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Die weichen Faktoren des Zivilprozesses 
„Einen Zivilprozess gewinnt man nicht vor Gericht!“ sagt Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker (www.xing.com/profile/Marius_Breucker) aus der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker und ergänzt: „Wichtiger ist die Arbeit im Vorfeld.“ Steht ein Unternehmen vor der Entscheidung für oder gegen einen Zivilprozess, wird es sich in erster Linie an der objektiven Rechtslage orientieren und die rechtlichen Chancen anhand der vertraglichen und gesetzlichen Regeln prüfen. Oder, wie es Graham Chapman formulierte: „Erfahrene Juristen bezeugen, dass es vor Gericht von Vorteil sein kann, wenn man im Recht ist.“ So schön das Bonmot ist, so sicher ist auch: Für einen erfolgreichen Prozess reicht es nicht immer, im Recht zu sein. Wer sich auf ein Verfahren einlässt, bewegt sich immer ins Ungewisse. Man muss hierfür nicht das Bild „vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ bemühen. Der Münchner Amtsrichter Dr. Günter Prechtel sagt in seinem Buch „Die erfolgreiche Taktik im Zivilprozess“, dass ein gewisses Prozess-Kosten-Risiko letztlich bei keiner Klage ausgeschlossen werden kann: „Die Unsicherheitsfaktoren sind zahlreich“. In eine Risikobewertung sollte das Unternehmen daher neben den Paragraphen auch die „weichen“ Faktoren eines Zivilprozesses einstellen.
Faktor Gericht 
Die Praxis zeigt, dass gleichgelagerte Sachverhalte an unterschiedlichen Gerichten, ja selbst am gleichen Gericht von unterschiedlichen Richtern unterschiedlich behandelt und entschieden werden. „Die vom Gericht vertretene Rechtsansicht ist nur selten vorab bekannt bzw. vorhersehbar“ weiß Prechtel aus eigener Erfahrung als Amtsrichter. „Dies ist systemimmanent und nicht zu beanstanden“, sagt Anwalt Marius Breucker. Das Gesetz setzt zwar Leitplanken, lässt den Richtern aber viel Spielraum bei der Verfahrensführung: So ist die Vorschrift über die Leitung der mündlichen Verhandlung durch den Richter „sehr knapp gefasst“, wie der Münsteraner Professor Dr. Ingo Sänger in seinem Beitrag „Verfahrensmanagement im Zivilprozess“ in den Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer schrieb: „Im Wesentlichen ist nur geregelt, dass der Vorsitzende Richter in der Verhandlung das Wort erteilt und Sorge zu tragen hat, dass die Sache erschöpfend erörtert und möglichst ohne Unterbrechung zu Ende geführt wird.“ 
Dabei ist es Sache der Parteien, die maßgeblichen Tatsachen vorzutragen. Aufgrund dieses „Beibringungsgrundsatzes“ ist der Richter weitgehend daran gehindert, die aus seiner Sicht entscheidenden Tatsachen selbst zu ermitteln. „Die Parteien allein bestimmen das Verfahren“ schreibt Ingo Sänger, weist aber auf die gleichwohl bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten des Richters hin. So könne das Gericht bei der Klärung des Sach- und Streitverhältnisses aktiv mitwirken, solange die Neutralitätspflicht und der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt werden. Folgerichtig spiegeln sich die individuellen Eigenschaften der Richter, ihre Stärken und Schwächen im Verfahren wider. Zwar hat das Gericht eine Fürsorgepflicht gegenüber den Parteien und darf keine „Überraschungsentscheidungen“ treffen. Das gebietet schon der Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Umgekehrt ist das Gericht – wie es der ehemalige Amtsrichter Dr. Dr. Peter Hartmann in einem führenden Kommentar zum Zivilprozessrecht formuliert – „keine Fürsorgebehörde und entgegen mancher Bemühungen kein bloßer Servicebetrieb, der auf Kundschaft wartet.“ 
Es ist also Sache des Anwaltes, seinen Mandanten auf Eigenarten des Gerichts einzustellen. „Durch ein taktisch geschicktes, fehlerfreies Vorgehen kann man die eigenen Gewinnchancen durchaus erhöhen“, schreibt Amtsrichter Prechtel. Es gilt, die Perspektive des Richters zu berücksichtigen, der selbst nicht dabei war und seine Entscheidung auf die ihm vorgelegten Unterlagen stützen muss. Der Stuttgarter Anwalt Breucker bringt dies auf die Formel: „Das Entscheidende passiert nicht vor dem Gericht, sondern vor dem Prozess“. 
Dafür genügt es nicht, die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu kennen; vielmehr gilt es, die Charakteristika der einzelnen Oberlandesgerichte, Landgerichte und Amtsgerichte zu berücksichtigen und deren individuelle Rechtsprechung auszuwerten. Auf diese Weise gelangt man zu einer realistischen Einschätzung, wie der konkrete Fall voraussichtlich behandelt wird. „Es hilft dem Mandanten wenig, wenn er nach herrschender Meinung ‚eigentlich‘ gewinnen müsste“, weiß Rechtsanwalt Dr. Christoph Wüterich, Partner der Kanzlei Wüterich Breucker, aus langjähriger Erfahrung, „entscheidend ist, ob er den konkreten Fall beim zuständigen Gericht gewinnen kann.“
Faktor Geschäftsumfeld 
Jedes Verfahren kann kurz- oder langfristige Auswirkungen auf die Geschäftsverbindungen des Unternehmens haben, und zwar nicht nur mit dem Prozessgegner, sondern auch mit anderen Geschäftspartnern. Die Sache kann noch komplizierter werden, wenn der Prozessgegner einen Dritten in das Verfahren hineinzieht: Wer im Falle des Unterliegens seinerseits Ansprüche gegen einen Dritten – etwa einen Unterlieferanten – hat, kann diesem den „Streit verkünden“, wie es in der Zivilprozessordnung heißt. Auf diese Weise wird der Dritte an die Ergebnisse des geführten Prozesses gebunden. Die Streitverkündung ist keineswegs nur ein prozessuales „Störfeuer“, sondern kann in vielen Fällen geboten sein. Der Dritte kann dann dem Verfahren beitreten und eigene Anträge stellen. Dadurch können zusätzliche Implikationen und Kosten entstehen, die auf den ersten Blick nicht erkennbar waren.
Faktor Ressourcen 
Ein Zivilprozess bindet Ressourcen. Das folgt aus dem Beibringungsgrundsatz: Jede Partei muss die ihr günstigen Tatsachen vortragen und dafür Beweis anbieten. Das Gericht ermittelt – anders als etwa im Strafprozess – nicht „von Amts wegen“. Aufgabe des Anwaltes ist es, den rechtlich relevanten Sachverhalt zusammenzufassen. Zudem sollte er die Beweisbarkeit des Klageanspruchs prüfen und gegebenenfalls Beweise sichern, empfiehlt Prechtel. Zu einer umfassenden Aufklärung gehört eine realistische Einschätzung, wie viel Zeit der Mandant seinerseits für die Recherche des Sachverhaltes und erforderlicher Beweismittel, die Lektüre von Schriftsatzentwürfen und die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen aufbringen muss. Den Mandanten vor unsinnigen Prozessen und unnötigen Kosten zu bewahren, ist vielleicht sogar die wichtigste Aufgabe eines Prozessanwaltes. „Auch ein vermiedener Schaden durch einen nicht-geführten Prozess ist für den Mandanten wirtschaftlich ein Gewinn“, sagt Christoph Wüterich. Wenn Mitarbeiter als Zeugen benannt werden, ist auch deren Aufwand ins Verhältnis zum Streitwert zu setzen. „Den Mandanten hierauf vorzubereiten und ihm eine verständliche Handlungsanweisung an die Hand zu geben ist oft wichtiger, als ihm die letzten Verzweigungen der Rechtslage zu erläutern“, weiß Rechtsanwalt Marius Breucker.
Faktor Kosten 
Hinsichtlich der Prozesskosten ist eine realistische Risikoeinschätzung zu Beginn des Verfahrens entscheidend: „Die Mandanten, die von ihrer Rechtsposition überzeugt sind, blenden die Kostenrisiken teilweise aus“, berichtet Breucker. Gerichtsgebühren, Kosten für Sachverständige, Zeugenauslagen, Reisekosten und die Kosten des gegnerischen Anwaltes können sich in einem Verfahren über drei Instanzen leicht auf Beträge summieren, die den Wert des Streitgegenstandes erreichen oder sogar übertreffen. Zwar zahlt, wenn der Mandant gewinnt, der Gegner die Prozesskosten. Dies hilft aber nur, wenn der Gegner auch zahlen kann. Einem nackten Mann kann auch der Prozessgewinner nicht in die Tasche greifen. Zudem fallen nicht zwangsläufig alle mit dem Verfahren verbundenen Kosten unter die zu erstattenden „Prozesskosten“. So werden etwa die Kosten für vorgerichtliche Mahnungen oder Sachverständigengutachten ebenso wie die Reisekosten zum Prozess nur unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt. 
Der Mandant muss auch mit dem Szenario eines Vergleichs rechnen: Die Gerichte sind schon von Gesetzes wegen gehalten, auf einen Vergleich hinzuwirken. Auch unter kaufmännischen Gesichtspunkten kann dies lohnender sein als die Durchführung eines aufwendigen Verfahrens über mehrere Instanzen mit zeitintensiver Beweisaufnahme. Häufig vereinbaren die Parteien in einem Vergleich eine „Kostenaufhebung“. Dies bedeutet, dass beide Seiten ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen und die Gerichtskosten geteilt werden. Auch dies muss in eine Chancen-Risiko-Abwägung eingestellt werden.
Fazit: Es gibt sie, die „Risiken und Nebenwirkungen“… 
Unternehmen sollten vor einem Zivilprozess nicht nur ihr „gutes Recht“ im Auge haben, sondern auch die weichen Faktoren eines Verfahrens ins Kalkül ziehen. Der Zivilprozess als „Business Case“? „Es ist oft einfacher, den Mandanten in seiner Auffassung zu bestärken, als ihm die `Risiken und Nebenwirkungen` eines Prozesses aufzuzeigen. Genau dies ist aber Aufgabe des Anwaltes!“, ist Marius Breucker überzeugt. Nur wer die Schwächen kennt, so die Schlussfolgerung, kann ihnen wirksam begegnen. Und nur wer rechtzeitig auch auf die Begleitgeräusche eines Verfahrens hört, kann sachgerechte Entscheidungen treffen und seine Prozesschancen erhöhen. 
Weitere Informationen zum Thema Zivilprozess sind auf Amazon (Bücher von Marius Breucker) und auf scribd (Marius Breucker Der Beste Zivilprozess – Scribd) zu finden. 
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  • 1. Die weichen Faktoren des Zivilprozesses „Einen Zivilprozess gewinnt man nicht vor Gericht!“ sagt Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker (www.xing.com/profile/Marius_Breucker) aus der Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker und ergänzt: „Wichtiger ist die Arbeit im Vorfeld.“ Steht ein Unternehmen vor der Entscheidung für oder gegen einen Zivilprozess, wird es sich in erster Linie an der objektiven Rechtslage orientieren und die rechtlichen Chancen anhand der vertraglichen und gesetzlichen Regeln prüfen. Oder, wie es Graham Chapman formulierte: „Erfahrene Juristen bezeugen, dass es vor Gericht von Vorteil sein kann, wenn man im Recht ist.“ So schön das Bonmot ist, so sicher ist auch: Für einen erfolgreichen Prozess reicht es nicht immer, im Recht zu sein. Wer sich auf ein Verfahren einlässt, bewegt sich immer ins Ungewisse. Man muss hierfür nicht das Bild „vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand“ bemühen. Der Münchner Amtsrichter Dr. Günter Prechtel sagt in seinem Buch „Die erfolgreiche Taktik im Zivilprozess“, dass ein gewisses Prozess-Kosten-Risiko letztlich bei keiner Klage ausgeschlossen werden kann: „Die Unsicherheitsfaktoren sind zahlreich“. In eine Risikobewertung sollte das Unternehmen daher neben den Paragraphen auch die „weichen“ Faktoren eines Zivilprozesses einstellen.
  • 2. Faktor Gericht Die Praxis zeigt, dass gleichgelagerte Sachverhalte an unterschiedlichen Gerichten, ja selbst am gleichen Gericht von unterschiedlichen Richtern unterschiedlich behandelt und entschieden werden. „Die vom Gericht vertretene Rechtsansicht ist nur selten vorab bekannt bzw. vorhersehbar“ weiß Prechtel aus eigener Erfahrung als Amtsrichter. „Dies ist systemimmanent und nicht zu beanstanden“, sagt Anwalt Marius Breucker. Das Gesetz setzt zwar Leitplanken, lässt den Richtern aber viel Spielraum bei der Verfahrensführung: So ist die Vorschrift über die Leitung der mündlichen Verhandlung durch den Richter „sehr knapp gefasst“, wie der Münsteraner Professor Dr. Ingo Sänger in seinem Beitrag „Verfahrensmanagement im Zivilprozess“ in den Mitteilungen der Bundesrechtsanwaltskammer schrieb: „Im Wesentlichen ist nur geregelt, dass der Vorsitzende Richter in der Verhandlung das Wort erteilt und Sorge zu tragen hat, dass die Sache erschöpfend erörtert und möglichst ohne Unterbrechung zu Ende geführt wird.“ Dabei ist es Sache der Parteien, die maßgeblichen Tatsachen vorzutragen. Aufgrund dieses „Beibringungsgrundsatzes“ ist der Richter weitgehend daran gehindert, die aus seiner Sicht entscheidenden Tatsachen selbst zu ermitteln. „Die Parteien allein bestimmen das Verfahren“ schreibt Ingo Sänger, weist aber auf die gleichwohl bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten des Richters hin. So könne das Gericht bei der Klärung des Sach- und Streitverhältnisses aktiv mitwirken, solange die Neutralitätspflicht und der Grundsatz der Gleichbehandlung gewahrt werden. Folgerichtig spiegeln sich die individuellen Eigenschaften der Richter, ihre Stärken und Schwächen im Verfahren wider. Zwar hat das Gericht eine Fürsorgepflicht gegenüber den Parteien und darf keine „Überraschungsentscheidungen“ treffen. Das gebietet schon der Grundsatz des rechtlichen Gehörs. Umgekehrt ist das Gericht – wie es der ehemalige Amtsrichter Dr. Dr. Peter Hartmann in einem führenden Kommentar zum Zivilprozessrecht formuliert – „keine Fürsorgebehörde und entgegen mancher Bemühungen kein bloßer Servicebetrieb, der auf Kundschaft wartet.“ Es ist also Sache des Anwaltes, seinen Mandanten auf Eigenarten des Gerichts einzustellen. „Durch ein taktisch geschicktes, fehlerfreies Vorgehen kann man die eigenen Gewinnchancen durchaus erhöhen“, schreibt Amtsrichter Prechtel. Es gilt, die Perspektive des Richters zu berücksichtigen, der selbst nicht dabei war und seine Entscheidung auf die ihm vorgelegten Unterlagen stützen muss. Der Stuttgarter Anwalt Breucker bringt dies auf die Formel: „Das Entscheidende passiert nicht vor dem Gericht, sondern vor dem Prozess“. Dafür genügt es nicht, die höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu kennen; vielmehr gilt es, die Charakteristika der einzelnen Oberlandesgerichte, Landgerichte und Amtsgerichte zu berücksichtigen und deren individuelle Rechtsprechung auszuwerten. Auf diese Weise gelangt man zu einer realistischen Einschätzung, wie der konkrete Fall voraussichtlich behandelt wird. „Es hilft dem Mandanten wenig, wenn er nach herrschender Meinung ‚eigentlich‘ gewinnen müsste“, weiß Rechtsanwalt Dr. Christoph Wüterich, Partner der Kanzlei Wüterich Breucker, aus langjähriger Erfahrung, „entscheidend ist, ob er den konkreten Fall beim zuständigen Gericht gewinnen kann.“
  • 3. Faktor Geschäftsumfeld Jedes Verfahren kann kurz- oder langfristige Auswirkungen auf die Geschäftsverbindungen des Unternehmens haben, und zwar nicht nur mit dem Prozessgegner, sondern auch mit anderen Geschäftspartnern. Die Sache kann noch komplizierter werden, wenn der Prozessgegner einen Dritten in das Verfahren hineinzieht: Wer im Falle des Unterliegens seinerseits Ansprüche gegen einen Dritten – etwa einen Unterlieferanten – hat, kann diesem den „Streit verkünden“, wie es in der Zivilprozessordnung heißt. Auf diese Weise wird der Dritte an die Ergebnisse des geführten Prozesses gebunden. Die Streitverkündung ist keineswegs nur ein prozessuales „Störfeuer“, sondern kann in vielen Fällen geboten sein. Der Dritte kann dann dem Verfahren beitreten und eigene Anträge stellen. Dadurch können zusätzliche Implikationen und Kosten entstehen, die auf den ersten Blick nicht erkennbar waren.
  • 4. Faktor Ressourcen Ein Zivilprozess bindet Ressourcen. Das folgt aus dem Beibringungsgrundsatz: Jede Partei muss die ihr günstigen Tatsachen vortragen und dafür Beweis anbieten. Das Gericht ermittelt – anders als etwa im Strafprozess – nicht „von Amts wegen“. Aufgabe des Anwaltes ist es, den rechtlich relevanten Sachverhalt zusammenzufassen. Zudem sollte er die Beweisbarkeit des Klageanspruchs prüfen und gegebenenfalls Beweise sichern, empfiehlt Prechtel. Zu einer umfassenden Aufklärung gehört eine realistische Einschätzung, wie viel Zeit der Mandant seinerseits für die Recherche des Sachverhaltes und erforderlicher Beweismittel, die Lektüre von Schriftsatzentwürfen und die Teilnahme an mündlichen Verhandlungen aufbringen muss. Den Mandanten vor unsinnigen Prozessen und unnötigen Kosten zu bewahren, ist vielleicht sogar die wichtigste Aufgabe eines Prozessanwaltes. „Auch ein vermiedener Schaden durch einen nicht-geführten Prozess ist für den Mandanten wirtschaftlich ein Gewinn“, sagt Christoph Wüterich. Wenn Mitarbeiter als Zeugen benannt werden, ist auch deren Aufwand ins Verhältnis zum Streitwert zu setzen. „Den Mandanten hierauf vorzubereiten und ihm eine verständliche Handlungsanweisung an die Hand zu geben ist oft wichtiger, als ihm die letzten Verzweigungen der Rechtslage zu erläutern“, weiß Rechtsanwalt Marius Breucker.
  • 5. Faktor Kosten Hinsichtlich der Prozesskosten ist eine realistische Risikoeinschätzung zu Beginn des Verfahrens entscheidend: „Die Mandanten, die von ihrer Rechtsposition überzeugt sind, blenden die Kostenrisiken teilweise aus“, berichtet Breucker. Gerichtsgebühren, Kosten für Sachverständige, Zeugenauslagen, Reisekosten und die Kosten des gegnerischen Anwaltes können sich in einem Verfahren über drei Instanzen leicht auf Beträge summieren, die den Wert des Streitgegenstandes erreichen oder sogar übertreffen. Zwar zahlt, wenn der Mandant gewinnt, der Gegner die Prozesskosten. Dies hilft aber nur, wenn der Gegner auch zahlen kann. Einem nackten Mann kann auch der Prozessgewinner nicht in die Tasche greifen. Zudem fallen nicht zwangsläufig alle mit dem Verfahren verbundenen Kosten unter die zu erstattenden „Prozesskosten“. So werden etwa die Kosten für vorgerichtliche Mahnungen oder Sachverständigengutachten ebenso wie die Reisekosten zum Prozess nur unter bestimmten Voraussetzungen ersetzt. Der Mandant muss auch mit dem Szenario eines Vergleichs rechnen: Die Gerichte sind schon von Gesetzes wegen gehalten, auf einen Vergleich hinzuwirken. Auch unter kaufmännischen Gesichtspunkten kann dies lohnender sein als die Durchführung eines aufwendigen Verfahrens über mehrere Instanzen mit zeitintensiver Beweisaufnahme. Häufig vereinbaren die Parteien in einem Vergleich eine „Kostenaufhebung“. Dies bedeutet, dass beide Seiten ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen und die Gerichtskosten geteilt werden. Auch dies muss in eine Chancen-Risiko-Abwägung eingestellt werden.
  • 6. Fazit: Es gibt sie, die „Risiken und Nebenwirkungen“… Unternehmen sollten vor einem Zivilprozess nicht nur ihr „gutes Recht“ im Auge haben, sondern auch die weichen Faktoren eines Verfahrens ins Kalkül ziehen. Der Zivilprozess als „Business Case“? „Es ist oft einfacher, den Mandanten in seiner Auffassung zu bestärken, als ihm die `Risiken und Nebenwirkungen` eines Prozesses aufzuzeigen. Genau dies ist aber Aufgabe des Anwaltes!“, ist Marius Breucker überzeugt. Nur wer die Schwächen kennt, so die Schlussfolgerung, kann ihnen wirksam begegnen. Und nur wer rechtzeitig auch auf die Begleitgeräusche eines Verfahrens hört, kann sachgerechte Entscheidungen treffen und seine Prozesschancen erhöhen. Weitere Informationen zum Thema Zivilprozess sind auf Amazon (Bücher von Marius Breucker) und auf scribd (Marius Breucker Der Beste Zivilprozess – Scribd) zu finden. Einige deiner Besucher werden an dieser Stelle von Zeit zu Zeit eine Werbeanzeige sehen. Dieser Beitrag wurde unter Artikel abgelegt und mit Anwalt Dr. Marius Breucker, Anwalt Marius Breucker, Dr. Marius Breucker, Dr. Marius Breucker Stuttgart, Gericht, Geschäftsumfeld, Marius Breucker, Prozesskosten,Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker, Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker Kanzlei Stuttgart, Rechtsanwalt Dr. Marius Breucker Kanzlei Wüterich Breucker Stuttgart, Stuttgarter Kanzlei, Stuttgarter Kanzlei Wüterich Breucker, Verfahren, Wüterich Breucker, weichen Faktoren des Zivilprozesses, Zivilprozess verschlagwortet. Share this: Press This Twitter Facebook Google LinkedIn Pinterest Tumblr