1. Kommunikationswissenschaftliche Onlineforschung:
Was ist das, und wie sollte sie sich entwickeln?
Jan-Hinrik Schmidt @janschmidt Magdeburg 22.09.2017
Senior Researcher für digitale interaktive Medien
und politische Kommunikation
2. 2/12
Worüber spreche ich heute?
Onlineforschung hat das (Selbst-)Verständnis der Kommunikations-
wissenschaft in den letzten 25 Jahren deutlich erweitert.
Und sollte das auch in Zukunft tun.
Generische Gliederung
{1. Erstmal was Grundsätzliches}
{2. Dann was zur Entwicklung}
{3. Und zu guter Letzt ein Fazit}
3. 3/12
Was ist „Onlineforschung“?
Onlineforschung ist Forschung über, im und mit dem Internet.
• „Über das Internet“ – das Internet als Gegenstand der Forschung:
z.B. die Auswirkungen von WhatsApp auf die kommunikative
Figuration der Familie analysieren
• „Im Internet“ – das Internet als sozialer Raum:
z.B. Praktiken einer subkulturellen Community durch teilnehmende
Beobachtung in deren Foren, Facebookgruppen o.ä. untersuchen
• „Mit dem Internet“ – das Internet als Werkzeug:
z.B. Einstellungen und Wissen zur Bundestagswahl 2017 mit Hilfe
einer standardisierten Onlinebefragung erheben
4. 4/12
Was ist „kommunikationswissenschaftlich“? (1/3)
1960er bis 1990er Jahre: Kommunikationswissenschaft institutionalisiert
sich (in Deutschland) als diejenige sozialwissenschaftliche Disziplin, deren
zentraler Gegenstand die öffentliche Kommunikation ist.
5. 5/12
Was ist „kommunikationswissenschaftlich“? (2/3)
1990er und 2000er Jahre: Online-Medien fordern das enge Selbst-
verständnis als Wissenschaft der öffentlichen Kommunikation heraus,
etwa in Bezug auf Öffentlichkeitsbegriffe oder Spezifika der technisch
vermittelten Kommunikationssituation.
6. 6/12
Was ist „kommunikationswissenschaftlich“? (3/3)
2010er Jahre: Grundlegende Transformation des Internet erzwingt
andauernde Reflektion im Fach in Hinblick auf Gegenstand, Methoden
und forschungsethische Prinzipien.
7. 7/12
1. Entbündelung & Neubündelung
2. Personalisierung
3. Konvergenz von Publikation
und Konversation
Gegenstand: Entgrenzung etablierter Konzepte (1/2)
Substantielle Fragen: Was sind die Auswirkungen auf politische Teil-
habe, kollektive Selbstverständigung, Identität, Sozialisation, … ?
8. 8/12
Grundprinzip: Aufzeichnung, Aggregation und Abschätzung potentiell
jeglicher Aktivität, Äußerung und Präferenz
Quelle für ökonomische wie für disziplinierende Macht
Gegenstand: Verdatung und Vermachtung (2/2)
9. 9/12
Methode: Datenspuren und computational skills
Wandel des Gegenstandsbereichs wirkt
sich auf methodisches Inventar der
Kommunikationswissenschaft aus
Analyse von Datenspuren zur Erklärung
sozialen Handelns spürbar beliebter(*)
geworden (aber: was sind die
erkenntnistheoretischen Grenzen?)
„Computational Skills“ sind mittlerweile
gefragte Qualifikation (API-Abfragen;
automatisierte Textanalysen; Erhebung
und Verwaltung großer Datenmengen)
(*) Nur zum Teil, weil es die angemessene Methode ist – oft deswegen, weil die
entsprechenden Daten vergleichsweise leicht verfügbar sind.
10. 10/12
Forschungsethik: Informationelle Selbstbestimmung
Wandel im Gegenstand und in den
Methoden wiederum erfordern
forschungsethische Reflexion
• Wie lässt sich informed consent
z.B. bei automatisierten Daten-
analysen gewährleisten? Wie die
Privatsphäre von Nutzern
schützen?
• Interessiert uns ein Datenpunkt als
„Text“ (die Nutzerin als Autorin)
oder als „Manifestation von
Handlungen, Einstellungen, Präfe-
renzen“ (die Nutzerin als Subjekt)?
Forschungsethische Abwägungen müssen integraler Bestandteil von
Onlineforschung sein
11. 11/12
Fazit
Onlineforschung hat das (Selbst-)Verständnis der Kommunikations-
wissenschaft – ihren Gegenstand, ihre Methoden und ihre
forschungsethischen Überlegungen – in den letzten 25 Jahren deutlich
erweitert.
Und sie sollte das auch in Zukunft tun.
„Die Zukunft der Kommunikationswissenschaft ist schon da,
sie ist nur ungleich verteilt.“
(Strippel/Bock/Katzenbach/Mahrt/Merten/Nuernbergk/
Pentzold/Puschmann & Waldherr, erscheint in Publizistik 1/2018)
12. 12/12
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Jan-Hinrik Schmidt
Hans-Bredow-Institut
Rothenbaumchaussee 36, 20148 Hamburg
j.schmidt@hans-bredow-institut.de
www.hans-bredow-institut.de
www.schmidtmitdete.de
13. 13/12
Quellennachweise
Zitierte & weiterführende Literatur
• Beck, Klaus (2006): Computervermittelte Kommunikation im Internet. München: Oldenbourg.
• Brosius, Hans-Bernd (2016): Warum Kommunikation im Internet öffentlich ist. In: Publizistik, 4, 2016, S. 363-372.
• Heise, Nele (2017): Warum das Rad neu erfinden? Gedanken zur Diskussion um Ethik in der Kommunikationswissenschaft. In: Medien &
Kommunikationswissenschaft, 4, 2017.
• Heise, Nele / Schmidt, Jan-Hinrik (2014): Ethik der Online-Forschung. In: Martin Welker / Monika Taddicken / Jan-Hinrik Schmidt / Nikolaus Jackob (Hrsg.):
Handbuch Online-Forschung. Sozialwissenschaftliche Datengewinnung und -auswertung in digitalen Netzen. Neue Schriften zur Online-Forschung, Band
12. Köln: Herbert von Halem Verlag. S. 519-539.
• Hepp, Andreas (2016): Kommunikations- und Medienwissenschaft in datengetriebenen Zeiten. In: Publizistik, 3, 2016, S.225-246.
• Höflich, Joachim (1996): Technisch vermittelte interpersonale Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag.
• Jarren, Otfried (2016): Nicht Daten, sondern Institutionen fordern die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft heraus. In: Publizistik, 4, 2016, S. 373-
383.
• Merten, Klaus / Schmidt, S.J. / Weischenberg, Siegfried (1994): Die Wirklichkeit der Medien. Wiesbaden: Springer VS.
• Neverla, Irene (Hrsg.) (1998): Das Netz-Medium. Opladen: Westdeutscher Verlag.
• Noelle-Neumann, Elisabeth (1980): Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung – unsere soziale Haut. Zürich/München: Piper.
• Prommer, Elizabeth / Vowe, Gerhard (Hrsg.) (1998): Computervermittelte Kommunikation. Öffentlichkeit im Wandel. Konstanz: UVK.
• Pürer, Heinz / Raabe, Johannes (1996): Medien in Deutschland. Band 1 – Presse. Konstanz: UVK.
• Rössler, Patrick (Hrsg.) (1998): Online-Kommunikation. Opladen: Westdeutscher Verlag.
• Schlütz, Daniela / Möhring, Wiebke (2016): Kommunikationswissenschaftliche Forschungsethik – Sonntagsworte, Selbstzweck, Notwendigkeit? In: Medien
& Kommunikationswissenschaft, 4, 2016, S. 483 – 496.
• Schlütz, Daniela / Möhring, Wiebke (2017): Das Rad rollt! In: Medien & Kommunikationswissenschaft, 4, 2017.
• Schmidt, Jan (2013): Social Media. Wiesbaden.
• Schmidt, Jan-Hinrik / Lisa Merten / Uwe Hasebrink / Isabelle Petrich / Amelie Rolfs (2017): Zur Relevanz von Online-Intermediären für die
Meinungsbildung. Arbeitspapier des Hans-Bredow-Instituts, Nr. 40. Online:
• https://hans-bredow-institut.de/uploads/media/default/cms/media/67256764e92e34539343a8c77a0215bd96b35823.pdf
• Welker, Martin / Taddicken, Monika / Schmidt, Jan-Hinrik / Jackob, Nikolaus (Hrsg.) (2014): Handbuch Online-Forschung. Sozialwissenschaftliche
Datengewinnung und -auswertung in digitalen Netzen. Köln: Herbert von Halem.
• https://kritischekommunikationswissenschaft.wordpress.com/
• http://digitalpresent.tagesspiegel.de/afd
Folie 7:
[Konversation]: CC-BY-NC-ND-2.0, Dominic Dada, http://www.flickr.com/photos/ogil/274628990/
Notas do Editor
Welker, Martin / Taddicken, Monika / Schmidt, Jan-Hinrik / Jackob, Nikolaus (Hrsg.) (2014): Handbuch Online-Forschung. Sozialwissenschaftliche Datengewinnung und -auswertung in digitalen Netzen. Köln: Herbert von Halem.
Pürer, Heinz / Raabe, Johannes (1996): Medien in Deutschland. Band 1 – Presse. Konstanz: UVK.
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Schmidt, Jan (2013): Social Media. Wiesbaden.
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Schmidt, Jan (2013): Social Media. Wiesbaden.
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Strippel, Christian / Bock, Annekatrin / Katzenbach, Christian / Mahrt, Mehrja / Merten, Lisa / Nuernbergk, Christian / Pentzold, Christian / Puschmann, Cornelius / Waldherr, Annie (im Erscheinen): Die Zukunft der Kommunikationswissenschaft ist schon da, sie ist nur ungleich verteilt. In: Publizistik, 1, 2018.