Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Patrick S. Föhl: Die Machbarkeitsstudie im öffentlichen Kulturbereich
1. Planung und Steuerung D 1.2
Strategie und Entwicklung
Die Machbarkeitsstudie im öffentlichen
Kulturbereich
„Sorgfaltspflicht“ vor der Realisierung von Veränderungs-
maßnahmen und großen Projektvorhaben
Patrick S. Föhl
Der folgende Beitrag behandelt wichtige Details und Schritte zur Erstellung einer so genannten
„Machbarkeitsstudie“. Vor größeren Veränderungen bzw. Investitionen sollte im Vorhinein ausführ-
lich und gesamtheitlich geprüft werden, ob die formulierten Ziele sowie Wünsche tatsächlich mit
der ausgewählten Maßnahme zu erreichen sind oder zumindest erreichbar scheinen und welche –
u. a. inhaltlichen und finanziellen – Anforderungen auf die Beteiligten zukommen. Wurden bislang
vorwiegend einzelne Messinstrumente eingesetzt, die nur Licht auf ausgewählte Bereiche eines
Gesamtvorhabens werfen konnten, eignet sich die Anfertigung einer „Machbarkeitsstudie“, um
möglichst viele Erkenntnisse über wahrscheinliche Entwicklungen eines Projektes zu gewinnen.
Realisiert wird diese „Gesamtsicht“ durch die gezielte Anwendung eines Methoden-Mixes, mit
dem der Versuch unternommen wird, möglichst interdependent alle zentralen Fragen und Heraus-
forderungen in einem Gesamtbild abzuformen.
Gliederung Seite
1. Einleitung 2
1.1 Warum eine Machbarkeitsstudie im Vorhinein? 2
1.2 Die „Machbarkeitsstudie“ im Detail 3
2. Durchführung einer Machbarkeitsstudie 5
2.1 Der richtige Augenblick und wichtige Grundlagen 5
2.2 Prozessablauf einer Machbarkeitsstudie 7
2.3 Organisation und Team „Machbarkeitsstudie“ 9
2.4 Zentrale Fragen und ausgewählte Methoden zur Durchführung einer Machbarkeitsstudie 10
2.5 Der Machbarkeitsbericht 13
3. Prozess- und Praxisbeispiele 15
3.1 Machbarkeitsstudie bei „Kulturfusionen“ 15
3.2 Praxisbeispiel für die Gliederung und Inhalte einer Machbarkeitsstudie 17
4. Resümee 18
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2. D 1.2 Planung und Steuerung
Strategie und Entwicklung
1. Einleitung
1.1 Warum eine Machbarkeitsstudie im Vorhinein?
Herausforderungen Angesicht der aktuellen Herausforderungen im öffentlichen Kulturbe-
im öffentlichen reich werden zunehmend nachhaltige Veränderungsmaßnahmen (z. B.
Kulturbereich intensive Kooperationen und rechtliche Verselbstständigungen) und
große Projekte (z. B. „Blockbuster“-Ausstellungen) umgesetzt, um
weiter handlungsfähig zu bleiben oder sich z. B. auf neue Rezeptions-
bedürfnisse auszurichten. Dabei müssen diese Maßnahmen in Arbeits-
situationen umgesetzt werden, die häufig durch eine geringe Kontinui-
tät hinsichtlich der (öffentlichen) Finanzierungsgrundlage geprägt
sind. Zudem steigt aufgrund der sich rasch wandelnden Arbeits- und
Lebenssituationen sowie den damit wachsenden Anforderungen an das
Know-How und die Flexibilität der beteiligten Akteure die Komplexi-
tät der gesamten Arbeits- sowie Planungssituationen.
Bislang nur Einzelmaß- Kultureinrichtungen und Kulturakteure müssen diesen immensen Her-
nahmen um Chancen ausforderungen mit immer neuen Verfahren in der täglichen Arbeit
und Risiken auszuloten begegnen, um das Überleben ihrer Betriebe und Projekte weitestge-
hend sicherzustellen. Dazu zählen bspw. Projektmanagementtechniken
und ein profundes Controlling. Allerdings reichen diese Maßnahmen
nicht aus, wenn es darum geht, die Chancen und Risiken einer großen
Veränderungsmaßnahme bzw. eines kostenintensiven Kulturprojektes
im Vorhinein einschätzen zu können. Häufig wurden bislang vor um-
fangreichen Maßnahmen Wirtschaftlichkeitsanalysen oder Stärken-/
Schwächenanalysen durchgeführt. Auch wenn diese Aktivitäten
grundsätzlich zielführend waren, so ermöglichte diese Auswahl bzw.
die Betrachtung einzelner Projektfelder nur den Blick auf einen be-
schränkten Teil der Gesamtmaßnahme.
Umfangreiche Deswegen sollte vor jeder größeren Veränderung bzw. Investition im
Überprüfung Vorhinein (ex ante) ausführlich und gesamtheitlich geprüft werden, ob
im Vorhinein die formulierten Ziele und Wünsche tatsächlich mit der ausgewählten
Maßnahme zu erreichen sind oder zumindest erreichbar scheinen und
welche – u. a. inhaltlichen und finanziellen – Anforderungen auf die
Beteiligten zukommen. Dazu eignet sich die Anfertigung einer so
genannten „Machbarkeitsstudie“, vor allem wenn das Vorhaben offen-
sichtlich mit erheblichen Risiken verbunden ist (z. B. wenn der Exis-
tenzerhalt von der geplanten Maßnahme abhängig ist) oder die Anfor-
derungen als grenzwertig zu beurteilen sind (z. B. heikle politische
Ziele).
„Böses Erwachen“ Machbarkeitsstudien tragen dazu bei, ein „böses Erwachen“ im Nach-
verhindern hinein zu verhindern, wie folgende Beispiele – im negativen Sinne –
eindringlich belegen:
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3. Planung und Steuerung D 1.2
Strategie und Entwicklung
• Nach einer Theaterfusion wurde mangels Machbarkeisstudie erst in
der Nachfusionsphase festgestellt, dass die Bühnenmaße und
-anforderungen der verschmolzenen Theater derart unterschiedlich
waren, dass nur geringe Synergien zu erzielen waren. So mussten
für eine Produktion fast zwei komplette Bühnenbilder angefertigt
werden. Damit war von Anbeginn ein zentrales Fusionsziel, Syner-
gien in diesem Bereich zu erzielen, obsolet. Mit den Erkenntnissen
einer vorab durchgeführten Machbarkeitsstudie wäre die Fusion
anderweitig konfiguriert (z. B. nur Teilfusion) oder möglicherweise
gar nicht durchgeführt worden.
• Mehrfach konnte in den letzten Jahren die Realisierung von Neu-
bauten im Kulturbereich beobachtet werden, für die erst während
der Bauphase ein konkretes Finanzierungskonzept für den an-
schließenden Betrieb erarbeitet wurde. Oft fehlten dann ausrei-
chende Mittel für zusätzlich benötigtes Personal, Unterhaltskosten
u. v. m. Dieser Missstand hätte durch die frühzeitige Anfertigung
einer gesamtheitlichen Machbarkeitsstudie verhindert und die Fi-
nanzierungsfrage bereits frühzeitig thematisiert werden können.
1.2 Die „Machbarkeitsstudie“ im Detail
„Wenn ich wenig Zeit habe, nehme ich mir viel davon am Anfang.“
Ruth C. Cohn1
Die Machbarkeitsstudie, häufig auch in englischer Sprache als „Feasi- Vorstudie zu Sinn und
bility Study“ gebräuchlich, findet ihren Ursprung im Projektmanage- Durchführbarkeit
ment und wird dort nach DIN 69905 unter dem Begriff der „Projekt-
studie“ geführt. Die Studie wird in der Anfangsphase eines Projektes
erstellt und dient im Wesentlichen der „Machbarkeitsüberprüfung“ vor
der tatsächlichen Durchführung eines Projektes. Mit der „Vorstudie“
sollen verbindliche Aussagen zur Durchführbarkeit getroffen, die Er-
reichbarkeit gesteckter Ziele gemessen bzw. geschätzt und Risiken
aufgedeckt werden. Ein weiterer, zentraler Nutzen ist die Ableitung
konkreter Handlungsanweisungen für den anschließenden Manage-
mentprozess und die Legitimation des Vorhabens gegenüber mögli-
chen Skeptikern. Wie in der Einleitung bereits dargelegt, findet die
Machbarkeitsstudie auch außerhalb des klassischen Projektmanage-
ments vielfach Anwendung.
Zu Beginn eines Projektes ist das Wissen um den tatsächlichen Inhalt Zu Beginn eines
und zu den daraus resultierenden Lösungen im Verlauf der Maßnahme Projektes ist das
noch verhältnismäßig gering. Ebenso lauern besonders am Anfang Wissen gering
eines Vorhabens große Risiken, die oft nicht erkannt bzw. unterschätzt
werden.2 Eine Machbarkeitsstudie sollte deswegen allein schon wegen
der Risikoabwehr bzw. -einschätzung durchgeführt werden. Eine
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4. D 1.2 Planung und Steuerung
Strategie und Entwicklung
Machbarkeitsstudie kann folglich durchaus zu einem Projektabbruch
oder der Neuformulierung von Projektzielen führen, wenn die vorab
gesetzten Ziele auf dem anvisierten Weg nicht realistisch erscheinen.
Das verhindert den Einsatz von – den ohnehin knapp bemessenen
Ressourcen – für aussichtlose Projekte. Eine Konfiguration (z. B. Ein-
führung einer anderen Rechtsform, als ursprünglich geplant) oder ein
Abbruch kann bspw. darauf zurückgeführt werden, dass zu wenig Zeit
und Ressourcen zur Verfügung stehen, die vorhandenen Strukturen
nicht für das geplante Vorhaben ausgelegt sind (allesamt „hard facts“)
oder die Projektmitarbeiter („soft facts“) nicht miteinander arbeiten
können bzw. wollen.
Mögliche Untersu- Die folgende Checkliste offeriert einen ausgewählten Überblick, wel-
chungsgegenstände che Punkte in einer Machbarkeitsstudie einen Untersuchungsgegens-
tand bilden (können). Selten werden tatsächlich alle Kriterien bzw.
Maßnahmen abgearbeitet. Die Intensität und der Inhalt sind für jedes
Vorhaben individuell nach Bedarf sowie Informations- und Ressour-
cenlage zu bestimmen.
Mögliche Inhalte einer Machbarkeitsstudie
Bestandsaufnahme des aktuellen Zustands/Sachstands der beteiligten Organisation(en) mit Fo-
kus auf das anvisierte Projekt
Überprüfung des veranschlagten Zeitrahmens für das Projekt
Zielanalyse, soweit möglich (ebenso Präzisierung, Streichung und ggf. Definition weiterer Ziele);
z. B. „trägt das Projekt tatsächlich zur Besucher- und Mitarbeiterorientierung bei?“
Reflexion der Problemstellung (werden tatsächliche Probleme oder nur Symptome betrachtet)
und des Bedarfs für das geplante Vorhaben
Technische, strukturelle und künstlerische (lässt sich das Projekt mit unserer künstlerischen Mis-
sion vereinbaren?) Machbarkeit
Know-how Überprüfung (werden bspw. weitere Kooperationspartner für das Projekt benötigt?)
Aufdeckung weiterer, möglicherweise besserer Lösungswege für die Realisierung des geplanten
Vorhabens
Politische Machbarkeit (u. a. sind die Ziele vertret- und durchsetzbar)
Hinweise für das anschließende Management (u. a. Methodenauswahl, Meilensteine, Projektor-
ganisation und Ablauf)
Wirtschaftlichkeitsprüfung
Auswahl und/oder Identifikation zu analysierender Machbarkeitskriterien (z. B. Struktur, Personal,
Arbeitsabläufe und Umfeld)
Checkliste D 1.2-1 Mögliche Inhalte einer Machbarkeitsstudie3
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