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KSIKrisen-, Sanierungs-
und
Insolvenzberatung
Wirtschaft
Recht
Steuern
Herausgeber:
Peter Depré, Rechtsanwalt und Wirt­
schaftsmediator (cvm), Fachanwalt für
­Insolvenzrecht
Dr. Lutz Mackebrandt, Unternehmens-
berater, Präsidiumsmitglied des BDU
Gerald Schwamberger, Wirtschaftsprüfer
und Steuerberater, Göttingen
Herausgeberbeirat:
Prof. Dr. Paul J. Groß, Wirtschaftsprüfer,
­Steuerberater, Köln
WP/StB Prof. Dr. H.-Michael Korth,
Präsident des StBV Niedersachsen/Sachsen-
Anhalt e.V.
Prof. Dr. Harald Krehl, DATEV eG, Nürnberg
Prof. Dr. Jens Leker, Westfälische
Wilhelms-Universität Münster
Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Rektor der
­Handelshochschule Leipzig (HHL)
Dr. Wolfgang Schröder, Rechtsanwalt
und Notar, Berlin
Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck, Richter a. D.,
Honorarprofessor an der Universität zu Köln
Udo Wittler, Sanierungs- und Krisenberater,
Hamm
www.KSIdigital.de
69037
	 Der deutsche Restrukturierungsmarkt [Alexander
Jaroschinsky / Prof. Dr. Henning Werner, 149]
Die Rolle des monetären Markenwerts in der Krise
[Prof. Dr. Markus W. Exler / Giuseppe Sorrentino, 154]
Besondere Herausforderungen des Personalmanage­
ments in der Insolvenz [Dr. Christoph Ruiner / Marco
Rupprecht, 160]
Endgültige Verabschiedung des IDW S 11 zur Beurtei­
lung der Insolvenzreife [Dr. Bernhard Becker / Bernhard
Bieckmann / Konrad Martin / Prof. Dr. Stefan Müller,
164]
	 Nachgefragt: Wie hat die Praxis den Entwurf der
GoRS aufgenommen? [Burkhard Jung, 168]
Grundlagen ordnungsgemäßer Restrukturierung und
Sanierung (GoRS) [Fachverband Sanierungs- und
Insolvenzberatung des BDU e. V., 170]
Zeitpunkt der Verlustrealisierung nach § 17 EStG
im Falle einer Liquidation [Prof. Dr. Sylvia Bös /
Dr. Andreas Schwarz, 180]
Praxisforum
Fallstudien
Arbeitshilfen
Strategien
Analysen
Empfehlungen
04.11. Jahrgang
Juli/August 2015
Seiten 145–192
15
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Lizenziert für Prof. Dr. Markus W. Exler, Giuseppe Sorrentino.
Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.
KSI 4/15	 154 Markenwerte in der Krise
	 *	 Prof. Dr. Markus W. Exler ist Partner der Quest Consulting AG, Rosenheim, so-
wie wissenschaft­licher Beirat im BDU-Fachverband Sanierungs- und Insolvenz-
beratung und Direktor des Instituts für Grenz­überschreitende Restrukturierung
der Fachhochschule Kufstein (Details unter: dr-exler.de sowie restrukturierung.
fh-kufstein.ac.at). Giuseppe Sorrentino, M.A, ist als IP Consultant bei der
Brand­stock Services AG München tätig und spezialisiert auf die Bewertung von
immateriellen Vermögenswerten.
	 1	 Vgl. Domizlaff, Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens, 2005, S. 68.
	 2	 Vgl. Gaiser/Linxweiler/Brucker, Praxisorientierte Markenführung, 2005, S. 10.
	 3	 Vgl. § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB; (IFRS) IAS  38.48 und 38.63; (US-GAAP)
SFAS 142.10.
	 4	 Zuordnung der befragten Experten: 13 aus dem Bereich Markenbewertung/
Brand Management; 5 Wirtschaftsprüfung/Steuerberatung; 7 Insolvenz­
verwalter.
	 5	 Vgl. BrandZ, Top 100, Most Valuable Global Brands, 2014.
	 6	 Vgl. Interbrand, Best Global Brands, 2014.
	 7	 Vgl. Brand Finance, Global 500, The annual report on the world’s most valuable
global brands, 2014.
	 8	 Vgl. Ocean Tomo, Annual Study of Intangible Asset Market Value, 2015.
1. Einführung
In der Vergangenheit herrschte sehr lange
Uneinigkeit über die richtige Methode der
Markenbewertung und ihre Anwendbarkeit
in der Praxis. Betrachtet man die Ergebnisse
der drei international renommierten Mar-
kenbewertungs-Agenturen und Ranking-
plattformen Interbrand, Millward Brown
sowie BrandFinance, werden die Diskrepan-
zen deutlich. Während Millward Brown5
der
Marke Google 2014 einen monetären Mar-
kenwert von 158,8 Mrd. USD zuweist, bewer-
tet Interbrand6
Google mit 107,4 Mrd. USD
und BrandFinance7
weist im selben Jahr einen
Wert von 68,6 Mrd. USD aus. Auch die wei-
teren ermittelten monetären Werte gehen
größtenteils sehr stark auseinander. Schenkt
man diesen populärwissenschaftlichen Ran-
kings, welche sich großer Bekanntheit er-
freuen, zu großes Vertrauen, kann man be-
rechtigterweise die Glaubwürdigkeit und
Validität der Markenwertermittlung in Frage
stellen.
Wie bewertet man nun eine Marke, was sind
die Parameter und dessen Einflussfaktoren?
Diese Problematik hat auch die entscheiden-
den Gremien, Ausschüsse und Normungsin-
stitute erreicht. Der IDW-Fachausschuss für
Unternehmensbewertung und Betriebswirt-
schaft hat am 23. 5. 2011 eine weitere Fort-
setzung des 2007 in Kraft getretenen IDW
S 5 verabschiedet. Darin werden neben den
allgemeinen Grundsätzen zur Bewertung
immaterieller Vermögenswerte nun auch die
Besonderheiten bei der Bewertung von Mar-
ken und kundenorientierten immateriellen
Werten dargestellt.
Auch die International Standards Organiza-
tion (ISO) hat in einem weltweiten Abstim-
mungsprozess mit der Norm DIN ISO 10668
Brand Valuation – Requirements for mone-
tary brand valuation einheitliche Kriterien
für die Bewertung von Marken verabschie-
det und schafft damit einen Leitfaden für die
Markenbewertung. Die Normen und Stan-
dards sollen das Vertrauen in die Markenbe-
wertung stärken und dem Stigma der hohen
Volatilität entgegenwirken. Weiter spiegelt
die Beschäftigung verschiedener Normaus-
schüsse, Institutionen und Beratungsunter-
nehmen mit dem Phänomen „Markenwert“
die Relevanz dieses immateriellen Treibers
als wertschöpfendes und bewertbares Asset
wider.
Eine Auswertung der am S&P 500 gelisteten
Unternehmen zeigt, dass sich der Anteil immaterieller Vermögens-
werte am Gesamtunternehmenswert im Zeitablauf sehr stark erhöht
hat. Der Buchwertanteil am Marktwert fiel von 83 % im Jahr 1975 auf
rund 16 % im Jahr 2015, was dazu führt, dass ein erheblicher Anteil
des Unternehmenswerts – in Form von Reputations- und intellektu-
ellem Kapital – nicht mehr direkt aus der Bilanz ersichtlich ist8
.
Die Rolle des monetären
Markenwerts in der Krise
Ermittlungsverfahren und argumentative
Ein­bindung
Prof. Dr. Markus W. Exler / Giuseppe Sorrentino*
Die Sicherung einer Monopolstellung in der Psyche der Verbraucher – so
definierte bereits 1939 Domizlaff das Ziel der Markentechnik auf kognitiv-
emotionaler Ebene1
. Durch die darin antizipierte risikoreduzierende sowie
präferenzbildende Funktion der Marke können sodann aus ökonomischer
Sicht (zusätzliche) Umsätze generiert und stabilisiert werden, wodurch ein
monetärer Markenwert errechenbar wird2
. Trotz des Aktivierungsverbots
selbstgeschaffener Marken3
stellen diese wertvolle, wenn auch stille Reserven
im Unternehmen dar und können auch in Krisenzeiten gehoben und effizient
genutzt werden. Die Ergebnisse des folgenden Beitrags beruhen auf einer
empirischen Erhebung mittels 25 persönlich geführter Experteninterviews
in der DACH-Region zum Thema Markenbewertung und Rolle des monetären
Markenwerts in einer Insolvenzsituation4
.
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KSI 4/15	 155Markenwerte in der Krise
	 9	 Vgl. Dillerup/Stoi, Unternehmensführung, 2013, S. 854.
	10	 Vgl. PricewaterhouseCoopers, Markenstudie, 2012, S. 10 f.
	11	 Drucker, Harvard Business Review on Knowledge Management 1998 S. 69.
	12	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 59.
	13	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 77, 80.
	14	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 23, 60; DIN ISO 10668, 2010, S. 8 (5.2.2).
	15	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 43, 74-76; DIN ISO 10668, 2010, S. 10 (5.2.3.1).
	16	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 23, 41; DIN ISO 10668, 2010, S. 8 (5.2.1).
	17	 Vgl. Ocean Tomo, Annual Study of Intangible Asset Market Value, 2015.
eines adäquaten risikoangepassten Kapitalisierungszinssatzes für die
Marke14
.
Bei der Wahl eines kapitalwertorientiertem Verfahrens wird der Wert
der Marke durch Diskontierung der direkt zugerechneten künftigen
finanziellen Überschüsse zum Bewertungsstichtag, die aus der Nut-
zung der Marke während der erwarteten wirtschaftlichen Nutzungs-
dauer generiert werden, ermittelt.
Der Kapitalisierungszinssatz für die Marke orientiert sich in erster
Linie an dem des gesamten Unternehmens. In der Praxis wird hierbei
der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz (WACC) herange-
zogen, wobei die Standards je nach individueller Markenstärke eine
Adjustierung des Diskontierungszinssatzes nach oben sowie nach
unten erlauben.
Zur Ermittlung des vermögenswertspezifischen Eigenkapitalkosten-
satzes wird auf das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurückge-
griffen15
. Die Summen dieser diskontierten MCF werden zu einem
Barwert aggregiert und repräsentieren den finalen Markenwert16
.
Hiermit adaptiert man das aus der Unternehmensbewertung be-
kannte Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF) und ersetzt die ge-
samtunternehmerische Gewinngröße durch eine der Marke direkt
zurechenbare Überschussgröße.
Wird nach IDW S 1 der Unternehmenswert anhand des DCF-Verfah-
rens bewertet, erhält man den Gesamt-Unternehmenswert mit all den
darin enthaltenen materiellen und immateriellen Vermögenswerten.
Dies klingt plausibel, da eben durch das Zusammenwirken aller ma-
teriellen und immateriellen Vermögensbestandteile die zu diskontie-
Der Buchwert von beispielsweise P&G zum
31. 12. 2011 lag bei 51,7 Mrd. €, während der
Marktwert bei 207,3 Mrd. € lag9
. PwC führte
2012 zum dritten Mal eine Markenstudie
durch und befragte u. a. die 100 umsatz-
stärksten Unternehmen in Deutschland nach
dem monetären Wert(anteil) ihrer Marke
(vgl. Abb. 1). Laut Studie schätzt das deut-
sche Topmanagement den Anteil der Marke
am Gesamtunternehmenswert auf durch-
schnittlich 50 %. Dass die Marke zu den
wichtigsten Einflussfaktoren des Unterneh-
menserfolgs zählt, bestätigten 91 % der Be-
fragten10
. Daraus lässt sich die Notwendig-
keit ableiten, diese wichtigen Erfolgsfaktoren
zu identifizieren, zu messen und zu steuern.
Hier gilt wie in allen betriebswirtschaftli-
chen Disziplinen: „If you can’t measure it,
you can’t manage it“11
.
2. Anwendung alternativer Marken­
bewertungsverfahren
Abb. 2 zeigt auf S. 156 die von den Normen
und Standards veröffentlichten Grundmo-
delle der anwendbaren Markenbewertungs-
verfahren, wobei den kapitalwertorientier-
ten Verfahren der Vorzug einzuräumen ist,
die auch in der Bewertungspraxis die höchste
Akzeptanz genießen. Innerhalb dieser kapi-
talwertorientierten Verfahren stehen sich
alle Methoden zunächst gleichwertig gegen-
über12
.
Der Bewerter hat sodann die Aufgabe, an-
hand von Kriterien wie Anlass der Bewer-
tung (z. B. Transaktion oder interne Marken-
steuerung), Markenart (Produkt- oder
Dachmarke) und den zur Verfügung stehen-
den Informationen das sich am besten eig-
nende Verfahren auszuwählen, wobei eine
Plausibilisierung durch ein weiteres Verfah-
ren empfohlen wird13
, um durch eine integ-
rierte Abweichungs- und Szenario­analyse
Diskrepanzen aufzudecken.
Unabhängig von der gewählten Methode be-
steht die zentrale Aufgabe der Bewertung in
der Identifizierung und Abgrenzung der
markenrelevanten Umsätze. Das beinhaltet
konkret zunächst, die markeninduzierten
bzw. die durch das Vorhandensein der Marke
beeinflussten und insbesondere ausgelösten
Umsätze zu extrahieren, ferner die Progno-
seplanung bewertungs­relevanter Mar-
ken-Cashflows (MCF) sowie die Ableitung
Abb. 1:
Anteil immaterieller
und materieller Vermö­
gensgüter am Gesamt­
unternehmenswert17
Eine erste Indika-
tion des Marken-
werts liegt im Zu-
sammenhang mit
der Abzinsung
zukünftiger freier
Cashflow-Größen.
17%
32%
68%
80% 84%
83%
68%
32%
20% 16%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
1975 1985 1995 2005 2015*
immaterielle Vermögenswerte materielle Vermögenswerte
Marktwert=100%
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KSI 4/15	 156 Markenwerte in der KriseErst im Zusam-
menspiel mit allen
anderen Vermö-
genswerten er-
wirtschaftet die
Marke Erträge.
	18	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 71-73; DIN ISO 10668, 2010, S. 10 (5.2.3.2).
3. Genaue Betrachtung der Marken­
bewertungsparameter
3.1 Parameter im Überblick
Der IDW S 5 sowie die DIN ISO 10668 geben
wie bereits beschrieben eine Reihe kapital-
wertorientierter Verfahren vor. Der WACC
stellt hierbei die Basis für den Kapitalisie-
rungszinssatz dar, wodurch eine erste theore-
tische Parameterübereinkunft zwischen Un-
ternehmens- und Markenbewertung erreicht
wird. Die Parameter zur Ermittlung des WACC
können je nach Anlass der Bewertung aus
unternehmensinternen oder marktorientierten
Daten ermittelt werden. Bei einer markt­orientierten Bewertung wer-
den einzelne WACC-Variablen, insbesondere die der Kapitalstruktur,
aus einer Peer Group (Vergleichsunternehmen) abgeleitet und im ähn-
lichen Verfahren wie bei der Unternehmensbewertung auf das Bewer-
tungsobjekt projiziert.
Zum einen wird diese übertragende Anwendung des WACC von den
Experten bekräftigt, da die Marke fest mit allen Unternehmensberei-
chen verbunden ist, sodass der gleiche Kapitalisierungszinssatz wie
für alle anderen Assets herangezogen werden muss. Erst im Zusam-
menspiel mit allen anderen Vermögenswerten erwirtschaftet die
Marke Erträge, womit die Zuordnung eines anderen Risikoprofils als
unzweckmäßig eingestuft wird.
Andererseits wurde bei einer strukturellen Gegenüberstellung der
Assets (immaterielle im Vergleich mit den materiellen Vermögens-
werten) ein höheres Risiko bzw. eine größere Volatilität unterstellt,
welches mit einem grundsätzlichen Aufschlag auf den Diskontie-
rungsfaktor zu berücksichtigen wäre und als Adjustierungsmöglich-
keit von den Standards gedeckt ist.
Vor dem Hintergrund, dass eine starke Marke mit Attributen wie
Loyalität, Vertrauen, Präferenzbildung, etc. ausgestattet ist und eine
risikoreduzierende Wirkung auf Konsumenten-Seite auslösen soll,
bleibt kritisch zu hinterfragen, ob die Marke aufgrund ihrer imma-
teriellen Natur prinzipiell als volatiler eingestuft werden darf und
somit mit einem grundsätzlich höheren Risiko behaftet ist als ver-
gleichsweise materielle Vermögensgegenstände. Eine starke Marke
als Garant für zukünftige Cashflows zu deklarieren und parallel eine
generell überdurchschnittlich hohe Volatilität zu unterstellen, stellen
Anschauungen aus zwei verschiedenen Paradigmen dar.
In der Bewertungspraxis der befragten Experten sind bei sehr starken
Marken auch Abschläge auf den Diskontierungsfaktor möglich, was
aber einer belastbaren Argumentationsgrundlage bedarf. Eine weitere
Parameterübereinkunft wird durch den Ansatz einer unbestimmten
Nutzungsdauer (Terminal Value) erreicht. Der Ansatz einer unbe-
stimmten Nutzungsdauer für die Marke wird grundsätzlich von der
DIN ISO 10668 als auch dem IDW S 5 nicht verneint, wobei letzterer
den Ansatz insbesondere für Produktmarken unter strengere Kriterien
bindet18
. In der Praxis wird überwiegend der Terminal Value in An-
renden finanziellen Überschüsse generiert
werden. Der darin antizipierte und enthaltene
Wertanteil für immaterielle Vermögenswerte
und damit der Marke selbst stellt somit einen
nicht exakt identifizierten Anteil am Unter-
nehmenswert bzw. Goodwill dar. Dies führt zu
der Annahme, dass die theoretische Summe
aller einzeln bewerteten immateriellen Assets
im Wesentlichen dem Goodwill entspricht,
welcher mittels des DCF-Verfahrens ermittelt
wurde.
Betrachtet man die einzelnen immateriellen
Vermögenswerte und damit auch den Mar-
kenwert als strikte passgenaue Teilgröße des
Unternehmenswerts, sollte die Ermittlung
der einzelnen Bezugsgrößen (Diskontie-
rungsfaktor/Überschussgröße) einer ähnli-
chen Systematik und Herleitung folgen.
Falls dies nicht der Fall ist, kann der ermit-
telte Markenwert nicht als folgerichtiger
Bestandteil des Unternehmenswerts be-
trachtet werden. Die Gegenüberstellung der
Marken- und Unternehmensbewertungsfor-
mel zeigt die konzeptionelle Ähnlichkeit
beider Modelle:
�� � �
����
�1 � ��������
�
����
������� � ��
�
���
�
1
�1 � ��������
�� �	�
���
�1 � ������
�
���
�
���
����� � ��
�
1
�1 � ������
	
       MW	 =	Markenwert
UW	 =	Unternehmenswert
WACC	 =	 Kapitalisierungszinssatz (Weighted 	
		 Average Cost of Capital)
iMarke	 =	 Vermögens- bzw. markenwertspezifische 	
		 Kapitalkosten in Anlehnung an WACC
(M)CF	 =	 (Marken-)Cashflows in der Planperiode t 	
		(Detailplanungsphase)
(M)CFT	 =	 (Marken-)Cashflow ab der Periode T
		 (Terminal Value bzw. Resudialwert)
g	 =	 ewige nominelle Wachstumsrate der 	
		 (Marken-)Cashflows nach T
Abb. 2:
Einteilung der Marken­
bewertungsverfahren
Marktpreisorientierte
Verfahren
n
	Marktpreise auf aktivem Markt
n
	Analogiemethode
Kapitalwertorientierte
Verfahren
n
	Methode der unmittelbaren 	
	Cashflow-Prognose
n
	Mehrgewinnmethode
n
	Methode der Lizenzpreis-
	analogie
n
	Residualwertmethode
Kostenorientierte
Verfahren
n
	Reproduktionskostenmethode
n
	Wiederbeschaffungskosten-	
	Methode
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KSI 4/15	 157Markenwerte in der Krise Da die einzelnen
Bewertungsver-
fahren die Marke
aus verschiede-
nen Blickwinkeln
betrachten,
kommt es zu ab-
weichenden Über-
schussgrößen.
	19	 Vgl. IDW S  1, 2008, Tz. 127.
	20	 Zu den Adjustierungen vgl. Exler, Bewertung und Verkauf mittelständischer
Unternehmen, 2013, S. 78.
	21	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 77.
	22	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 31, 32; DIN ISO 10668, 2010, S. 10 (5.2.2.7); Wulf, Imma-
terielle Vermögenswerte nach IFRS, 2008, S. 67.
	23	 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 33-36; DIN ISO 10668, 2010, S. 9 f. (5.2.2.3, 5.2.2.6); zur
genaueren Berechnung vgl. Pauly-Grundmann, Markenbewertung. Der objekti-
vierte Markenwert unter besonderer Berücksichtigung des Income Approach,
2010, S. 93 ff.
kontierenden MCF ergeben sich durch Multiplikation der ermittelten
Lizenzrate mit den jeweiligen Planumsätzen abzüglich der Unter-
nehmenssteuer22
.
Während die Cashflow-Größe der Unternehmensbewertung auf der
Basis der GuV sukzessive zahlungsunwirksame Aufwendungen und
Erträge korrigiert, um zu einer Ausschüttungsgröße zu gelangen,
betrachtet die Lizenzpreisanalogie den immateriellen Vermögensge-
genstand Marke stark isoliert. Während sich beispielsweise ineffizi-
ente Kostenstrukturen und mangelndes Working Capital Manage-
ment etc. direkt auf die Unternehmens-Cashflows (UCF) und damit
auf den Unternehmenswert auswirken, beeinflusst dies die Höhe der
MCF nur peripher, da bei einer fiktiv angenommenen Markenlizen-
zierung lediglich die Lizenzeinnahmen aus Sicht des Lizenzgebers
bzw. Lizenzausgaben aus der Sicht des Lizenznehmers den reinen
Wert der Marke widerspiegeln. Mögliche gesamtunternehmerische
Ineffizienzen müssen nicht zwangsweise eine Auswirkung auf das
kapitalisierbare Markenpotenzial haben.
3.3 Mehrgewinnmethode
Bei der Mehrgewinnmethode ermittelt man den durch die Marke
initiierten Mehrgewinn anhand von Preis- bzw. Mengenpremien im
Verhältnis zu einem nicht-markierten generisch vergleichbaren Pro-
dukt. Die zu diskontierenden MCF ergeben sich somit durch den er-
mittelten Preisabstand des Markenprodukts zu einem sog. No-Name-
Produkt (ggf. auch Handelsmarke) multipliziert mit der abgesetzten
Menge abzüglich zusätzlich entstandener (Marketing-)Mehraufwen-
dungen für das Markenprodukt und Steuern. Die Mehrgewinnme-
thode setzt damit den Fokus auf die durch die Marke initiierten und
am Markt durchsetzbaren Preis- und Mengenpremien und errechnet
daraus den zu diskontierenden Über- bzw. Mehrgewinn23
.
Schrumpfende Absatzvolumina und/oder Preissenkungen als mög-
liche Folgen einer Krise haben somit einen direkten Einfluss auf den
Markenwert. Solange jedoch Produkte unter Berücksichtigung der
Markenmehraufwendungen mit einem Preispremium abgesetzt wer-
den, existiert trotz negativer Cashflows des Gesamtunternehmens ein
monetärer Markenwert.
4. Das Markenwertgutachten
Die o. g. empirische Untersuchung hat er­geben, dass ein fundiertes
Markenwertgutachten nicht nur Transparenz durch eine integrierte
und für die Bewertung notwendige Brand-Due-Diligence schafft,
sondern auch die Grundlage für die Erzielung eines höheren Kauf-
satz gebracht – dies muss jedoch insbeson-
dere bei Produktmarken entsprechend argu-
mentativ belegt werden.
Betrachtet man die Herleitung der Über-
schussgröße für die Unternehmensbewertung
(Entity), bezieht sich diese meist auf eine
Überschussgröße wie beispielsweise den Free
Cashflow (FCF). Die Herleitung dieser FCF
kann in seiner generischen Ermittlung als
standardisiert bezeichnet werden19
, wobei je
nach Bewertungsanlass unter Berücksichti-
gung des Einzelfalls auch begründbare Ad-
justierungen möglich sind20
.
Die Markenbewertung muss nun einen wei-
teren Schritt integrieren, um den mar-
keninduzierten Anteil der Überschussgröße
– unter Berücksichtigung verhaltenswissen-
schaftlicher Parameter – zu identifizieren
bzw. herzuleiten. Der Bewerter wird in die-
sem Zusammenhang angehalten, den ermit-
telten Markenwert ins Verhältnis zum Ge-
samtwert bzw. zur Marktkapitalisierung
sowie zu anderen wesentlichen Werttreibern
des Unternehmens zu setzen und damit zu
überprüfen21
.
Da die einzelnen Bewertungsverfahren die
Marke aus verschiedenen Blickwinkeln be-
trachten, kommt es damit zu abweichenden
Überschussgrößen. Dies soll nachfolgend
anhand einer kurzen Beschreibung der Li-
zenzpreisanalogie und der Mehrgewinnme-
thode verdeutlicht werden. Diese werden
hier vereinfacht dargestellt.
3.2 Lizenzpreisanalogie
Bei der Anwendung der Lizenzpreisanalogie
als kapitalwertorientiertes Markenbewer-
tungsverfahren werden die Lizenzentgelte
berechnet, welche ein Unternehmen fiktiv
aufzuwenden hätte, wenn es nicht im Besitz
der betreffenden Marke wäre, sondern diese
von einem Dritten lizenzieren würde. Der
Markenwert entspricht sodann dem Barwert
der Lizenzersparnisse aus dem Eigentum der
Marke. Die fiktiven Lizenzzahlungen werden
anhand von marktüblichen Lizenzraten für
vergleichbare Marken abgeleitet.
In der Praxis gibt es diverse Datenbanken mit
verfügbaren Lizenzraten, anhand dessen
eine Analogie zum Bewertungsobjekt unter
Berücksichtigung mathematisch-statisti-
scher und verhaltenswissenschaftlicher Ver-
fahren hergestellt werden kann. Die zu dis-
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KSI 4/15	 158 Markenwerte in der KriseImmaterielle Ver-
mögenswerte
gewinnen in den
Jahresabschlüs-
sen zunehmend
an Bedeutung.
	24	 Zum Multiplikatorverfahren vgl. Exler, Bewertung und Verkauf mittelständischer
Unternehmen, 2013, S. 83 ff.
	25	 Vgl. Brückner/Przyklenk, Lost Brands – vom Aufstieg und Niedergang starker
Marken, 2013, S. 147 f.
vorab vereinbarte Rückkaufklausel besteht sodann die Möglichkeit,
die Marke zurückzukaufen, in der Bilanz zu aktivieren und damit die
Eigenkapitalbasis anzuheben.
5. Voraussetzungen für die Erzielung von Markenwerten
in der Insolvenz
Um einen realisierbaren monetären Markenwert in der Insolvenz zu
erzielen, sehen die in der Untersuchung Befragten in erster Linie
einen markenfernen Insolvenzgrund als Voraussetzung. Möglicher-
weise waren getätigte Fehlinvestitionen, veraltete Wertschöpfungs-
strukturen oder der Absprung eines Großkunden der Auslöser einer
Krise und der sich anschließenden Insolvenz, was das Markenimage
in erster Linie nicht tangiert und erodieren lässt, sodass es weiterhin
zufriedene und kaufende Kunden gibt, die womöglich die Insolvenz
nicht wahrnehmen. Ebenso kann die Marke vom Betrieb losgelöst
und verwertet werden. Hier versprechen sich mögliche Interessenten
das positiv aufgeladene Image der Marke einzukaufen, um dies als
Vehikel für den Eintritt in weitere naheliegende Markt- und Kun-
densegmente zu nutzen und Kosten für den Markenaufbau einzu-
sparen.
Hierbei ist jedoch entscheidend, wie transportabel die Marke ist und
wie gut diese in die eigene Unternehmensstruktur eingepasst werden
kann. Verfügt eine Marke noch über hohe Bekanntheitswerte, aus-
gestattet mit einer positiven Reputation, so kann diese (wie im Fall
der Marke Creme 21, vormals Henkel, welche nach längerer Markt-
abstinenz in Deutschland unter neuem Betrieb und mit neuem Ei-
gentümer revitalisiert wurde) Umsätze bzw. Cashflows für das Un-
ternehmen erzeugen25
. Somit hat eine Marke für die Befragten stets
einen verhaltenswissenschaftlichen Markenwert, auch wenn das
Unternehmen keine Cashflows generiert.
Um einen monetären Wert auszuweisen, kommt es jedoch stets dar-
auf an, dass diese Markenstärkewerte auch gleichzeitig kapitalisiert
und damit realisiert werden. Deshalb ist es wichtig, das Bewertungs-
verfahren auch auf den Anlass der Bewertung abzustimmen und ver-
schiedene Zukunftsszenarien mit der Marke zu betrachten, um die
womöglich geringe Auswirkung der Krise auf die realisierbaren Mar-
kenertragspotenziale abzubilden.
An dieser Stelle kann die Anwendung der Lizenzpreisanalogie und/
oder der Mehrgewinnmethode aus marktorientierter Sichtweise in-
teressant werden, da diese wie bereits beschrieben einen hohen Iso-
lierungsgrad der Marken-Cashflows vornimmt. Die Befragten räu-
men ein, dass potenzielle strategische Investoren der gleichen
Branche um die Macht einer starken Marke wissen und unter diesen
Aspekten auch bereit sind, trotz negativer Cashflows des gesamten
Unternehmens die Marke bzw. das der Marke zugesprochene Kun-
denvertrauen zu erwerben. Damit können ohne größere zusätzliche
Investitionen – ggf. mit der gleichen, jedoch effizienteren Wertschöp-
fung – nicht nur wieder positive Cashflows erwirtschaftet werden,
sondern sehr günstig zusätzliche Marktanteile erworben werden.
preises legt. Unter der Voraussetzung eines
hohen markeninduzierten Umsatzanteils
wird die Verhandlungsposition gestärkt, so-
mit ein ambitionierter Gesamtkaufpreis ge-
rechtfertigt sowie das Heran­ziehen eines
höheren Multiplikators24
ermöglicht, womit
das Transaktionsvolumen erhöht werden
kann. Die zentrale Begründung hierfür liegt
zunächst in den Attributen und Wirkungs-
weisen einer Marke verankert: Wie bereits
ausgeführt, sichert eine starke Marke zu-
künftige Cashflows ab und agiert somit als
starke und risikoreduzierende Determinante
in den volatilen Zukunftsprognosen.
Ist ein großer Anteil der Umsätze marken­
induziert, gilt dieser als resistenter und sta-
biler, da Attribute wie hohe Bekanntheit,
Markenloyalität, Markenvertrautheit, Mar-
kenpräferenz sowie starke und positive Iden-
tifikationsfläche erfüllt sind, welche die ver-
haltenswissenschaftliche Basis für die
monetär übersetzbaren Markenumsätze dar-
stellen. Durch die zusätzliche Integration
mehrerer Markenbewertungsverfahren und
Offenlegung der einzelnen Bewertungs-
schritte können die berechneten Marken-
werte besser analysiert werden.
Eben die Lokalisierung der Stellhebel des
Markenwerts schafft kommunizier- und um-
setzbare Optimierungspotenziale und er-
möglicht zudem die Implementierung einer
wertorientierten Markenführung. Es wurde
jedoch eingeräumt, dass bei jeglicher Trans-
aktion – unabhängig vom Verkaufssubjekt
– der Kaufpreis sehr stark von der Anzahl der
potenziellen Käufer und der Verhandlungs-
macht der jeweiligen Partei i. V. mit deren
Erwartungen hinsichtlich finanziell reali-
sierbarer, ggf. durch die Marke initiierter
Synergieeffekte abhängt.
Um private Kapitalgeber und Investoren an-
zusprechen, wird in der Praxis häufiger der
Markenwert als stille Reserve im Geschäfts-
bericht oder auch im Wertpapierprospekt
nach außen kommuniziert. Ebenso besteht
die Möglichkeit, für Marken ein Sale-and-
lease-back- Modell zu konstruieren. Bei die-
ser Vorgehensweise wird die Marke entweder
an eine eigens dafür gegründete IP-Holding
oder einen externen Dritten verkauft und
gleichzeitig rücklizenziert, wodurch die stille
Reserve Marke gehoben und kapitalisiert
wird, was wiederum zu einer Verbesserung
der Liquidität und Bonität führt. Durch eine
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KSI 4/15	 159Markenwerte in der Krise Das positiv be-
legte Image einer
Marke ist in der
Insolvenz ein
durchaus wert-
haltiges Asset.
	26	 Vgl. Nestler/ Hunkemöller, Der Wert der Marke in der Insolvenzpraxis, ZInsO,
H. 48/2009, S. 2234.
	27	 Ebenda, S. 2235.
	28	 Vgl. DIN ISO 10668, 2010, S. 10 (3.1 -3.5): Transparenz, Validität, Reliabilität,
Hinlänglichkeit, Objektivität.
	29	 „Die höchste Klugheit besteht darin, den Wert der Dinge genau zu kennen” so
François VI. De La Rochefoucauld (1613–1680).
und u. U. die Einhaltung von Gewährleistungs- und Garantieansprü-
chen den Konsumenten verunsichern, während bei Gebrauchs- und
Verbrauchsgütern, welche durch ein Zug-um-Zug-Geschäft getätigt
werden, der Tatbestand einer Insolvenz tendenziell weniger die
Marke und das Konsumentenverhalten negativ beeinflussen. Die
Krisenart und der Aggregatzustand sowie dessen potenzielle Aus-
wirkung auf die Marke bilden unter Berücksichtigung der Branche
die Determinanten des monetären Markenwerts in der Krise.
Die Beispiele Märklin oder Knirps zeigen, dass die Markenstärke in
der Insolvenz Vertrauen schafft. Solange „Fans“ kaufen können und
der „Produktnutzen“ konstant bleibt, ist es ihnen egal, ob die Firma
einst insolvent war, sodass die Unternehmenskrise längst vergessen
ist.26
„[…] In der Insolvenzpraxis wird die aktive Vermarktung der
gewerblichen Schutzrechte bisher oft stiefmütterlich behandelt. Dabei
könnte hier mit geringem Aufwand eine Massemehrung erzielt wer-
den.”27
7. Fazit
Die Markenbewertung adaptiert die Systematik sowie einzelne Para-
meter des in der Unternehmensbewertung etablierten DCF-
Verfahrens. Hierdurch, aber auch durch die hohen Anforderungen
der Standards an ein Markenwertgutachten28
, kann ein valider und
objektivierbarer monetärer Markenwert ermittelt werden und der
Unterstellung einer hohen Volatilität von monetären Markenwerten
entgegengewirkt werden. Ein solides Wertgutachten eröffnet neben
der Wertallokation auch die Möglichkeit, die Stellhebel des Marken-
werts sichtbar und damit steuerbar zu machen. Vorab sollte ein
Screening der Marke im Hinblick auf die Markenrelevanz im jewei-
ligen Markt (B2B/B2C) unter Berücksichtigung der Zielgruppe voll-
zogen werden, um damit den Beitrag der Marke am Kaufentschei-
dungsprozess zu identifizieren.
Ein Bewertungsfall eines sich im Schutzschirmverfahren befinden-
den Unternehmens zeigte, dass durch ein eingebrachtes Wertgutach-
ten die Marke nicht nur positiv auf den Überschuldungsstatus durch
Aufdecken der stillen Reserven wirkt, sondern dass der monetäre
Markenwert als Kommunikations- und Argumentationsgrundlage
– sowohl in der Gläubigerversammlung als auch gegenüber anderen
relevanten Stake- und Shareholdern – dient29
.
Hierbei ist es wichtig, dass der Krisen- bzw.
Insolvenzgrund markenfern ist und auch
nicht auf das Vertrauen und Image der Kun-
den abstrahlt.
6. Die Rolle der Marke und Bedin­
gungen der Markenverwertung in
der Insolvenz
Aus Sicht der befragten Insolvenzverwalter
sind starke und bekannte Marken während
einer Insolvenz grundsätzlich leichter zu
verwerten und dienen als starkes Argument
in den Verkaufsverhandlungen, wobei wei-
tere Markt- und Branchenfaktoren sowie die
Anzahl der interessierten Käufer berücksich-
tigt werden müssen. Das Ziel eines Marken-
wertgutachtens ist aus Sicht der Insolvenz-
verwalter weniger, den absoluten Wert der
Marke festzumachen, sondern besteht viel-
mehr darin, einen objektivierbaren, ersten
Benchmark zu setzen, um Verhandlungs-
und Verwertungsstrategien aufbauen zu
können. Die Marke kann – sowohl mit dem
dahinterstehenden Betrieb als auch isoliert
– einen zusätzlichen monetären Wert gene-
rieren, wobei die Gesamtverwertung in der
Praxis öfter zu beobachten ist.
Besteht ein stichhaltiger Sanierungsplan und
kann das Unternehmen in seiner Identität
weitergeführt werden, so ist der Wertverlust
der Marke geringer als bei der Zerschlagung
des Unternehmens. An dieser Stelle differen-
zieren die Experten weiter und machen den
erzielbaren Markenwert davon abhängig,
wie stark das Markenimage sowie das Leis-
tungsversprechen durch den Insolvenzgrund
direkt beschädigt werden, sodass beispiels-
weise eine extern induzierte (Finanz-)Krise
weniger Auswirkung auf den Markenwert
haben kann. Das Bekanntwerden einer In-
solvenz wird grundsätzlich als belastend für
die Marke eingestuft und kann die Kaufent-
scheidung der Konsumenten beeinflussen.
Eine differenziertere Betrachtung sieht grö-
ßere Gefährdungspotenziale dort, wo die
Marke für ein langfristiges Konsumgut steht
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Die Rolle des monetären Markenwerts in der Krise

  • 1. KSIKrisen-, Sanierungs- und Insolvenzberatung Wirtschaft Recht Steuern Herausgeber: Peter Depré, Rechtsanwalt und Wirt­ schaftsmediator (cvm), Fachanwalt für ­Insolvenzrecht Dr. Lutz Mackebrandt, Unternehmens- berater, Präsidiumsmitglied des BDU Gerald Schwamberger, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Göttingen Herausgeberbeirat: Prof. Dr. Paul J. Groß, Wirtschaftsprüfer, ­Steuerberater, Köln WP/StB Prof. Dr. H.-Michael Korth, Präsident des StBV Niedersachsen/Sachsen- Anhalt e.V. Prof. Dr. Harald Krehl, DATEV eG, Nürnberg Prof. Dr. Jens Leker, Westfälische Wilhelms-Universität Münster Prof. Dr. Andreas Pinkwart, Rektor der ­Handelshochschule Leipzig (HHL) Dr. Wolfgang Schröder, Rechtsanwalt und Notar, Berlin Prof. Dr. Wilhelm Uhlenbruck, Richter a. D., Honorarprofessor an der Universität zu Köln Udo Wittler, Sanierungs- und Krisenberater, Hamm www.KSIdigital.de 69037 Der deutsche Restrukturierungsmarkt [Alexander Jaroschinsky / Prof. Dr. Henning Werner, 149] Die Rolle des monetären Markenwerts in der Krise [Prof. Dr. Markus W. Exler / Giuseppe Sorrentino, 154] Besondere Herausforderungen des Personalmanage­ ments in der Insolvenz [Dr. Christoph Ruiner / Marco Rupprecht, 160] Endgültige Verabschiedung des IDW S 11 zur Beurtei­ lung der Insolvenzreife [Dr. Bernhard Becker / Bernhard Bieckmann / Konrad Martin / Prof. Dr. Stefan Müller, 164] Nachgefragt: Wie hat die Praxis den Entwurf der GoRS aufgenommen? [Burkhard Jung, 168] Grundlagen ordnungsgemäßer Restrukturierung und Sanierung (GoRS) [Fachverband Sanierungs- und Insolvenzberatung des BDU e. V., 170] Zeitpunkt der Verlustrealisierung nach § 17 EStG im Falle einer Liquidation [Prof. Dr. Sylvia Bös / Dr. Andreas Schwarz, 180] Praxisforum Fallstudien Arbeitshilfen Strategien Analysen Empfehlungen 04.11. Jahrgang Juli/August 2015 Seiten 145–192 15 ©CopyrightErichSchmidtVerlagGmbH&Co.KG,Berlin2015-(http://www.ksidigital.de)26.10.2015-14:09 587013053879 Lizenziert für Prof. Dr. Markus W. Exler, Giuseppe Sorrentino. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.
  • 2. KSI 4/15 154 Markenwerte in der Krise * Prof. Dr. Markus W. Exler ist Partner der Quest Consulting AG, Rosenheim, so- wie wissenschaft­licher Beirat im BDU-Fachverband Sanierungs- und Insolvenz- beratung und Direktor des Instituts für Grenz­überschreitende Restrukturierung der Fachhochschule Kufstein (Details unter: dr-exler.de sowie restrukturierung. fh-kufstein.ac.at). Giuseppe Sorrentino, M.A, ist als IP Consultant bei der Brand­stock Services AG München tätig und spezialisiert auf die Bewertung von immateriellen Vermögenswerten. 1 Vgl. Domizlaff, Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens, 2005, S. 68. 2 Vgl. Gaiser/Linxweiler/Brucker, Praxisorientierte Markenführung, 2005, S. 10. 3 Vgl. § 248 Abs. 2 Satz 2 HGB; (IFRS) IAS  38.48 und 38.63; (US-GAAP) SFAS 142.10. 4 Zuordnung der befragten Experten: 13 aus dem Bereich Markenbewertung/ Brand Management; 5 Wirtschaftsprüfung/Steuerberatung; 7 Insolvenz­ verwalter. 5 Vgl. BrandZ, Top 100, Most Valuable Global Brands, 2014. 6 Vgl. Interbrand, Best Global Brands, 2014. 7 Vgl. Brand Finance, Global 500, The annual report on the world’s most valuable global brands, 2014. 8 Vgl. Ocean Tomo, Annual Study of Intangible Asset Market Value, 2015. 1. Einführung In der Vergangenheit herrschte sehr lange Uneinigkeit über die richtige Methode der Markenbewertung und ihre Anwendbarkeit in der Praxis. Betrachtet man die Ergebnisse der drei international renommierten Mar- kenbewertungs-Agenturen und Ranking- plattformen Interbrand, Millward Brown sowie BrandFinance, werden die Diskrepan- zen deutlich. Während Millward Brown5 der Marke Google 2014 einen monetären Mar- kenwert von 158,8 Mrd. USD zuweist, bewer- tet Interbrand6 Google mit 107,4 Mrd. USD und BrandFinance7 weist im selben Jahr einen Wert von 68,6 Mrd. USD aus. Auch die wei- teren ermittelten monetären Werte gehen größtenteils sehr stark auseinander. Schenkt man diesen populärwissenschaftlichen Ran- kings, welche sich großer Bekanntheit er- freuen, zu großes Vertrauen, kann man be- rechtigterweise die Glaubwürdigkeit und Validität der Markenwertermittlung in Frage stellen. Wie bewertet man nun eine Marke, was sind die Parameter und dessen Einflussfaktoren? Diese Problematik hat auch die entscheiden- den Gremien, Ausschüsse und Normungsin- stitute erreicht. Der IDW-Fachausschuss für Unternehmensbewertung und Betriebswirt- schaft hat am 23. 5. 2011 eine weitere Fort- setzung des 2007 in Kraft getretenen IDW S 5 verabschiedet. Darin werden neben den allgemeinen Grundsätzen zur Bewertung immaterieller Vermögenswerte nun auch die Besonderheiten bei der Bewertung von Mar- ken und kundenorientierten immateriellen Werten dargestellt. Auch die International Standards Organiza- tion (ISO) hat in einem weltweiten Abstim- mungsprozess mit der Norm DIN ISO 10668 Brand Valuation – Requirements for mone- tary brand valuation einheitliche Kriterien für die Bewertung von Marken verabschie- det und schafft damit einen Leitfaden für die Markenbewertung. Die Normen und Stan- dards sollen das Vertrauen in die Markenbe- wertung stärken und dem Stigma der hohen Volatilität entgegenwirken. Weiter spiegelt die Beschäftigung verschiedener Normaus- schüsse, Institutionen und Beratungsunter- nehmen mit dem Phänomen „Markenwert“ die Relevanz dieses immateriellen Treibers als wertschöpfendes und bewertbares Asset wider. Eine Auswertung der am S&P 500 gelisteten Unternehmen zeigt, dass sich der Anteil immaterieller Vermögens- werte am Gesamtunternehmenswert im Zeitablauf sehr stark erhöht hat. Der Buchwertanteil am Marktwert fiel von 83 % im Jahr 1975 auf rund 16 % im Jahr 2015, was dazu führt, dass ein erheblicher Anteil des Unternehmenswerts – in Form von Reputations- und intellektu- ellem Kapital – nicht mehr direkt aus der Bilanz ersichtlich ist8 . Die Rolle des monetären Markenwerts in der Krise Ermittlungsverfahren und argumentative Ein­bindung Prof. Dr. Markus W. Exler / Giuseppe Sorrentino* Die Sicherung einer Monopolstellung in der Psyche der Verbraucher – so definierte bereits 1939 Domizlaff das Ziel der Markentechnik auf kognitiv- emotionaler Ebene1 . Durch die darin antizipierte risikoreduzierende sowie präferenzbildende Funktion der Marke können sodann aus ökonomischer Sicht (zusätzliche) Umsätze generiert und stabilisiert werden, wodurch ein monetärer Markenwert errechenbar wird2 . Trotz des Aktivierungsverbots selbstgeschaffener Marken3 stellen diese wertvolle, wenn auch stille Reserven im Unternehmen dar und können auch in Krisenzeiten gehoben und effizient genutzt werden. Die Ergebnisse des folgenden Beitrags beruhen auf einer empirischen Erhebung mittels 25 persönlich geführter Experteninterviews in der DACH-Region zum Thema Markenbewertung und Rolle des monetären Markenwerts in einer Insolvenzsituation4 . ©CopyrightErichSchmidtVerlagGmbH&Co.KG,Berlin2015-(http://www.ksidigital.de)26.10.2015-14:09 587013053879 Lizenziert für Prof. Dr. Markus W. Exler, Giuseppe Sorrentino. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.
  • 3. KSI 4/15 155Markenwerte in der Krise 9 Vgl. Dillerup/Stoi, Unternehmensführung, 2013, S. 854. 10 Vgl. PricewaterhouseCoopers, Markenstudie, 2012, S. 10 f. 11 Drucker, Harvard Business Review on Knowledge Management 1998 S. 69. 12 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 59. 13 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 77, 80. 14 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 23, 60; DIN ISO 10668, 2010, S. 8 (5.2.2). 15 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 43, 74-76; DIN ISO 10668, 2010, S. 10 (5.2.3.1). 16 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 23, 41; DIN ISO 10668, 2010, S. 8 (5.2.1). 17 Vgl. Ocean Tomo, Annual Study of Intangible Asset Market Value, 2015. eines adäquaten risikoangepassten Kapitalisierungszinssatzes für die Marke14 . Bei der Wahl eines kapitalwertorientiertem Verfahrens wird der Wert der Marke durch Diskontierung der direkt zugerechneten künftigen finanziellen Überschüsse zum Bewertungsstichtag, die aus der Nut- zung der Marke während der erwarteten wirtschaftlichen Nutzungs- dauer generiert werden, ermittelt. Der Kapitalisierungszinssatz für die Marke orientiert sich in erster Linie an dem des gesamten Unternehmens. In der Praxis wird hierbei der gewichtete durchschnittliche Kapitalkostensatz (WACC) herange- zogen, wobei die Standards je nach individueller Markenstärke eine Adjustierung des Diskontierungszinssatzes nach oben sowie nach unten erlauben. Zur Ermittlung des vermögenswertspezifischen Eigenkapitalkosten- satzes wird auf das Capital Asset Pricing Model (CAPM) zurückge- griffen15 . Die Summen dieser diskontierten MCF werden zu einem Barwert aggregiert und repräsentieren den finalen Markenwert16 . Hiermit adaptiert man das aus der Unternehmensbewertung be- kannte Discounted-Cashflow-Verfahren (DCF) und ersetzt die ge- samtunternehmerische Gewinngröße durch eine der Marke direkt zurechenbare Überschussgröße. Wird nach IDW S 1 der Unternehmenswert anhand des DCF-Verfah- rens bewertet, erhält man den Gesamt-Unternehmenswert mit all den darin enthaltenen materiellen und immateriellen Vermögenswerten. Dies klingt plausibel, da eben durch das Zusammenwirken aller ma- teriellen und immateriellen Vermögensbestandteile die zu diskontie- Der Buchwert von beispielsweise P&G zum 31. 12. 2011 lag bei 51,7 Mrd. €, während der Marktwert bei 207,3 Mrd. € lag9 . PwC führte 2012 zum dritten Mal eine Markenstudie durch und befragte u. a. die 100 umsatz- stärksten Unternehmen in Deutschland nach dem monetären Wert(anteil) ihrer Marke (vgl. Abb. 1). Laut Studie schätzt das deut- sche Topmanagement den Anteil der Marke am Gesamtunternehmenswert auf durch- schnittlich 50 %. Dass die Marke zu den wichtigsten Einflussfaktoren des Unterneh- menserfolgs zählt, bestätigten 91 % der Be- fragten10 . Daraus lässt sich die Notwendig- keit ableiten, diese wichtigen Erfolgsfaktoren zu identifizieren, zu messen und zu steuern. Hier gilt wie in allen betriebswirtschaftli- chen Disziplinen: „If you can’t measure it, you can’t manage it“11 . 2. Anwendung alternativer Marken­ bewertungsverfahren Abb. 2 zeigt auf S. 156 die von den Normen und Standards veröffentlichten Grundmo- delle der anwendbaren Markenbewertungs- verfahren, wobei den kapitalwertorientier- ten Verfahren der Vorzug einzuräumen ist, die auch in der Bewertungspraxis die höchste Akzeptanz genießen. Innerhalb dieser kapi- talwertorientierten Verfahren stehen sich alle Methoden zunächst gleichwertig gegen- über12 . Der Bewerter hat sodann die Aufgabe, an- hand von Kriterien wie Anlass der Bewer- tung (z. B. Transaktion oder interne Marken- steuerung), Markenart (Produkt- oder Dachmarke) und den zur Verfügung stehen- den Informationen das sich am besten eig- nende Verfahren auszuwählen, wobei eine Plausibilisierung durch ein weiteres Verfah- ren empfohlen wird13 , um durch eine integ- rierte Abweichungs- und Szenario­analyse Diskrepanzen aufzudecken. Unabhängig von der gewählten Methode be- steht die zentrale Aufgabe der Bewertung in der Identifizierung und Abgrenzung der markenrelevanten Umsätze. Das beinhaltet konkret zunächst, die markeninduzierten bzw. die durch das Vorhandensein der Marke beeinflussten und insbesondere ausgelösten Umsätze zu extrahieren, ferner die Progno- seplanung bewertungs­relevanter Mar- ken-Cashflows (MCF) sowie die Ableitung Abb. 1: Anteil immaterieller und materieller Vermö­ gensgüter am Gesamt­ unternehmenswert17 Eine erste Indika- tion des Marken- werts liegt im Zu- sammenhang mit der Abzinsung zukünftiger freier Cashflow-Größen. 17% 32% 68% 80% 84% 83% 68% 32% 20% 16% 0% 20% 40% 60% 80% 100% 1975 1985 1995 2005 2015* immaterielle Vermögenswerte materielle Vermögenswerte Marktwert=100% ©CopyrightErichSchmidtVerlagGmbH&Co.KG,Berlin2015-(http://www.ksidigital.de)26.10.2015-14:09 587013053879 Lizenziert für Prof. Dr. Markus W. Exler, Giuseppe Sorrentino. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.
  • 4. KSI 4/15 156 Markenwerte in der KriseErst im Zusam- menspiel mit allen anderen Vermö- genswerten er- wirtschaftet die Marke Erträge. 18 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 71-73; DIN ISO 10668, 2010, S. 10 (5.2.3.2). 3. Genaue Betrachtung der Marken­ bewertungsparameter 3.1 Parameter im Überblick Der IDW S 5 sowie die DIN ISO 10668 geben wie bereits beschrieben eine Reihe kapital- wertorientierter Verfahren vor. Der WACC stellt hierbei die Basis für den Kapitalisie- rungszinssatz dar, wodurch eine erste theore- tische Parameterübereinkunft zwischen Un- ternehmens- und Markenbewertung erreicht wird. Die Parameter zur Ermittlung des WACC können je nach Anlass der Bewertung aus unternehmensinternen oder marktorientierten Daten ermittelt werden. Bei einer markt­orientierten Bewertung wer- den einzelne WACC-Variablen, insbesondere die der Kapitalstruktur, aus einer Peer Group (Vergleichsunternehmen) abgeleitet und im ähn- lichen Verfahren wie bei der Unternehmensbewertung auf das Bewer- tungsobjekt projiziert. Zum einen wird diese übertragende Anwendung des WACC von den Experten bekräftigt, da die Marke fest mit allen Unternehmensberei- chen verbunden ist, sodass der gleiche Kapitalisierungszinssatz wie für alle anderen Assets herangezogen werden muss. Erst im Zusam- menspiel mit allen anderen Vermögenswerten erwirtschaftet die Marke Erträge, womit die Zuordnung eines anderen Risikoprofils als unzweckmäßig eingestuft wird. Andererseits wurde bei einer strukturellen Gegenüberstellung der Assets (immaterielle im Vergleich mit den materiellen Vermögens- werten) ein höheres Risiko bzw. eine größere Volatilität unterstellt, welches mit einem grundsätzlichen Aufschlag auf den Diskontie- rungsfaktor zu berücksichtigen wäre und als Adjustierungsmöglich- keit von den Standards gedeckt ist. Vor dem Hintergrund, dass eine starke Marke mit Attributen wie Loyalität, Vertrauen, Präferenzbildung, etc. ausgestattet ist und eine risikoreduzierende Wirkung auf Konsumenten-Seite auslösen soll, bleibt kritisch zu hinterfragen, ob die Marke aufgrund ihrer imma- teriellen Natur prinzipiell als volatiler eingestuft werden darf und somit mit einem grundsätzlich höheren Risiko behaftet ist als ver- gleichsweise materielle Vermögensgegenstände. Eine starke Marke als Garant für zukünftige Cashflows zu deklarieren und parallel eine generell überdurchschnittlich hohe Volatilität zu unterstellen, stellen Anschauungen aus zwei verschiedenen Paradigmen dar. In der Bewertungspraxis der befragten Experten sind bei sehr starken Marken auch Abschläge auf den Diskontierungsfaktor möglich, was aber einer belastbaren Argumentationsgrundlage bedarf. Eine weitere Parameterübereinkunft wird durch den Ansatz einer unbestimmten Nutzungsdauer (Terminal Value) erreicht. Der Ansatz einer unbe- stimmten Nutzungsdauer für die Marke wird grundsätzlich von der DIN ISO 10668 als auch dem IDW S 5 nicht verneint, wobei letzterer den Ansatz insbesondere für Produktmarken unter strengere Kriterien bindet18 . In der Praxis wird überwiegend der Terminal Value in An- renden finanziellen Überschüsse generiert werden. Der darin antizipierte und enthaltene Wertanteil für immaterielle Vermögenswerte und damit der Marke selbst stellt somit einen nicht exakt identifizierten Anteil am Unter- nehmenswert bzw. Goodwill dar. Dies führt zu der Annahme, dass die theoretische Summe aller einzeln bewerteten immateriellen Assets im Wesentlichen dem Goodwill entspricht, welcher mittels des DCF-Verfahrens ermittelt wurde. Betrachtet man die einzelnen immateriellen Vermögenswerte und damit auch den Mar- kenwert als strikte passgenaue Teilgröße des Unternehmenswerts, sollte die Ermittlung der einzelnen Bezugsgrößen (Diskontie- rungsfaktor/Überschussgröße) einer ähnli- chen Systematik und Herleitung folgen. Falls dies nicht der Fall ist, kann der ermit- telte Markenwert nicht als folgerichtiger Bestandteil des Unternehmenswerts be- trachtet werden. Die Gegenüberstellung der Marken- und Unternehmensbewertungsfor- mel zeigt die konzeptionelle Ähnlichkeit beider Modelle: �� � � ���� �1 � �������� � ���� ������� � �� � ��� � 1 �1 � �������� �� � � ��� �1 � ������ � ��� � ��� ����� � �� � 1 �1 � ������        MW = Markenwert UW = Unternehmenswert WACC = Kapitalisierungszinssatz (Weighted Average Cost of Capital) iMarke = Vermögens- bzw. markenwertspezifische Kapitalkosten in Anlehnung an WACC (M)CF = (Marken-)Cashflows in der Planperiode t (Detailplanungsphase) (M)CFT = (Marken-)Cashflow ab der Periode T (Terminal Value bzw. Resudialwert) g = ewige nominelle Wachstumsrate der (Marken-)Cashflows nach T Abb. 2: Einteilung der Marken­ bewertungsverfahren Marktpreisorientierte Verfahren n Marktpreise auf aktivem Markt n Analogiemethode Kapitalwertorientierte Verfahren n Methode der unmittelbaren Cashflow-Prognose n Mehrgewinnmethode n Methode der Lizenzpreis- analogie n Residualwertmethode Kostenorientierte Verfahren n Reproduktionskostenmethode n Wiederbeschaffungskosten- Methode ©CopyrightErichSchmidtVerlagGmbH&Co.KG,Berlin2015-(http://www.ksidigital.de)26.10.2015-14:09 587013053879 Lizenziert für Prof. Dr. Markus W. Exler, Giuseppe Sorrentino. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.
  • 5. KSI 4/15 157Markenwerte in der Krise Da die einzelnen Bewertungsver- fahren die Marke aus verschiede- nen Blickwinkeln betrachten, kommt es zu ab- weichenden Über- schussgrößen. 19 Vgl. IDW S  1, 2008, Tz. 127. 20 Zu den Adjustierungen vgl. Exler, Bewertung und Verkauf mittelständischer Unternehmen, 2013, S. 78. 21 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 77. 22 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 31, 32; DIN ISO 10668, 2010, S. 10 (5.2.2.7); Wulf, Imma- terielle Vermögenswerte nach IFRS, 2008, S. 67. 23 Vgl. IDW S  5, 2011, Tz. 33-36; DIN ISO 10668, 2010, S. 9 f. (5.2.2.3, 5.2.2.6); zur genaueren Berechnung vgl. Pauly-Grundmann, Markenbewertung. Der objekti- vierte Markenwert unter besonderer Berücksichtigung des Income Approach, 2010, S. 93 ff. kontierenden MCF ergeben sich durch Multiplikation der ermittelten Lizenzrate mit den jeweiligen Planumsätzen abzüglich der Unter- nehmenssteuer22 . Während die Cashflow-Größe der Unternehmensbewertung auf der Basis der GuV sukzessive zahlungsunwirksame Aufwendungen und Erträge korrigiert, um zu einer Ausschüttungsgröße zu gelangen, betrachtet die Lizenzpreisanalogie den immateriellen Vermögensge- genstand Marke stark isoliert. Während sich beispielsweise ineffizi- ente Kostenstrukturen und mangelndes Working Capital Manage- ment etc. direkt auf die Unternehmens-Cashflows (UCF) und damit auf den Unternehmenswert auswirken, beeinflusst dies die Höhe der MCF nur peripher, da bei einer fiktiv angenommenen Markenlizen- zierung lediglich die Lizenzeinnahmen aus Sicht des Lizenzgebers bzw. Lizenzausgaben aus der Sicht des Lizenznehmers den reinen Wert der Marke widerspiegeln. Mögliche gesamtunternehmerische Ineffizienzen müssen nicht zwangsweise eine Auswirkung auf das kapitalisierbare Markenpotenzial haben. 3.3 Mehrgewinnmethode Bei der Mehrgewinnmethode ermittelt man den durch die Marke initiierten Mehrgewinn anhand von Preis- bzw. Mengenpremien im Verhältnis zu einem nicht-markierten generisch vergleichbaren Pro- dukt. Die zu diskontierenden MCF ergeben sich somit durch den er- mittelten Preisabstand des Markenprodukts zu einem sog. No-Name- Produkt (ggf. auch Handelsmarke) multipliziert mit der abgesetzten Menge abzüglich zusätzlich entstandener (Marketing-)Mehraufwen- dungen für das Markenprodukt und Steuern. Die Mehrgewinnme- thode setzt damit den Fokus auf die durch die Marke initiierten und am Markt durchsetzbaren Preis- und Mengenpremien und errechnet daraus den zu diskontierenden Über- bzw. Mehrgewinn23 . Schrumpfende Absatzvolumina und/oder Preissenkungen als mög- liche Folgen einer Krise haben somit einen direkten Einfluss auf den Markenwert. Solange jedoch Produkte unter Berücksichtigung der Markenmehraufwendungen mit einem Preispremium abgesetzt wer- den, existiert trotz negativer Cashflows des Gesamtunternehmens ein monetärer Markenwert. 4. Das Markenwertgutachten Die o. g. empirische Untersuchung hat er­geben, dass ein fundiertes Markenwertgutachten nicht nur Transparenz durch eine integrierte und für die Bewertung notwendige Brand-Due-Diligence schafft, sondern auch die Grundlage für die Erzielung eines höheren Kauf- satz gebracht – dies muss jedoch insbeson- dere bei Produktmarken entsprechend argu- mentativ belegt werden. Betrachtet man die Herleitung der Über- schussgröße für die Unternehmensbewertung (Entity), bezieht sich diese meist auf eine Überschussgröße wie beispielsweise den Free Cashflow (FCF). Die Herleitung dieser FCF kann in seiner generischen Ermittlung als standardisiert bezeichnet werden19 , wobei je nach Bewertungsanlass unter Berücksichti- gung des Einzelfalls auch begründbare Ad- justierungen möglich sind20 . Die Markenbewertung muss nun einen wei- teren Schritt integrieren, um den mar- keninduzierten Anteil der Überschussgröße – unter Berücksichtigung verhaltenswissen- schaftlicher Parameter – zu identifizieren bzw. herzuleiten. Der Bewerter wird in die- sem Zusammenhang angehalten, den ermit- telten Markenwert ins Verhältnis zum Ge- samtwert bzw. zur Marktkapitalisierung sowie zu anderen wesentlichen Werttreibern des Unternehmens zu setzen und damit zu überprüfen21 . Da die einzelnen Bewertungsverfahren die Marke aus verschiedenen Blickwinkeln be- trachten, kommt es damit zu abweichenden Überschussgrößen. Dies soll nachfolgend anhand einer kurzen Beschreibung der Li- zenzpreisanalogie und der Mehrgewinnme- thode verdeutlicht werden. Diese werden hier vereinfacht dargestellt. 3.2 Lizenzpreisanalogie Bei der Anwendung der Lizenzpreisanalogie als kapitalwertorientiertes Markenbewer- tungsverfahren werden die Lizenzentgelte berechnet, welche ein Unternehmen fiktiv aufzuwenden hätte, wenn es nicht im Besitz der betreffenden Marke wäre, sondern diese von einem Dritten lizenzieren würde. Der Markenwert entspricht sodann dem Barwert der Lizenzersparnisse aus dem Eigentum der Marke. Die fiktiven Lizenzzahlungen werden anhand von marktüblichen Lizenzraten für vergleichbare Marken abgeleitet. In der Praxis gibt es diverse Datenbanken mit verfügbaren Lizenzraten, anhand dessen eine Analogie zum Bewertungsobjekt unter Berücksichtigung mathematisch-statisti- scher und verhaltenswissenschaftlicher Ver- fahren hergestellt werden kann. Die zu dis- ©CopyrightErichSchmidtVerlagGmbH&Co.KG,Berlin2015-(http://www.ksidigital.de)26.10.2015-14:09 587013053879 Lizenziert für Prof. Dr. Markus W. Exler, Giuseppe Sorrentino. 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  • 6. KSI 4/15 158 Markenwerte in der KriseImmaterielle Ver- mögenswerte gewinnen in den Jahresabschlüs- sen zunehmend an Bedeutung. 24 Zum Multiplikatorverfahren vgl. Exler, Bewertung und Verkauf mittelständischer Unternehmen, 2013, S. 83 ff. 25 Vgl. Brückner/Przyklenk, Lost Brands – vom Aufstieg und Niedergang starker Marken, 2013, S. 147 f. vorab vereinbarte Rückkaufklausel besteht sodann die Möglichkeit, die Marke zurückzukaufen, in der Bilanz zu aktivieren und damit die Eigenkapitalbasis anzuheben. 5. Voraussetzungen für die Erzielung von Markenwerten in der Insolvenz Um einen realisierbaren monetären Markenwert in der Insolvenz zu erzielen, sehen die in der Untersuchung Befragten in erster Linie einen markenfernen Insolvenzgrund als Voraussetzung. Möglicher- weise waren getätigte Fehlinvestitionen, veraltete Wertschöpfungs- strukturen oder der Absprung eines Großkunden der Auslöser einer Krise und der sich anschließenden Insolvenz, was das Markenimage in erster Linie nicht tangiert und erodieren lässt, sodass es weiterhin zufriedene und kaufende Kunden gibt, die womöglich die Insolvenz nicht wahrnehmen. Ebenso kann die Marke vom Betrieb losgelöst und verwertet werden. Hier versprechen sich mögliche Interessenten das positiv aufgeladene Image der Marke einzukaufen, um dies als Vehikel für den Eintritt in weitere naheliegende Markt- und Kun- densegmente zu nutzen und Kosten für den Markenaufbau einzu- sparen. Hierbei ist jedoch entscheidend, wie transportabel die Marke ist und wie gut diese in die eigene Unternehmensstruktur eingepasst werden kann. Verfügt eine Marke noch über hohe Bekanntheitswerte, aus- gestattet mit einer positiven Reputation, so kann diese (wie im Fall der Marke Creme 21, vormals Henkel, welche nach längerer Markt- abstinenz in Deutschland unter neuem Betrieb und mit neuem Ei- gentümer revitalisiert wurde) Umsätze bzw. Cashflows für das Un- ternehmen erzeugen25 . Somit hat eine Marke für die Befragten stets einen verhaltenswissenschaftlichen Markenwert, auch wenn das Unternehmen keine Cashflows generiert. Um einen monetären Wert auszuweisen, kommt es jedoch stets dar- auf an, dass diese Markenstärkewerte auch gleichzeitig kapitalisiert und damit realisiert werden. Deshalb ist es wichtig, das Bewertungs- verfahren auch auf den Anlass der Bewertung abzustimmen und ver- schiedene Zukunftsszenarien mit der Marke zu betrachten, um die womöglich geringe Auswirkung der Krise auf die realisierbaren Mar- kenertragspotenziale abzubilden. An dieser Stelle kann die Anwendung der Lizenzpreisanalogie und/ oder der Mehrgewinnmethode aus marktorientierter Sichtweise in- teressant werden, da diese wie bereits beschrieben einen hohen Iso- lierungsgrad der Marken-Cashflows vornimmt. Die Befragten räu- men ein, dass potenzielle strategische Investoren der gleichen Branche um die Macht einer starken Marke wissen und unter diesen Aspekten auch bereit sind, trotz negativer Cashflows des gesamten Unternehmens die Marke bzw. das der Marke zugesprochene Kun- denvertrauen zu erwerben. Damit können ohne größere zusätzliche Investitionen – ggf. mit der gleichen, jedoch effizienteren Wertschöp- fung – nicht nur wieder positive Cashflows erwirtschaftet werden, sondern sehr günstig zusätzliche Marktanteile erworben werden. preises legt. Unter der Voraussetzung eines hohen markeninduzierten Umsatzanteils wird die Verhandlungsposition gestärkt, so- mit ein ambitionierter Gesamtkaufpreis ge- rechtfertigt sowie das Heran­ziehen eines höheren Multiplikators24 ermöglicht, womit das Transaktionsvolumen erhöht werden kann. Die zentrale Begründung hierfür liegt zunächst in den Attributen und Wirkungs- weisen einer Marke verankert: Wie bereits ausgeführt, sichert eine starke Marke zu- künftige Cashflows ab und agiert somit als starke und risikoreduzierende Determinante in den volatilen Zukunftsprognosen. Ist ein großer Anteil der Umsätze marken­ induziert, gilt dieser als resistenter und sta- biler, da Attribute wie hohe Bekanntheit, Markenloyalität, Markenvertrautheit, Mar- kenpräferenz sowie starke und positive Iden- tifikationsfläche erfüllt sind, welche die ver- haltenswissenschaftliche Basis für die monetär übersetzbaren Markenumsätze dar- stellen. Durch die zusätzliche Integration mehrerer Markenbewertungsverfahren und Offenlegung der einzelnen Bewertungs- schritte können die berechneten Marken- werte besser analysiert werden. Eben die Lokalisierung der Stellhebel des Markenwerts schafft kommunizier- und um- setzbare Optimierungspotenziale und er- möglicht zudem die Implementierung einer wertorientierten Markenführung. Es wurde jedoch eingeräumt, dass bei jeglicher Trans- aktion – unabhängig vom Verkaufssubjekt – der Kaufpreis sehr stark von der Anzahl der potenziellen Käufer und der Verhandlungs- macht der jeweiligen Partei i. V. mit deren Erwartungen hinsichtlich finanziell reali- sierbarer, ggf. durch die Marke initiierter Synergieeffekte abhängt. Um private Kapitalgeber und Investoren an- zusprechen, wird in der Praxis häufiger der Markenwert als stille Reserve im Geschäfts- bericht oder auch im Wertpapierprospekt nach außen kommuniziert. Ebenso besteht die Möglichkeit, für Marken ein Sale-and- lease-back- Modell zu konstruieren. Bei die- ser Vorgehensweise wird die Marke entweder an eine eigens dafür gegründete IP-Holding oder einen externen Dritten verkauft und gleichzeitig rücklizenziert, wodurch die stille Reserve Marke gehoben und kapitalisiert wird, was wiederum zu einer Verbesserung der Liquidität und Bonität führt. Durch eine ©CopyrightErichSchmidtVerlagGmbH&Co.KG,Berlin2015-(http://www.ksidigital.de)26.10.2015-14:09 587013053879 Lizenziert für Prof. Dr. Markus W. Exler, Giuseppe Sorrentino. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.
  • 7. KSI 4/15 159Markenwerte in der Krise Das positiv be- legte Image einer Marke ist in der Insolvenz ein durchaus wert- haltiges Asset. 26 Vgl. Nestler/ Hunkemöller, Der Wert der Marke in der Insolvenzpraxis, ZInsO, H. 48/2009, S. 2234. 27 Ebenda, S. 2235. 28 Vgl. DIN ISO 10668, 2010, S. 10 (3.1 -3.5): Transparenz, Validität, Reliabilität, Hinlänglichkeit, Objektivität. 29 „Die höchste Klugheit besteht darin, den Wert der Dinge genau zu kennen” so François VI. De La Rochefoucauld (1613–1680). und u. U. die Einhaltung von Gewährleistungs- und Garantieansprü- chen den Konsumenten verunsichern, während bei Gebrauchs- und Verbrauchsgütern, welche durch ein Zug-um-Zug-Geschäft getätigt werden, der Tatbestand einer Insolvenz tendenziell weniger die Marke und das Konsumentenverhalten negativ beeinflussen. Die Krisenart und der Aggregatzustand sowie dessen potenzielle Aus- wirkung auf die Marke bilden unter Berücksichtigung der Branche die Determinanten des monetären Markenwerts in der Krise. Die Beispiele Märklin oder Knirps zeigen, dass die Markenstärke in der Insolvenz Vertrauen schafft. Solange „Fans“ kaufen können und der „Produktnutzen“ konstant bleibt, ist es ihnen egal, ob die Firma einst insolvent war, sodass die Unternehmenskrise längst vergessen ist.26 „[…] In der Insolvenzpraxis wird die aktive Vermarktung der gewerblichen Schutzrechte bisher oft stiefmütterlich behandelt. Dabei könnte hier mit geringem Aufwand eine Massemehrung erzielt wer- den.”27 7. Fazit Die Markenbewertung adaptiert die Systematik sowie einzelne Para- meter des in der Unternehmensbewertung etablierten DCF- Verfahrens. Hierdurch, aber auch durch die hohen Anforderungen der Standards an ein Markenwertgutachten28 , kann ein valider und objektivierbarer monetärer Markenwert ermittelt werden und der Unterstellung einer hohen Volatilität von monetären Markenwerten entgegengewirkt werden. Ein solides Wertgutachten eröffnet neben der Wertallokation auch die Möglichkeit, die Stellhebel des Marken- werts sichtbar und damit steuerbar zu machen. Vorab sollte ein Screening der Marke im Hinblick auf die Markenrelevanz im jewei- ligen Markt (B2B/B2C) unter Berücksichtigung der Zielgruppe voll- zogen werden, um damit den Beitrag der Marke am Kaufentschei- dungsprozess zu identifizieren. Ein Bewertungsfall eines sich im Schutzschirmverfahren befinden- den Unternehmens zeigte, dass durch ein eingebrachtes Wertgutach- ten die Marke nicht nur positiv auf den Überschuldungsstatus durch Aufdecken der stillen Reserven wirkt, sondern dass der monetäre Markenwert als Kommunikations- und Argumentationsgrundlage – sowohl in der Gläubigerversammlung als auch gegenüber anderen relevanten Stake- und Shareholdern – dient29 . Hierbei ist es wichtig, dass der Krisen- bzw. Insolvenzgrund markenfern ist und auch nicht auf das Vertrauen und Image der Kun- den abstrahlt. 6. Die Rolle der Marke und Bedin­ gungen der Markenverwertung in der Insolvenz Aus Sicht der befragten Insolvenzverwalter sind starke und bekannte Marken während einer Insolvenz grundsätzlich leichter zu verwerten und dienen als starkes Argument in den Verkaufsverhandlungen, wobei wei- tere Markt- und Branchenfaktoren sowie die Anzahl der interessierten Käufer berücksich- tigt werden müssen. Das Ziel eines Marken- wertgutachtens ist aus Sicht der Insolvenz- verwalter weniger, den absoluten Wert der Marke festzumachen, sondern besteht viel- mehr darin, einen objektivierbaren, ersten Benchmark zu setzen, um Verhandlungs- und Verwertungsstrategien aufbauen zu können. Die Marke kann – sowohl mit dem dahinterstehenden Betrieb als auch isoliert – einen zusätzlichen monetären Wert gene- rieren, wobei die Gesamtverwertung in der Praxis öfter zu beobachten ist. Besteht ein stichhaltiger Sanierungsplan und kann das Unternehmen in seiner Identität weitergeführt werden, so ist der Wertverlust der Marke geringer als bei der Zerschlagung des Unternehmens. An dieser Stelle differen- zieren die Experten weiter und machen den erzielbaren Markenwert davon abhängig, wie stark das Markenimage sowie das Leis- tungsversprechen durch den Insolvenzgrund direkt beschädigt werden, sodass beispiels- weise eine extern induzierte (Finanz-)Krise weniger Auswirkung auf den Markenwert haben kann. Das Bekanntwerden einer In- solvenz wird grundsätzlich als belastend für die Marke eingestuft und kann die Kaufent- scheidung der Konsumenten beeinflussen. Eine differenziertere Betrachtung sieht grö- ßere Gefährdungspotenziale dort, wo die Marke für ein langfristiges Konsumgut steht ©CopyrightErichSchmidtVerlagGmbH&Co.KG,Berlin2015-(http://www.ksidigital.de)26.10.2015-14:09 587013053879 Lizenziert für Prof. Dr. Markus W. Exler, Giuseppe Sorrentino. Die Inhalte sind urheberrechtlich geschützt.