Chancengerechtigkeit in der Bildung verbessert sich nur langsam
Mehr Chancengerechtigkeit bleibt die Kernherausforderung der deutschen Schulsysteme – auch wenn es im Vergleich zum Schuljahr 2009/10 positive Tendenzen gibt. Das zeigt der aktuelle Chancenspiegel, den die Bertelsmann Stiftung und die Universitäten Dortmund und Jena am Montag in Berlin vorstellten. Demnach verlassen weniger junge Menschen die Schule ohne Abschluss, allerdings ist schon in der Grundschule der Bildungserfolg stark von der sozialen Herkunft abhängig. Auch die Durchlässigkeit hat sich nur minimal erhöht, nach wie vor steigen deutlich mehr Schüler eine Schulform ab als auf. „Insgesamt geht es mit der Chancengerechtigkeit eher im Schneckentempo voran“, sagte Jörg Dräger, Vorstand der Bertelsmann Stiftung. Das liege auch daran, dass der Ausbau von Ganztagsschulen nur schleppend vorwärts kommt und die Bedeutung der Förderschulen trotz Bemühungen um mehr Inklusion kaum nachlässt.
Den stärksten Positiv-Trend verzeichnet Deutschland bei den Schulabschlüssen. Der Anteil der Schulabbrecher sank um mehr als ein Zehntel von 6,9 auf 6,2 Prozent. Zugleich stieg der Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife auf ein Rekordhoch – mehr als jeder Zweite (51,1 %) erwirbt inzwischen einen Schulabschluss, der zur Aufnahme eines Studiums berechtigt. Stagnation hingegen herrscht beim Kompetenzerwerb: Das Leseverständnis der Grundschüler bewegt sich auf nahezu demselben Niveau wie vor 10 Jahren, und es ist weiterhin stark abhängig von der sozialen Herkunft; damals wie heute liegen die Kinder aus niedrigen Sozialschichten bei der Lesekompetenz durchschnittlich um ein Jahr zurück.
Wenig Veränderung gibt es auch bei der Durchlässigkeit der Schulsysteme. Auf einen Wechsel von einer niedrigeren auf eine höhere Schulart in der Mittelstufe kommen 4,2 Wechsel in umgekehrter Richtung. Zwei Jahre zuvor betrug das Verhältnis zwischen Auf- und Abstieg 1 zu 4,3. Etwas deutlicher verringerte sich die Zahl der Klassenwiederholungen: 2010 blieben in der Sekundarstufe noch 2,9 Prozent der Schüler sitzen, zwei Jahre später waren es 2,7.
Auch bei der Inklusion zeigt sich im Chancenspiegel ein gemischtes Bild: Zwar besucht jedes vierte Förderkind mittlerweile eine reguläre Schule, die Bedeutung der Förderschulen verringert sich aber nur langsam: Der Anteil der Schüler, die separat auf gesonderten Schulen unterrichtet werden, sank seit dem Schuljahr 2009/10 nur geringfügig von 5,0 auf 4,8 Prozent.
Der Ländervergleich im Chancenspiegel zeigt, dass innerhalb von Deutschland die Unterschiede in allen vier untersuchten Dimensionen äußerst stark ausgeprägt sind. Kein Land allerdings ist überall spitze oder überall Schlusslicht. Professor Wilfried Bos, Direktor des Instituts für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund: „Die Bundesländer haben jeweils Stärken und Schwächen, alle haben Nachholbedarf.“
The DCFTA Provisions and their Implementation: Some Observations
Chancenspiegel 2013
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– Charts –
in Ergänzung zu den Sprechzetteln von Dr. Jörg Dräger und Prof. Wilfried Bos
Weiterführende Informationen in der Langfassung und im Internet unter
www.chancen-spiegel.de
Chancenspiegel 2013
Zur Chancengerechtigkeit und Leistungsfähigkeit der
deutschen Schulsysteme mit einer Vertiefung zum
schulischen Ganztag
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Den stärksten Positiv-Trend seit dem Schuljahr 2009/10
verzeichnet Deutschland bei den Schulabschlüssen:
Der Anteil der Schulabbrecher sank um mehr als ein Zehntel
von 6,9 auf 6,2 Prozent.
Im Abgangsjahr 2011 verließen deutschlandweit 49.560 Schüler ihre
Schulen, ohne einen Hauptschulabschluss erworben zu haben. Dies
entspricht einem Anteil von 6,2 Prozent.
Seit 2009 sinkt der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss um 0,7
Prozentpunkte von bundesweit 6,9 auf 6,2 Prozent, was einem absoluten
Rückgang von rund 8.800 Abgängern entspricht.
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Ein weiterer Positiv-Trend bei höheren Schulabschlüssen: Der
Anteil der Schulabgänger mit Hochschulreife steigt auf ein
Rekordhoch – mehr als jeder Zweite erwirbt inzwischen einen
Schulabschluss, der zur Aufnahme eines Studiums berechtigt.
Der Anteil der Absolventen mit Hochschulreife betrug im
Abschlussjahr 2011 51,1 Prozent.
Gegenüber 2009, als der Anteil der Absolventen mit Hochschulreife
bei 46,7 Prozent lag, ist das ein Anstieg um 4,4 Prozentpunkte.
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Langsamer Ausbau der Ganztagsschulen: Der Anteil der
Schüler im Ganztagsbetrieb steigt zwischen 2010 und 2011
nur geringfügig von 26,9 auf 28,1 Prozent.
28,1 Prozent aller Schüler der Primar- und Sekundarstufe I waren im
Jahr 2010 Schüler einer Ganztagsschule.
Innerhalb eines Jahres ist der Anteil von Ganztagsschülern gegenüber
2009 damit lediglich um 1,2 Prozentpunkte gestiegen.
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Schneckentempo auch beim gebundenen Ganztag, der gute
Möglichkeiten bietet, den Einfluss der sozialen Herkunft zu
verringern: Nur 12,7 Prozent der Schüler gingen 2010 in eine
gebundene Ganztagsschule, was nur eine geringfügige
Steigerung gegenüber dem Vorjahr bedeutet.
Die Werte für den Anteil der Schüler, die Zugang zu einem Platz in einer
gebundenen Ganztagsschule haben, erhöhen sich zwischen den Jahren
2009 und 2010 nur wenig. Im Bundesdurchschnitt stieg der Anteil um 0,8
Prozentpunkte von 11,9 auf 12,7 Prozent.
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Wenig Bewegung bei der Inklusion: Trotz der Bemühungen um
Inklusion bleibt die Bedeutung der Förderschulen nahezu stabil.
Der Anteil der Schüler, die separat in Förderschulen unterrichtet
werden, ging nur geringfügig zurück: Immer noch blieben im Schuljahr
2011/12 4,8 Prozent aller Schüler vom Regelschulbesuch
ausgeschlossen – gegenüber 5 Prozent im Schuljahr 2009/10.
Der gemeinsame Unterricht kommt zwar voran: der Anteil der Schüler
mit Förderbedarf, die in Regelschulen unterrichtet werden, stieg von
20,1 Prozent im Schuljahr 2009/10 auf 25,0 Prozent im Schuljahr
2011/12. Im selben Zeitraum ist die Förderquote von 6,2 auf 6,4
gestiegen, was die anhaltende Bedeutung der Förderschulen trotz
steigender Inklusionsanteile erklärt
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Kaum positive Veränderung bei der Durchlässigkeit: Immer
noch ist die Wahrscheinlichkeit, von einer höheren in eine
niedrigere Schulart wechseln zu müssen, wesentlich höher
als umgekehrt.
Das Verhältnis von Aufwärts- zu Abwärtswechseln der Schüler in den
Jahrgangsstufen 7 bis 9 bleibt im Vergleich zum Schuljahr 2009/10
nahezu konstant: Bundesweit kamen im Schuljahr 2011/12 auf einen
Wechsel von einer niedrigeren auf eine höhere Schulart durchschnittlich
4,2 Wechsel von einer höheren auf eine niedrigere Schulart.
Im letzten Berichtszeitraum im Schuljahr 2009/10 lag das Verhältnis bei
1 zu 4,3, es hat sich demnach leicht zugunsten der Aufstiegswechsel
verändert.