieder- vereinigung . . . den Vorzug vor . . . zweifelhaften Demo- kratisierungsplånen der Stiftung verdientª, hat die FES nicht beeinflusst. Auswårtiges Amt, III B 1, Bd. 721, Botschaft der BRD Paraguay, 16. September 1966. Als jçngeres Beispiel kann die Zusammenarbeit der FES mit dem Afrikanischen National-Kongress in Sçdafrika genannt werden: ¹Wir haben mit . . . dem ANC çber viele Jahre zusammengearbeitet und um Vertrauen geworben. Manche haben uns damals dafçr 35 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 8. Das Auswårtige Amt warnte die Stiftungen des æfteren davor, sich in parteipolitische Kåmpfe in den Projektlåndern einzumischen. Allerdings kann eine Stiftung aufgrund ihres Nichtregierungsstatus eben auf dieser Einmischung bestehen, falls es ihrem Selbstverståndnis entspricht. In diesem Sinne hatte die FNS, die sich gern als weltweite Kåmpferin fçr Menschenrechte sieht ± und nicht selten darunter leidet ±, ihre Tibet-Konferenz an- gelegt.39 Die Iran-Tagung der HBS, die ein breites Forum fçr den Meinungsaustausch der iranischen Reformer sein sollte und zu den geschilderten Ergebnissen fçhrte, wurde spåter von einigen ihrer Veranstalter ebenfalls als eine berechtigte, ja sogar notwendige Einmischung im Sinne des Kampfes um die Menschenrechte interpretiert.40 Aber auch als ¹Akteureª kænnen die Stiftungen nur bedingt bezeichnet werden; ihr auûen- politisches Auftreten geht nicht selten auf ihre Parteinåhe zurçck und hat auch etwas mit ihrem Engagement in entsprechenden internationalen Organisationen zu tun.41 Die ¹Eigenwilligkeitª, welche die Stiftungen in ihrer Auslandståtigkeit zum einen gegençber den eigenen Parteien mit dem Verweis auf die Notwendigkeit eines ¹breite- ren Ansatzesª im Dienst der deutschen, ja çber- haupt westlicher Interessen artikulieren, zum anderen gegençber dem Auswårtigen Amt mit dem Verweis auf ihr Selbstverståndnis und mit der Begrçndung, ihren Partnern gehære die Zukunft, demonstrieren, folgt aus ihrer einzigartigen Stel- lung im politischen System Deutschlands. Sie sind in den Parteien und in der Politik, vom Parlament bis zur Regierung, verankert und genieûen dabei den Status einer international agierenden NGO. Sie sind weder ¹Akteureª noch ¹Instrumenteª, sie sind beides in einem. Und sie wissen dies zu schåt- zen und zu nutzen. Aber auch die amtliche Politik weiû dies zu schåtzen und zu nutzen, zumal immer wieder çber die Rolle der Stiftungen bei der Ver- tretung deutscher Interessen, bezogen auf die gestiegene internationale Verantwortung Deutsch- lands, reflektiert wird. 3. Koordination der Auslandsarbeit der Stiftun- gen mit der offiziellen Auûenpolitik und unter- einander Wie wird die Auslandsarbeit der Stiftungen koor- diniert und geprçft? Ihre Projekte, auch wenn sie nicht im Rahmen der amtlichen auûenpolitischen Konzepte liegen, werden bewilligt, wenn von ihnen (im Fall einer entwicklungspolitischen Aus- richtung) ein eindeutig positiver, strukturwirk- samer Effekt zu erwarten ist und solange sie das ¹Kerngebietª der deutschen Auûenpolitik nicht antasten. Die Grenzen der ideologischen Toleranz sind ziemlich breit angelegt; ein minimaler demo- kratischer Konsens reicht. Eine Stiftung kann ihre Arbeit in einem Entwicklungsland mit dem Ver- such beginnen, demokratische Kråfte zu konsoli- dieren. Indem die Stiftungen ihre Pråsenz in die- sem Land ausweiten, koordinieren sie ihre Tåtigkeit und ¹teilenª gelegentlich untereinander die Einflusssphåre und die Partner. Da der Umfang der Zuwendungen in den letzten Jahren abnimmt, wird die Frage der Koordination und Zusammenarbeit besonders aktuell. Die Bçnde- lung der Kråfte erscheint als das kleinere Ûbel im Vergleich zu einem finanziell bedingten Rçckzug aus Regionen, wo im Laufe mehrerer Jahre effizi- ente Arbeit geleistet wurde und gute Netzwerke aufgebaut wurden. Eine solche Strategie wird nicht zuletzt auch durch den in den neunziger Jah- ren erreichen ¹auûenpolitischen Konsensusª der etablierten Parteien ermæglicht. Die freiwillige Selbstkoordination der Stiftungen ist nicht streng formalisiert und verlåuft çberwie- gend auf der Ebene der Treffen der Leiter der Internationalen Abteilungen. Vom BMZ und AA werden regelmåûig ¹Routinegespråcheª mit den Stiftungen durchgefçhrt. Die Evaluierung der Pro- jekte erfolgt sowohl aufgrund der jåhrlichen Ver- wendungsnachweise, welche die Stiftungen an das AA und BMZ richten, als auch aufgrund der Bot- schaftsberichte (wie z. B. die entwicklungspoliti- schen Zwei-Jahres-Berichte); in Einzelfållen kæn- nen die Projekte von externen Gutachtern im Auftrage des BMZ evaluiert werden. Die Zusammenarbeit zwischen den Botschaften und den Stiftungen spielt grundsåtzlich eine sehr wichtige Rolle. Sowohl vor der Eræffnung eines Bçros als auch vor der Bewilligung eines neuen Projektes bzw. einer neuen Færderphase wird die Botschaft vor Ort vom Auswårtigen Amt ange- fragt. Es gab Fålle, dass die Botschaften die Abwe- kritisiert. Wir aber wussten, dass es ohne ihn keine Læsung geben wird.ª FES-Presseinformation vom 26. Februar 1997, S. 2 f. 39 Nach der Tibet-Konferenz bekam das Bçro der FNS in Peking die Folgen zu spçren: Die bereits begonnene Ko- operation mit chinesischen Partnerorganisationen (in China wurden die Partnerorganisationen den Stiftungen ¹von obenª zugeteilt) wurde von chinesischer Seite storniert, das Bçro geschlossen. Es gab auch andere åhnliche Fålle: In Kenia z. B. wurde die Vertreterin der FNS im Jahre 1994 unter dem Vorwurf der ¹Einmischung in die inneren Angelegenheitenª aus dem Land ausgewiesen. 40 ¹Selbstverståndlich ist eine politische Stiftung . . . dazu verpflichtet, sich gerade in die Angelegenheiten der Lånder einzumischen, in denen Unterdrçckung herrscht.ª Bahman Nirumand, Ein Beitrag zur Aufklårung, in: Tageszeitung vom 25. Januar 2001, S. 11. 41 In diesem Zusammenhang war z. B. die Tåtigkeit der FES im Rahmen der so genannten ¹lateinamerikanischen Offensive der Sozialistischen Internationaleª Ende der sieb- ziger Jahre Gegenstand von Diskussionen. 36Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 9. senheit der Stiftungen bedauerten und Anregun- gen hinsichtlich des einen oder anderen mæglichen Bereiches, wo sich die Stiftungen engagieren kænn- ten, gaben. In der Regel sind Botschaften und Stif- tungen aufeinander angewiesen. Die Botschaften erhalten normalerweise von den Stiftungen aus- fçhrliche Informationen çber ihre Tåtigkeit; in einigen Botschaften ist inzwischen eine regelmå- ûige ¹Stiftungsrundeª eingerichtet worden. Gele- gentlich arbeiten Botschaften und Stiftungen im Rahmen ein und desselben Projektes zusammen, insbesondere, wenn das Projekt vom Auswårtigen Amt finanziert wird. Eine solche Zusammenarbeit wird in den Entwicklungslåndern im Rahmen der Projekte zur Demokratiefærderung durchgefçhrt.42 Es gab zwar auch Fålle, dass die Beziehungen zwischen den Botschaften und Stiftungen nicht unproblematisch verliefen. Doch ¹bei geeigneten, parteiçbergreifenden Maûnahmen . . . sind die Stiftungen in der Regel geeignete und gesuchte Partnerª43 . IV. ¹Partnerschaft auf dem Weg zur Demokratieª oder ¹externe Einflussnahmeª? Es sind mehrere Vorwçrfe, mit welchen die Stif- tungen vor allem im Zusammenhang mit ihrer Arbeit in den Entwicklungslåndern und spåter in den MOE/GUS-Staaten konfrontiert wurden und werden. Einige davon gehæren definitiv der Ver- gangenheit an, andere bleiben immer noch aktuell. In den Zeiten der Block-Konfrontation wurden die Stiftungen zum Gegenstand ideologisch geprågter Kritik. Insbesondere in den siebziger Jahren wurde ihre entwicklungspolitische Tåtig- keit unter diesem Gesichtspunkt als eine ¹Wçhl- arbeitª interpretiert,44 bis hin zu der Behauptung, die Stiftungen håtten durch ihre bildungspolitische Arbeit (Stichwort: ¹ideologische Diversionª) am Putsch in Chile mitgewirkt.45 Dieser Kritik lag die allgemeine These zugrunde, Stiftungen stçnden im Dienst des ¹Monopolkapitalsª und begleiteten die Expansion der westdeutschen Wirtschaft in die Entwicklungslånder. Diese These ging vom direk- ten Einfluss der Wirtschaft auf die Politik aus und wurde in den siebziger und achtziger Jahren nicht nur in den Gesellschaftswissenschaften der Ost- blockstaaten vertreten, sondern auch von links- orientierten westlichen Beobachtern geteilt. Spe- ziell in Bezug auf Lateinamerika warf man den Stiftungen gelegentlich vor, durch die Unterstçt- zung der demokratischen Eliten, die aus diversen Grçnden die Zusammenarbeit mit den USA ablehnten, die nordamerikanische Politik auf dem sçdlichen Kontinent indirekt zu ergånzen und zu færdern. Heutzutage werden solche Vorwçrfe kaum noch erhoben. Dafçr aber werden die Stif- tungen immer wieder kritisiert, sich in die inneren Angelegenheiten der Projektlånder einzumischen. Grundsåtzlich versuchen die Stiftungen durch ihre Arbeit, keinen Anlass zu solchen Beschuldigungen zu geben. Legalitåt, Offenheit und Kontrolle sind die wichtigsten Grundlagen ihrer Auslandståtig- keit. In Deutschland sind sie der ministeriellen Kontrolle unterworfen, in den Projektlåndern sind sie bei den entsprechenden Behærden registriert; auch ihre Projekte erfolgen mit der Zustimmung der ærtlichen Behærden. Sollten sie mit den oppo- sitionellen Kråften zusammenarbeiten, ist es immer die legale Opposition. Und doch betreffen diese Vorwçrfe unmittelbar den Charakter der Stiftungståtigkeit. Sie kænnen z. B. im Zusammen- hang mit der ¹parteinahenª Arbeit vorgebracht werden ± entweder von der Regierung, falls mit der Opposition zusammengearbeitet wird, oder von der Opposition, falls die von den Stiftungen unterstçtzten Parteien an der Macht sind.46 In eini- gen Låndern kann selbst Wahlhilfe fçr die legalen oppositionellen Kråfte als Einmischung eingestuft werden, insbesondere wenn es dabei nicht nur um Know-how, sondern auch um die Ausstattungshilfe geht. Bekannt sind u. a. die Vorwçrfe, die in die- sem Zusammenhang den christlich orientierten politischen Stiftungen im Jahre 1987 in Ecuador, der FNS im Jahre 1994 in Kenia, der FES und der FNS im Jahre 1999 in Simbabwe und im Jahre 2000 in Russland gemacht wurden. Darçber hinaus neigten gelegentlich einige der von den Stiftungen im demokratischen Geist gefærderten Organisationen dazu, unerwartet eine politische Eigendynamik zu entwickeln, die den Machthabern ungelegen war und den Anlass gab, Stiftungen der Einmischung zu beschuldigen. So war ¹die weit reichende und letztlich entschei- dende Unterstçtzung demokratischer Parteienª auf der iberischen Halbinsel Mitte der siebziger Jahre, die den demokratischen Wandel in Spanien 42 Z. B. die Zusammenarbeit im Bereich der Wahl- beobachtungen. Vgl. Auswårtiges Amt, Bericht çber die Zu- sammenarbeit der Botschaften mit den politischen Stiftungen bei der Umsetzung der Demokratisierungshilfe vom 6. Sep- tember 1995. 43 Ebd. 44 Vgl. ¹Zentrum Bonner Provokationenª, in: Neues Deutschland vom 22. August 1967, S. 1. 45 Vgl. ¹Die stillen Instituteª, in: Såchsische Zeitung vom 7. Dezember 1973, S. 2. 46 In den achtziger Jahren fanden in Venezuela in diesem Zusammenhang sogar Parlamentsdebatten çber die Einfluss- nahme durch auswårtige Kråfte auf die Innenpolitik statt. 37 Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002
  • 10. und Portugal ermæglichte und ¹wesentlich zum internationalen Renommee der Stiftungen beige- tragen hatª47 , Mitte der achtziger Jahre zum Gegenstand innenpolitischer Diskussionen in Spa- nien u. a. im Zusammenhang mit den Flick-Gel- dern geworden, und sie ist erst kçrzlich wieder in Deutschland wegen der neuen Erkenntnisse zu Spendenaffåren wieder aufgerollt worden. Der Begriff ¹Demokratisierungª auch im Hinblick auf eine Unterstçtzung der Transformationspro- zesse in den MOE/GUS-Staaten gibt einen deutli- chen Hinweis auf eine externe Einflussnahme. Daher wird er heutzutage nicht mehr so håufig benutzt wie noch Anfang der neunziger Jahre, obwohl er exakt das Wesen der Stiftungsarbeit widerspiegelt. Es geht um eine direkte (finanzielle und Ausstattungshilfe an die Partnerorganisatio- nen) und indirekte (Beratung, bildungspolitische Arbeit) Einflussnahme auf den Gang der Trans- formationsprozesse. In den MOE/GUS-Staaten waren die Stiftungen im Verlauf der neunziger Jahre praktisch auf allen Ebenen vertreten, und zwar gleichzeitig. Sie wirkten bei der Heranbil- dung der zentralen staatlichen Institutionen (ins- besondere Parlament und Judikative) mit, durch die Færderung der demokratischen Parteien und kommunalen Selbstverwaltung trugen sie zu den Prozessen der demokratischen Transformation bei, und sie versuchten, durch Bildung und Beratung auch eine so genannte ¹Verhaltenstransformationª zur Færderung der Zivilgesellschaft zu bewirken. In der westlichen Forschung und Publizistik wird die Einflussnahme auf den Gang von Transforma- tionsprozessen bzw. ¹auf zentrale politische Wei- chenstellungen in anderen Staatenª48 weitgehend positiv eingeschåtzt, weil sie die Konsolidierung der nach westlichem Vorbild funktionierenden Demokratien zum Ziel hat. Man wundert sich daher, weshalb den Stiftungsvertretern in einigen Låndern eben wegen dieses ¹Einflussesª gelegent- lich die Tçr gewiesen wird. So wie in Deutschland immer wieder Stiftungen in dem einen oder ande- ren Bereich ihrer Tåtigkeit angefochten werden, so wird es auch im Ausland immer wieder politi- sche Kråfte geben, die den Stiftungen Einmi- schung in die inneren Angelegenheiten vorwerfen werden. In den MOE-Staaten kommt solche Kritik nicht selten von Seiten der rechten, nationalisti- schen Kråfte, die sich gegen den ¹westlichenª und ± im historischen Kontext ± insbesondere gegen den ¹deutschenª Einfluss wehren. Solche Kritik wird auch von Seiten der Nationalkommunisten geåuûert. Gerade hier aber kænnen die Unter- schiede zwischen den Stiftungen, die auf ihre Par- teinåhe zurçckgehen, einen guten Dienst leisten. Indem die PDS-nahe Rosa-Luxemburg-Stiftung ihre Projektarbeit in vollem Maûe aufnimmt, wer- den so gut wie alle etablierten deutschen politi- schen Kråfte mit ihren Stiftungen im Ausland ver- treten sein. Daher wåre es sinnvoll, dass jede Stiftung im Rahmen der fçr alle Stiftungen gemeinsamen Richtlinien noch deutlicher ihre eigenen Schwerpunkte und Prioritåten setzt und durchaus auch aus ihrer Parteinåhe resultierende Besonderheiten intensiver pflegt. Dieser Beson- derheiten wegen werden die deutschen Stiftungen manchmal von bestimmten politischen Kråften in den Entwicklungslåndern wie in den MOE/GUS- Staaten als Kontakt- oder Kooperationspartner gesucht, und nicht weil sie generell ¹vom Westenª (bzw. ¹vom Nordenª) kommen. Nach wie vor blei- ben fçr diese Staaten auch spezielle deutsche Erfahrungen von Interesse. Eines steht fest: Wie umstritten einige Aktivitåten der Stiftungen manchmal auch sein mægen, ihnen und den ihnen åhnlichen Organisationen gehært die Zukunft. Die allmåhliche ¹Entstaatlichungª der Auûenpolitik, die nicht eine Abwertung tra- ditioneller Formen des auswårtigen Dienstes ist, sondern die Erweiterung der auûenpolitischen Strategien in Zeiten rasch fortschreitender Inter- dependenz, bedeutet, dass die Rolle der Stiftungen in der deutschen Auûenpolitik vermutlich noch græûer werden wird. Daher wåre es auch fçr dieje- nigen Staaten, in denen man sich aus unterschied- lichen Grçnden manchmal nicht als Subjekt der Zusammenarbeit, sondern als Objekt des Einflus- ses empfindet, wohl empfehlenswert, die langfristi- gen Vorteile zu erkennen, welche die Auûenpoli- tik durch Kooperation mit den Stiftungen und anderen NGOs gewinnt. 47 S. Bartsch (Anm. 7), S. 194. 48 Ebd., S. 194. 38Aus Politik und Zeitgeschichte B 6±7/2002