1. Orthopäde
1998 ´ 27:813±819 Springer-Verlag 1998 Zum Thema: Biomechanik
M. M. Panjabi1 · J. Cholewicki1 · K. Nibu1, 2 · J. N. Grauer1 · L. B. Babat3 · J. Dvorak4 · H. F. Bär5
1
Biomechanics Laboratory, Department of Orthopaedics and Rehabilitation, Yale University School
of Medicine, New Haven, CT, USA
2
Department of Orthopaedics, Yamaguchi University School of Medicine, Yamaguchi
3
Department of Orthopaedics, Brown University School of Medicine, Providence, RI, USA
4
Schulthess Klinik, Zürich
5
Orthopädische Universitätsklinik, Ruhr-Universität Bochum
Biomechanik des
Beschleunigungstraumas
Zusammenfassung der HWS beim Beschleunigungstrauma. In unvollkommen. Um so wichtiger ist ein ela-
der 1. Phase des Unfalls nahm die HWS eine boriertes Verständnis des Pathomechanis-
Im vorliegenden Artikel wird über eine neue S-förmige Kurve mit Flexion der Halswirbel- mus, welches nach unserer Überzeugung
Hypothese zur Biomechanik des Beschleuni- säule in den oberen Bewegungssegmenten den Schlüssel zu besserem Verständnis von
gungstraumas berichtet, die sich auf eine und Hyperextension in den unteren Bewe- klinischen Symptomen und effektiveren prä-
Serie von Experimenten an isolierten huma- gungssegmenten an. In der 2. Phase des Un- ventiven Strategien darstellt.
nen Knochenbandpräparaten der Halswir- fallablaufs befanden sich alle Abschnitte der
belsäule (HWS) stützt. Obwohl die mit dem HWS in Extension, wobei der Kopf maximal Schlüsselwörter
Beschleunigungstrauma einhergehenden extentiert wurde. Verletzungen der ventra-
klinischen Symptome gut beschrieben sind, len Strukturen traten in den unteren Etagen Beschleunigungstrauma × Verletzungsme-
fehlt uns noch ein tieferes Verständnis des während der 1. Phase des Unfalls auf, dies chanismus × Halswirbelsäule × Biomechanik ×
Verletzungsmechanismus. Es muû davon wurde durch Funktionsröntgenaufnahmen, Verletzung
ausgegangen werden, daû die allgemein ¹flexibility testª und Bildbefunde bestätigt.
geteilte Ansicht, es handle sich um eine Hy- Maximale dynamische Kapselbanddehnun-
perextensionsverletzung durch neuere ex- gen wurden in der Etage C6/C7 während der
perimentelle Studien nicht gestützt wird. In
einem Laborversuch wurden 8 frische hu-
mane HWS-Präparate einer kontrollierten
beginnenden S-Phase des Traumas beob-
achtet. Ganz ähnlich verhielt es sich mit der
A. vertebralis, deren maximalen Elongation
B erichte aus verschiedenen europäi-
schen Ländern zeigen einen alarmieren-
Serie von Beschleunigungstraumaexperi- während der S-Phase des Beschleunigungs- den Anstieg der jährlich registrierten
menten unterzogen. Vor und nach jedem traumas auftrat. Verletzungen in der zweiten Anzahl an HWS-Verletzungen während
Trauma wurde das jeweilige Präparat Funk- Phase konnten nicht beobachtet werden. der letzten Jahre bei steigender Ver-
tionsröntgenaufnahmen und ¹flexibility Gestützt auf unsere experimentellen Be- kehrsdichte an [11].
testª unterzogen, um Hinweise auf Ausmaû funde nehmen wir an, daû die untere HWS Die ¹National Highway Traffic Sa-
und Lokalisation der erlittenen Verletzung zu durch einen Hyperextensionsmechanismus fety Administrationª in den USA
erlangen. Am Ende jeder Versuchsserie wur- geschädigt wird, während die HWS als Gan- schätzt, daû 84 % aller HWS-Verletzun-
den CT-Scans, NMR und Kryomikrotomie- zes sich S-förmig verformt. Dies geschieht zu gen als AIS1, d. h. Weichteilverletzungen
schnitte angefertigt. Das Bewegungsverhal- einem sehr frühen Zeitpunkt während des klassifiziert werden müssen [5]. Solche
ten der Präparate wurde während des Ver- Unfalls noch bevor Hals und Nacken voll Verletzungen sind ganz allgemein Ver-
suchs in allen Bewegungssegmenten mit überstreckt sind. Bei höheren Stoûbeschleu- letzungen mit subkritischer Schadens-
Hochgeschwindigkeitskameras aufgezeich- nigungen werden auch Verletzungen der energie (subfailure injuries), morpho-
net. Sowohl die Längenänderungen der oberen HWS wahrscheinlicher. Unsere Be- logische faûbare Verletzungen im Sinne
A. vertebralis, als auch die relativen Kapsel- funde erlauben ein tieferes Verständnis des von Rupturen oder Luxationen werden
dehnungen der Intervertebralgelenke wur- Beschleunigungstraumas und sind ein Bei-
den mit speziell angefertigten Sensoren auf- trag zur Verbesserung von Diagnose, Be-
gezeichnet. Unsere Untersuchungen konn- handlung und Prävention dieser Verletzun-
Prof. Dr. M. M. Panjabi
ten die ¹Hyperextensionshypotheseª des gen. Obwohl die Symptome, die mit einem Biomechanics Laboratory,
Verletzungsmechanismus nicht bestätigen. Beschleunigungstrauma einhergehen kön- Department of Orthopaedics and Rehabilitation,
Wir fanden eine nicht zu übersehende bi- nen, gut beschrieben sind, bleibt unser tie- Yale University School of Medicine, 333 Cedar St.,
phasische Antwort im Bewegungsverhalten feres Verständnis des Unfallmechanismus P. O. Box 208071, New Haven, CT 06520-8071, USA
Der Orthopäde 12´98 813
2. Orthopäde
1998 ´ 27:813±819 Springer-Verlag 1998 Zum Thema: Biomechanik
M. M. Panjabi · J. Cholewicki · K. Nibu · lowing better and more effective injury pre- Penning postulierte, daû im Gegen-
J. N. Grauer · L. B. Babat · J. Dvorak · vention, diagnosis and therapy. satz zu der bis dahin üblichen Sicht-
H. F. Bär weise, nicht die Hyperextension, son-
Key words dern die Hypertranslation des Kopfes
Biomechanics of whiplash injury der primäre Schadensmechanismus bei
Whiplash · Injury mechanism · Cervical spine dem Beschleunigungstrauma sein sollte
Summary · Biomechanics · Trauma [29, 30]. Penning verglich seitliche
Röntgenbilder von Probanden in
The article reports a new hypothesis of whi- ¹Kinn-einª- und ¹Kinn-aus-Stellungª
plash injury based on a series of experimen- als repräsentativ für hintere und vor-
tal studies using isolated human cadaveric dere Kopftranslationen. Die sich dabei
specimens. Although the clinical symptoms in diesem Zusammenhang nicht beob- einstellenden Winkelbewegungen der
of whiplash are widely known, the under- achtet. einzelnen Wirbelkörper in der Sagittal-
standing of the underlying injury mechanism Die derzeit üblichen Verfahren, wie ebene verglich er mit der Situation bei
is poor. The prevailing view of neck-hyper- das NMR, scheinen nicht genügend auf- aktiver Beugung und Überstreckung
extension as the essential injury mechanisms zulösen, um diese Verletzungen nachzu- bei Funktionsaufnahmen. Er fand, daû
was not supported by recent experiments. In weisen. Die reduzierte Funktion und die Winkelbewegungen zwischen C0
a series of experiments using eight human chronische Schmerzzustände, die mit und C2 bei den sog. Translationsbewe-
cadaveric specimens which underwent ex- einer Beschleunigungsverletzung ein- gungen des Kopfes gröûer als bei den
perimental stepwise whiplash acceleration hergehen können, finden jedoch in die- Flexions-Extensions-Bewegungen wa-
from 2.5 to 10.5 g functional radiographs sen subkritischen, unvollständigen Ver- ren. Diesen Unterschied konnte er für
and flexibility tests were performed at the letzungen ihre Erklärung. die untere HWS nicht beobachten und
end of each acceleration step. Ligament ¹Whiplashª wurde unscharf defi- er schloû deshalb, daû die obere HWS
strains, vertebral alignment and elongation niert als eine Beschleunigungsverlet- besonders verletzungsanfällig für die
of the vertebral artery were monitored dur- zung, die für gewöhnlich ein unauf- Beschleunigungsverletzung sein sollte.
ing the whiplash trauma by highspeed cine- merksames Opfer in einem stehenden Ein richtiges Verständnis des Un-
matography and specially designed transdu- Fahrzeug, welches vom Heck her ange- fallmechanismus ist notwendig. Je ge-
cers. After the trauma CT- and MRI-scans stoûen wird, trifft. Die Symptome Nak- nauer der Unfallmechanismus bekannt
were taken and specimens were sectioned kenschmerz, Benommenheit und Kopf- ist, desto eher können diejenigen anato-
using Cryomicrotomy. We found a distinct bi- schmerz sind nicht spezifisch und wer- mischen Strukturen, die besonderen Ri-
phasic kinematic response of the cervical den noch Monate und Jahre nach den siken ausgesetzt sind zum Zweck der
spine to whiplash trauma. In the first phase Unfällen berichtet [1, 2, 7]. Entwicklung effektiverer Unfallpräven-
the spine formed an S-shaped curve with Untersuchungen zu Beschleuni- tionsstrategien identifiziert werden.
flexion at the upper levels and hyper-exten- gungstraumen sind multidisziplinär, Aufbauend auf der Theorie von Mac-
sion at the lower levels. This phase was sie reichen von retrospektiven klini- Nab, daû die Hyperextension der füh-
found to be the vulnerable phase of whi- schen Datensammlungen bis zu einer rende Verletzungsmechanismus beim
plash trauma. The largest dynamic elonga- Reihe verschiedener Laborversuche. Beschleunigungstrauma ist, wurden
tion of the capsular ligaments was observed Trotzdem ist ein fundiertes Verständnis Kopfstützen entwickelt, um HWS-Ver-
at the C6±C7 level during this initial S- der Beschleunigungstraumen auf letzungen vorzubeugen. Obwohl die
shaped phase of whiplash. The maximum 2 Dinge angewiesen: Die Kenntnis der Einführung von Kopfstützen die Zahl
elongation of the vertebral artery could be Wirbelkörperkinematik und die Defini- der Verletzungen vermindert hat, konn-
observed synchronously in the first S-shaped tion, was eine Weichteilverletzung aus- ten diese jedoch nicht vollständig ver-
curve of the cervical spine. In the second macht. hindert werden. Nygren et al. [20] führ-
phase of whiplash all levels of the cervical Die Quebec Task Force hat in ihrer ten in einer schwedischen Studie an,
spine were extented, so that the head Monographie betont, daû weitere bio- daû nur ein 20 %iger Rückgang aller
reached is maximum extension. No injuries mechanische Untersuchungen zum Be- HWS-Verletzungen nach Einführung
were observed in the second phase. We pro- schleunigungstrauma notwendig sind der Kopfstütze zu beobachten gewesen
pose, based on our experimental findings, [32]. war. Deshalb sollte die der Erfindung
that with low accelerations the anterior In der Geschichte der biomechani- der Kopfstütze zugrundliegende biome-
structures of the lower cervical spine are in- schen Modellvorstellungen zum Be- chanische Modellvorstellung, so wie sie
juried during the first phase of whiplash, schleunigungstrauma gibt es verschie- MacNab vor 30 Jahren formuliert hat
when the cervical spine forms an S-shaped dene Ansätze. Macnab war sich als er- und als Hyperextensionsvorstellung im-
curve and before the neck is fully extended. ster der Tatsache bewuût, daû klinische mer noch die gängige Modellvorstel-
At higher trauma accelerations there is also a Studien vieldeutig sind und führte Tier- lung ist, einer Überprüfung unterzogen
tendency for the injuries to occur at upper versuche mit narkotisierten Primaten werden [14].
levels of the cervical spine. Based on our durch [13±15]. Er fand eine zufällige
findings the traditional view of whiplash as Häufung von Verletzungen ventraler
hyper-extension injury can be modified by a Strukturen. Daraus schloû er, daû die
differentiated, time dependent, biphasic Hyperextension der HWS als direkte
biomechanical model of the injury, thus al- Unfallursache anzusehen sei.
814 Der Orthopäde 12´98
3. Methoden wasser- und luftdicht verschlossen, bei mit einem Sensor ähnlicher Bauart ge-
Ÿ20 C aufbewahrt und vor dem Ver- messen.
Überblick such aufgetaut. Zu diesem Zweck wurde ein dünner
nylonbeschichteter biegeweicher Draht
Einzelheiten der diesem Artikel zugrun- Experimentelles von kaudal in die rechte A. vertebralis
deliegenden Versuche sind bei Panjabi Beschleunigungstrauma eingeführt. Der Draht wurde am Os oc-
et al. [25] zu entnehmen. Knochen- cipitale befestigt. Die kaudalen Längen-
Band-Präparate der kompletten HWS Das Beschleunigungstrauma wurde differenzbewegungen wurden mit Hilfe
mit Os occipitale wurde unmittelbar künstlich durch einen speziell entwik- eines Wegmeûgebers aufgezeichnet.
post mortem entnommen und terminal kelten Schlittenaufbau simuliert [26]. Nach Befestigung des Präparats auf
fixiert. Funktionsröntgenaufnahmen Der Aufbau bestand aus einem Schlit- dem Schlitten wurden die Speicherfe-
und mehrdirektionale Flexibilitätstests ten, Linearlagern, einem pneumati- dern entsprechend der gewünschten Be-
dokumentierten die physische und me- schen Kolben, Speicherfedern und ei- schleunigung durch einen pneumati-
chanische Ausgangssituation des Prä- nem elektromagnetischen Schalter zur schen Kolben vorgespannt. Nach Frei-
parats. Am kranial fixierten Ende wurde Speicherung und Freisetzung der benö- gabe der Federn wurde der Schlitten
eine mechanisch äquivalente Masse als tigten mechanischen Energie. Das kau- von hinten angestoûen und nach vorne
Kopfersatz befestigt. Das Präparat dale Ende der Präparate wurde mit dem beschleunigt; nach dem Erreichen der
wurde mit dem kaudal fixierten Ende Epoxydadapter starr mit dem Schlitten Maximalgeschwindigkeit wurde der
auf einem Schlitten aufgespannt und verbunden, das kranial fixierte Ende Schlitten kontrolliert abgebremst. Das
schrittweise experimentellen Beschleu- diente zur Aufnahme einer Stahlscheibe Beschleunigungstrauma wurde mit ei-
nigungssituationen, beginnend mit mit den mechanischen Eigenschaften ner Geschwindigkeit von 500 Bildern/
2,5 facher Erdbeschleunigung (G) eines menschlichen Kopfes aus der 50- Sekunde gefilmt. Die Lageindikatoren
Schlittenbeschleunigung bis zu 10,5 G %-Durchschnittsperzentile (5,5 kg wurden digitalisiert und die so gewon-
in Schritten von 2 G ausgesetzt. Masse und 0,035 kgm2 Trägheitsmo- nenen Daten in Winkelbewegungen der
Während des experimentellen ment) [18]. Wirbelkörper umgerechnet. Die Bewe-
Traumas wurde das Präparat mit einer Diese Kopfersatzmasse wurde starr gungen des Kopfes wurden mit 3 Poten-
Hochgeschwindigkeitskamera gefilmt, mit dem kranial fixierten Ende verbun- tiometern gemessen und über einen
um die Winkelbewegungen der einzel- den; der Schwerpunkt wurde durch Analogdigitalwandler in einen Perso-
nen Wirbelkörper aufzuzeichnen. Die eine spezielle Haltevorrichtung über nalcomputer gespeichert [4]. Jedes Prä-
Kopfbewegungen (Rotation, Transla- der Wirbelsäule so positioniert, wie parat wurde sequentiell mit 2,5; 4,5; 6,5;
tion und Beschleunigung) wurden dies auch in vivo der Fall gewesen wäre. 8,5 und 10,5 G Schlittenbeschleunigung
durch Potentiometer und Akzelerome- Die Haltevorrichtung verhindert unna- belastet.
ter aufgezeichnet. Die Elongation der türliche artifizielle Zwangskräfte wäh-
A. vertebralis und der Kapselbänder rend des Versuchs ohne die Trägheitsef- Röntgenfunktionsaufnahmen
während des Versuchs wurden mit spe- fekte zu behindern. Die Haltevorrich-
ziell hergestellten Sensoren aufgezeich- tung erlaubte Bewegungen des Kopfes Seitliche Röntgenaufnahmen der Präpa-
net. Die Funktionsaufnahmen und ¹fle- in allen 3 Freiheitsgraden der Sagittal- rate wurden in Neutralnullstellung und
xibility testsª wurden nach jedem Ver- ebene. 3 Potentiometer wurden zwi- in Flexions- und Extensionsstellung un-
suchsschritt durchgeführt, um das Aus- schen dem Ersatzkopf und dem Trans- ter 5 N vorderer bzw. hinterer Querkraft
maû der (inkompletten) Verletzung zu portschlitten montiert. Bei 45 Neigung am Okziput aufgenommen. Die Rönt-
quantifizieren. Am Schluû jeder Ver- wurde der Anschlag des Kopfes aus Si- genbilder wurden qualitativ und quan-
suchsserie wurde die Verletzung mit cherheitsgründen empirisch begrenzt. titativ befundet um Verletzungen nach
CT, NMR und Kryomikrotomie bildge- Um die Zwischenwirbelbewegungen jeder Belastungsstufe zu dokumentie-
bend dokumentiert. während der Verletzung besser sichtbar ren.
zu machen, wurde jeder Wirbel mit ei-
Präparationsschritte nem Indikatorstab versehen, der von la- Flexibility test
teral vollständig sichtbar war und des-
Acht frische humane HWS-Präparate sen Lage mit einer Hochgeschwindig- Die mechanischen Eigenschaften der
wurden geröntgt, um sicher zu stellen, keitskamera festgehalten werden intakten und verletzten HWS-Präparate
daû nur altersentsprechende degenera- konnte. Speziell angefertigte Dehnungs- wurden mit einem ¹flexibility testª un-
tive Veränderungen vorhanden waren. sensoren wurden über die Kapselbänder ter Belastung mit reinen Biegemomen-
Die Muskulatur wurde entfernt, Band- von C2/3, C6, C7 wechselartig ange- ten bestimmt [23, 24]. Es ist schwierig,
scheiben und Bänder und Kapseln wur- bracht [27]. eine inkomplette Bandverletzung zu
den erhalten. Das Os occipitale und die Die Bandsensoren wurden mit identifizieren. Der ¹flexibility testª, den
Bodenplatte des 7. Hals- bzw. 1. Brust- Kirschner-Drähten in der Nähe der man vor und nach dem experimentellen
wirbels wurden in schnellhärtendes Bandursprünge und -ansätze befestigt. Trauma durchführt, hilft solche Verlet-
Epoxydharz eingegossen, während das Die Längenauflösung der Sensoren war zungen in Wirbelsäulenpräparaten zu
Präparat in Neutralposition gehalten 5 mm mit einer durchschnittlichen Ge- identifizieren. In der vorliegenden Stu-
wurde. Bis zur Versuchsdurchführung nauigkeit von 0,025 mm [3]. Die Län- die wurden die Wirbelsäulenpräparate
wurden die so hergestellten Präparate genänderung der A. vertebralis wurde multidirektional Belastungen unterzo-
Der Orthopäde 12´98 815
4. Zum Thema: Biomechanik
gen und die daraus resultierenden inter- chen Beschleunigungen zeigen. Wäh- beschleunigung [19]. Die maximale
vertebralen Bewegungen gemessen. rend nach 2,5 G Beschleunigung kein Elongation trat während der Phase der
Zwei Parameter dokumentieren die in- abnormer Befund zu sehen war, konnte Hypertranslation des Kopfes, also zu
tervertebralen Bewegungen. ¹Range of nach 4,5 G Beschleunigung eine deutli- Beginn des Stoûvorgangs, auf.
motionª (ROM) beschreibt das maxi- che Annäherung der Processus spinosi In ähnlicher Weise verhielten sich
male physiologische Bewegungsausmaû von Wirbelkörper C5 und C6 und ein die Kapselbänder. Die maximalen Deh-
während ¹Neutral Zoneª (NZ) die Laxi- ventrales Klaffen des Bewegungsseg- nungen erreichen ihre Spitzenwerte
taet der Wirbelsäule um die Neutralpo- ments C5/C6 beobachtet werden. zwischen 50 und 150 ms nach Stoûbe-
sition bestimmt. Das ist ein Hinweis auf eine Verlet- ginn. Die gröûten prozentualen Kapsel-
zung ventraler Strukturen. In den ande- dehnungen wurden zwischen 23,6 und
Bildgebende Verfahren ren Etagen der HWS wurden keine di- 14,8 % in der Etage C6/C7 bei einer Be-
rekten oder indirekten Verletzungsfol- schleunigung von 6,5 und 8,5 G gemes-
Bildgebende Verfahren, CT-Scans und gen gefunden. sen.
NMR wurden am Ende aller Testsitzun- Das beste Werkzeug, um eine un- CT, NMR und Kryomikrotomiebil-
gen durchgeführt. Um speziell weitere vollständige Weichteilverletzung aufzu- der belegten darüber hinaus, daû Ver-
Verletzungen aufzudecken, wurden decken, ist der ¹flexibility testª [22]. letzungen sich in den unteren Etagen
Kryomikrotomiebilder bei Ÿ70 C in Wenn man präzise die Bewegungen je- der HWS ereignet hatten. Bildbefunde
der Technik nach Rauschning [31] ange- des Wirbelkörpers gegenüber dem je- (ventrales Klaffen und Annäherung der
fertigt. weils benachbarten bei genau einem Processus spinosi) und biomechanische
Newtonmeter applizierten Biegemo- Untersuchungen zeigten eine hohe Kon-
Ergebnisse ment vor und nach dem Unfall miût, sistenz.
kann man eine quantitative und genaue
Bewegungsverhalten Aussage über die Verletzung der HWS Diskussion
der HWS während des Versuchs machen.
Die von uns durchgeführten ¹flexi- 1928 prägte Crowe den Begriff ¹whi-
Die Auswertung der Hochgeschwindig- bility testsª ergaben verschiedene Ver- plashª, Beschleunigungsverletzung,
keitsfilme offenbarte eine ausgeprägte letzungsmuster in den verschiedenen Schleudertrauma, Peitschenschlagver-
biphasische kinematische Antwort der Etagen der HWS. Um die umfangrei- letzung. Der mechanische Gehalt dieser
HWS auf das Beschleunigungstrauma. chen Versuchsdaten über ROM und NZ Begriffe war bisher unklar. Unser Labor
Bei einer Beschleunigung von 8,5 G der Bewegungssegmente in Abhängig- hat die Frage, was denn nun das eigen-
beträgt die erste Phase des Stoûvor- keit von verschiedenen Unfallvorgän- tümliche an dieser Verletzung in me-
gangs 50±75 ms, während dieser Zeit gen und Höhenlokalisationen gra- chanischer Hinsicht sei, in einem expe-
wird eine S-förmige Verkrümmung der phisch darzustellen, wurden die Ver- rimentellen Ansatz beantwortet. Wir
HWS mit Flexion in den oberen und Ex- suchsdaten als prozentualer Anstieg be- entwickelten unter Verwendung von hu-
tension in den unteren Abschnitten ein- züglich der jeweiligen Ausgangswerte, manen Zevikalpräparaten ein Labor-
genommen. Zu Anfang dieses Zeitab- dargestellt. Statistisch signifikant modell des Beschleunigungstraumas,
schnitts, d. h. etwa 50 ms nach dem (p 0.05) waren der Anstieg des ROM welches es gestattet, die Geschehnisse
Stoû, wandert der Kopf etwa 6 cm nach in Extension im Bewegungssegment beim Stoû direkt zu beobachten. Wir
hinten, ohne eine nennenswerte Exten- C5/C6 nach 4,5 G und höheren Be- beobachteten die Winkelbewegungen
sions- oder Flexionsbewegung zu voll- schleunigungen. Ein signifikanter An- der einzelnen Wirbelkörper während
führen [10]. Der Zeitabschnitt zwischen stieg der NZ in Extension in Höhe des Stoûvorgangs mit Hochgeschwin-
100 und 125 ms nach dem Stoû ist der C5±C6 nach 4,5 G und höheren Be- digkeitskinematographie.
Anfang eines 2. Intervalls, während des- schleunigungen konnte gleichfalls Beschleunigungstraumen sind un-
sen die gesamte HWS in eine Exten- nachgewiesen werden. Die NZ in Exten- vollständige Bandverletzungen. Diese
sionsbewegung übergeht. Die maximale sion auf Höhe des kraniozervikalen sind mit bildgebenden Verfahren
Kopfauslenkung findet etwa 100 ms Übergangs C0/C1 und C6/C7 bei Be- schwierig darzustellen, geschweige
nach dem Stoû statt. Die maximale Ex- schleunigungen gröûer als 6,5 G schien denn zu quantifizieren.
tensionsbeanspruchung der unteren (p 0.1) ebenfalls anzusteigen. Aus diesem Grund wurde die me-
HWS spielt sich jedoch nicht in dieser Verletzungen der A. vertebralis chanisch etablierte Methode der ¹flexi-
2., sondern während der ersten Zeit- durch Überdehnung standen im Ver- bility testª genutzt, um Veränderungen
phase nach dem Stoû (S-förmige Ver- dacht einen Teil der komplizierten der mechanischen Eigenschaften des je-
krümmung der HWS) ab, 25 ms bevor Symptomatologie nach Beschleuni- weiligen Präparats in allen Höhenlokali-
sich Kopf- und Nacken makroskopisch gungstraumen zu erklären [15]. Die von sationen vor und nach dem Stoûvor-
vollständig in Extension bewegen. uns maximal gemessene Elongation der gang zu messen.
A. vertebralis steht in direktem Zusam- Die meisten Bänder und die dyna-
Lokalisation der Verletzung menhang mit der Horizontalbeschleu- mische Elongation der A. vertebralis
nigung des angestoûenen Schlittens wurden meûtechnisch während des
Panjabi et al. [25] konnten in einem Bei- (r2 = 0,7; p 0,05). Die Elongation der Stoûvorgangs direkt erfaût. Funktions-
spiel die unterschiedlichen Röntgen- A. vertebralis überschritt das physiolo- röntgenaufnahmen, CT-Bilder, NMR
funktionsbefunde nach unterschiedli- gische Limit bereits ab 2,5 G Schlitten- und Kryomikrotomie lieferten Zusatz-
816 Der Orthopäde 12´98
5. informationen über die Verletzungen
der Bandstrukturen.
Unsere Messungen konnten die bis-
lang für richtig gehaltene Vorstellung,
daû es sich beim Beschleunigungs-
trauma um eine Hyperextensionsverlet-
zung handelt, nicht bestätigen. Statt NP 25 ms 50 ms 75 ms 100 ms 125 ms 150 ms 175 ms
dessen zeigte sich ein etwas komplexe- Abb. 1 ~ Schemazeichnung der HWS ± Verkrümmung während Heckanpralltrauma.
rer Unfallmechanismus. Die Haupt- Die entscheidende S-förmige Verkrümmung der Halswirbelsäule mit Hyperflexion ihrer
merkmale dieses Unfallmechanismus caudalen Abschnitte ist am stärksten zwischen 50 und 75 ms nach Stoû ausgeprägt.
sollen im folgenden nochmals kurz zu- Erst in der zweiten Phase des Stoûvorganges (100 ms±175 ms) läût sich eine generalisierte
sammengefaût werden (Abb. 1). Extensionsbewegung beobachten, deren pathogenetisches Potential aber hinter
Während der ersten 50 ms nach dem der ersten Phase zurückbleibt und erst bei höheren Beschleunigungen wirksam wird.
Heckanstoû führt der Kopf eine kleine
Translationsbewegung aus. In der Phase
zwischen 50 und 75 ms verformt sich die ausgesetzt, die dorsalen Strukturen der mum bei 120 ms und einer maximalen
HWS S-förmig mit lokaler Extension HWS werden Druckbeanspruchungen Kopfüberstreckung bei 160 ms [28]. Je-
der unteren HWS und ausgleichender ausgesetzt. Bei Überschreiten der phy- doch führten sie dieses Phänomen nicht
Flexion der oberen HWS; 75 ms nach siologischen Grenzen können daraus als Unfallmechanismus auf, unvollstän-
Stoûbeginn werden maximale Exten- teilweise oder unvollständige Bandver- dige Bandverletzungen wurden von ih-
sionswerte in den unteren Etagen der letzungen im Sinne einer AIS1-Eintei- nen ebenfalls nicht berichtet und beob-
HWS beobachtet. Die maximale Rück- lung entstehen. achtet.
verlagerung des Kopfes wird etwa Der erste tierexperimentelle Ver- In einer kürzlich veröffentlichten
100 ms nach dem Stoû in der 2. Phase such zum Verständnis des Beschleuni- Arbeit konnten Kaneoka et al. [12] zum
des Unfalls beobachtet. Die während gungstraumas wurde von Macnab vor erstenmal In-vivo-Intervertebralbe-
der ersten Phase des Stoûvorgangs ge- mehr als 30 Jahren unternommen [13]. wegungen während experimenteller
messenen Extensionswerte in der unte- Macnab nahm an, daû die Verletzungen Beschleunigungsvorgänge mit Hilfe
ren HWS können physiologische Grenz- ventraler Strukturen in der unteren der Hochgeschwindigkeitsradiographie
werte überschreiten, dies geschieht aber HWS in Tierexperimenten eine Folge darstellen. Sie berichteten Ergebnisse
nicht in der 2. Phase der Verletzung, wo der Überstreckung von Kopf und Nak- über die Bewegungssegmente C2/3 bis
Kopf und Hals sich in maximaler ma- ken waren. Die Kopfstütze wurde erfun- C5/6. Sie berichteten, daû am Anfang
kroskopischer Extension befinden. Die den, um die Kopfbewegung einzu- alle Bewegungssegmente zuerst sich im
Existenz eines Verletzungspotentials in schränken. Unsere Ergebnisse zeigen, Sinne einer Flexionsbewegung verän-
Form von vermehrtem Gelenkspiel und daû die unteren HWS-Verletzungen auf- dern, die sich sukzessive in den späteren
vermehrter Gelenkbeweglichkeit der treten bevor Kopf und Nacken als Gan- Phasen des Stoûvorgangs ausgehend
Bewegungssegmente bei Stoûvorgän- zes hyperextentiert sind. Deshalb ist von den am weitesten kaudal gelegenen
gen mit 4,5 G oder mehr wurde in mehr- nach unserer Erkenntnis die Kopfstütze Etagen zu Extensionsbewegungen ent-
direktionalen ¹flexibility testsª bestä- ineffektiv als Präventionsmaûnahme, wickelten. Etwa 110 ms nach dem Stoû
tigt. Der gleiche Sachverhalt trifft für da sie die Ausbildung einer S-förmigen beobachteten sie eine S-förmige Form
die A. vertebralis und die Kapselbänder Verkrümmung der HWS, die das eigent- der HWS, ähnlich zu den von uns beob-
zu, die nicht in der 2. Phase sondern in liche Verletzungspotential darstellt, achteten Bewegungsmustern.
der 1. Phase des Stoûvorgangs ihre ma- nicht behindert. Überträgt man unsere Die S-förmige Verformung der
ximalen Beanspruchungen und damit Erkenntnisse mit der gebotenen Vor- HWS war auch eine Annahme, auf die
Gefährdungen erleiden. Die mit bio- sicht auf die In-vivo-Problematik, dann Pennings Theorie des Verletzungsme-
mechanischen Methoden erhobenen könnten wir bis zu einem gewissen Aus- chanismus aufbaute [29, 30]. Penning
Unfallfolgen wurden durch die kli- maû erklären, worin der Miûerfolg nahm jedoch an, daû der kranioverte-
nisch und klinisch pathologisch be- beim Einsatz der Kopfstütze liegt. brale Übergang der Hauptort der Verlet-
kannten Methoden Funktionsauf- Die S-förmige Krümmung der zung beim Beschleunigungstrauma ist.
nahme, CT-Scan, MRI und Kryomikro- HWS in der ersten Phase nach Stoû Unsere experimentellen Befunde stehen
tomie bestätigt. wurde auch bei Svensson bei einem dazu im Gegensatz. Sie zeigen, daû die
Die Schluûfolgerung muû lauten, Dummy-Versuch beobachtet, Svensson unteren Etagen der HWS wesentlich
daû der Pathomechanismus des Be- ging jedoch nicht davon aus, daû diese wahrscheinlicher ihren physiologi-
schleunigungstraumas die Ausbildung Erscheinung etwas mit einem Verlet- schen Bewegungsumfang überschreiten
einer S-förmigen Kurve der HWS in der zungsrisiko der HWS zu tun haben als die oberen Etagen der HWS. Zu be-
Anfangsphase des Unfalls darstellt. Da- könnte [33]. achten bleibt weiterhin, daû unser Be-
bei kommt es zwangsweise zu einer Hy- Geigl et al. [9] maûen in einem Lei- schleunigungstraumaexperiment nicht
perextension der unteren und zu Fle- chenexperiment Winkelbewegungen dazu führte, daû der Kopf über das phy-
xion der oberen Etage der HWS. Folge- der HWS. Sie fanden Flexionsvorgänge siologische Maû hinaus extentiert
richtig werden die ventralen Strukturen in den Segmenten C0 bis C4 in Sinne ei- wurde. Diese Tatsache wird durch In-
der unteren HWS Zugbeanspruchungen ner S-förmigen Kurve mit einem Maxi- vivo-Experimente unterstützt, welche
Der Orthopäde 12´98 817
6. Zum Thema: Biomechanik
mit Freiwilligen durchgeführt worden Wirkung auf den Nacken und das Entge- Diese Untersuchung wurde teilweise durch
waren [16, 17]. genwirken der Schwerkraft des Kopfes. das National Institute of Health, Grant 42211
Wenn also eine Verletzung einge- Diese Funktion wurde in unserem Ver- und NSERC Canada unterstützt. Wir möch-
ten auch Prof. Dr. med. J. Grifka, Orthopädi-
treten ist, dann ist sie nicht deswegen suchsaufbau durch eine aktive Halte-
sche Universitätsklinik, Ruhr-Universität
eingetreten weil Kopf und Nacken sim- vorrichtung, die den Einfluû der Bochum und Dr. Andrea Radebold, Depart-
pel zu weit nach hinten gebogen worden Schwerkraft auf unsere Modellmasse ment of Orthopaedics and Rehabilitation,
wären. In dieser Tatsache besteht der ohne Behinderung der Trägheitskräfte Yale University School of Medicine, C. T.
entscheidende Unterschied und Wider- neutralisierte, dargestellt. Zum 2. kön- USA, für ihre Hilfe das Manuskript ins Deut-
spruch zu einer der am meisten populä- nen von der Muskulatur zusätzliche in- sche zu übersetzen, danken.
ren und verbreiteten Erklärung der Be- nere Kräfte entwickelt werden, die den
schleunigungsverletzung durch Mac- Bewegungsumfang einschränken, wenn Literatur
nab [13, 14]. das Unfallopfer vorgewarnt ist. Jedoch
Die Grundannahme in unserem ist diese Tatsache relativ, da bei einem 1. Balla JI (1980) The last whiplash syndrome.
Aust N Z J Surg 50: 610 ff
Modell eines Beschleunigungstraumas unvorbereiteten Unfallopfer etwa
2. Braaf MM, Rosner S (1975) Trauma of the
besteht, auf der Basis der Interpretation 200 ms Aktivierungszeit vergehen, bis cervical spine as a cause of chronic head-
unserer Befunde darin, daû jedes Bewe- die Halsmuskulatur ausreichend stabili- ache. J Trauma 15: 441 ff
gungssegment dann verletzt wird, wenn sierende Kräfte aufgebaut hat [9, 34]. In 3. Cholewicki J, Panjabi MM, Nibu K, Macias ME
es in eine Bewegung, oder zu einem Be- diesem Zeitintervall hat sich jedoch (1997) Spinal ligament transducer based
wegungsausmaû gezwungen wird, das schon die unfallbedingte Spitzenbean- on a Hall effect sensor (a technical note).
jenseits des normalerweise, physiolo- spruchung der HWS ereignet, d. h. die J Biomechanics 30: 291±293
4. Cholewicki J, Panjabi MM, Nibu K, Grauer JN,
gisch vorhandenen liegt. Ausbildung einer S-förmigen Krüm-
Dvorak J (1998) Head kinematics during in
Als physiologische Grenze sehen mung, so wie wir sie in unseren Experi- vitro whiplash simulation. Accident Anal
wir diejenige Winkelbewegung an, die menten beobachten konnten. Von daher Prev 30: 469±479
sich reproduzierbar unter einem New- hat ein nicht vorbereitetes Unfallopfer 5. Compton C (1993) The use of public crash
tonmeter reinem Biegemoment an der wenig Möglichkeiten, die Halsmuskula- data in biomechanics research. In: Nahum
HWS einstellt. Diese Annahmen sind tur zur Prävention oder Schadensver- A, Melvin J (eds) Accident injury biomechanics
nicht willkürlich, sie beruhen auf vor- minderung der HWS einzusetzen. Eine and prevention. Springer, New York, pp 49±66
rangigen Experimenten und durch die andere nicht unwichtige Grenze in un- 6. Crowe HE (1928) Injuries of the cervical
spine. Paper presented at the meeting of the
hier dargelegten Untersuchungen. In serem HWS-Präparat ist, daû der Western Orthopaedic Association,
unserer Studie wurden 3 unabhängige 1. Brustwirbel starr an den Beschleuni- San Francisco, CA
Unfallfolgeskalen verwendet die groûe gungsschlitten angekoppelt ist. Die Be- 7. Dvorak J, Valach L, Schmid ST (1989) Cervical
interne Konsistenz zeigten: wegungsstudien mit Freiwilligen konn- spine injuries in Switzerland. J Manual Med
ten Kranialwärtsbewegungen der unte- 16, 7±16
w Abnorme Extensionsausschläge der ren Halswirbel [12] und der Schultern 8. Dvorak J, Panjabi MM, Novotny JE, Antinnes JA
Bewegungssegmente der unteren [17] nachweisen. Diese Einschränkung (1991) In vivo flexion/extension of the
normal cervical spine. J Orthop Res
HWS während des Stoûvorgangs auf- unseres Modells könnte dadurch abge-
9: 828±834
gezeichnet mit Hochgeschwindig- schwächt werden, daû man dem ersten 9. Geigl BC, Steffen H, Leinzinger P, Mühlbauer M,
keitskinematographie [10]. Brustwirbel in dem Versuchsaufbau et- Bauer G (1994) The movement of the head
w Vermehrter ROM und NZ ebenfalls in was mehr mechanische Freiheit zuge- and cervical spine during rear-end impact.
den unteren Etagen. In den unteren stehen würde. Leider ist bis jetzt auch IRCOBL, Lyon, pp 127±137
Bewegungssegmenten der HWS unbekannt, in welchem Umfang dies ge- 10. Grauer JN, Panjabi MM, Cholewicki J, Nibu K,
nachgewiesen durch den ¹flexibility schehen sollte. Wahrscheinlich ist es so, Dvorak J (1997) Whiplash produces a S-
shaped curvature of the neck with hyper-
testª [28]. daû die In-vivo-Bewegungen des
extension at lower levels, Spine
w Überdehnung der Kapselbänder 1. Brustwirbels nicht nur von biomecha- 22: 2489±2494
in den unteren Bewegungssegmen- nischen Wirbelsäulenwerten und der 11. Kampen LTB van (1993) Availability and
ten [27]. Stoûbeschleunigung abhängen, son- proper adjustment of head restraints in
dern mehr mit dem Sitz, insbesondere The Netherlands. In: International Confer-
Zusätzlich werden diese mechanischen der Lehnensteifigkeit zu tun haben. ence on the Biomechanics of Impacts, IRCOBI,
Befunde durch die bildgebenden Ver- Das Verständnis des Unfallmecha- Eindhoven 8.±10. Sept. 1993, pp 367±378
12. Kaneoka K, Ono K, Hayashi K (1997) Motion
fahren, CT, MRI und Kryomikrotomie nismus des Beschleunigungstraumas,
analysis of cervical vertebrae in low-im-
in unserer Studie unterstützt und doku- das sich aus unserer Untersuchung er- pact, rear-end collisions. American Academy
mentiert. gibt, wird, wie wir hoffen, die Auswer- Orthopaedic Surgeons (ed) Bd. Poster, 64th
Die Grenzen unserer Untersuchung tung und Deutung derzeit laufender Annual Meeting, San Francisco 13.±17. Febr.
liegen auf der Hand. Es ist eine In-vitro- und kommender biomechanischer und 13. Macnab I (1964) Acceleration injuries of the
Untersuchung, die die Muskulatur, wel- klinischer Studien verbessern. Bei kon- cervical spine. J Bone Joint Surg
che verschiedene Funktionen in vivo tinuierlichem Erkenntnisgewinn über 46: 1797±1799
hat, entfernt. Eine der wichtigsten das Phänomen des Beschleunigungs- 14. Macnab I (1966) Whiplash injuries of the
neck. Manitoba Med Rev: 172±174
Funktionen ist zuerst die stabilisierende traumas wird die Unfallprävention, die
klinische Diagnose und Behandlungs-
verfahren auf Dauer effektiver werden.
818 Der Orthopäde 12´98
7. 15. Macnab I (1982) Acceleration extension in- 21. Ono K, Kanno M (1993) Influences of the 30. Penning L (1992 b) Acceleration injury of the
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