Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Poser, Musfeldt: Der Schutz von Werbekonzepten, Werbeslogans sowie Fernsehformaten nach dem Urheberrechtsgesetz
1. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Der Schutz von Werbekonzepten,
Werbeslogans sowie Fernsehformaten
nach dem Urheberrechtsgesetz
Eine Rechtsprechungsanalyse mit Praxistipps
B
1.10
Ulrich Poser
Rechtsanwalt in Hamburg mit dem Schwerpunkt Medienrecht, insbesondere dem S. 1
Recht der Musik- und Veranstaltungsbranche; Seminarleiter und Dozent an der
Hochschule für Musik und Theater in Hamburg sowie an der Fernuniversität Hagen.
Unter Mitwirkung von
Christian Musfeldt
Rechtsreferendar bei dem Landgericht Flensburg
Inhalt Seite
1. Die Schutzfähigkeit von Werbekonzepten 2
1.1 Einleitung 2
1.2 Der Schutz von Werbekonzeptionen nach dem UrhG 3
1.3 Praxistipp 6
1.4 Rechtsprechung zu Werken der bildenden Kunst 7
1.5 Urheberrechtlicher Schutz von Werbeprospekten,
Werbeanzeigen und Zeitungsannoncen 8
1.6 Schutz nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb
(§§ 1,3 UWG) 9
2. Die Schutzfähigkeit von Werbeslogans 9
2.1 Der BGH 11
2.2 Zur Schutzfähigkeit von Werbeslogans in Literatur und
Rechtsprechung 11
2.3 Ergänzender Schutz durch das Wettbewerbsrecht (UWG) 15
3. Die Schutzfähigkeit von Fernsehformaten 17
3.1 Begriffsbestimmung 17
3.2 „Kinderquatsch mit Michael“ 18
3.3 Quizmaster 19
3.4 Mattscheibe 19
3.5 „Goldmillion“ 19
3.6 Die Fernsehserie 20
3.7 Abgrenzung zur Rechtsprechung zu einzelnen Showelementen 20
3.8 Kritik im Schrifttum 20
3.9 Ergebnis und Ausblick 22
24 Kultur & Recht Mai 2004
2. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
1. Die Schutzfähigkeit von Werbekonzepten
1.1 Einleitung
Die Frage nach der Schutzfähigkeit von Werbekonzeptionen und Werbeslogans
erweist sich in der täglichen Anwaltspraxis als ein häufiges Problem der in der
B Werbebranche tätigen Unternehmen, nämlich der Werbe- und Eventagenturen.
1.10 Hierbei ist die missliche Lage der Agenturen stets ähnlich:
S. 2
Ein Kunde, zum Beispiel ein Unternehmen aus der Industrie, fragt bei der
Agentur an, ob diese zur Erstellung eines bestimmten Werbekonzepts
bzw. zur Ausarbeitung einer Kampagne bereit ist. Der Kunde liefert der Agentur
die notwendigen Eckdaten, teilt ihr seine Zielvorstellungen mit und bittet sie
darum, verschiedene Entwürfe vorzubereiten und vorzulegen. Eine vertragliche
Bindung kommt für den Kunden zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Frage.
Jetzt beginnt die Arbeit der Agentur: Sie erstellt Entwürfe; diese Arbeit ist bereits
mit einem erheblichen personellen und finanziellen Aufwand verbunden: Arbeits-
kräfte werden eingestellt, Materialien müssen beschafft werden; all dies kostet
die Agentur Zeit und Geld.
Nachdem die Agentur wochenlang an Entwürfen und Konzeptionen gearbeitet
hat, werden diese dem Kunden vorgestellt. Der Kunde zeigt sich begeistert von
der Arbeit der Agentur und teilt dieser mit, dass er sich im Lauf der nächsten
Woche für einen der gelieferten Entwürfe entscheiden werde. Nachdem sich der
Kunde - entgegen seiner Ankündigung – doch nicht bei der Agentur gemeldet hat,
ruft diese bei dem Kunden an und muss in Erfahrung bringen, dass ihr der Auf-
trag leider doch nicht erteilt wird. Ihr wird mitgeteilt, man habe sich für einen
Mitbewerber entschieden.
Müssen Agenturen umsonst arbeiten?
Nunmehr erklärt die Agentur ihrem Kunden, dass sie mehrere Wochen für den
Kunden gearbeitet habe und sich auf ein Honorar einigen müsse. Der Kunde ist
zur Zahlung eines Honorars jedoch nicht bereit, da ein solches nicht vereinbart
wurde. Die verärgerte Agentur wendet sich nunmehr an ihren Rechtsanwalt und
fragt, ob er den Kunden nicht zur die Zahlung eines Honorars oder einer Entschä-
digung auffordern könne.
Aber es kommt noch schlimmer: Einige Zeit später bringt die Agentur in Erfah-
rung, dass der Kunde das von ihr vorgeschlagene Konzept "auf eigene Faust"
übernommen, d.h. ohne die Agentur zu informieren, umgesetzt hat.
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3. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Jetzt wendet sich die Agentur zum zweiten Mal an ihren Anwalt: "Man hat uns
das Konzept gestohlen, unternehmen Sie etwas“.
1.2 Der Schutz von Werbekonzeptionen nach dem UrhG
Sofern die Agentur keine – zulässige aber leider nicht übliche – Vergütung für
ihre Vorarbeit vereinbart hat, kommt eine nachträgliche „Vergütung“ in Form
B
einer Schadensersatzforderung aufgrund erfolgter Verletzung eines Urheberrechts
gem. § 97 Urheberrechtsgesetz (UrhG) in Betracht. Dies setzt wiederum das
1.10
Bestehen eines urheberrechtlich geschützten Werkes voraus. S. 3
Kein urheberrechtlicher Schutz der bloßen Idee
In seiner Abhandlung Schutz der Werbeidee und ihre Ausdrucksformen führt von
Gamm1 aus, dass "ein Schutz der bloßen Werbeidee in der Literatur und Recht-
sprechung allgemein abgelehnt, ein Schutz ihrer konkreten Ausdrucksformen
dagegen zugelassen" wird.
Es besteht in Rechtsprechung und juristischer Literatur Einigkeit darüber, dass
bloße Ideen nicht schutzfähig sind2. Dies gilt zumindest so lange, wie die Idee
nicht verkörpert ist; es fehlt ihr soweit an der für den Urheberrechtsschutz not-
wendigen Formgebung3.
Eine Werkschöpfung muss also um Werkschutz nach dem UrhG genießen zu
können eine Form angenommen haben, in der sie bereits der Wahrnehmung durch
die menschlichen Sinne zugänglich geworden ist4. Die einschlägige Vorschrift ist
§ 2 UrhG. Danach gehören zu den geschützten Werken der Literatur, Wissen-
schaft und Kunst insbesondere:
- Sprachwerke wie Schriftwerke, Reden und Computerprogramme,
- Werke der Musik,
- pantomimische Werke, einschließlich Werke der Tanzkunst,
- Werke der bildenden Künste einschließlich der Werke der Baukunst und der
angewandten Kunst und Entwürfe solcher Werke,
- Lichtbildwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Lichtbildwerke
geschaffen werden,
- Filmwerke einschließlich der Werke, die ähnlich wie Filmwerke geschaffen
werden sowie
- Darstellungen wissenschaftlicher oder technischer Art, wie Zeichnungen,
Pläne, Karten, Skizzen, Tabellen und plastische Darstellungen.
Gemäß § 2 Abs. 2 UrhG sind schutzfähige Werke nur persönliche geistige Schöp-
fungen.
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4. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Eine geistige Schöpfung setzt voraus, dass ein Mensch geistig tätig geworden ist.
Hierbei gehören Zufallswerke nicht zu den geschützten Werken. Bilder, die z. B.
ein Affe gemalt hat, sind keine urheberrechtlich geschützten Werke. Der Werk-
begriff setzt somit die geistige Tätigkeit eines Menschen voraus5. Da es offen-
sichtlich ist, dass nicht jede Tätigkeit eines Menschen Schutz nach dem Urheber-
rechtsgesetz erfahren kann, stellt sich die Frage nach der für einen Schutz erfor-
derlichen Gestaltungshöhe. Diese ist je nachdem, um welches Werk es sich han-
B delt, unterschiedlich. Beispielsweise werden Werke der bildenden Künste vom
1.10 Bundesgerichtshof (BGH) nur dann als schützbare Werke iSd. UrhG eingestuft,
wenn ihr ästhetischer Gehalt einen solchen Grad erreicht, dass nach den im Leben
S. 4
herrschenden Anschauungen noch von Kunst gesprochen werden kann6.
Geringere Anforderungen an die Schutzfähigkeit werden vom BGH für Darstel-
lungen wissenschaftlicher oder technischer Art gefordert; in der juristischen Lite-
ratur – und dieser Meinung hat sich ein großer Teil der Rechtsprechung ange-
schlossen – wird die Auffassung vertreten, dass die Durchschnittsgestaltung, das
rein Handwerksmäßige und Schablonenhafte außerhalb jeder Schutzfähigkeit
liegt 7.
Die kleine Münze
Mit dem Argument, der Schutz der so genannten kleinen Münze werde zur „lee-
ren Worthülse", lehnt die einschlägige Kommentierung8 das Erfordernis einer
bestimmten Gestaltungshöhe ab und verweist auf eine EU-Richtlinie für Compu-
terprogramme, wonach urheberrechtlicher Schutz bei Vorliegen eines „individuel-
len Werks" gewährt wird. Das Argument überzeugt:
"was das Heer der Journalisten in den Zeitungen schreibt, was hunderte von
Schlagerkomponisten sich an Liedchen einfallen lassen, was Kunststudenten und
Sonntagsmaler produzieren und Regisseure an Filmen abliefern - das alles ist
Durchschnitt, wäre also schutzlos“ 9.
Die „kleine Münze“ liegt an der untersten Grenze der Schutzfähigkeit10. Unter
diesem Begriff versteht man diejenigen Gestaltungen, die bei einem Minimum an
Gestaltungshöhe gerade noch urheberrechtsschutzfähig sind, also einfache, aber
gerade noch geschützte geistige Schöpfungen11. Beispiele sind Kataloge, Preislis-
ten, Telefonbücher, Sammlungen von Kochrezepten und einfache musikalische
Potpourris 12.
Nach dem Gesetzestext von § 2 Abs. 2 UrhG ist jede persönliche geistige Schöp-
fung geschützt, und dies gilt ohne Einschränkung. Einigkeit besteht darüber, dass
jedes geschützte Werk eine gewisse Individualität aufweisen muss. Eine solche
wird regelmäßig Allerweltserzeugnissen, rein handwerklichen Leistungen, die
jedermann mit durchschnittlichen Fähigkeiten ebenso zu Stande bringen würde,
abgesprochen13.
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