Anlässlich ihres 30. Geburtstags veröffentlicht BILD der FRAU eine neue Studie, in der es diesmal primär nicht um die Frauen, sondern um die Männer geht. Wie nehmen die Männer den gesellschaftlichen Wandel der Frauen (steigende Erwerbsquote, bessere Bildungsabschlüsse, stärkere Unabhängigkeit und Gleichberechtigung) wahr und wie gehen sie damit um? Welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf ihre Lebens- und Arbeitswelt sowie auf ihr Selbstverständnis als Mann? Vor dem Hintergrund des veränderten Rollenverständnisses von Frauen müssen sich auch die Männer neu orientieren, aber tun sie das wirklich? Diesen und weiteren spannenden Fragen geht die aktuelle Studie von BILD der FRAU in Zusammenarbeit mit dem Institut für Demoskopie auf den Grund.
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alle Entscheidungen treffen: Das wünschen sich heute 95 Prozent der Frauen von ihrem Partner – und das
haben die Männer nun offenbar kapiert. 86 Prozent halten sich nach eigener Aussage jedenfalls daran.
Und trotzdem gibt es auch Botschaften, die uns ärgern: Der Streit um die Verteilung der Hausarbeit zum
Beispiel wird wohl ein ewiger bleiben. Nur acht Prozent der Männer sind fleißiger beim Bügeln als sie, nur
sieben Prozent füllen öfter die Waschmaschine.53 Prozent haben weiter Probleme damit,Gefühle zu zeigen.
Nur jeder Fünfte mag sich vorstellen,weniger Stunden berufstätig zu sein als die Partnerin.Überhaupt findet
es jeder Dritte schwierig, den heutigen Anforderungen gerecht zu werden. Und jeder Vierte gibt sogar zu,
dass er sich nach den gut sortierten alten Zeiten sehnt.
Man möchte ihnen zurufen: Männer,Jungs – daraus wird nichts mehr! Besonders die jungen Frauen sind
schon viel zu weit, um sich wieder einfangen zu lassen. Beide arbeiten Vollzeit und teilen sich die Familien-
arbeit – dieses Modell favorisiert schon jede zweite 18- bis 44-Jährige.Und die Zeichen,dass das auch klappt,
stehen gut: Heute machen mehr Mädchen als Jungs Abitur, schließen mehr Frauen als Männer ein Hoch-
schulstudium ab.
Sie stürmt voran,er möchte bleiben – und was nun? Da gibt’s nur eines: Aufeinander zugehen und dann
gemeinsam weiter. Aber bitte vorwärts.
Das Projekt Gleichberechtigung kann nur gelingen, wenn Frauen und Männer Verbündete sind – in der
Familie und im Job. Dafür müssen Männer anfangen, über ihre Ängste und Wünsche zu reden. Und die Ge-
sellschaft muss Strukturen schaffen, in denen Männer sich auch ändern können: Noch sind zum Beispiel
71 Prozent aller Deutschen sicher, dass ein Arbeitgeber kein Verständnis zeigt, wenn ein Vater zugunsten
der Familie kürzer treten will. Erst wenn Paare sich nicht mehr von Rollenklischees behindern lassen und
auch der Staat ihnen hilft, eine neue Form der Partnerschaft zu leben – ist der Ball im Tor.
SANDRA IMMOOR BIANCA POHLMANN
BILD der FRAU-Chefredakteurin BILD der FRAU-Verlagsleiterin
Vorwort Prof. Dr. Renate Köcher
Die Rollen der Geschlechter sind heute weitaus weniger klar definiert als dies noch vor einigen
Jahrzehnten der Fall war.Die Frauen haben bei den Bildungsabschlüssen gleichgezogen,die Frau-
enerwerbsquote ist kontinuierlich gestiegen; umgekehrt sind Männer heute familienorientierter
und beschäftigen sich insbesondere intensiver mit ihren Kindern als das früher der Fall war.
Der Abschied von den Festlegungen der Geschlechterrollen wird von Männern wie Frauen eher
als Befreiung denn als Belastung empfunden. Es eröffnet beiden Geschlechtern neue Optionen,
stellt aber auch vor neue Herausforderungen. Männer sehen sich heute mit hohen Erwartungen
konfrontiert: Sie sollen gleichzeitig berufs- und familienorientiert sein,sich intensiv um die Kinder
kümmern und vermehrt Aufgaben in Haushalt und Familie übernehmen, partnerschaftlich Ent-
scheidungen treffen, selbstbewußt und einfühlsam sein, eigene Gefühle zeigen und eine selbst-
bewusste Partnerin schätzen.
Nicht jeder fühlt sich diesen Erwartungen gewachsen. Gut jeder dritte Mann und sogar jeder
zweite männliche Single findet es schwierig,den Anforderungen zu entsprechen.Das geht jedoch
nicht so weit,dass Männer das Gefühl haben,dass sie keine „richtigen Männer“ mehr sein dürften;
dieses Empfinden hat nur eine verschwindende Minderheit. Die überwältigende Mehrheit ist
gerne Mann,nur ganze 6 Prozent wären im nächsten Leben lieber eine Frau.Nur wenige Männer
glauben auch, dass Frauen es im Leben leichter haben – eher umgekehrt.
Das hat auch damit zu tun, dass trotz der Auflösung festgelegter Geschlechterrollen die Aufga-
benteilung in den meisten Familien nach wie vor dem herkömmlichen Muster folgt: Der Mann
kümmert sich primär um den Beruf und das Einkommen des Haushalts,die Frau vorwiegend um
Haushalt und Kinder. Die Mehrheit der Frauen schaltet in der Familienphase beruflich zurück,
dagegen nur eine kleine Minderheit der Männer. Die große Mehrheit der Männer kann sich auch
nicht vorstellen, hier einen Rollentausch vorzunehmen. Der Hausmann ist nach wie vor die Aus-
nahme von der Regel. Aber auch eine Vollzeitberufstätigkeit beider Partner ist weder das Ideal
noch wird es von der Mehrheit praktiziert. Auch die Aufgabenteilung im Haushalt ist weit von
einer gleichgewichtigen Teilung entfernt – selbst oft bei Paaren, die beide voll berufstätig sind.
Die Aufweichung der Geschlechterrollen eröffnet damit zwar Optionen, die aber im Alltag nur
eingeschränkt genutzt werden. Männer sind damit im Durchschnitt zufriedener als Frauen, von
denen viele den Eindruck haben: Es ist auch in der heutigen Gesellschaft doch leichter,ein Mann
zu sein als eine Frau.
PROF. DR. RENATE KÖCHER
Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach
5. Inhalt
Vorwort BILD der FRAU ....................................................................................................................................3
Vorwort Prof. Dr. Renate Köcher........................................................................................................................5
Vorbemerkung...................................................................................................................................................6
Beruf geht vor! Prioritäten im Leben von Männern.......................................................................................11
Was von einem Mann heute so alles erwartet wird........................................................................................17
Gleichberechtigung der Frau erreicht, kein weiterer Handlungsbedarf. Oder?..............................................31
Aufteilung der Hausarbeit: Alles beim Alten (?).............................................................................................37
Eine vollzeitberufstätige Partnerin?
Für die Mehrheit der jungen Männer kein Problem (mehr)..........................................................................55
Exkurs: Sind Frauen die besseren Führungskräfte? .......................................................................................63
Auch das Umfeld ist schuld! Weniger Verständnis für Väter,
die für die Familie beruflich zurückstecken, als für Mütter ...........................................................................69
Trotz allem: Männer sind gerne Männer ........................................................................................................75
ANHANG
Anhangschaubilder .........................................................................................................................................78
Anhangtabellen...............................................................................................................................................82
Untersuchungsdaten der Studie.....................................................................................................................84
9
9. 17
Was von einem Mann heute
so alles erwartet wird
A
uch ein Vergleich der Rollenerwartungen, mit denen sich Männer konfrontiert sehen, mit den
Erwartungen,die Frauen heute tatsächlich an Männer haben,zeigt bemerkenswerte Unterschiede.
So wähnen sich Männer häufiger mit Erwartungen konfrontiert, für den Unterhalt der Familie zu
sorgen, beruflichen Erfolg anzustreben oder Durchsetzungsstärke zu zeigen, als sich das Frauen tatsächlich
von Männern wünschen4
: Während Männer zu 71 Prozent davon ausgehen,man erwarte von ihnen,für den
Unterhalt der Familie zu sorgen,erwarten das tatsächlich "nur" 60 Prozent der Frauen.Und rund zwei Drittel
der Männer sehen sich in der Pflicht, sich für den Erfolg im Beruf besonders ins Zeug zu legen – aber nur
rund die Hälfte der Frauen wünscht sich das. Auf der anderen Seite nehmen Männer die an sie gerichteten
Wünsche der Frauen nach Empathie und Emotionalität nur zum Teil wahr: Während rund drei Viertel der
Frauen sich von einem Mann wünschen,dass er seine Gefühle zeigt,nimmt nur knapp die Hälfte der Männer
dies als eine an Männer gerichtete Erwartung wahr. 79 Prozent der Frauen wünschen sich einfühlsame,
verständnisvolle Männer,nur 62 Prozent der Männer sehen das eigene Geschlecht mit dieser Forderung kon-
frontiert.Auch Humor und ein gepflegtes Äußeres fordern Frauen von Männern häufiger als diese eine solche
Forderung registrieren. Und wichtige Entscheidungen mit der Partnerin gemeinsam zu treffen, ist zwar mit
80 Prozent auch die von Männern am häufigsten wahrgenommene Erwartung. Dennoch wünschen sich
Frauen das noch deutlich häufiger von ihnen (93 Prozent, Schaubild 7, Seite 18).
Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch eine Faktorenanalyse der tatsächlichen bzw. wahrge-
nommenen Erwartungen. Bei diesem mathematischen Verfahren werden Aussagen danach gruppiert, wie
häufig sie von den Befragten gemeinsam genannt werden, d.h., wie eng sie aus Sicht der Befragten mit-
einander zusammenhängen. Eine solche Analyse der Erwartungen von Frauen zeigt, dass Frauen sehr deut-
lich zwischen Emotionalität und Empathie einerseits und dem Wunsch nach einer Beziehung von
selbstbewussten Partnern auf Augenhöhe unterscheiden: So finden sich die Forderungen "ist einfühlsam,
verständnisvoll" und "zeigt seine Gefühle" in einer Aussagengruppe (d.h.werden durch das Verfahren einem
"Faktor" zugeordnet),während "ist selbstbewusst" und "schätzt eine selbständige,selbstbewusste Partnerin"
einem anderen, deutlich unterschiedlichem Faktor zugeordnet werden.
Für die von Männern wahrgenommenen Erwartungen zeigt die Analyse dagegen ein ganz anderes Bild.
Hier sind die Aussagen "ist einfühlsam, verständnisvoll" und "zeigt seine Gefühle" mit "schätzt eine selb-
ständige, selbstbewusste Partnerin", "trifft wichtige Entscheidungen mit seiner Partnerin gemeinsam" und
"achtet auf ein gepflegtes Äußeres" in einem Punkt verschmolzen. Die Wahrnehmung der Männer ist hier
offensichtlich weniger differenziert, diese Punkte fallen für Männer eher alle unter einen gemeinsamen
"Frauenversteher"-Punkt.5
4
Bei diesen Vergleichen ist natürlich zu berücksichtigen, dass nicht nur Frauen Erwartungen an Männer richten, sondern auch Freunde, Kollegen, Familienange-
hörige etc. Wenn sich also ein höherer Anteil der Männer mit der Erwartung konfrontiert sieht, die Familie zu ernähren, als Frauen das erwarten, können dies
auch Erwartungen der vorgenannten Kreise sein. Für die Grundaussagen der Analyse spielt es aber keine Rolle, woher sich die von Männern wahrgenommenen
Erwartungen speisen, an denen sie sich orientieren.
5
Vgl. die Erläuterungen und die Dokumentation zur Faktorenanalyse, Daten auf Anfrage bei der Axel Springer Marktforschung
28. 55
Eine vollzeitberufstätige Partnerin?
Für die Mehrheit der jungen Männer
kein Problem (mehr)
N
och zentraler als die Frage nach der Aufteilung der Haus- und Familienarbeit ist für das Rollen-
verständnis des Mannes das Feld der Berufstätigkeit. Dass Erfolg im Beruf für Männer einen hö-
heren Stellenwert hat als für Frauen,zeitliche Konflikte zwischen Beruf und Familie von Männern
eher zugunsten des Berufs gelöst werden und Männer faktisch nach wie vor in viel höherem Anteil vollzeit-
berufstätig sind als Frauen, ist in den vorangehenden Kapiteln bereits dargestellt worden.
Wenn es um die Verteilung von Berufs- und Familienarbeit in einer Partnerschaft geht,kommen für Män-
ner vor diesem Hintergrund vor allem Modelle in Betracht, bei denen sie selbst vollzeitberufstätig sind. So
ist es für fast zwei Drittel der Männer eine Option, selbst Vollzeit zu arbeiten, während die Partnerin teilzeit-
berufstätig ist, und sich überwiegend um Haushalt und (ggf.) Kinder kümmert. Für 44 Prozent kommt ein
Vollzeit/Vollzeit-Modell in Betracht,bei dem sich die Partner den Haushalt teilen,15
für immerhin 39 Prozent
das klassische Einverdienermodell,in dem der Mann arbeitet und die Frau sich ganz auf Haushalt und Kinder
konzentriert.
Dagegen kann sich nur jeder vierte Mann auch eine symmetrische Teilzeit/Teilzeit-Lösung vorstellen.Kon-
stellationen,bei denen der Mann weniger arbeitet als die Frau,sind für gerade einmal 16 Prozent (Teilzeit/Voll-
zeit) bzw. 13 Prozent (nichtberufstätig/Vollzeit) eine Option.
Die Vorstellungen von Frauen weichen von denen der Männer bemerkenswerterweise nur wenig ab. Am
ehesten ist zu erkennen, dass sich Frauen eher als Männer mit einer Teilzeit/Teilzeit-Lösung anfreunden
könnten, weniger häufig dagegen damit, im Rahmen des klassischen Alleinverdienermodells zu Hause zu
bleiben (Schaubild 40, Seite 56).
15
Mit der Annahme einer symmetrischen Verteilung der Hausarbeit in diesem Modell dürften sich allerdings
viele Männer etwas vormachen. Denn wie sich weiter oben gezeigt hatte (vgl. Seite 37, Schaubild 25),
erledigen Frauen, auch wenn sie vollzeitberufstätig sind, derzeit faktisch den größten Teil der Hausarbeit.