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1. Oktober 2011

                     Prof. Dr. Brigitte Kerchner


                     Liquid Democracy –
        Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?




© Kerchner                    Liquid Democracy – Digitale Demokratie und Internet
Liquid Democracy –
                 Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?




 Einstieg: Demokratie im Aufbruch

       ●     Die arabische Revolution
       ●     Jugendproteste in Kairo, Madrid, Tel Aviv, London, Athen
       ●     Stuttgart 21
       ●     Einzug der Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus, 25.9.2011
       ●     „Eurokrise“ – Europäisches Demokratiedefizit


 Aktuelle Frage:
      Ist mehr direkte Demokratie möglich?




© Kerchner                             Liquid Democracy - Digitale Demokratie und Internet
Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?

 Ziele des Vortrags
        ● Neuere Demokratiediskussion reflektieren
        ● Berliner Ansatz zur Evaluierung von „Adhocracy“ vorstellen

 Übersicht
       Einstieg: Demokratie im Aufbruch

       1. Was ist Demokratie?
          1.1 Direkte und indirekte Demokratie
          1.2 Was ist und wie funktioniert „Liquid Democracy“?

       2. Was ist ein (Internet-) „Diskurs“?
          2.1 Diskursbegriffe
          2.2 Moderierter online-Diskurs

       3. Wie können Internet-Diskurse (E-Diskurse) untersucht werden?
          3.1 „Adhocracy“ in der Enquete-Kommission des Bundestages
          3.2 Abgeordnete, Experten, Bürger/innen im „Diskurs“– Erste Schritte zur Evaluierung


       Fazit und Ausblick, Drei Thesen, Literatur

© Kerchner                                 Liquid Democracy – Digitale Demokratie und Intrernet
1. Was ist Demokratie?



 „Government of the people,
                             by the people,
                                                for the people.“

                                                                   Abraham Lincoln




 Offene Frage:
             Wo liegt der Schwerpunkt?




© Kerchner               Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
1. Was ist Demokratie?




 „Demokratie“     = Herrschaft des Volkes
                  = „Government of the people, by the people, for the people”
                                                                   (Abraham Lincoln)



 Zwei Typen der „Demokratie“

 1. „Herrschaft für das Volk“       – als indirekte, repräsentative Demokratie
 2. „Herrschaft durch das Volk“     – als direkte, partizipative Demokratie




© Kerchner              Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
1.1 Direkte Demokratie

                      „Ich behaupte deshalb, dass die Souveränität, da sie nichts anderes ist
                      als die Ausübung des Gemeinwillens, niemals veräußert werden kann
                      und dass der Souverän, der nicht anderes ist als ein Gesamtwesen, nur
                      durch sich selbst vertreten werden kann; die Macht kann wohl übertragen
                      werden, nicht aber der Wille.“ [...] „Durch diese Überlegung sieht man
                      sofort, dass es weder nötig ist, zu fragen, wem es zukommt, Gesetze zu
                      erlassen, da sie ja Akte des Gemeinwillens sind; noch ob der Fürst über
                      dem Gesetz steht, da er ja Glied des Staates ist; noch ob das Gesetz
                      ungerecht sein kann, da niemand gegen sich ungerecht ist; noch wie
                      man zugleich frei und den Gesetzen unterworfen ist, da sie nur
                      Verzeichnisse unseres Willens sind.“
                                                                   (J.-J. Rousseau 1762, 40-41)



 Die direkte, partizipative Demokratie
 • Die Bürger und Bürgerinnen vertreten sich selbst und nehmen direkt am politischen Prozess
    der Gesetzgebung teil.
 • Die direkte Demokratie geht ideengeschichtlich auf das radikaldemokratische Konzept der
    „Volkssouveränität“ von Jean-Jacques Rousseau zurück.


© Kerchner                Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
1.1 Repräsentative Demokratie


                    „Repräsentation“ ist „die rechtlich autorisierte Ausübung von
                    Herrschaftsfunktionen durch verfassungsmäßig bestellte, im Namen des
                    Volkes, jedoch ohne dessen bindenden Auftrag handelnde Organe eines
                    Staates oder sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt, die ihre Autorität
                    mittelbar oder unmittelbar vom Volke ableiten und mit dem Anspruch
                    legitimieren, dem Gesamtinteresse des Volkes zu dienen und dergestalt
                    dessen wahren Willen zu vollziehen.“
                                                                   (E. Fraenkel [1964] 19917, 153)

 Die indirekte, repräsentative Demokratie
 • Die Bürgerinnen und Bürger werden durch Repräsentanten vertreten, die an ihrer Stelle und
    in ihrem Interesse verbindliche Entscheidungen fällen.
 • Historisch fungierten als Organe der Repräsentation Monarchen, Landesfürsten und
    Ständeversammlungen; an ihre Stelle treten in der Moderne Präsidenten und Parlamente.
 • Die repräsentative parlamentarische Demokratie geht theoriegeschichtlich auf die
    angelsächsische liberale Tradition (Edmund Burke, Walter Bagehot) zurück. Nach 1949 wird
    sie in Deutschland von Ernst Fraenkel vertreten.



© Kerchner                Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
1.2 Was ist „Liquid Democracy“?


 Ziele
         = Bisherige Formen und Institutionen der Demokratie flüssiger, transparenter,
         flexibler gestalten
         = Neue Verbindung von direkter und indirekter Demokratie
         = Stärkung der direkten Bürgerbeteiligung
         = Vernetzung von NGOs, Netzinitiativen, Firmen („Kooperatives Management“)

 Prinzipien
 1.    Transparenz („OpenData“)
 2.    „Strukturierter Diskurs“ – Gewichtung von Themen
 3.    Delegation von Stimmen

 Medium, Tools
      - Internet: Beteiligungssoftware („Adhocracy“, „LiquidFeedback“)


© Kerchner              Liquid Democracy - Auf dem Weg in die direkte (Diskurs-)Demokratie?
1.2 Liquid Democracy – Einwände und Chancen

 Chancen
 -   Globaler Austausch auch in großen Gruppen technisch möglich
 -   Vorschläge und Themen können jederzeit eingebracht und gewichtet werden
      („strukturierter Diskurs“)
 -   Erhöhte Bürger/innenbeteiligung und Vernetzung
 -   Neue Verbindung von direkter und repräsentativer Demokratie

 Einwände
 •    Das Internet untergräbt durch seine spezifische Form der Kommunikation
      (Simplifizierung, Emotionalisierung von Themen, Populismus) die etablierten
      Institutionen der parlamentarischen Demokratie.

 •     Das Internet verfestigt durch das Übergewicht spezifischer Nutzer (junge, gut
       ausgebildete, technisch interessierte, weisse Männer) die digitale Spaltung der
       Bevölkerung, damit wird der Zugang zu demokratischer Partizipation
       gruppenspezifisch verengt.

 Aufgabe der Demokratieforschung
      Abwägen von Risiken und Chancen

© Kerchner             Liquid Democracy - Auf dem Weg in die direkte (Diskurs-)Demokratie?
Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?




 2.    Was ist ein (Internet-) „Diskurs“?




© Kerchner                           Liquid Democracy - Digitale Demokratie und Internet
2.1 Diskursbegriffe

 1.    normativ-kritisch
       = Geregeltes Verfahren, mit dem in strittigen Fragen durch
       gleichberechtigte      Teilnehmer/innen die Geltung von
       Argumenten rational überprüft und ein Konsens erzielt werden
       kann (Habermas: „Diskursethik“)

 2.    analytisch- pragmatisch
       = Sprechen und Handeln („Interaktion“) in aktualen Verhandlungs-
       Situationen, deren komplexe Interaktionsmuster durch neutrales
       Beobachten erkannt und neutral beschrieben werden können (Grice;
       Sacks)

 3.    historisch (genealogisch/evolutionär)
       = Menge von Aussagen, die einem geregelten (wissenschaftlichen)
          Formationssystem angehören, dessen (historisch sich wandelnde)
       Strukturen das (heute) Sagbare ordnen (Foucault)

                                           (Quelle: Kerchner 2006, S. 50)

© Kerchner          Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
2.1 Diskursbegriffe




 Diskurs, normativ-kritisch

       = Geregeltes     Verfahren,  mit     dem    in    strittigen  Fragen    durch
         gleichberechtigte Teilnehmer/innen die Geltung von Argumenten rational
         überprüft und ein Konsens erzielt werden kann.
                            (Habermas: „Diskursethik“; vgl. Kerchner 2006, S. 50)


 Herausforderung
      Wie kann eine diskursanalytische Methode zur Evaluierung von Internet-
      Kommunikation eingesetzt werden?




© Kerchner             Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
2.2 Was ist ein Internet-Diskurs?




 Online-Diskurse – Zwei spezifische Voraussetzungen
 1.   Zugangsmöglichkeit der Teilnehmer/innen per Internet und E-Mail
 2.   Bereitschaft der Teilnehmer/innen per Computer zu diskutieren



 Moderierter online-Diskurs
 =   Begleitung der Debatte durch externe Moderatoren („Adhocracy“?)
 =   Strukturierung des Forums (Themenfelder, Themenzentrierung, Regeln)
 =   Weiterleiten von Sachfragen an kompetente Expert/innen




© Kerchner             Liquid Democracy - Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
3. Wie können (Internet-)„Diskurse“ untersucht werden?

 Abgeordnete, ExpertInnen im (Internet-)„Diskurs“ – Ausgangssituation
 2010/11        Das freie Software-Projekt „Adhocracy“ erhält vom deutschen
                Bundestag den Auftrag, die Arbeit der Enquete-Kommission
                „Internet und digitale Gesellschaft“ zu begleiten

 Ziel            erhöhte Transparenz der Beratungen,verstärkte Beteiligung der
                 BürgerInnen, größere Intensität der Interaktion zwischen
                 Abgeordneten, Expert/nnen, Bürger/nnen


 Innovation für die Demokratieforschung
                 Es ist erstmals zu beobachten:
                 ● wie sich die soziale und kommunikative Interaktion („Diskurs“)
                 zwischen dem Deutschen Bundestag (Abgeordnete, Gremien,
                 Kommissionen), Expert/innen und Bürgerinnen konkret gestaltet …
                 ● wie im „Herzstück der Demokratie“ mit Hilfe des Internets ein
                 „strukturierter Diskurs“ zu einem Themenfeld entsteht …


© Kerchner            Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
3.2 Abgeordnete, ExpertInnen, BürgerInnen im „Diskurs“
                       – Die Evaluierung von „Adhocracy“



 Ausgangsfragen

 •     Wie ändert sich durch die digitale Kommunikation die Arbeit in der Enquete-
       Kommission des Bundestages?
 •     Inwiefern wird die digitale Spaltung der Bevölkerung zum Problem?
 •     Welche Inhalte werden erfasst und verändert?
 •     Welche Chancen, welche Risiken zeigen sich, wenn die digitale Partizipation
       über die Meinungsbildung hinaus auf die Phase des Entscheidens ausgedehnt
       wird?
 •     Welche Herausforderungen entstehen durch die digitale Kommunikation für die
       repräsentative parlamentarische Demokratie?




© Kerchner              Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
3.2 Abgeordnete, ExpertInnen, BürgerInnen im „Diskurs“
                       – Die Evaluierung von „Adhocracy“




 Das Material – Zwei Textquellen

 a)    Schriftlich publizierte und im Internet veröffentlichte Dokumente
       (Protokolle, Gutachten, Stellungnahmen, Berichte, Empfehlungen) der
       Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, ab 1/2011;

 b)    Die durch die Beteiligungssoftware „Adhocracy“ generierten
       Textdaten, 1/2011-12/2013.




© Kerchner              Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
3.2 Abgeordnete, ExpertInnen, BürgerInnen im „Diskurs“
                       – Die Evaluierung von „Adhocracy“




 Sechs Prüfkriterien

     1.      Partizipation
     2.      Rationalität
     3.      Responsivität
     4.      Komplexität – und die Fokussierung von Themen
     5.      „Zeitregime“: Die Geschwindigkeit politischer Kommunikation
     6.      Das Internet – ein entgrenzter Kommunikations-„Raum“




© Kerchner              Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
3.2 Abgeordnete, ExpertInnen, BürgerInnen im „Diskurs“
                       – Die Evaluierung von „Adhocracy“




      An einem diskursanalytischen Verfahren zur Evaluierung von online-
      Diskursen wird derzeit weiter gearbeitet.




© Kerchner              Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?



 Fazit und Ausblick – Drei Thesen zur Diskussion
 ●     Aus historischen Gründen hat die Bundesrepublik Deutschland eine betont
       repräsentative Verfassung (Ernst Fränkel); Bürger- und Jugendproteste
       signalisieren heute: möglicherweise ist eine stärkere Verankerung
       direktdemokratischer Elemente sinnvoll.

 ●     „Liquid Democracy“ verspricht durch die Nutzung neuer technischer
       Möglichkeiten (Internet) direktdemokratische Elemente zu stärken, die direkte
       Beteiligung von Bürger/innen am politischen Meinungsbildungs- und
       Entscheidungsprozess zu erhöhen sowie die kommunikative Interaktion
       zwischen Bürger/innen, Abgeordneten und Expert/innen zu fördern.

 ●     Ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden, kann nicht theoretisch entschieden
       werden; notwendig ist eine Evaluierung, die an konkretem Material empirisch
       überprüft, wie sich der Internet-Diskurs gestaltet und welchen Einfluss die
       digitale Kommunikation auf die politischen Entscheidungsträger (hier: Papiere,
       Berichte, Empfehlungen der Enquete-Kommission) wirklich hat.
© Kerchner                            Liquid Democracy – Digitale Demokratie und Internet
Literatur (Auswahl)
 Barber, B., Strong Democracy. Participatory Politics for a New Age, Berkeley 1984.
 Drüeke, R., Das Internet als politischer Kommunikationsraum, Frankfurt/O. o. J.
 Dryzek, J., Discursive Democracy. Politics, Policy, and Political Science, Cambridge 1990.
 Fraenkel, E., Deutschland und die westlichen Demokratien [zuerst 1959], 7. Aufl. Stuttgart 1979.
 Habermas, J., Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1-2 (zuerst 1981), Frankfurt/M. 1995.
 Harth, Th., Politik und Internet, in: Anderson, U., Woyke, W. (Hg.), Handwörterbuch des
        politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 20096, 531-535.
 Kerchner, B., Diskursanalyse in der Politikwissenschaft. Ein Forschungsüberblick, in: Kerchner,
        B., Schneider, S. (Hg.), Foucault: Diskursanalyse der Politik. Eine Einführung, Wiesbaden
        2006, 33-67.
 Kerchner, B., Regieren in einer komplexer werdenden Demokratie, in: Regieren im Wandel, hg.
        v. B. Kerchner, S. Schneider (= FemPol, 2/2010), Berlin 2010, 24-39.
 Imhof, K., Blum, R., Bonfadelli H., Jarren, O. (Hg.), Demokratie in der Mediengesellschaft,
        Wiesbaden 2006.
 Ismayr, W., Der deutsche Bundestag im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, 2.
        akt. Aufl. Wiesbaden 2006.
 Leggewie, C., Bieber, Ch., Interaktive Demokratie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41-
        42/2001, 37-45.
 Massing, P. (Hg.), Mediendemokratie. Eine Einführung, Schwalbach/Ts 2003.
 Schachtner, Ch., Winker, G. (Hg.), Virtuelle Räume – neue Öffentlichkeiten. Frauennetze im
        Internet, Frankfurt/M., New York 2005.
 Schenk, M., Wolf, M. Die digitale Spaltung der Gesellschaft, in: Imhoff/Blum/Bonfadelli (Hg.),
        Demokratie in der Mediengesellschaft, 2006, 239-280.

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Liquid Democracy e.V. – “Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?"”

  • 1. 1. Oktober 2011 Prof. Dr. Brigitte Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie? © Kerchner Liquid Democracy – Digitale Demokratie und Internet
  • 2. Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie? Einstieg: Demokratie im Aufbruch ● Die arabische Revolution ● Jugendproteste in Kairo, Madrid, Tel Aviv, London, Athen ● Stuttgart 21 ● Einzug der Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus, 25.9.2011 ● „Eurokrise“ – Europäisches Demokratiedefizit Aktuelle Frage: Ist mehr direkte Demokratie möglich? © Kerchner Liquid Democracy - Digitale Demokratie und Internet
  • 3. Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie? Ziele des Vortrags ● Neuere Demokratiediskussion reflektieren ● Berliner Ansatz zur Evaluierung von „Adhocracy“ vorstellen Übersicht Einstieg: Demokratie im Aufbruch 1. Was ist Demokratie? 1.1 Direkte und indirekte Demokratie 1.2 Was ist und wie funktioniert „Liquid Democracy“? 2. Was ist ein (Internet-) „Diskurs“? 2.1 Diskursbegriffe 2.2 Moderierter online-Diskurs 3. Wie können Internet-Diskurse (E-Diskurse) untersucht werden? 3.1 „Adhocracy“ in der Enquete-Kommission des Bundestages 3.2 Abgeordnete, Experten, Bürger/innen im „Diskurs“– Erste Schritte zur Evaluierung Fazit und Ausblick, Drei Thesen, Literatur © Kerchner Liquid Democracy – Digitale Demokratie und Intrernet
  • 4. 1. Was ist Demokratie? „Government of the people, by the people, for the people.“ Abraham Lincoln Offene Frage: Wo liegt der Schwerpunkt? © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 5. 1. Was ist Demokratie? „Demokratie“ = Herrschaft des Volkes = „Government of the people, by the people, for the people” (Abraham Lincoln) Zwei Typen der „Demokratie“ 1. „Herrschaft für das Volk“ – als indirekte, repräsentative Demokratie 2. „Herrschaft durch das Volk“ – als direkte, partizipative Demokratie © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 6. 1.1 Direkte Demokratie „Ich behaupte deshalb, dass die Souveränität, da sie nichts anderes ist als die Ausübung des Gemeinwillens, niemals veräußert werden kann und dass der Souverän, der nicht anderes ist als ein Gesamtwesen, nur durch sich selbst vertreten werden kann; die Macht kann wohl übertragen werden, nicht aber der Wille.“ [...] „Durch diese Überlegung sieht man sofort, dass es weder nötig ist, zu fragen, wem es zukommt, Gesetze zu erlassen, da sie ja Akte des Gemeinwillens sind; noch ob der Fürst über dem Gesetz steht, da er ja Glied des Staates ist; noch ob das Gesetz ungerecht sein kann, da niemand gegen sich ungerecht ist; noch wie man zugleich frei und den Gesetzen unterworfen ist, da sie nur Verzeichnisse unseres Willens sind.“ (J.-J. Rousseau 1762, 40-41) Die direkte, partizipative Demokratie • Die Bürger und Bürgerinnen vertreten sich selbst und nehmen direkt am politischen Prozess der Gesetzgebung teil. • Die direkte Demokratie geht ideengeschichtlich auf das radikaldemokratische Konzept der „Volkssouveränität“ von Jean-Jacques Rousseau zurück. © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 7. 1.1 Repräsentative Demokratie „Repräsentation“ ist „die rechtlich autorisierte Ausübung von Herrschaftsfunktionen durch verfassungsmäßig bestellte, im Namen des Volkes, jedoch ohne dessen bindenden Auftrag handelnde Organe eines Staates oder sonstigen Trägers öffentlicher Gewalt, die ihre Autorität mittelbar oder unmittelbar vom Volke ableiten und mit dem Anspruch legitimieren, dem Gesamtinteresse des Volkes zu dienen und dergestalt dessen wahren Willen zu vollziehen.“ (E. Fraenkel [1964] 19917, 153) Die indirekte, repräsentative Demokratie • Die Bürgerinnen und Bürger werden durch Repräsentanten vertreten, die an ihrer Stelle und in ihrem Interesse verbindliche Entscheidungen fällen. • Historisch fungierten als Organe der Repräsentation Monarchen, Landesfürsten und Ständeversammlungen; an ihre Stelle treten in der Moderne Präsidenten und Parlamente. • Die repräsentative parlamentarische Demokratie geht theoriegeschichtlich auf die angelsächsische liberale Tradition (Edmund Burke, Walter Bagehot) zurück. Nach 1949 wird sie in Deutschland von Ernst Fraenkel vertreten. © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 8. 1.2 Was ist „Liquid Democracy“? Ziele = Bisherige Formen und Institutionen der Demokratie flüssiger, transparenter, flexibler gestalten = Neue Verbindung von direkter und indirekter Demokratie = Stärkung der direkten Bürgerbeteiligung = Vernetzung von NGOs, Netzinitiativen, Firmen („Kooperatives Management“) Prinzipien 1. Transparenz („OpenData“) 2. „Strukturierter Diskurs“ – Gewichtung von Themen 3. Delegation von Stimmen Medium, Tools - Internet: Beteiligungssoftware („Adhocracy“, „LiquidFeedback“) © Kerchner Liquid Democracy - Auf dem Weg in die direkte (Diskurs-)Demokratie?
  • 9. 1.2 Liquid Democracy – Einwände und Chancen Chancen - Globaler Austausch auch in großen Gruppen technisch möglich - Vorschläge und Themen können jederzeit eingebracht und gewichtet werden („strukturierter Diskurs“) - Erhöhte Bürger/innenbeteiligung und Vernetzung - Neue Verbindung von direkter und repräsentativer Demokratie Einwände • Das Internet untergräbt durch seine spezifische Form der Kommunikation (Simplifizierung, Emotionalisierung von Themen, Populismus) die etablierten Institutionen der parlamentarischen Demokratie. • Das Internet verfestigt durch das Übergewicht spezifischer Nutzer (junge, gut ausgebildete, technisch interessierte, weisse Männer) die digitale Spaltung der Bevölkerung, damit wird der Zugang zu demokratischer Partizipation gruppenspezifisch verengt. Aufgabe der Demokratieforschung Abwägen von Risiken und Chancen © Kerchner Liquid Democracy - Auf dem Weg in die direkte (Diskurs-)Demokratie?
  • 10. Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie? 2. Was ist ein (Internet-) „Diskurs“? © Kerchner Liquid Democracy - Digitale Demokratie und Internet
  • 11. 2.1 Diskursbegriffe 1. normativ-kritisch = Geregeltes Verfahren, mit dem in strittigen Fragen durch gleichberechtigte Teilnehmer/innen die Geltung von Argumenten rational überprüft und ein Konsens erzielt werden kann (Habermas: „Diskursethik“) 2. analytisch- pragmatisch = Sprechen und Handeln („Interaktion“) in aktualen Verhandlungs- Situationen, deren komplexe Interaktionsmuster durch neutrales Beobachten erkannt und neutral beschrieben werden können (Grice; Sacks) 3. historisch (genealogisch/evolutionär) = Menge von Aussagen, die einem geregelten (wissenschaftlichen) Formationssystem angehören, dessen (historisch sich wandelnde) Strukturen das (heute) Sagbare ordnen (Foucault) (Quelle: Kerchner 2006, S. 50) © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 12. 2.1 Diskursbegriffe Diskurs, normativ-kritisch = Geregeltes Verfahren, mit dem in strittigen Fragen durch gleichberechtigte Teilnehmer/innen die Geltung von Argumenten rational überprüft und ein Konsens erzielt werden kann. (Habermas: „Diskursethik“; vgl. Kerchner 2006, S. 50) Herausforderung Wie kann eine diskursanalytische Methode zur Evaluierung von Internet- Kommunikation eingesetzt werden? © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 13. 2.2 Was ist ein Internet-Diskurs? Online-Diskurse – Zwei spezifische Voraussetzungen 1. Zugangsmöglichkeit der Teilnehmer/innen per Internet und E-Mail 2. Bereitschaft der Teilnehmer/innen per Computer zu diskutieren Moderierter online-Diskurs = Begleitung der Debatte durch externe Moderatoren („Adhocracy“?) = Strukturierung des Forums (Themenfelder, Themenzentrierung, Regeln) = Weiterleiten von Sachfragen an kompetente Expert/innen © Kerchner Liquid Democracy - Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 14. 3. Wie können (Internet-)„Diskurse“ untersucht werden? Abgeordnete, ExpertInnen im (Internet-)„Diskurs“ – Ausgangssituation 2010/11 Das freie Software-Projekt „Adhocracy“ erhält vom deutschen Bundestag den Auftrag, die Arbeit der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ zu begleiten Ziel erhöhte Transparenz der Beratungen,verstärkte Beteiligung der BürgerInnen, größere Intensität der Interaktion zwischen Abgeordneten, Expert/nnen, Bürger/nnen Innovation für die Demokratieforschung Es ist erstmals zu beobachten: ● wie sich die soziale und kommunikative Interaktion („Diskurs“) zwischen dem Deutschen Bundestag (Abgeordnete, Gremien, Kommissionen), Expert/innen und Bürgerinnen konkret gestaltet … ● wie im „Herzstück der Demokratie“ mit Hilfe des Internets ein „strukturierter Diskurs“ zu einem Themenfeld entsteht … © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 15. 3.2 Abgeordnete, ExpertInnen, BürgerInnen im „Diskurs“ – Die Evaluierung von „Adhocracy“ Ausgangsfragen • Wie ändert sich durch die digitale Kommunikation die Arbeit in der Enquete- Kommission des Bundestages? • Inwiefern wird die digitale Spaltung der Bevölkerung zum Problem? • Welche Inhalte werden erfasst und verändert? • Welche Chancen, welche Risiken zeigen sich, wenn die digitale Partizipation über die Meinungsbildung hinaus auf die Phase des Entscheidens ausgedehnt wird? • Welche Herausforderungen entstehen durch die digitale Kommunikation für die repräsentative parlamentarische Demokratie? © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 16. 3.2 Abgeordnete, ExpertInnen, BürgerInnen im „Diskurs“ – Die Evaluierung von „Adhocracy“ Das Material – Zwei Textquellen a) Schriftlich publizierte und im Internet veröffentlichte Dokumente (Protokolle, Gutachten, Stellungnahmen, Berichte, Empfehlungen) der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“, ab 1/2011; b) Die durch die Beteiligungssoftware „Adhocracy“ generierten Textdaten, 1/2011-12/2013. © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 17. 3.2 Abgeordnete, ExpertInnen, BürgerInnen im „Diskurs“ – Die Evaluierung von „Adhocracy“ Sechs Prüfkriterien 1. Partizipation 2. Rationalität 3. Responsivität 4. Komplexität – und die Fokussierung von Themen 5. „Zeitregime“: Die Geschwindigkeit politischer Kommunikation 6. Das Internet – ein entgrenzter Kommunikations-„Raum“ © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 18. 3.2 Abgeordnete, ExpertInnen, BürgerInnen im „Diskurs“ – Die Evaluierung von „Adhocracy“ An einem diskursanalytischen Verfahren zur Evaluierung von online- Diskursen wird derzeit weiter gearbeitet. © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 19. Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie? Fazit und Ausblick – Drei Thesen zur Diskussion ● Aus historischen Gründen hat die Bundesrepublik Deutschland eine betont repräsentative Verfassung (Ernst Fränkel); Bürger- und Jugendproteste signalisieren heute: möglicherweise ist eine stärkere Verankerung direktdemokratischer Elemente sinnvoll. ● „Liquid Democracy“ verspricht durch die Nutzung neuer technischer Möglichkeiten (Internet) direktdemokratische Elemente zu stärken, die direkte Beteiligung von Bürger/innen am politischen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess zu erhöhen sowie die kommunikative Interaktion zwischen Bürger/innen, Abgeordneten und Expert/innen zu fördern. ● Ob diese Ziele tatsächlich erreicht werden, kann nicht theoretisch entschieden werden; notwendig ist eine Evaluierung, die an konkretem Material empirisch überprüft, wie sich der Internet-Diskurs gestaltet und welchen Einfluss die digitale Kommunikation auf die politischen Entscheidungsträger (hier: Papiere, Berichte, Empfehlungen der Enquete-Kommission) wirklich hat. © Kerchner Liquid Democracy – Digitale Demokratie und Internet
  • 20. Literatur (Auswahl) Barber, B., Strong Democracy. Participatory Politics for a New Age, Berkeley 1984. Drüeke, R., Das Internet als politischer Kommunikationsraum, Frankfurt/O. o. J. Dryzek, J., Discursive Democracy. Politics, Policy, and Political Science, Cambridge 1990. Fraenkel, E., Deutschland und die westlichen Demokratien [zuerst 1959], 7. Aufl. Stuttgart 1979. Habermas, J., Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1-2 (zuerst 1981), Frankfurt/M. 1995. Harth, Th., Politik und Internet, in: Anderson, U., Woyke, W. (Hg.), Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 20096, 531-535. Kerchner, B., Diskursanalyse in der Politikwissenschaft. Ein Forschungsüberblick, in: Kerchner, B., Schneider, S. (Hg.), Foucault: Diskursanalyse der Politik. Eine Einführung, Wiesbaden 2006, 33-67. Kerchner, B., Regieren in einer komplexer werdenden Demokratie, in: Regieren im Wandel, hg. v. B. Kerchner, S. Schneider (= FemPol, 2/2010), Berlin 2010, 24-39. Imhof, K., Blum, R., Bonfadelli H., Jarren, O. (Hg.), Demokratie in der Mediengesellschaft, Wiesbaden 2006. Ismayr, W., Der deutsche Bundestag im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, 2. akt. Aufl. Wiesbaden 2006. Leggewie, C., Bieber, Ch., Interaktive Demokratie, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 41- 42/2001, 37-45. Massing, P. (Hg.), Mediendemokratie. Eine Einführung, Schwalbach/Ts 2003. Schachtner, Ch., Winker, G. (Hg.), Virtuelle Räume – neue Öffentlichkeiten. Frauennetze im Internet, Frankfurt/M., New York 2005. Schenk, M., Wolf, M. Die digitale Spaltung der Gesellschaft, in: Imhoff/Blum/Bonfadelli (Hg.), Demokratie in der Mediengesellschaft, 2006, 239-280. © Kerchner Liquid Democracy – Auf dem Weg zur direkten (Diskurs-)Demokratie?
  • 21. Liquid Democracy – Auf dem Weg in die direkte (Diskurs-)Demokratie? Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! © Kerchner Liquid Democracy – Digitale Demokratie und Internet