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Privatisierung für Einsteiger
von Katrin Schaaps mehr unter https://profbeisserstein.wordpress.com/
„Guten Morgen, meine lieben Schüler! Aus aktuellen Anlass und weil es so schön zu
unserem Thema passt, beschäftigen wir uns heute mit der Privatisierung der
Autobahnen“, leitet Professor Beißerstein die Stunde ein.
„Herr Professor, Sie dürfen nicht immer Wörter verwenden, die wir nicht verstehen!“,
ruft Chantalle in die Runde.
„Ich nehme an, du meinst das Wort 'Privatisierung'?“, erwidert der Professor.
„Genau!“
„Also gut. Dann erkläre ich euch jetzt, was das ist. In dem Wort 'Privatisierung' steckt
natürlich das Wort 'privat'. Das habt ihr bestimmt schon mal gehört, oder?“, fragt der
Professor in die Runde.
„Natürlich“, entgegnet ihm Chantalle. „Bei Facebook, zum Beispiel. Da kann man
auswählen, ob etwas ‚privat’ oder ‚öffentlich’ gezeigt werden soll.“
„Du weißt doch, Chantalle, mit Facebook kenne ich mich nicht aus. Jetzt musst du mir
mal erklären, was das dort bedeutet.“
„Also... Bei Facebook muss man seinen Geburtstag angeben. Man kann aber
auswählen, ob andere den Geburtstag auch sehen oder nicht. Wenn man es nicht will,
muss man ‚privat’ auswählen, sollen es auch andere sehen können, dann ‚öffentlich’“,
erklärt Chantalle dem Professor.
„Ah ja. Das ist ja interessant! Jetzt habe ich auch mal wieder was gelernt“, erwidert
der Professor. „In der Politik haben die Begriffe ähnliche Bedeutungen. Es geht dabei
aber natürlich nicht darum, dass jemand einen Geburtstag einsehen kann oder nicht.
Nehmen wir als Beispiel Schulen. Wusstet ihr, dass es öffentliche und private Schulen
gibt?“, fragt der Professor die Klasse.
„Ja!“, antworten die Schüler.
„Kennt ihr denn auch die Unterschiede?“
„Nicht so richtig“, antwortet René.
„Eine öffentliche Schule kann jeder besuchen. Sie ist kostenlos und die Lehrer sind
beim Staat angestellt, wie auch Polizisten und Richter. Das Geld, was für die Räume
und das Personal benötigt wird, wird vom Staat zur Verfügung gestellt. Der wiederum
hat es durch Steuern eingenommen.
Eine private Schule muss sich teilweise selbst finanzieren. Daher wird eine Gebühr
für den Besuch erhoben, die die Eltern bezahlen müssen. An einer privaten Schule
kann es Tests geben, ob man geeignet ist. Sie kann entscheiden, welcher Schüler
aufgenommen wird.“
„Zusammengefasst heißt das, dass bei ‚öffentlich’ hat jeder Zugang und bei ‚privat’ nur
bestimmte?“, möchte René wissen.
„Genau. So kannst du es zusammenfassen“, erwidert der Professor.
„Hast du denn eine Idee, was die Konsequenzen sein können?“
„Den Besuch einer privaten Schule können sich nur Eltern leisten, die genug Geld
verdienen“, antwortet René.
„Das ist richtig. Auf lange Sicht gesehen, kann das zu einer Teilung der
Schülergruppe führen. Die Kinder, aus den reicheren Familien, gehen auf die privaten
Schulen und die der ärmeren auf die öffentlichen Schulen. Fällt euch noch etwas ein?“
Die Kinder überlegen.
„Ich gebe euch eine kleine Hilfe: Die meisten Lehrer, die an eurer Schule tätig sind,
sind Beamte. Sie werden vom Staat bezahlt und können nicht gekündigt werden. An
einer privaten Schule sind angestellte Lehrer tätig. Ihnen kann gekündigt werden.
Könnt ihr euch vorstellen, dass das einen Unterschied macht?“
„Also, wenn mir gekündigt werden könnte, würde ich mich mehr anstrengen und
besseren Unterricht machen“, sagt Chantalle.
„Das ist natürlich gut möglich. Wenn die Lehrer einen, eurer Meinung nach, besseren
Unterricht halten sollen, dann müssen sie sich auch besser vorbereiten und mehr Zeit
investieren, oder?“
„Stimmt!“
„Wenn die Lehrer einer privaten Schule mehr Zeit investieren müssen, dann wollen
sie natürlich auch mehr Geld verdienen, als die Lehrer einer öffentlichen Schule,
oder?“
„Ja!“
„Welche Konsequenz hätte das?“, fragt der Professor.
„Die Beiträge der Eltern würden noch weiter steigen!“, erwidert Marie.
„Oder es müssten mehr Kinder aufgenommen werden“, ergänzt der Professor. „Das
wiederum wäre nicht gut für den Unterricht. Daher wird es auf deinen Beitrag
hinauslaufen, Marie. Die Schule wird teurer und es können sich immer weniger
Eltern leisten. Wenn es dann noch weniger zahlende Eltern gibt wird es für die
übrigen noch teurer…
„Das ist ein Teufelskreis!“, ruft Chantalle in die Klasse.
„Ja, so kann man es beschreiben. Es gibt aber noch weitere Unterschiede und
Auswirkungen. Mir ist wichtig, dass ihr lernt, dass beide Seiten Vor- und Nachteile
haben und, dass ihr euch beide Seiten anschaut und weiterdenkt.
Versuchen wir uns zu überlegen, welche Auswirkungen es auf unsere Autobahnen
hätte. Bisher ist es so, dass sie vom Staat geplant, gebaut und finanziert werden.
Stellt euch vor, wir sind die Firma ‚Bau’ und kaufen ein Stück Autobahn zwischen
Düsseldorf und Köln. Dafür müssen wir, sagen wir, 1 Mio. € an den Staat zahlen.
Welche Auswirkungen fallen euch dazu ein?“, fragt der Professor die Klasse.
„Wir sind um eine 1 Mio. € ärmer“, entgegnet René. „Mir fallen bessere Ideen ein, was
wir damit machen könnten, als ein Stück Autobahn zu kaufen. Dabei verdient man
doch nichts!“
„Da sprichst du einen guten Punkt an. Wenn eine Firma so viel Geld investiert, dann
will sie auch Gewinne erzielen. Das kann sie nur, in dem sie Einnahmen hat. Bei der
Autobahn sähe es so aus, dass der Autofahrer für die Nutzung der Autobahn Geld
bezahlen müsste. Das ist die sogenannte Maut.“
„Das ist aber doof! Dann wird ja Auto fahren richtig teuer, wenn man viel fährt“, sagt
Chantalle.
„Bisher ist es so, dass jeder Autobesitzer für sein Fahrzeug einmal im Jahr Steuern
bezahlen muss. Das Fahren ist also nicht ganz umsonst. Das dadurch eingenommene
Geld fließt in die gesamten Einnahmen des Staates“, erklärt der Professor.
„Warum will der Staat denn überhaupt die Autobahnen verkaufen?“, möchte Marie
wissen.
„Der Staat könnte auf diesem Weg Geld einnehmen. Außerdem würde er die
Verantwortung für Erneuerungen und Ausbesserungen weitergeben. Damit könnte er
natürlich viel Geld sparen“, erläutert der Professor.
„Das wäre doch gut“, sagt Chantalle.
„Natürlich. Geld einnehmen ist immer gut. Das Problem ist aber, dass der Staat
Einfluss verliert. Er kann den Unternehmen nicht vorschreiben, wie hoch die
Gebühren für die Nutzung sind oder wo Autobahnen gebaut werden sollen. Wenn eine
neue gebaut wird, sind der Lärmschutz und der Naturschutz nicht zu vergessen. Dem
Staat ist es wichtig, dass die Anwohner nicht zu sehr beeinträchtigt werden. Daher
wird aus Rücksicht beispielsweise an manchen Stellen sogenannter Flüsterasphalt
verwendet. Der ist zwar teurer aber rücksichtsvoller. Aber auch kleine Städte, die
nicht oft besucht werden, müssen an das Straßennetz angebunden sein. Diese Straßen
werden nicht rentabel sein, da sie nicht oft genutzt werden.
Bei einem privaten Unternehmen steht jedoch der Gewinn im Vordergrund. Daher
werden sie wohl eher normalen Asphalt verwenden und nur Straßen bauen wollen, bei
denen sie Gewinne erzielen“, erklärt Prof. Beißerstein.
„Wenn ihr noch mal an die letzten Stunden denkt, in denen ich euch etwas über freie
und soziale Marktwirtschaft erklärt habe. Wie würdet ihr die Privatisierung der
Autobahnen einordnen?“
„Da der Staat dann weniger zu regeln hat, würde ich sagen, gehört es zur freien
Marktwirtschaft“, antwortet René.
„Sehr richtig! In der freien Marktwirtschaft gibt es den Leitsatz ‚Privat vor Staat’.
Genau dies trifft hier zu. Der Staat soll möglichst wenig in den Markt eingreifen und
regulieren. Durch den Verkauf verliert er Einflussmöglichkeiten und überlässt es
privaten Unternehmen, wie das Autobahnnetz genutzt und gebaut wird.
Eine solche Entscheidung muss, wie ihr seht, gut durchdacht und abgewogen werden.
So… das war es für heute! Jetzt habt ihr euch den Schulschluss aber redlich verdient!
Bis zum nächsten Mal!“

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Privatisierung für Einsteiger

  • 1. Privatisierung für Einsteiger von Katrin Schaaps mehr unter https://profbeisserstein.wordpress.com/ „Guten Morgen, meine lieben Schüler! Aus aktuellen Anlass und weil es so schön zu unserem Thema passt, beschäftigen wir uns heute mit der Privatisierung der Autobahnen“, leitet Professor Beißerstein die Stunde ein. „Herr Professor, Sie dürfen nicht immer Wörter verwenden, die wir nicht verstehen!“, ruft Chantalle in die Runde. „Ich nehme an, du meinst das Wort 'Privatisierung'?“, erwidert der Professor. „Genau!“ „Also gut. Dann erkläre ich euch jetzt, was das ist. In dem Wort 'Privatisierung' steckt natürlich das Wort 'privat'. Das habt ihr bestimmt schon mal gehört, oder?“, fragt der Professor in die Runde. „Natürlich“, entgegnet ihm Chantalle. „Bei Facebook, zum Beispiel. Da kann man auswählen, ob etwas ‚privat’ oder ‚öffentlich’ gezeigt werden soll.“ „Du weißt doch, Chantalle, mit Facebook kenne ich mich nicht aus. Jetzt musst du mir mal erklären, was das dort bedeutet.“ „Also... Bei Facebook muss man seinen Geburtstag angeben. Man kann aber auswählen, ob andere den Geburtstag auch sehen oder nicht. Wenn man es nicht will, muss man ‚privat’ auswählen, sollen es auch andere sehen können, dann ‚öffentlich’“, erklärt Chantalle dem Professor. „Ah ja. Das ist ja interessant! Jetzt habe ich auch mal wieder was gelernt“, erwidert der Professor. „In der Politik haben die Begriffe ähnliche Bedeutungen. Es geht dabei aber natürlich nicht darum, dass jemand einen Geburtstag einsehen kann oder nicht. Nehmen wir als Beispiel Schulen. Wusstet ihr, dass es öffentliche und private Schulen gibt?“, fragt der Professor die Klasse. „Ja!“, antworten die Schüler. „Kennt ihr denn auch die Unterschiede?“ „Nicht so richtig“, antwortet René. „Eine öffentliche Schule kann jeder besuchen. Sie ist kostenlos und die Lehrer sind beim Staat angestellt, wie auch Polizisten und Richter. Das Geld, was für die Räume und das Personal benötigt wird, wird vom Staat zur Verfügung gestellt. Der wiederum hat es durch Steuern eingenommen. Eine private Schule muss sich teilweise selbst finanzieren. Daher wird eine Gebühr für den Besuch erhoben, die die Eltern bezahlen müssen. An einer privaten Schule kann es Tests geben, ob man geeignet ist. Sie kann entscheiden, welcher Schüler aufgenommen wird.“ „Zusammengefasst heißt das, dass bei ‚öffentlich’ hat jeder Zugang und bei ‚privat’ nur bestimmte?“, möchte René wissen. „Genau. So kannst du es zusammenfassen“, erwidert der Professor.
  • 2. „Hast du denn eine Idee, was die Konsequenzen sein können?“ „Den Besuch einer privaten Schule können sich nur Eltern leisten, die genug Geld verdienen“, antwortet René. „Das ist richtig. Auf lange Sicht gesehen, kann das zu einer Teilung der Schülergruppe führen. Die Kinder, aus den reicheren Familien, gehen auf die privaten Schulen und die der ärmeren auf die öffentlichen Schulen. Fällt euch noch etwas ein?“ Die Kinder überlegen. „Ich gebe euch eine kleine Hilfe: Die meisten Lehrer, die an eurer Schule tätig sind, sind Beamte. Sie werden vom Staat bezahlt und können nicht gekündigt werden. An einer privaten Schule sind angestellte Lehrer tätig. Ihnen kann gekündigt werden. Könnt ihr euch vorstellen, dass das einen Unterschied macht?“ „Also, wenn mir gekündigt werden könnte, würde ich mich mehr anstrengen und besseren Unterricht machen“, sagt Chantalle. „Das ist natürlich gut möglich. Wenn die Lehrer einen, eurer Meinung nach, besseren Unterricht halten sollen, dann müssen sie sich auch besser vorbereiten und mehr Zeit investieren, oder?“ „Stimmt!“ „Wenn die Lehrer einer privaten Schule mehr Zeit investieren müssen, dann wollen sie natürlich auch mehr Geld verdienen, als die Lehrer einer öffentlichen Schule, oder?“ „Ja!“ „Welche Konsequenz hätte das?“, fragt der Professor. „Die Beiträge der Eltern würden noch weiter steigen!“, erwidert Marie. „Oder es müssten mehr Kinder aufgenommen werden“, ergänzt der Professor. „Das wiederum wäre nicht gut für den Unterricht. Daher wird es auf deinen Beitrag hinauslaufen, Marie. Die Schule wird teurer und es können sich immer weniger Eltern leisten. Wenn es dann noch weniger zahlende Eltern gibt wird es für die übrigen noch teurer… „Das ist ein Teufelskreis!“, ruft Chantalle in die Klasse. „Ja, so kann man es beschreiben. Es gibt aber noch weitere Unterschiede und
  • 3. Auswirkungen. Mir ist wichtig, dass ihr lernt, dass beide Seiten Vor- und Nachteile haben und, dass ihr euch beide Seiten anschaut und weiterdenkt. Versuchen wir uns zu überlegen, welche Auswirkungen es auf unsere Autobahnen hätte. Bisher ist es so, dass sie vom Staat geplant, gebaut und finanziert werden. Stellt euch vor, wir sind die Firma ‚Bau’ und kaufen ein Stück Autobahn zwischen Düsseldorf und Köln. Dafür müssen wir, sagen wir, 1 Mio. € an den Staat zahlen. Welche Auswirkungen fallen euch dazu ein?“, fragt der Professor die Klasse. „Wir sind um eine 1 Mio. € ärmer“, entgegnet René. „Mir fallen bessere Ideen ein, was wir damit machen könnten, als ein Stück Autobahn zu kaufen. Dabei verdient man doch nichts!“ „Da sprichst du einen guten Punkt an. Wenn eine Firma so viel Geld investiert, dann will sie auch Gewinne erzielen. Das kann sie nur, in dem sie Einnahmen hat. Bei der Autobahn sähe es so aus, dass der Autofahrer für die Nutzung der Autobahn Geld bezahlen müsste. Das ist die sogenannte Maut.“ „Das ist aber doof! Dann wird ja Auto fahren richtig teuer, wenn man viel fährt“, sagt Chantalle. „Bisher ist es so, dass jeder Autobesitzer für sein Fahrzeug einmal im Jahr Steuern bezahlen muss. Das Fahren ist also nicht ganz umsonst. Das dadurch eingenommene Geld fließt in die gesamten Einnahmen des Staates“, erklärt der Professor. „Warum will der Staat denn überhaupt die Autobahnen verkaufen?“, möchte Marie wissen. „Der Staat könnte auf diesem Weg Geld einnehmen. Außerdem würde er die Verantwortung für Erneuerungen und Ausbesserungen weitergeben. Damit könnte er natürlich viel Geld sparen“, erläutert der Professor. „Das wäre doch gut“, sagt Chantalle. „Natürlich. Geld einnehmen ist immer gut. Das Problem ist aber, dass der Staat Einfluss verliert. Er kann den Unternehmen nicht vorschreiben, wie hoch die Gebühren für die Nutzung sind oder wo Autobahnen gebaut werden sollen. Wenn eine neue gebaut wird, sind der Lärmschutz und der Naturschutz nicht zu vergessen. Dem Staat ist es wichtig, dass die Anwohner nicht zu sehr beeinträchtigt werden. Daher wird aus Rücksicht beispielsweise an manchen Stellen sogenannter Flüsterasphalt verwendet. Der ist zwar teurer aber rücksichtsvoller. Aber auch kleine Städte, die nicht oft besucht werden, müssen an das Straßennetz angebunden sein. Diese Straßen werden nicht rentabel sein, da sie nicht oft genutzt werden. Bei einem privaten Unternehmen steht jedoch der Gewinn im Vordergrund. Daher werden sie wohl eher normalen Asphalt verwenden und nur Straßen bauen wollen, bei denen sie Gewinne erzielen“, erklärt Prof. Beißerstein. „Wenn ihr noch mal an die letzten Stunden denkt, in denen ich euch etwas über freie und soziale Marktwirtschaft erklärt habe. Wie würdet ihr die Privatisierung der Autobahnen einordnen?“ „Da der Staat dann weniger zu regeln hat, würde ich sagen, gehört es zur freien Marktwirtschaft“, antwortet René. „Sehr richtig! In der freien Marktwirtschaft gibt es den Leitsatz ‚Privat vor Staat’. Genau dies trifft hier zu. Der Staat soll möglichst wenig in den Markt eingreifen und regulieren. Durch den Verkauf verliert er Einflussmöglichkeiten und überlässt es privaten Unternehmen, wie das Autobahnnetz genutzt und gebaut wird. Eine solche Entscheidung muss, wie ihr seht, gut durchdacht und abgewogen werden. So… das war es für heute! Jetzt habt ihr euch den Schulschluss aber redlich verdient! Bis zum nächsten Mal!“