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App statt Blockflöte
Wenn Instrumente-Lernen ätzend wird: In einem Pilotprojekt
musizieren Schüler im Unterricht auf Handys. Jugendliche ohne
musikalische Vorbildung profitieren besonders.
VON Laurence Thio | 20. Juni 2011 - 14:50 Uhr
                                                                          © Screenshot ZEIT ONLINE




Das Projekt mEiMu-LAB (mobile Endgeräte im Musikunterricht) erprobte, wie mit iPod-Touch & iPad
gemeinsam musiziert werden kann.

Der Beat setzt ein und Max aus der 8a schiebt, wischt und klickt. In seinen Händen hält er
kein Instrument, sondern ein Smartphone. Er wiederholt die Akkordfolge, dann fährt seine
Mitschülerin Lena mit ihrem Finger über das gläserne Display ihres iPads – darauf quäkt ein
animierter Roboter im Jackett, als würde ihm jemand wehtun.

Handys im Unterricht sind an der Bertha-von-Suttner-Oberschule in Berlin sonst streng
verboten. Doch in einem Pilotprojekt der Universität Potsdam soll getestet werden, ob und
wie sich neue Technologien im Musikunterricht integrieren lassen.

„Ihr nehmt an einem Experiment teil, das in Deutschland bisher einzigartig ist“, sagt
Matthias Krebs zu Beginn der Stunde. Der Dozent für Musik- und Medienpädagogik hat das
Projekt „Mobile Endgeräte im Musikunterricht“ gemeinsam mit Pädagogikstudenten der
Uni Potsdam entwickelt. Nach der Testphase will er mit den angehenden Lehrern Konzepte
entwickeln, wie sich Smartphones und Tablet-PCs sinnvoll im Unterricht einsetzen lassen.

Krebs ist ein Pionier auf dem Gebiet der Handy-Musik. Der ausgebildete Opernsänger
probiert seit mehr als einem Jahr Musik-Apps für die Geräte aus. Mit anderen
Berufsmusikern hat er ein Ensemble gegründet, in dem ausschließlich auf mobilen
Endgeräten musiziert wird. „Wir spielen auch Stücke im klassischen Stil“, sagt Krebs.
                                                                                               1
Ihm ist es ernst, denn Handy-Musik hat nicht den besten Ruf: Man denkt an polyphones Acht-
Ton-Gedudel und betrügerische Klingelton-Abonnements.

Das könnte sich ändern: Für Smartphones gibt es inzwischen viele Anwendungen, mit denen
man anspruchsvoll musizieren kann. Die Apps tragen Namen wie Thumbjam, Soundprison
und Finger Beat – teilweise sind sie kostenlos oder für einen niedrigen Geldbetrag zu kaufen.
„Töne lassen sich nicht nur per Klick abspielen, sondern auch modulieren“, sagt Krebs. Zum
Beweis schüttelt Krebs sein Handy mit gestrecktem Arm: Ein Cello-Vibrato ertönt.

Krebs verteilt die Geräte. Jungs scrollen durch das Menü, Mädchen nesteln an ihren
Kopfhörern. Computer, Smartphones und MP3-Player sind Alltag für sie, auch wenn solche
Techniken in der Schule selten zum Einsatz kommen. Als in der Pisa-Studie der Einsatz von
Computern im Unterricht abgefragt wurde, lag Deutschland auf dem letzten Platz unter den
OECD-Ländern.
                                      Ergebnisvideos unter www.youtube.com/meimulab




„Was fällt euch zu Sehnsucht ein – wie könnte das klingen?“, fragen die Studentinnen
Barbara Reschke und Carolin Gawron. Jeweils zwei Studenten betreuen eine Gruppe.
Die Schüler sollen gemeinsam ein Stück zu Gefühlen wie Sehnsucht, Hass oder Liebe
komponieren – sie haben 90 Minuten Zeit.

„Ich weiß nicht, wie ich damit Musik machen soll“, sagt Schülerin Lena am Anfang noch und
schaut missmutig auf ihr Display. Dort spuckt ein Roboter schaurige Töne aus. Lenas erster
Eindruck: „ein Kindergarteninstrument“. Auch Max hat Schwierigkeiten: „Ich checke das
System leider überhaupt nicht“, sagt er. Er spielt seit acht Jahren Schlagzeug und ist Mitglied
der Schul-Big-Band. Jetzt hat er bunte Balken vor sich. Aber 20 Minuten später haben die
Schüler ihr Instrument im Griff – und üben auch in der Pause weiter.

Die Bedienung unterscheidet sich erheblich vom Spielen traditioneller Instrumente: Mal
klickt man Akkorde, mal malt man mit dem Finger eine Melodie. „Die musikalische Struktur
steht im Vordergrund“, erklärt Krebs. Bis ein Schüler einen sauberen Ton auf einem Cello
spielen kann, müsse er viel an seiner Technik üben. Beim Handy sei die Bedienung einfach,
es gehe vielmehr darum, wie Töne, Rhythmen und Instrumente kombiniert werden, sagt
Krebs.
                                                                                              2
„Es ist eine echte Chance. Vor allem für Schüler, die kein Instrument spielen oder keine
musikalische Vorbildung haben“, sagt die Studentin Gawron. Sie trägt einen Notenschlüssel
als Ohrring und spielt Geige: klassisch. Technikbegeistert ist sie nicht, das Spektrum der
Apps hat sie aber überrascht. Es überzeugt sie, dass die Schüler fast alle existierenden
Instrumente ausprobieren können und der Zugang zudem sehr direkt und spielerisch ist.
Aber ein richtiges Instrument sei präziser und man könne damit mehr Gefühl ausdrücken,
sagt Gawron. Ihr Kommilitone Pascal Rudolph ist begeistert, so stellt er sich innovativen
Musikunterricht vor. Doch auch er sieht Schwierigkeiten: „Einige Apps sind so simpel, damit
könnte sogar ein Affe Musik machen.“ Rudolph findet, man muss genau wissen, was die
Schüler lernen sollen, bevor man die Geräte einsetzt.
                                                    Ergebnisvideos unter www.youtube.com/meimulab




Es wird ernst: Krebs hält die Kompositionen der Schüler mit einem Aufnahmegerät fest und
filmt sie. Eine Gruppe hat einen Tango zum Thema Liebe komponiert, eine andere präsentiert
eine Art Hip-Hop-Song. Die Schüler wippen mit den Füßen, nicken mit den Köpfen. Die
Ergebnisse klingen gut.

„Mehr von solchen Projekten!“, sagt ein Schüler. Er hätte gern viel mehr neue Medien in
der Schule, nicht nur im Musikunterricht. Schon Laptops wären ein echter Fortschritt. Die
meisten seiner Mitschüler stimmen zu. Die Schulglocke läutet, Krebs ruft: „Die Videos stelle
ich bei Youtube ein, dann könnt ihr sie noch mal anschauen.“ Doch erst haben die Schüler
noch eine Stunde Latein – an der Tafel.

COPYRIGHT: ZEIT ONLINE
ADRESSE: http://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2011-06/handy-musikunterricht-schule

Mit dem Projekt mEiMu-LAB (mobile Endgeräte im Musikunterricht - Labor) wurde am 24. Mai 2011 in einer 8. Klasse
mit 30 Schülerinnen und Schülern ausprobiert, wie mit iPod-Touch & iPad in einer einzelnen Musikunterrichtsstunde
nach verschiedenen Parametern Musik gemeinsam komponiert und musiziert werden kann.
PROJEKTBETEILIGTE: Henning Wehmeyer (Musiklehrer); Barbara Reschke, Sarah Müller, Timon Kossack, Carolin
Gawron, Dustin Dick, Pascal Rudolph, Christine Fendel, Jan Wysujack, Birk Budweis, Anika Müller, Hans Kuritz
(Studierende der Universität Potsdam)
PROJEKTLEITUNG: Matthias Krebs (Lehrbeauftragter Universität Potsdam)

Die Geräte auf denen die Instrumenten-Anwendungen installiert sind, wurden freundlicher Weise aus einem Weiterbildungs-
projekt des Zentralinstitutes für Weiterbildung an der Universität der Künste Berlin mit dem Titel „DigiMediaL“ zur Verfügung
gestellt, in dem Musiker lernen digitale Technologien für ihren Beruf zu nutzen.


                                                                                                                            3

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  • 1. App statt Blockflöte Wenn Instrumente-Lernen ätzend wird: In einem Pilotprojekt musizieren Schüler im Unterricht auf Handys. Jugendliche ohne musikalische Vorbildung profitieren besonders. VON Laurence Thio | 20. Juni 2011 - 14:50 Uhr © Screenshot ZEIT ONLINE Das Projekt mEiMu-LAB (mobile Endgeräte im Musikunterricht) erprobte, wie mit iPod-Touch & iPad gemeinsam musiziert werden kann. Der Beat setzt ein und Max aus der 8a schiebt, wischt und klickt. In seinen Händen hält er kein Instrument, sondern ein Smartphone. Er wiederholt die Akkordfolge, dann fährt seine Mitschülerin Lena mit ihrem Finger über das gläserne Display ihres iPads – darauf quäkt ein animierter Roboter im Jackett, als würde ihm jemand wehtun. Handys im Unterricht sind an der Bertha-von-Suttner-Oberschule in Berlin sonst streng verboten. Doch in einem Pilotprojekt der Universität Potsdam soll getestet werden, ob und wie sich neue Technologien im Musikunterricht integrieren lassen. „Ihr nehmt an einem Experiment teil, das in Deutschland bisher einzigartig ist“, sagt Matthias Krebs zu Beginn der Stunde. Der Dozent für Musik- und Medienpädagogik hat das Projekt „Mobile Endgeräte im Musikunterricht“ gemeinsam mit Pädagogikstudenten der Uni Potsdam entwickelt. Nach der Testphase will er mit den angehenden Lehrern Konzepte entwickeln, wie sich Smartphones und Tablet-PCs sinnvoll im Unterricht einsetzen lassen. Krebs ist ein Pionier auf dem Gebiet der Handy-Musik. Der ausgebildete Opernsänger probiert seit mehr als einem Jahr Musik-Apps für die Geräte aus. Mit anderen Berufsmusikern hat er ein Ensemble gegründet, in dem ausschließlich auf mobilen Endgeräten musiziert wird. „Wir spielen auch Stücke im klassischen Stil“, sagt Krebs. 1
  • 2. Ihm ist es ernst, denn Handy-Musik hat nicht den besten Ruf: Man denkt an polyphones Acht- Ton-Gedudel und betrügerische Klingelton-Abonnements. Das könnte sich ändern: Für Smartphones gibt es inzwischen viele Anwendungen, mit denen man anspruchsvoll musizieren kann. Die Apps tragen Namen wie Thumbjam, Soundprison und Finger Beat – teilweise sind sie kostenlos oder für einen niedrigen Geldbetrag zu kaufen. „Töne lassen sich nicht nur per Klick abspielen, sondern auch modulieren“, sagt Krebs. Zum Beweis schüttelt Krebs sein Handy mit gestrecktem Arm: Ein Cello-Vibrato ertönt. Krebs verteilt die Geräte. Jungs scrollen durch das Menü, Mädchen nesteln an ihren Kopfhörern. Computer, Smartphones und MP3-Player sind Alltag für sie, auch wenn solche Techniken in der Schule selten zum Einsatz kommen. Als in der Pisa-Studie der Einsatz von Computern im Unterricht abgefragt wurde, lag Deutschland auf dem letzten Platz unter den OECD-Ländern. Ergebnisvideos unter www.youtube.com/meimulab „Was fällt euch zu Sehnsucht ein – wie könnte das klingen?“, fragen die Studentinnen Barbara Reschke und Carolin Gawron. Jeweils zwei Studenten betreuen eine Gruppe. Die Schüler sollen gemeinsam ein Stück zu Gefühlen wie Sehnsucht, Hass oder Liebe komponieren – sie haben 90 Minuten Zeit. „Ich weiß nicht, wie ich damit Musik machen soll“, sagt Schülerin Lena am Anfang noch und schaut missmutig auf ihr Display. Dort spuckt ein Roboter schaurige Töne aus. Lenas erster Eindruck: „ein Kindergarteninstrument“. Auch Max hat Schwierigkeiten: „Ich checke das System leider überhaupt nicht“, sagt er. Er spielt seit acht Jahren Schlagzeug und ist Mitglied der Schul-Big-Band. Jetzt hat er bunte Balken vor sich. Aber 20 Minuten später haben die Schüler ihr Instrument im Griff – und üben auch in der Pause weiter. Die Bedienung unterscheidet sich erheblich vom Spielen traditioneller Instrumente: Mal klickt man Akkorde, mal malt man mit dem Finger eine Melodie. „Die musikalische Struktur steht im Vordergrund“, erklärt Krebs. Bis ein Schüler einen sauberen Ton auf einem Cello spielen kann, müsse er viel an seiner Technik üben. Beim Handy sei die Bedienung einfach, es gehe vielmehr darum, wie Töne, Rhythmen und Instrumente kombiniert werden, sagt Krebs. 2
  • 3. „Es ist eine echte Chance. Vor allem für Schüler, die kein Instrument spielen oder keine musikalische Vorbildung haben“, sagt die Studentin Gawron. Sie trägt einen Notenschlüssel als Ohrring und spielt Geige: klassisch. Technikbegeistert ist sie nicht, das Spektrum der Apps hat sie aber überrascht. Es überzeugt sie, dass die Schüler fast alle existierenden Instrumente ausprobieren können und der Zugang zudem sehr direkt und spielerisch ist. Aber ein richtiges Instrument sei präziser und man könne damit mehr Gefühl ausdrücken, sagt Gawron. Ihr Kommilitone Pascal Rudolph ist begeistert, so stellt er sich innovativen Musikunterricht vor. Doch auch er sieht Schwierigkeiten: „Einige Apps sind so simpel, damit könnte sogar ein Affe Musik machen.“ Rudolph findet, man muss genau wissen, was die Schüler lernen sollen, bevor man die Geräte einsetzt. Ergebnisvideos unter www.youtube.com/meimulab Es wird ernst: Krebs hält die Kompositionen der Schüler mit einem Aufnahmegerät fest und filmt sie. Eine Gruppe hat einen Tango zum Thema Liebe komponiert, eine andere präsentiert eine Art Hip-Hop-Song. Die Schüler wippen mit den Füßen, nicken mit den Köpfen. Die Ergebnisse klingen gut. „Mehr von solchen Projekten!“, sagt ein Schüler. Er hätte gern viel mehr neue Medien in der Schule, nicht nur im Musikunterricht. Schon Laptops wären ein echter Fortschritt. Die meisten seiner Mitschüler stimmen zu. Die Schulglocke läutet, Krebs ruft: „Die Videos stelle ich bei Youtube ein, dann könnt ihr sie noch mal anschauen.“ Doch erst haben die Schüler noch eine Stunde Latein – an der Tafel. COPYRIGHT: ZEIT ONLINE ADRESSE: http://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2011-06/handy-musikunterricht-schule Mit dem Projekt mEiMu-LAB (mobile Endgeräte im Musikunterricht - Labor) wurde am 24. Mai 2011 in einer 8. Klasse mit 30 Schülerinnen und Schülern ausprobiert, wie mit iPod-Touch & iPad in einer einzelnen Musikunterrichtsstunde nach verschiedenen Parametern Musik gemeinsam komponiert und musiziert werden kann. PROJEKTBETEILIGTE: Henning Wehmeyer (Musiklehrer); Barbara Reschke, Sarah Müller, Timon Kossack, Carolin Gawron, Dustin Dick, Pascal Rudolph, Christine Fendel, Jan Wysujack, Birk Budweis, Anika Müller, Hans Kuritz (Studierende der Universität Potsdam) PROJEKTLEITUNG: Matthias Krebs (Lehrbeauftragter Universität Potsdam) Die Geräte auf denen die Instrumenten-Anwendungen installiert sind, wurden freundlicher Weise aus einem Weiterbildungs- projekt des Zentralinstitutes für Weiterbildung an der Universität der Künste Berlin mit dem Titel „DigiMediaL“ zur Verfügung gestellt, in dem Musiker lernen digitale Technologien für ihren Beruf zu nutzen. 3