Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Röckrath, Sauer: Einführung in das Tarifvertragsrecht
1. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
Einführung in das Tarifvertragsrecht
Prof. Dr. Gereon Röckrath
Geschäftsführer der HamburgMusik gGmbH - Elbphilharmonie und Laeiszhalle
Betriebsgesellschaft und Geschäftsführer der Elbphilharmonie und Laeiszhalle
Service GmbH, Lehrbeauftragter am Institut für Kultur- und Medienmanagement
der Hochschule für Musik und Theater Hamburg
Olaf Christian Sauer
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht; Partner in der Anwaltssozietät
DAMM & MANN, Hamburg; tätig u.a. für Institutionen im Bereich Kultur und
Medien; Dozent am Institut für Kultur und Medienmanagement Hamburg.
D
4.4
S. 1
Inhalt Seite
1. Einleitung 3
2. Verfassungsrechtlicher Rang der Tarifautonomie 4
3. Funktionen des Tarifvertrages 4
4. Tariffähigkeit und Koalitionsbegriff 5
5. Begriff und Inhalt von Tarifverträgen 7
5.1 Schuldrechtlicher Teil 7
5.2 Normativer Teil 8
6. Geltungsbereich 11
6.1 Räumlicher Geltungsbereich 12
6.2 Fachlicher Geltungsbereich 12
6.3 Persönlicher Geltungsbereich 12
6.4 Zeitlicher Geltungsbereich 12
7. Wirkungsweise der normativen Bestimmungen
des Tarifvertrages 13
7.1 Unmittelbarkeit (§ 4 Absatz 1 TVG) 13
7.2 Zwingende Wirkung (§ 4 Absatz 1 TVG) 14
7.3 Unabdingbarkeit (§ 4 Abs. 3 TVG) 16
7.4 Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG) 17
8. Tarifbindung 17
8.1 Tarifanwendung auf der Grundlage des
Gleichbehandlungsgrundsatzes 19
8.2 Tarifanwendung durch Bezugnahme 21
8.3 Zur Zulässigkeit von sog. Differenzierungsklauseln 25
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2. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
8.4 Tarifanwendung durch betriebliche Übung 27
8.5 Verpflichtung zur Ausdehnung der Tarifverträge auf Außenseiter
durch interne Verbandsstatuten 28
8.6 Tarifanwendung aufgrund von Tariftreuegesetzen der
Bundesländer 29
8.7 Zusammenfassung 29
9. Tarifkollisionen 29
9.1 Tarifkonkurrenz 29
9.2 Tarifpluralität 31
9.3 Tarifpolitische Situation 33
10. Bekanntgabe des Tarifvertrages 33
D
4.4
S. 2
Was dürfen Tarifverträge regeln und für wen gelten tarifliche Normen? Welche
Pflichten begründen Tarifverträge für die Tarifvertragsparteien? Tritt nach Ablauf
der von den Tarifvertragsparteien festgesetzten Laufzeit eines Tarifvertrages eine
„tariflose Zeit“ ein? Darf der Arbeitgeber Gewerkschaftsmitglieder und sog.
Außenseiter in seinem Betrieb in Hinsicht auf tarifliche Arbeitsbedingungen
unterschiedlich behandeln? Wie verfährt die Rechtsprechung mit Tarifkollisio-
nen? Auf den nachfolgenden Seiten erhalten Sie Antworten auf diese und andere
Fragen.
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3. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
1. Einleitung
Tarifverträge kommen keineswegs nur im industriellen Bereich vor. Auch in der
künstlerischen Arbeitswelt spielen Tarifverträge eine zentrale Rolle. Theater sind
aufgrund der Vielzahl der angestellten künstlerischen Bühnenkräfte (Sänger,
Schauspieler, Chor- und Tanzmitglieder, Orchestermusiker), der Bühnenmitglie-
der in den nicht-künstlerischen Bereichen (Verwaltungs- und Hauspersonal, büh-
nentechnisches Personal und den Handwerkern in den Dekorationswerkstätten –
Schreiner, Schlosser, Maler –) überaus personalintensive Unternehmungen. Dies
zeigt sich auch darin, dass der Personalkostenanteil am Gesamtetat eines Theaters
75-80 % beträgt. Die Personalkosten werden insbesondere bei Einspardiskussio-
nen häufig dafür ins Feld geführt, dass der vom Intendanten frei disponierbare
künstlerische Etat (Besetzungen von Gastsängern und -schauspielern, gastweise
für Neuproduktionen engagierte Regisseure, Bühnen- und Kostümbildner, Deko-
rationen für Neuproduktionen) nur einen geringen Anteil des Gesamtbudgets D
ausmacht, der sich für Sparauflagen nicht eignet, da sonst in die künstlerische 4.4
Substanz eingegriffen würde.
S. 3
Tarifverträge gelten an Bühnen keineswegs nur für technisches oder verwaltendes
Bühnenpersonal. Auch für die künstlerisch Tätigen existieren Tarifverträge, die
Arbeitszeit, Pausen oder Mitwirkungspflichten regeln. Die Ausgestaltung der
Arbeitsbedingungen von Sängern, Chorsängern, Tänzern und Orchestermusikern
regeln die Bühnentarifverträge, die vom Deutschen Bühnenverein als Arbeitge-
berverband und der Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger (GDBA),
dem Verband deutscher Opernchormitglieder (VDO) und der Deutschen Orches-
tervereinigung (DOV) als gewerkschaftliche Vertretungen abgeschlossen wurden.
Die Tarifverträge für die künstlerischen Bühnenberufe waren wiederholt Anlass
für kontroverse Diskussionen, da sie einschneidend in künstlerische Arbeitspro-
zesse eingreifen. Regisseure und Dirigenten können nicht nach Belieben auf die
künstlerisch Mitwirkenden (Chor, Orchester, Sänger und Tänzer) für Proben
zurückgreifen, sondern müssen sich in ein von Tarifverträgen vorgegebenes Ar-
beitszeitgerüst einfügen.
Für das Verständnis der Arbeitswirklichkeit an deutschen Theatern ist es daher
von großer Bedeutung, sich jenseits der Kenntnis der Inhalte der einschlägigen
Tarifverträge (siehe hierzu Beitrag „Bühnenarbeitsrecht“ D 2.3) ein Verständnis
für die im Tarifvertragsgesetz geregelten Grundlagen zu erarbeiten, die gleichsam
vor die Klammer gezogen für alle Einzeltarifverträge gelten. Für die arbeitsrecht-
liche Praxis sowohl beim Abschluss als auch bei der Durchführung von Arbeits-
verträgen ist ein Wissen um die generelle Wirkungsweise von Tarifverträgen
unentbehrlich. Im Vordergrund dieses Beitrages stehen daher die rechtlichen
Aspekte des Tarifvertragsrechts, die den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer
betreffen, die von den Tarifwirkungen erfasst werden. Nur am Rande werden
Fragen des Tarifvertrages behandelt, die sich auf die Tarifvertragsparteien (Tarif-
fähigkeit/Verhandlungsanspruch/Kündigung von Tarifverträgen usw.) und deren
Innenverhältnis beziehen.
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4. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
2. Verfassungsrechtlicher Rang der
Tarifautonomie
Das Tarifvertragsgesetz (TVG) hat bereits vor dem Inkrafttreten des Grundgeset-
zes gegolten. Obwohl das Grundgesetz die Tarifverträge nicht ausdrücklich nennt,
werden sie mit Verfassungsrang ausgestattet. Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz
schützt nicht nur die Bildung von Koalitionen, sondern stellt zugleich auch deren
koalitionsmäßige Betätigungen unter den besonderen Schutz der Verfassung.1 Der
Abschluss von Tarifverträgen gehört zu den vornehmsten Aufgaben der Tarifver-
tragsparteien. Der Tarifvertrag gibt den Koalitionspartnern ein Instrument zur
Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen an die Hand. Die verfas-
sungsrechtlich verbürgte Tarifautonomie ist von der Legislative zu achten. Der
Gesetzgeber kann zwar auf dem Gebiet des Arbeitsrechts legislativ tätig werden,
er muss aber den Tarifvertragsparteien einen Gestaltungsspielraum erhalten.2 Der
D
Vorrang der Tarifautonomie zeigt sich darin, dass ein Arbeitskampf, dessen Mittel
4.4
Streik und Aussperrung sind, überhaupt erst eingeleitet werden darf, wenn Ver-
S. 4 handlungen, die den Abschluss von Tarifverträgen zum Ziel haben, gescheitert
sind. Arbeitskämpfe dürfen zudem nur über Gegenstände geführt werden, die
Inhalt eines Tarifvertrages werden könnten. Ein Arbeitskampf zu politischen
Fragen (z.B. Rücknahme eines vom Parlament erlassenen Gesetzes) ist genauso
unzulässig wie der Arbeitskampf um ein tarifvertraglich überhaupt nicht regelba-
res Ziel (z.B. Streik zur Durchsetzung der sog. Differenzierungsklausel mit einem
Abstandsgebot zu Lasten der Außenseiter).3
3. Funktionen des Tarifvertrages
Schutzfunktion
Das Tarifrecht soll faire und gerechte Arbeitsbedingungen schaffen. Indem der
Tarifvertrag Mindestarbeitsbedingungen festlegt, dient er dem Schutz der Arbeit-
nehmer. Der Arbeitnehmer ist davor geschützt, dass der Arbeitgeber einseitig
untertarifliche Arbeitsbedingungen bestimmt.
Verteilungsfunktion
Bei den Vergütungstarifverträgen zeigt sich der Einfluss des Tarifrechts auf die
Einkommensverteilung innerhalb der Gesellschaft.
Ordnungsfunktion
Tarifverträge, die den Inhalt von Arbeitsverhältnissen festlegen können, führen zu
einer Typisierung der Arbeitsverträge. Tarifverträge erleichtern den Abschluss
von Arbeitsverträgen und entlasten damit die Arbeitsvertragsparteien. Auch nicht
tarifgebundene Arbeitsvertragsparteien können sich der tariflichen Regelungen
für ihr Arbeitsverhältnis bedienen.
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