Podpisany 17 czerwca 1991 r. tzw. duży Traktat między Polską a Niemcami pozwolił na stworzenie trwałych podstaw zbliżenia politycznego, gospodarczego, społecznego, naukowego i kulturowego obu krajów. Kluczowe znaczenie miał przy tym fakt, że relacje bilateralne zostały w tym dokumencie ujęte w kontekście europejskim. Uwzględniono zarówno polskie aspiracje do integracji z Unią Europejską, jak i znaczenie polsko-niemieckiego partnerstwa dla rozwoju jednoczącej się Europy.
Der polnisch deutsche nachbarschaftsvertrag und das strassburg an der oder
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Der polnisch-deutsche Nachbarschaftsvertrag und das Straßburg an der Oder
Gregor Thum, University of Pittsburgh
Vor dreißig Jahren unterzeichneten die Regierungen Polens und Deutschlands den
„Vertrag über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit.“ Schon die
Zeitgenossen erkannten, dass dieser Vertrag richtungsweisend sein würde für ein
neues Europa nach dem Kalten Krieg. So wie die in den 50er Jahren zwischen den
Regierungen Frankreichs und Deutschlands betriebene Aussöhnung zur
Initialzündung für die westeuropäische Integration werden sollte, sollte auch die
Bereitschaft der Polen und Deutschen, einander die Hand zu reichen und das
Trennende zwischen beiden Völkern zu überwinden, ein neues Europa jenseits der
Spaltung möglich machen. Daher ist der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag viel
mehr als ein Vertrag zwischen zwei Ländern. Er ist Ausdruck der großenHoffnung,
dasses am Ende deskatastrophalen 20. Jahrhunderts gelingen könnte, ein
friedliches,prosperierendes, vereintes Europa zu schaffen. Wenn Polen und Deutsche,
deren Verhältnis nicht nur durch den Zweiten Weltkrieg, sondern auch durch die
ältere Erfahrung der Teilungen Polens historisch schwerbelastet war, den Weg zur
Aussöhnung finden,lassen sich auch anderswo in Europa alte Feindschaften
überwinden. Der polnisch-deutsche Nachbarschaftsvertrag ist daher einesder ganz
großen Dokumente europäischer Geschichte.
Wer den Vertrag heute wieder liest, mag über zwei Dinge staunen: den großen Mut,
der aus diesem Dokument spricht, und die Umsicht, mit der der Vertragstext
formuliert wurde. An klaren Worten fehlt es nicht: In der Präambel des Vertrags
erklären die Unterzeichner, dass es darum geht, „die leidvollen Kapitel der
Vergangenheit abzuschließen“ und „die Trennung Europas endgültig zu überwinden
(...), im Bewusstsein ihrer gemeinsamen Verantwortung für den Aufbau eines neuen,
durch Menschenrechte, Demokratie und Rechtstaatlichkeit vereinten und freien
Europa.“ Sie sprechen außerdem vom „lang gehegten Wunsch ihrer beiden Völker
nach Verständigung und Versöhnung“ als „gewichtigen Beitrag für die Erhaltung des
Friedens in Europa“ undsie gedenken „der jahrhundertelangen gegenseitigen
Bereicherung der Kulturen beider Völker.“
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Es ist leicht, hehre Ziele zu formulieren. Doch der Nachbarschaftsvertrag ist gerade
kein Dokument naiver Absichtserklärungen im Überschwang der damaligen
politischen Stimmung. Es handelt sich um ein Dokument der Umsicht, der politischen
Klugheit, ein Dokument, bei dessen Abfassung nicht nur die Hoffnung auf eine
bessere Zukunft die Feder führte, sondern auch das Wissen um eine Vergangenheit, in
der sich Deutsche und Polen wechselseitig großes Leid zugefügt haben - auch wenn es
eine Asymmetrie der Verbrechen und Opferzahlen gibt, durch die die Deutschen die
deutlich größere Schuld tragen.
In seinen 38 Artikeln beschreibt der Vertrag ganz konkretdie Schritte, die notwendig
sind, um eine gute Nachbarschaft und freundschaftliche Beziehungendauerhaft
herzustellen. So stellt er klar, dass die Grenzen ihren trennenden Charakter nur dann
verlieren können, wenn auch die wirtschaftlichen und sozialen Unterschiede zwischen
Deutschland und Polen abgebaut würden. Er garantiert den Deutschen, die in Polen
leben, und den Polen, die in Deutschland leben, das Recht auf ihre eigene Kultur und
den Schutz vor Diskriminierung. Er unterstreichtdie Bedeutung des wechselseitigen
Spracherwerbs für Polen und Deutsche und verspricht, entsprechende
Bildungsmöglichkeiten zu schaffen. Ganz besonderes Augenmerk legt der Vertrag auf
den Jugendaustauch, da gerade dieser das wechselseitige Kennenlernen und einander
Verstehen ermöglicht. Die Vertragspartner versprechen sich auch die Erhaltung und
Pflege des europäischen kulturellen Erbes in beiden Ländern und den Schutz jener
Kulturgüter, „die von den geschichtlichen sowie den kulturellen Leistungen und
Traditionen der anderen Seite zeugen.“ Und noch einmal betonen die Regierungen
beider Länder, dass sie „dem Ziel der Europäischen Einheit auf der Grundlage der
Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit höchste Bedeutung“ beimessen.
Wenn man den Vertrag heute liest, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass
er aus einer anderen Epoche stammt. Vor allem das so eindeutige Bekenntnis zu
einem vereinten Europa der Werte, das mehr sein will als Freihandelszone und
Umverteilungsmechanismus, zu einem Europader Menschenrechte, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit, würde heute wohl keine Mehrheit im polnischen Sejm finden. Die
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Welle eines neuen Nationalismus, der „Brüssel“ zum Feind erkoren hat, hat ganz
Europa erfasst, aber Polen stärker als die meisten anderen Länder der EU. Allerdings
ist es gerade das Bekenntnis zu einem vereinten Europa, das das Fundament bildet,
auf dem der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag ruht. Daher die prominente
Platzierung „Europas“ in diesem Vertrag.
Das Projekt der europäischen Einigung war seit jeher von der Hoffnung getragen, dass
nationale Egoismen überwunden und ein europäischer Gemeinsinn geschaffen werden
könne, eingebettet in ein enges transatlantisches Verhältnis. Doch dieses Projekt, das
in der Sicht seiner Anhänger das Wohlstand und Frieden in Europa überhaupt erst
ermöglicht hat, ist heute akut gefährdet. Die Zahl der Gegner ist größer denn je.
Innerhalb Europas polemisieren populistische Parteien gegen die „Brüsseler
Bürokratie“ und die vermeintlich „deutsche Dominanz“ in der EU. Außerhalb Europas
sind esautoritäre Nationalisten wie Donald Trump und Vladimir Putin, die offen auf
eine Schwächung oder gar Spaltung der EU hinarbeiten. Dennfür sieist ein vereintes
und wirtschaftliches starkes Europa der Menschenrechte, Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit, das zudem auch noch eine Führungsrolle beider Reduzierung des
weltweiten CO2-Ausstosses übernimmt, eine Provokation und politische Bedrohung.
Das Europa der Werte - und mit ihm der Geist, der den deutsch-polnischen
Nachbarschaftsvertrag beseelte - genießt auch weiterhin Unterstützung. Es sind vor
allem die gut Ausgebildeten, Menschen mit internationaler Erfahrung, oft auch gerade
die jüngeren Menschen, die „Generation Erasmus, “die die Chancen eines vereinten
Europas sehen und nicht schon deshalb um den Bestand des Nationalstaates fürchten,
weil dieser in europäische Strukturen und multilaterale Vereinbarungen eingebunden
ist. Diese Menschen leben vor allem in Europas Städten, in London, Paris, Berlin, aber
eben auch in Rotterdam, Saragossa, Helsinki und Breslau.
Mehr denn je kommt es heute auf die Stimme und das Beispiel dieser Städte an, um
die in den Jahrzehnten mühsam errungene internationale Ordnung zu verteidigen. Sie
sind dazu aufgerufen, sich gegen die Welle des neuen Nationalismus und
Autoritarismus zu stellen. Gleichzeitig müssen sie sich als Laboratorien begreifen, in
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denen nach Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit gesucht wird, sei es, um
die wachsende Diskrepanz zwischen wirtschaftlich dynamischen Städten und
Stagnation auf dem Land entgegenzusteuern, sei es um eine effiziente und
mehrheitsfähige Balance zwischenlokaler und nationaler Eigenständigkeit auf der
einen und internationaler und supranationaler Einbindung auf der anderen Seite
herzustellen, oder sei es, um die globale Erwärmung aufzuhalten.
Als Donald Trump im Frühjahr 2017 den Ausstieg der USA aus dem Pariser
Klimaabkommen mit den Worten verkündete, als amerikanischer Präsident
repräsentiereer nun einmal Pittsburgh und nicht Paris, löste er einen Sturm der
Entrüstung in Pittsburgh aus. Die einstige Stahlstadt ist nämlich längst zur Bildungs-
und High Tech Metropole geworden, die den Klimawandel ernst nimmt und am
ökologischen Stadtumbau arbeitet. Daher verwahrte sich Pittsburgh populärer
Bürgermeister Bill Perduto mit einer öffentlichen Erklärung gegen die Vereinnahmung
durch den amerikanischen Präsidenten: „Als Bürgermeister von Pittsburgh“, twitterte
er, „kann ich ihnen versichern, dass wir im Interesse unser Bürger, unserer Wirtschaft
und unserer Zukunft den Richtlinien des Pariser Abkommens folgen werden.“ Im
November 2020 waren es dann gerade auch die Stimmen der Pittsburgher, dieTrumps
Wahlniederlagebesiegelten und die Rückkehr der USA ins Pariser Klimaabkommen
ermöglichten.
So wie Pittsburgh gegen den nationalistischen Trend im eigenen Land aufbegehrte
und für das Pariser Klimaabkommen in die Bresche sprang, ist Breslau wie kaum eine
andere Stadt in Polen dazu prädestiniert, die Werte des deutsch-polnischen
Nachbarschaftsvertrages und des ihm zugrunde liegenden europäischen Gedankens zu
verteidigen. Die schlesische Metropole ist in den letzten dreißig Jahren zu einem
symbolischen Ort der deutsch-polnischen Verständigung und der europäischen
Integration geworden. Gerade in dieser großen polnischen Stadt, die einst eine
deutsche war, ist der Geist des Nachbarschaftsvertrages gelebte Realität. Immer
wieder hat Breslau in den vergangenen drei Jahrzehnten mutige Zeichen der
Verständigung zwischen Deutschen und Polen wie überhaupt zwischen den Kulturen
gesetzt. Breslau hat sich dabei neu erfunden als polnische Stadt mit einer deutschen
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Vergangenheit in einem vereinten Europa. Breslau ist das Strasbourg an der Oder,
Metropole einer europäischen Brückenlandschaft, eine Stadt mit Modelcharakter weit
über die Grenzen Polens hinaus. Darauf beruht Breslaus wirtschaftliche und kulturelle
Dynamik. Aber daraus erwächst der Stadtauch eine besondere Verantwortung. Sie ist
aufgerufen, den Geist des Nachbarschaftsvertrags und die europäische Idee
hochzuhalten, gerade wenn es Gegenwind gibt, wenn nötig aufmüpfig zu sein.
Schließlich liegt auch die kreative Aufmüpfigkeit in der DNA des polnischen Breslau.
Juni 2021