Autor: Manfred Sablotny
Abstract
Seit geraumer Zeit sind die neuen Medien ein fester Bestandteil des Unterrichtsgeschehens in den unterschiedlichsten Lernkontexten. Auch im Fremdsprachenunterricht ermöglichen sie seit etlichen Jahren eine gewisse Unabhängigkeit von Zeit und Raum, erleichtern die Erstellung und Bearbeitung von Lehrmaterialien und bringen Abwechslung in den Unterricht. Zugleich bedeutet ihre Verwendung besonders für Lehrende häufig jedoch auch einen nicht zu unterschätzenden Mehraufwand. Sie erfordern persönlichen Einsatz und Bereitschaft zum Umdenken in Bezug auf traditionelle Rollendefinitionen.
Beim vorliegenden Beitrag handelt es sich um einen Erfahrungsbericht, in dessen Mittelpunkt der Einsatz verschiedener elektronischer Hilfsmittel im Rahmen eines Blended-Learning-Szenarios an einer Universität in Taiwan stehen soll. Zielsetzung war dabei die Ausweitung der Interaktionsmöglichkeiten vor allem zwischen Lehrenden und Lernenden, die Schulung von Hörverständnis und mündlichem Ausdruck sowie die Dokumentation von den Lernprozess betreffenden Reflexionen. Im Rahmen eines den Präsenzunterricht ergänzenden Onlineangebots wurden hierfür Sprachsynthese-Programme, Online-Lerntagebücher sowie die Gruppenfunktionen des sozialen Netzwerks Facebook herangezogen.
Aus dem elektronischen Werkzeugkasten geplaudert - Arbeitserleichterung und Mehraufwand beim Einsatz neuer Medien
1. Arbeitserleichterung und Mehraufwand beim Einsatz
neuer Medien
1
Manfred Sablotny
Dozent für Deutsch als Fremdsprache
Department of Foreign Languages and Literature
Tunghai University, Taichung, Taiwan
manfred@thu.edu.tw
2. Rahmenbedingungen
Werkzeugkasten Fach 1: Hörverständnis und
mündlicher Ausdruck - Sprachsynthese und
Audiobearbeitung
Fach 2: Interaktion und Dokumentation -
Lerntagebuch und Facebook-Gruppe
Fach 3: Teilen und gemeinsames Nutzen - Facebook,
Dropbox, Google Drive
2
3. Private Universität in Taiwan
Deutsch im Wahlbereich als zweite Fremdsprache
(i.d.R. nach Englisch)
Hörer aller Fakultäten
Kurse auf 3 Kursstufen (A1 bis A2/B1)
15-40 Studierende pro Kurs
alle Studierenden verfügen über Smartphone, Tablet,
Notebook und/oder PC und Internet
3
6. Text-to-Speech (TTS)
Computerbasierte Sprachsynthese seit 1950er Jahren
Online-Übersicht bei Felix Burkhardt (2013)
http://ttssamples.syntheticspeech.de/deutsch/
6
7. Einsatz im Fremdsprachenunterricht
Ausspracheschulung und Sprechtraining
Wortschatzarbeit
allgemeines Hörverstehen
schnelles Erstellen von Diktaten und Hörtexten
(monologisch und dialogisch)
Auswendiglernen von Redemitteln, Dialogen und
Textpassagen (u.a. zur Prüfungsvorbereitung)
7
8. Voice Reader Studio (VRS) von Linguatec
(http://www.linguatec.de/products/tts/voice_reader/vrs)
13 Sprachen
499 EUR pro Sprache
Inklusive Lizenz zur Veröffentlichung der Audiodateien
1 weibliche, 1 männliche Stimme in deutscher Fassung
Einstellungen für Stimmhöhe, Lautstärke und
Geschwindigkeit
Erstellung von Sprecherprofilen möglich
8
12. Beispiel Kinderreim: Kinderreim
12
Uns're Katz hat Junge -
sieben an der Zahl!
Sechs davon sind Hunde -
das ist ein Skandal!
Doch der Kater spricht:
<Gender=M/>
<Speed=100/>
Die ernähr ich nicht.
Diese zu ernähren, <Speed=80/>
ist nicht meine Pflicht!
13. Audacity (http://audacity.sourceforge.net)
kostenloses Programm für Aufnahme und Bearbeitung
von Audiodateien
Grundfunktionen:
Aufnahme über Mikrofon oder Soundkarte
Umwandeln von Audioformaten
Schneiden, kopieren, mischen, verstärken
Tonhöhe anpassen
Geschwindigkeit ändern
Pausen einfügen
Tonqualität verbessern, z.B. Rauschen unterdrücken
Zusatzfunktionen über Plugins
13
14. Beispiele für den Einsatz im FSU
14
Aufnahme Bearbeitung
• monologische und dialogische
Hörtexte
• Diktate
• Ausspracheübungen
• Redemittel
• Anweisungen
• Erläuterungen
• Podcasts
• Nachsprechpausen und
Wiederholungen einbauen
• Tonqualität verbessern
• Effekte verwenden
• Hintergrundgeräusche/Musik einfügen
• Audiodateien zusammenführen
• Formate umwandeln
• Geschwindigkeit und Tonhöhe anpassen
• Vertonung von Bild- und Videomaterial
• Erstellung und Bearbeitung von Audiomaterial auch durch Lernende selbst
möglich
15. Beispiel mit Effekten (Tonhöhe, Verzerrung, Echo):
Hänsel und Gretel (vereinfacht für A1/A2)
Ofen
Knusperhäuschen
15
21. Aufbau
als Modul integriert in Lernplattform (Moodle)
alternativ: individuelles Forum als Lerntagebuch
vom Dozenten verfasste Arbeitsanleitung
Eingabemasken für Einträge durch Studierende und
Kommentare durch den Dozenten
Einträge nur für die einzelnen Studierenden selbst und
den Dozenten sichtbar
ein Lerntagebuch für jeweils einen Zeitraum (2-3
Wochen) oder ein Thema (z.B. eine Lehrbucheinheit)
21
22. Aufbau
geschlossene Gruppe
253 Mitglieder
Administratoren und andere Mitglieder fügen
neue Mitglieder hinzu bzw. laden diese ein
Mitglieder: Dozent, Lernende verschiedener
Niveaustufen, Ehemalige
22
24. 24
Lernende / Lehrende Lehrende / Lernende
Probleme/Fragen
Lösung(shilfe)/Empfehlung/Verweis auf
Beiträge anderer oder relevante Links
Kritik Kommentar („Gefällt mir“)
Teilen von Inhalten Kommentar/Dank („Gefällt mir“)
fachfremde Beiträge oder nur
Chinesisch/Englisch
Ermunterung zu Fachbezogenheit und/oder
Verwendung der Zielsprache
25. 25
Elektronisches Lerntagebuch Facebook-GruppeZielsetzungen
regelmäßige Reflexion über das
eigene Lernen inkl. Planung,
Organisation, Strategieentwicklung
etc.
Dokumentation dieser Reflexion in
schriftlicher Form
Ausprobieren von neuen
Lerninhalten
Individualisierung des Lernens und
Lehrens (Einblicke in individuelle
Lernsituationen und Lernbedürfnisse;
Erörterung individueller Probleme
und Fragen)
individuelle Interaktion zwischen
Kursleiter und Kursteilnehmenden
auf persönlicherer Ebene
Einbindung von sonst eher
zurückhaltenden Lernenden
Vertrauensbildung und Förderung
der Beziehungsqualität zwischen
Dozent und Lernenden
Intensivierung der Kontakte
zwischen den Lernenden
(lerngruppenspezifisch)
Austausch zwischen Angehörigen
verschiedener Lerngruppen und -
niveaus
Erhöhung der Authentizität (Öffnen
der Lernsituation für Einflüsse aus der
"realen Welt" (Ehemalige,
authentische Materialien), reales
Publikum für eigene Beiträge und
Kommentare)
Teilen von fachbezogenen Inhalten
und offizielle Bekanntmachungen
(Prüfungen, Unterrichtszeiten und -
orte, Veranstaltungen, Befragungen,
...)
Vertrauensbildung und Förderung
der Beziehungsqualität zwischen
Dozent und Lernenden
26. 26
Elektronisches Lerntagebuch
Aufwand
Integrierung der Aktivität Lerntagebuch in das pädagogische Gesamtkonzept
Einarbeitung in die technischen Gegebenheiten vor Ort
Einrichtung des Lerntagebuchs auf dem LMS
Erstellung einer Arbeitsanweisung mit Beispielen
Regelmäßiges Lesen und – wo nötig bzw. sinnvoll – Kommentieren von
individuellen Tagebucheinträgen
Dokumentation der individuellen Einträge für die Bewertung
Nutzen
regelmäßig dokumentierte Reflexionen über das Lernen
Förderung des selbstgesteuerten Lernens
Feedback zum Unterrichtsgeschehen für die Lehrenden
Individualisierungdes Lern- und Lehrprozesses („Online-Sprechstunde“
unter „vier Augen“)
Zugang auch zu eher zurückhaltenden Lernenden
27. 27
Facebook-GruppeAufwand
Integrierung der Facebook-Gruppe in das pädagogische Gesamtkonzept
Einrichten der Gruppe
Erstellung einer Arbeitsanweisung
Regelmäßiges (u.U. tägliches!) Kontrollieren, Lesen und Kommentieren
Dokumentation der individuellen Einträge für die Bewertung
Nutzen
Erreichbarkeit der Gesamtheit aller Lernenden
Relative Zeit- und Ortsunabhängigkeit des Lernprozesses
Förderung des selbstgesteuerten Lernens
Intensivierung der Kontakte zwischen den Lernenden
Einbeziehung von Ehemaligen
Einbindung von authentischem Material
Reales Publikum für Beiträge der Lernenden
Reale Interaktion in der Zielsprache
Möglichkeit des Lernens durch Beobachtung
Förderung der Beziehungsqualität zwischen Lernenden und Lehrenden
Entlastung der Lehrenden durch stärkere Einbeziehung aller Lernenden
28. 1. Was kann und soll mit dem Einsatz dieser Werkzeuge erreicht werden?
2. Ist der Zugriff auf Lerntagebuch und Facebook-Gruppe für alle
problemlos möglich?
3. Welche Sprache(n) soll(en)/kann (können) verwendet werden – vor
allem in Anfängerkursen?
4. Sollen die Beiträge der Lernenden in die Benotung einfließen?
5. Wenn ja, in welcher Form?
6. Wer soll neben den Lernenden und den Lehrenden noch in die
Facebook-Gruppe aufgenommen werden? Gäste? Interessierte?
7. In welchen Zeitintervallen empfiehlt sich eine Durchsicht der
Tagebucheinträge bzw. Facebook-Beiträge durch die Lehrenden?
28
29. 8. Wie groß ist der tatsächliche Zeitaufwand für Lernende und Lehrende?
9. Was sind realistische Erwartungen der Lehrenden an die Lernenden
verschiedener Niveaustufen?
10. Was können die Lernenden von den Lehrenden erwarten?
11. In welcher Form und von wem (von den Lehrenden oder von den
Lernenden) sollen die Aktivitäten der Lernenden für die Bewertung
dokumentiert werden?
12. Wie lässt sich ein inhaltlicher Bezug zum Geschehen im
Präsenzunterricht gewährleisten?
13. In welcher Form soll das Online-Geschehen auch im
Präsenzunterricht thematisiert werden?
14. Rechtfertigt der Nutzen den Aufwand?
29
31. Funktionen
Facebook • Dateien hochladen möglich (bis 25 MB)
• ansonsten Verweise auf externe Dateien oder Verzeichnisse
(Dropbox, Google Drive, Sky Drive, etc.)
Dropbox • 2 GB Speicher kostenlos
• Zugriff auf Dateien und Verzeichnisse über Verweise möglich
• Einzelne Dateien und ganze Verzeichnisse können für
Lernende freigeschaltet werden
• einfache Synchronisation zwischen verschiedenen Geräten
Google
Drive
• 5 GB Speicher kostenlos
• Zugriff über Verweise möglich
• Dateien und Verzeichnisse können freigeschaltet werden
• einfache Synchronisation zwischen verschiedenen Geräten
• zusätzliche Funktionen für kollaboratives Erstellen und
Bearbeiten von Textdokumenten, Präsentationen, Tabellen,
Formularen und Zeichnungen
31
34. Allan, Sean (2010): Extending a Teacher’s Affect Through E-Learning: A Theory of Classroom and Web Dynamics with Case Studies. In: Merkelbach, Chris;
Vagios, Vassilis (Hrsg.): Critical Approaches to Computer-Assisted Language and Literature Teaching. Aachen: Shaker, 251-249.
Burkhardt, Felix (2013): Deutsche Sprachsynthese. Online verfügbar unter http://ttssamples.syntheticspeech.de/deutsch/, zuletzt geprüft am 31.05.2013.
Dörnyei, Zoltán (2008): Motivational strategies in the language classroom. 9. print. Cambridge: Cambridge Univ. Press.
Gläser-Zikuda, Michaela; Hascher, Tina (Hrsg.) (2007): Lernprozesse dokumentieren, reflektieren und beurteilen. Lerntagebuch und Portfolio in
Bildungsforschung und Bildungspraxis. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Hofer, Manfred; Haimerl, Charlotte (2008): Lehrer-Schüler-Interaktion (Teacher-Student Interaction). In: Schneider, Wolfgang; Hasselhorn, Marcus:
Handbuch der Pädagogischen Psychologie. Göttingen: Hogrefe, 223-232.
Johanntokrax, Michaela; Steinbrecher, Daniela (1993): SAMPA – Deutsch. Online unter http://coral.lili.uni-
bielefeld.de/Classes/Winter95/Grundkurs/grundkur/node22.html, zuletzt geprüft am 31.05.2013.
Lehrerinnen-Fortbildungs-Server (LFS) der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung für Schulen (o.J.a): Audacity. Online unter
http://lehrerfortbildung-bw.de/werkstatt/sound/audacity/index.html, zuletzt geprüft am 31.05.2013.
Lehrerinnen-Fortbildungs-Server (LFS) der Landesakademie für Fortbildung und Personalentwicklung für Schulen (o.J.b): Neue Medien im Fach Spanisch.
Online unter http://lehrerfortbildung-bw.de/faecher/spanisch/nm/hoerverstehen/hinweise_audio.htm, zuletzt geprüft am 31.05.2013.
Merkelbach, Chris; Vagios, Vassilis (Hrsg.) (2010): Critical Approaches to Computer-Assisted Language and Literature Teaching. Aachen: Shaker.
Moon, Jennifer A. (2008): Learning journals. A handbook for reflective practice and professional development. 2. ed., reprint. New York, NY: Routledge.
Neumann, Julia (2012): Systematische Ausspracheschulung im Anfangsunterricht Französisch anhand eines Wiki-geleiteten Stationenlernens und Audacity.
In: Wagner, Jürgen; Heckmann, Verena (Hrsg.) (2012): Web 2.0 im Fremdsprachenunterricht. Ein Praxisbuch für Lehrende in Schule und Hochschule.
Glückstadt: Verlag Werner Hülsbusch, 198-205.
Sablotny, Manfred (2010): Das elektronische Lerntagebuch im Anfängerunterricht Deutsch. In: Merkelbach, Chris; Vagios, Vassilis (Hrsg.): Critical
Approaches to Computer-Assisted Language and Literature Teaching. Aachen: Shaker, 117-137.
Schütze, Ulf (2010): Zur Nachhaltigkeit Neuer Medien im Fremdsprachenunterricht. In: Info DaF 37, 6, 577–587. Online verfügbar unter
http://www.uvic.ca/humanities/germanicslavic/assets/docs/random/Nachhaltigkeit.pdf, zuletzt geprüft am 31.05.2013.
Spinath, Birgit (2007): Ein Lerntagebuch zur Förderung motivationsbezogener Voraussetzungen für Lern- und Leistungsverhalten bei Schüler/innen mit
sonderpädagogischem Förderbedarf. In: Gläser-Zikuda, Michaela; Hascher, Tina (Hg.): Lernprozesse dokumentieren, reflektieren und beurteilen.
Lerntagebuch und Portfolio in Bildungsforschung und Bildungspraxis. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Umkehr, Brigitte (2004): Soundbearbeitung mit der Freeware Audacity. Online unter http://www.lehrer-online.de/audacity.php, zuletzt geprüft am
31.05.2013.
Wagner, Jürgen; Heckmann, Verena (Hrsg.) (2012): Web 2.0 im Fremdsprachenunterricht. Ein Praxisbuch für Lehrende in Schule und Hochschule.
Glückstadt: Verlag Werner Hülsbusch.
34
35. 35
Manfred Sablotny
Dozent für Deutsch als Fremdsprache
Department of Foreign Languages and Literature
Tunghai University, Taichung, Taiwan
manfred@thu.edu.tw