Dr. Achim Gmilkowsky: Vertragsgestaltung für Fotografen, Teil 1
Gmilkowsky: Schule und Schulbibliothek im Urheberrecht
1. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Schule und Schulbibliothek im
Urheberrecht
Dr. Achim Gmilkowsky
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Medienrecht, Lehrbeauftragter B
an der Fresenius Hochschule für Wirtschaft und Medien, Hamburg 1.20
S. 1
Inhalt Seite
1. Einführung 2
2. Wann ist eine Institution „Schule“ im Sinne des UrhG? 3
2.1 Privatschulen 3
2.2 Kindertagesstätten 6
3. Schule und Öffentlichkeit 7
3.1 Öffentlichkeit im Unterricht 8
3.2 Öffentlichkeit bei Schulveranstaltungen 9
4. Schulbibliothek und Lernmedien-Ausleihe 10
4.1 Bibliotheken öffentlicher Schulen 11
4.2 Bibliotheken in Privat-Schulen 12
4.3 Gesamtvertrag Bibliothekstantieme 14
5. Zusammenfassung der Ergebnisse 14
53 Kultur & Recht April 2011
2. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
1. Einführung
Schule heißt Wissensvermittlung. Mit dem Erwerb von Bildung, Fähigkeiten,
Wertvorstellungen und Sozialkompetenz1 ist in einem modernen Bildungswesen
zwangsläufig der Zugriff auf geistige Schöpfungen (§ 2 Abs. 2 UrhG) und Infor-
mation aller Art verbunden. In einzigartiger Eigentümlichkeit stehen sich dabei
die schulischen Interessen an der Erfüllung des Bildungsauftrages einerseits und
B die privaten Interessen der Urheber am Schutz ihrer Werke vor unbefugter Nut-
1.20 zung andererseits diametral einander gegenüber.2
S. 2
Klar ist: Wer ein urheberrechtlich geschütztes Werk nutzen will, benötigt dafür
die Einwilligung des Urhebers oder seines Rechtsnachfolgers.3 Das gilt grund-
sätzlich auch für jede Werknutzung im schulischen Bereich. Ein allgemeines
Bildungs- oder „Schul-Gebrauchs-Privileg“, wonach die Nutzung zu Ausbil-
dungszwecken prinzipiell erlaubt wäre, gibt es nicht. Dafür sieht das Urheber-
rechtsgesetz eine Fülle von speziellen Einzelregelungen vor, die – unter bestimm-
ten Voraussetzungen – die Werknutzung in der Schule ausnahmsweise privilegie-
ren und von der Zustimmungsbedürftigkeit und der in der Regel damit verbunde-
nen Vergütungspflicht befreien.
So ist es beispielsweise gem. § 53 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UrhG genehmigungs-
und vergütungsfrei zulässig, dass der Sozialkundelehrer eine Passage aus
einem aktuellen Sachbuch4 in Klassensatzstärke fotokopiert und in seinem Unter-
richt als Diskussionsgrundlage verwendet. Unzulässig wären demgegenüber gem.
§ 53 Abs. 3 S. 2 UrhG entsprechende Kopien etwa aus einem Schulbuch.5
Derartig widersprüchlich erscheinende Regelungen sind für die betroffenen Lehr-
kräfte und Schulverwaltungen nicht immer nachvollziehbar. In der täglichen
Praxis des Schulbetriebes und der Verwaltung herrscht vielmehr erhebliche Ver-
unsicherung über Inhalt und Grenzen des Urheberrechts, z. B über die Frage, ob
und in welchem Umfang Lehrkräfte die jeweiligen Landesmedienzentren in An-
spruch nehmen müssen oder stattdessen privat erworbene CDs, DVDs und Videos
im Unterricht einsetzten dürfen.6 Oder: Muss der Schulträger möglicherweise
Nutzungsgebühren für die Lernmedienausleihe in seiner Schulbibliothek entrichten?
Unglücklicherweise hat der Gesetzgeber mit den Urheberrechtsnovellen vom
10.09.20037 und 31.10.20078 die Verunsicherung eher verstärkt. Umso notwendi-
ger erscheint ein genauerer Blick auf drei grundsätzliche Fragestellungen:
- Wann ist eine Institution „Schule“ im Sinne des UrhG?
- Wann ist Schule „öffentlich“?
- Darf die Schulbibliothek Lernmedien ausleihen?
53 Kultur & Recht April 2011
3. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
2. Wann ist eine Institution „Schule“ im
Sinne des UrhG?
„Schulen“ im Sinne der §§ 46 ff UrhG sind nach allgemeiner Ansicht9 nicht nur
die allgemeinbildenden Schulen, wie Grund-, Haupt- und Realschulen sowie
Gymnasien, Gesamt- und Abendschulen, Waldorfschulen etc., sondern Berufs-
schulen, Fachschulen, Sonderschulen, Blindenschulen etc. Die Schule muss aber B
öffentlich zugänglich sein.10
1.20
Abzugrenzen sind „Schulen“ einerseits von den Hochschulen, also den Universi- S. 3
täten, Fachhochschulen, Kunsthochschulen, Verwaltungsfachhochschulen etc.
Sofern der Gesetzgeber beabsichtigt, „Schulen“ und Hochschulen gleich zu be-
handeln, nennt er sie in der jeweiligen gesetzlichen Bestimmung ausdrücklich
nebeneinander, wie so z.B. in §§ 52 a Abs. 1 Nr. 1 und 53 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 UrhG.
Soweit eine solche ausdrückliche Benennung fehlt, wie in §§ 46 Abs. 1 S. 1 und
53 Abs. 3 S. 1 Ziff. 1 UrhG,, findet die Vorschrift auf die Hochschule keine An-
wendung. Ein etwaiges Nutzungsrecht der „Schule“ kann dann im Wege weder
der Auslegung noch der Analogie auf die Hochschule ausgedehnt werden. Abzu-
grenzen sind Schulen außerdem von bloßen Lehrgängen, Kursen, Repetitorien
und sonstigen eher kurzfristigen Veranstaltungen der Erwachsenenbildung, z.B.
Volkshochschulen, Fahrschulen u. ä.11
Nach allgemeiner Rechtsauffassung12 macht es zudem keinen Unterschied, ob die
„Schule“ in öffentlicher oder privater Trägerschaft betrieben wird.
Aus diesen Vorgaben allerdings folgt ein spezifischer Klarstellungsbedarf für
Privatschulen und Kindertagesstätten.
2.1 Privatschulen
Schulen in privater Trägerschaft zu errichten, ist nach allen bundesdeutschen
Landesgesetzen nicht nur erlaubt, sondern durch Art. 7 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz
(GG) sogar verfassungsrechtlich ausdrücklich gewährleistet. Privatschulen müs-
sen aber – anders als öffentliche Schulen – hinreichende Einnahmen erwirtschaf-
ten (z.B. über „Schulgebühren“), um wirtschaftlich überlebensfähig zu sein.13
Hier besteht ein Zielkonflikt sowohl mit dem grundsätzlichen Urheberrechtschutz
im Allgemeinen als auch mit dem sog. urheberrechtlichen Unterrichtsprivileg, mit
dem „nichtgewerbliche Einrichtungen“ begünstigt werden sollen.
Zumeist werden in der Fachliteratur daher Privatschulen den öffentlichen Schulen
nur gleichgesetzt, wenn sie „staatlich anerkannt“ und überdies „nicht gewerblich“
tätig sind.14 Dies ist eine übermäßig verengte Sichtweise. Sie verkennt sowohl die
maßgeblichen Bestimmungen des Landesschulrechts als auch den Charakter der
Gewerblichkeit.
53 Kultur & Recht April 2011
4. B Urheber- und Leistungsschutzrechte sowie Verwertungsgesellschaften
B1 Urheberrecht
Staatliche Anerkennung
„Staatliche Anerkennung“ einer Privatschule kann nicht das ausschlaggebende
Kriterium für die Frage sein, ob diese als „Schule“ im urheberrechtlichen Sinne
etwa das schulische Vervielfältigungsprivileg nach § 53 Abs. 3 UrhG beanspru-
chen kann.
B Alle sechzehn Landesschulgesetze der Bundesrepublik Deutschland unterschei-
1.20 den Privatschulen in
S. 4 1. Ersatzschulen, die nach ihrem Gesamtzweck staatlichen Schulen entsprechen,
und
2. Ergänzungsschulen, die an staatlichen Schulen nicht vorgesehene Abschlüsse
anbieten.15
Alle Bundesländer sehen für die Errichtung von Ersatzschulen eine Genehmi-
gungspflicht vor und für die Errichtung von Ergänzungsschulen eine Anzeige-
pflicht. Für jede dieser Schulen jedoch besteht auf Antrag die Möglichkeit einer
staatlichen Anerkennung.16 Selbstverständliche Voraussetzung für diese Anerken-
nung ist, dass die betreffende Privatschule in rechtlich zulässiger Weise betrieben
wird, das heißt im Einklang mit den jeweils gültigen, landesrechtlichen Vorschrif-
ten. Andernfalls würde eine Betriebsuntersagung drohen.
Warum aber sollte das urheberrechtliche Unterrichtsprivileg etwa einer staatlich
anerkannten Schule zugebilligt werden, während es einer staatlich zwar geneh-
migten, aber nur noch nicht anerkannten Schule verwehrt wird? Jedenfalls dann,
wenn im konkreten Einzelfall die Anerkennungsvoraussetzungen der Sache nach
erfüllt sind, ist keine Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung im Verhältnis
zur anerkannten Schule ersichtlich. Im Übrigen macht auch der Gesetzgeber an
keiner Stelle deutlich, dass der formale Anerkennungsakt Voraussetzung dafür
sein sollte, dass die Privatschule vom Unterrichtsprivileg ausgeschlossen bleiben
müsse. Maßgebliches Kriterium des Gesetzgebers ist die „öffentliche Zugäng-
lichkeit“ der Schule.17 Dieses Kriterium ist auch bei solchen Privatschulen erfüllt,
deren staatliche Anerkennung noch aussteht.
Tatsächlich auch gehen die Bundesländer, die Zentralstelle Fotokopieren an Schu-
len (ZFS) und der VdS Bildungsmedien e.V. in ihrem „Gesamtvertrag Schule“
vom 30. Oktober 200818 davon aus, dass unter „Schule“ i.S.d. § 53 UrhG neben
„allen öffentlichen (staatlichen und kommunalen) auch die „privaten Schulen im
Sinne der Schulgesetze der Länder“ zu verstehen sind.19 Eine Differenzierung
nach Schulen mit und ohne Anerkennung findet dort nicht statt. Dies mit gutem
Grund: Nur Ergänzungs- und Ersatzschulen sind „Private Schulen im Sinne der
Schulgesetze der Länder.“ Ihre etwaige staatliche Anerkennung ist für diesen
Status nicht konstitutiv. Die Beantragung der Anerkennung steht im alleinigen
unternehmerischen Ermessen des Trägers. Er kann, wenn er es für sinnvoll hält,
seine Ergänzungs- oder Ersatzschule auch ohne staatliche Anerkennung weiter
betreiben. Maßgeblich bleibt daher das jeweilige Landesschulrecht.
53 Kultur & Recht April 2011