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Paradoxie der weltgestaltenden Weltentsagung im
Buddhismus
Ein Zugang aus der Sicht der mimetischen Theorie R. Girards
•Forschungsseminar Christliche
Gesellschaftslehre: Ethik der
Schöpfungsverantwortung
•
Wintersemester 2008/2009
•Institut:Institut für Systematische
Theologie
•ao.Univ.Prof. Mag.Dr.
Guggenberger Wilhelm
• Univ.-Prof. Mag.Dr
. Palaver Wolfgang
•Ilkwaen Chung
Einleitung
• ein Versuch zur Vertiefung vom bisherigen Annäherungsversuch von
GirardsmimetischeTheorieund Buddhismus
• einekulturtheoretische Lektürevon den gegenseitigen
Abhängigkeiten der Mimesis, Differenz, Gewalt und Religion in der
Geneseund der Erhaltung der asiatischen bzw. buddhistischen
Kulturen und Zivilisationen
• EineLektüredesBuddhismusausder Sicht der mimetischen Theorie
gemäßden drei Grundpfeilern der mimetischen Theorie(1. das
mimetischeBegehren, 2. der Mechanismusder mimetischen
Versöhnung alsUrsprung der Kultur und 3. dasChristentum und die
paradoxaleEinheit allesReligiösen)
• Grundlagenforschung : Kein Frieden unter den Nationen ohne
Frieden unter den Religionen! - Kein Frieden unter den Religionen
ohneDialog zwischen den Religionen! - Kein Dialog zwischen den
Religionen und Kulturen ohne Grundlagenforschung! (Weltethos).
Einesozialanthropologische LektüredesBuddhismus
• Angelehnt an Dumontssozialanthropologisches
Verständnisvon der Paradoxieder Weltentsagung als
Anti-Strukturund ReservoirderKreativität wird die
paradoxeDialektik zwischen Weltordnung und
Weltentsagung im Licht der mimetischen Theorie
Girardsbzw. deskulturtheoretischen Verständnisses
von der paradoxen Ordnung desstrukturierend-
differenzierenden Mechanismusder mimetischen
Versöhnung dargestellt.
• DiemimetischeTheoriebesitzt diegroße
Beschreibungs- und Erklärungskraft für dasVerständnis
der Paradoxieder buddhistischen Zivilisationen mit
weltentsagenden Orientierungen (vgl. Eisenstadt 1984).
• Eisenstadt, Shmuel N. 1984. Die Parado xie vo n
Zivilisatio nen mit außerweltlichen Orientierungen.
Überlegungen zu Max Webers Studie über Hinduismus
und Buddhismus. In: Max WebersStudieüber
Hinduismusund Buddhismus. Interpretation und Kritik.
Hrsg. von Wolfgang Schluchter.Shurkamp Taschenbuch
Wissenschaft 473. 333-360.
Thesacrificial interpretation of world renunciation (Malamoud)
• Inspiriert durch diesakrifizielle Interpretation von derWeltentsagung (Malamoud
1996) und mittelsder Mytheninterpretation Girardsvertritt dieseArbeit den genetischen
Ansatz im Verständnisvon den hauptsächlich ursprünglichen und auch mythischen
Quellen der Weltentsagung (vgl. “Zur GenesedesBuddhismus”, Bronkhorst 2000b).
• DieGenesedesBuddhismusist “im kulturgeschichtlichen Kontext Indiens” ( rama aś ň -
Bewegung) zu verstehen.
• Malamoud, Charles. Cooking the World : Ritual and Thought in Ancient India.
• Mit dem genetischen Tiefenverständnisvom zivilisatorischen Transformierungsprozessist
diemoralistischeHerabwürdigung von den späteren positiven Entwicklungen und
Potentialen zu vermeiden.
• Im Unterschied zu den nihilistisch-pessimistischen Missverständnissen von der
buddhistischen Weltentsagung bzw. vom Nichtswird dieParadoxieder kreativ-
schöpferischen Weltentsagung kulturtheoretisch analysiert.
Weltentsagung alsReservoir der Kreativität
• Trotz desgenetischen Interessean der Erkenntnisder
ursprünglich bzw. mythologischen Quellen ist das
Versöhnungspotential und Friedenspotential des
Buddhismusin der Gegenwart (vgl. sozial engagierter
Buddhismus) keineswegszu verneinen, sondern im
Sinneder Paradoxieder weltgestaltenden Weltentsagung
zu bejahen und anzuerkennen
• Weltentsagung alsReservoir der Kreativität und ihr
Friedenspotential
• Insbesonderewird daspositivePotential der
buddhistischen Ethik und Weisheit der Entsagung,
Loslösung und Desinteressierung im Zeitalter der
mimetischen Kriseanerkannt (sieheFriedenspotential
desBuddhismusim Reich der Eifersucht).
• Aufgebaut auf Girardsmimetischer Lektüreder
indischen Mythologieund Brahmaňas(Girard 2003) und
auf der TheseHeestermansvon der Interiorisierung
des Opfers (1997a) wird diemimetische Lektüre von
der paradoxen Dialektik zwischen Weltordnung und
Weltentsagung versucht.
DieletztesymbolischeEinheit desOpfers
• DieGemeinsamkeiten und
Unterschiedezwischen den
Entsagungstraditionen der
Weltreligionen werden im Sinnevom
“Universaleausanthropologischer
Sicht” (Dumont 1991, 192) und von
der “letzten symbolischen Einheit des
Opfers,” diegesamtereligiöse
Geschichteder Menschheit
zusammenfasst,(Girard) dargestellt.
• Interiorisierung desOpfersbzw.
Opferfeuers
•
1.1.2. MimetischesBegehren und BuddhismusalsHeilslehre
• Der Buddhismusbesitzt einehoheSensibilität für dieProblematik desBegehrens(vgl.
Lefebure1996; 2002).
• DiesegroßeSensibilität für dasBegehren kann aber sozialanthropologisch
differenziert werden.
• DiebuddhistischeLehrevon der Begierdelosigkeit und “Ethik der Desinteressierung”
besitzt daspositiveLeistungspotential im modernen Reich der Eifersucht (vgl. Sloterdijk
2002).
• Aber trotz desspirituellen, mystischen und ethischen Potentialsder buddhistischen
Begierdelosigkeit kann dasdekontextualisierteVerständnisder Begierdelosigkeit
sozialanthropologisch nuanciert werden.
• Diebuddhistischen Texte“repräsentieren das Denken des Weltentsagers”. Die
Literatur desfrühen indischen Buddhismusspiegelt in erster Liniedie Werte des
Weltentsagers wieder. ManchefrühebuddhistischeSchriften spiegeln “Codesdes
asketischen Verhaltens” (Olivelle1992, 12).
DiebuddhistischeLehrevon der Begierdelosigkeit ist (sozial)anthropologischzu
explizieren.
• DiesozialanthropologischeLesart der weltentsagenden Dimension desBuddhismus
vermeidet dasnihilistischeoder pessimistischeMissverständnisdesBuddhismus. Die
buddhistischeLeereist nicht mit Nihilismusgleichzusetzen (Dalai Lama1989, 208).
• DieLeereim Buddhismuskann alsdiesozialanthropologisch spezifischeGrößedes
Weltentsagersnuancierter verstanden werden.
StillschweigendeVoraussetzungendes
buddhistischen Denken
• Unter dem Titel “StillschweigendeVoraussetzungen” (desbuddhistischen Denkens) hat Conzeden
grundsätzlich weltentsagenden bzw. yogischen Charakter desbuddhistischen Denkensfestgestellt (1988;
“yogische Philosophien”, ebd., 18)
• BuddhistischeDenker gehen, so Conze, “von einer Reihestillschweigender Voraussetzungen aus, dievon
modernen europäischen Philosophen ausdrücklich abgelehnt werden.” Dieersteist nahezu allem indischen
‘wissenschaftlichen’ Denken – im Gegensatz zum europäischen – gemeinsam.
• Nach Conzesieht siein den yoga-ErfahrungendasentscheidendeRohmaterial für philosophische
Betrachtung (ebd., 15).
• Manche buddhistische P li-Wörtertragen, so Conze, “yogische Bedeutung”:ā “Leider erweist sich
eineÜbertragung alsunmöglich, teilsdeswegen, weil manchePāli-Wörter yogischeBedeutung tragen,
während siein unseren Sprachen, diefür dieseDingekeinen Wortschatz besitzen, etwas ganz
Alltägliches bezeichnen”, so meint Conze(ebd., 105). DieBedeutung jener Begriffe, dieden “besonders
geheiligten Kern der Lehre” betreffen, erschließt sich nach Conze“nur im Zustand religiöser Entrückung”
(ebd., 32).
• DasbuddhistischeDenken wurdefür einen (weltentsagenden) sa ghaņ entwickelt (ebd., 32-33).
PhilosophischeArgumenteund Denkrichtungen stehen“lediglich mit den meditativen Praktiken der
Mönche” in Zusammenhang (ebd., 40).
• DieFormulierung ist offenbar alsMeditationshilfegedacht, nicht alsGrundlageirgendwelcher rationalen
Spekulationen (ebd., 46).
• Diebuddhistischen Begriffewerden in erster Liniemit “den Augen des yogin” gesehen: Eswird, so
Conze, alsunumstritteneTatsachehingestellt, welche“den Augen des yo gin” sichtbar wird, sobald er
“einen Zustand der Gnosis” erreicht hat, der esihm erlaubt, allem Bedingten gegenüber gleichmütig zu
bleiben (ebd., 74).
DieanthropologischeLektüreund dieyogische
Voraussetzung desbuddhistischen Denken
• Conze(ebd., 348) hat die(yogischen)
Motivehinter der M dhyamikaā -
Dialektik hervorgehoben:
• Zugegeben – einederartige
Philosophiehat dem gesunden
Menschenverstand wenig Tröstliches
zu bieten und mussden
Durschnittsmenschenin
atemberaubendeVerwirrung
stürzen...DieSchwierigkeit ergibt sich
daraus, dasssieihre Ideen nicht aus
den Interessen und Problemen des
Mannes von derStraße ableitet,
sondern ausden religiösen
Erwartungen desjenigen, den wir hier
desKontrasteswegen den »Mann im
Wald«nennen wollen.
Zwei Arten von Buddhismus
• In diesem Zusammenhang hat Conze
von “zwei Arten von Buddhismus”
gesprochen: Nach ihm hatteesvon
Anfang an “zwei Arten von
Buddhismus” gegeben.
• Dawar einmal der “Buddhismus der
Mönche”, dieüber dievier Wahrheiten,
drei Merkmale, “verkehrteSichtweisen”
und derartigeThemen “meditierten”
und “durch yogischeÜbungen nach
mystischer Einswerdung und
endgültiger Erlösung” trachteten.
• Und dagab esden “Buddhismus der
Laien und Könige”, dienach einer
günstigeren Wiedergeburt strebten. Die
Riten des“Buddhismusder Laien und
Könige” kreisten um dieReliquien des
tath gataā und um st paū -Verehrung
(Conze1988, 389).
Buddhismusals‘Heilslehre’ und ‘reineSoteriologie’
• Der BuddhismusalsHeilslehreund reineSoteriologiewar weniger interessiert an der
ordnungsgemäßen Bewahrung der Gesellschaft, alsvielmehr an der ‘Erlösung’
(mo k aş ).
• Der buddhistischeWeg erscheint als“Heilsweg für Weltentsager”, also für Mönche
und Nonnen. Diebuddhistischen Laienanhänger werden nicht explizit in dasSchema
eingeordnet (Schmithausen 2003, 85).
• Streng genommen wäreesschwierig, von einer ‘buddhistischen Gesellschaftsordnung’
zu sprechen. Der Buddhawolltenicht eineneueOrdnung für dieWelt und dieWelt
folgt ihren eigenen Gesetzen:
• “DieLehredesBuddhaist zwar eineLehrefür alleMenschen, aber sieist ihrer
ursprünglichen Zielsetzung nach keineLehrefür dieGestaltung desLebens in der
Welt, sondern eineLehrezur Erlösung, alszur Befreiung aus der Welt. Deshalb wollte
der Buddhanicht in dem SinneeineneueOrdnung für dieWelt geben, wieesetwa
Muhammad beabsichtigt hat. DieWelt folgt ihren eigenen Gesetzen”, so bemerkt
Bechert (1984b, 9-10).
• Der BuddhismusalsweltentsagendeHeilslehreoder reineSoteriologiehatte
ursprünglich wenig zu tun mit der gesellschaftlichen Ordnung.
• Aber paradoxerweisehatteder buddhistischeWeltentsager diekreativebzw.
gründende, differenzierendeund strukturierendeRollegespielt. DieParadoxie der
Weltordnung dank oderdurch die Weltentsagung kann mimetisch erhellt werden.
DieweltentsagendeHauslosigkeit
• DiebuddhistischeBegierdelosigkeit gehört ursprünglich zu
der (spezifischen) SachedesWeltentsagersin seiner
Hauslosigkeit.
• “Im Hausvaterleben desProduzierensund Reproduzierens
war dasBegehren nötig, in diesem Rahmen sogar
lobenswert.” Begehren gehörte zum gesellschaftlichen
Lebensplan und derWeltordnung. DasBegehren hielt
einen in der Welt, in der Gesellschaft, und garantiertesomit
den Fortbestand dieser Gesellschaft (Gombrich 1997, 55-6).
• Im Gegensatz zu dem Hausvaterleben kann der buddhistische
Weltentsager “wederproduzieren noch reproduzieren”,
denn für ihn ist BegierdeTod (ebd., 57).
• Der in Sri Lankageborener SozialanthropologeTambiah hat
den spezifisch weltentsagenden Hintergrund der
Begierdelosigkeit herausgestellt: Dasbuddhistische
Bhik usa ghaş ņ untersagteseinen Mitgliedern dieproduktive
landwirtschaftlicheTätigkeit, “jasogar dasKochen ihrer
eigenen Speisen”. DieArbeit alssolchegenosskeine
Wertschätzung, und dasbedeutetedievöllig materielle
Abhängigkeit der Bhik uş von den Hausbewohnern (Tambiah
1984a, 218-9).
Weltentsager alseineganz besondereArt von der Elite
• tiefesVerständnisvom “Dialog” zwischen dem hauslosen
Weltentsager und der dörflichen Welt desHausvaters(vgl.
Dumont 1976, 311-12)
• Der theravadisch-buddhistischeBhik uş will seinen
Mitmenschen keineBotschaft verkünden und hat nicht die
Absicht, direkt auf diesozialeOrdnung einzuwirken.
Dasselbegilt auch für den indischen Weltentsager (Silber
1981, 170; vgl. Eisenstadt 1984, 351).
• Andersalsin den monotheistischen Religionen hatteder
Weltentsager als“eineganz besondereArt von der Elite”
diekreativeRolleder paradoxen oder dialektischen
Positivität gespielt.
• In seinem Buch Wo rld Co nquero r and Wo rld Reno uncer
[1 ] hat Tambiah (1977) dieparadoxe oderdialektische
Verbundenheit von Weltentsagerund Welteroberer
herausgestellt.
• Deshalb ist diespezifisch buddhistischebzw.
weltentsagendeTugend nicht nihilistisch-weltflüchtig
misszuverstehen, sondern diekreativeRolleder paradoxen
Positivität kulturtheoretisch zu erkennen und
anzuerkennen
• [1] AStudy o f Buddhism and Po lity in Thailand against a
histo ricalBackgro und (CambridgeStudiesin Social
Anthropology 15).
Paradoxieder weltgestaltenden Weltentsagung
• DiemimetischeLektüre von der Paradoxie
der weltgestaltenden Weltentsagung
versucht, dieParadoxieund “Widerspruch”
in den “sehr spezifischen zivilisatorischen
Entwicklungen” auf außerweltlichen
bzw. weltentsagenden Prämissen und
Orientierungenkulturtheoretisch zu
erklären.
• DiemimetischeLektüre der Weltentsagung
interessiert sich primär für diegenetische
Erklärung der Mechanismen der
Weltordnung dank der Weltentsagung
sowiefür dieWeltzivilisation
“paradoxerweise auf derGrundlage
außerweltlicherOrientierungen”.
• Dieser paradoxe, jasogar widersprüchliche
Aspekt der Weltordnung aufgrund der
Weltentsagung kann ausder Sicht der
paradoxen Mechanismen der
Kulturbegründung in der TheorieGirards
analysiert werden.
Der nirvana-suchendeWeltentsager
• Girard vertritt nicht die“Entsagung desmimetischen Begehrensselbst”. Er hat im
BuddhismusdieGefahr der “totalen nirvanischen Entsagung” (reno ncement nirvanesque
to tal) gesehen.
• DietotalenirvanischeEntsagung im Buddhismusist aber weniger nihilistisch
misszuverstehen, alsvielmehr sozialanthropologisch im Sinneder nirvanischen Weltentsagung
des“nirvāňa-suchenden Entsagers” (Collins1982, 265) zu verstehen.
• Denn dasurbuddhistischeNirv aāň bezeichnet den “Zustand der höchsten
Selbstverwirklichung desTathāgata” (Dumoulin 1978, 57), d.h. den (weltentsagenden)
Endzustand desBuddha.
• Nirv aāň ist nicht nihilistisch misszuverstehen, sondern sozialanthropologisch alsdie
transzendentaleBeschreibung desEndzustandsdesWeltentsagerszu verstehen.
• DieGewaltlosigkeit (Ahi sņ ā) alsdasursprünglich Sondergebot für den Weltentsager lässt sich
im Kontext der Interiorisierung der Opfergewalt begreifen. Ahi sņ ā verkündet den Versuch, die
sakrifizielleGewalt zu interiorisieren und sich selbst zum Ort desOpferszu machen
• Ursprünglich war dieMeditation diespezifischeSachedesWeltentsagers: “Diebuddhistische
Meditation, dievon und für Entsager entwickelt wurde” (Gombrich 1997, 210).
DieparadoxeDialektik von Weltordnung und
Weltentsagung
• Mit der Feststellung des“komplementären
Charakters” zwischen Kastengesellschaft
(Weltordnung) und Weltentsagung hat Dumont
weiter gefragt: “Man kann sich sogar fragen, ob
dasKastensystem unabhängig vom im
Gegensatz zu ihm stehenden Weltverzicht hätte
existieren und dauern können” (Dumont 1976,
226).
• Interessant und wichtig ist diefolgende
Feststellung Dumonts: Hierarchie gipfelte in
ihrem Gegenpol, dem Weltentsager
(“Hierarchy culminated in itscontrary, the
renouncer!”).
• Dieskann alsein wertvoller Hinweisauf das
Verständnisder strukturierend-differenzierenden
Rolleder Weltentsagung (und des
Weltentsagers) für dieWeltordnung angesehen
werden. Paradoxerweisespielt die“Anti-
Struktur der Weltentsagung” dieRolleder
differenzierenden Strukturierung und Gründung.
• Dieser paradoxeMechanismuskann im Sinne
desGründungsmechanismusGirards(1983, 166)
erklärt werden. In der menschlichen Kultur
kommt dieOrdnung ausäußerster Unordnung
(ebd., 40).
1.2.3. Weltentsagung alsAnti-Struktur und Reservoir der Kreativität
• In den Vorstellungen wieWeltentsagung als“Sicherheitsventil” für die
brahmanischeOrdnung (Dumont 1976, 320), “dasenthalteneChaos” (Hardy 1994,
553; 526-553) und “Anti-Struktur der Weltentsagung” kann man Filter und
Umleitungen der mimetischen Konflikhaftigkeit für dieWeltordnung finden.
• Durch dieWeltentsagung kann ein Mensch “in den Augen der Gesellschaft tot sein,
dem engmaschigen Netz der Interdependenz entgehen,” und zwar in einem solchen
Maß, dass“er vom Leben der Gesellschaft schlechthin abgeschnitten wird” (Dumont
1976, 225).
• Dumont hat dieFragegestellt, ob dieseKomplementarität zwischen Kasten und
Weltentsagungslehrenicht biszu einem gewissen Grad dieKomplementarität von
Rein und Unrein ersetzt (ebd., 231). Dieser Frageist weiter nachzugehen. Nach
Shulman (1984, 139) gibt eszwischen dem Weltentsager und dem “Outcast” “in
mancher Hinsicht einefrappierendeÄhnlichkeit”.
Repräsentant festlicher Umkehrung der Werte
• Nach Dumont (1976, 320) ist der Weltentsager
“Repräsentant dieser Umkehrung der Werte” und
“Sicherheitsventil” für diebrahmanische
Ordnung:
• “Er, mit seiner Verleugnung der Welt, seiner
Askese, ist der Repräsentant dieser Umkehrung
der Werte, diewir unseigentlich vom Fest
erwarteten: Wenn man so will, hat die
brahmanischeOrdnung darin ihr
Sicherheitsventil gefunden, sieberücksichtigt
dasTranszendenteund schützt sich auf diese
Weisevor dessen Angriffen. Mit Hilfedieses
Kompromissesherrscht der Brahmane
seelenruhig über dieWelt, wieeineArt ein
wenig monotoner Immanenz”.
• DasFest selbst wird ersetzt durch die
spezialisierendeArbeitsteilung. Dassakrifizielle
Fest wird spezialisiert im Weltentsager als
Repräsentant der Umkehrung der Werte.
Weltentsagung alsReservoir der Kreativität
• Dumont hat dieWeltentsagung nicht nur als“Sicherheitsventil” (1980, 279), sondern
auch als“Reservoir der Kreativität” verstanden.
• Er hat den Weltentsager alseine“Triebkraft in der Entwicklung der indischen Religion
und Theorie” aufgefasst.
• Nach ihm entwickeltesich der Hinduismus, dieReligion der Kasteund des
Weltverzichts, indem er dieFrüchteausdem Gedankengut und der Mystik des
Weltentsagersintegrierte(in dasBrahmanentum) oder tolerierte(in den Sekten) (ebd.,
326-7).
• Nicht nur dieGründung und Erhaltung der Sekten, sondern auch diegroßen Ideen, die
‘Erfindungen’, gehen auf das“Konto desVerzichtenden”, der in gewisser Hinsicht das
Monopol darauf besaß, allesradikal in Fragezu stellen (ebd., 317).
• Nach ihm (1991, 35) war der Weltentsager verantwortlich für allereligiösen
Erneuerungen.
1.2.4. DharmadesWeltentsagers
• DasDharmader Weltentsagung besteht in der Negation des
Dharmader Gesellschaft. DieWeltentsagung ist nicht definiert
durch sein eigenesDharma, sondern durch dieNegation des
DharmadesLebensin der Welt.
• DasDharmadesWeltentsagersbesteht ausVerboten
(niv tti straŗ śā ) anstatt Geboten. Weltentsager ist eine
“Ausnahme”.
• DasnegativistischeDharmadesWeltentsagersscheint mit dem
“zivilen Tod desWeltentsagers” zu tun zu haben.
• Der Eintritt in den (weltentsagenden) Bodhisattva-Pfad ist
durch den Verzicht auf Hausund Familie“negativ
gekennzeichnet” (Dumoulin 1995, 186).
• Deshalb lässt sich die“negativistischePhilosophiedes
Buddhismus” (Winternitz 1968c, 431) und “Vorliebedes
Buddhismusfür dieNegation” (Dumoulin 1976, 131) vor
diesem sozialanthropologischen Hintergrund des
negativistischen Dharmader Weltentsagung erklären.
1.3.3. Kreuz und Bettelschale
• The Cro ss and the Begging Bo wl: Deco nstructing o f the
Co smo lo gy o f Vio lence (Fredericks1998).
• Der Bettelgang ist grundlegend wichtig, und ein Tag
desWeltentsagersscheint sich um seinen Bettelgang zu
drehen.
• DieGabean den Bhik uş wird gleichgesetzt mit dem
Pi asňđ (ReisbällealsOpfergabean den Toten).
• DasOpferfeuer brennt im Inneren desWeltentsagers
(Brekke1998, 304).
• So wurdedieNahrungsaufnahmedesAsketen zu den
obligatorischen morgendlichen und abendlichen
Feuerritualen erklärt (Michaels1998, 355; Olivelle
1992, 134).
• Der Spezialist desSakralen spieltedieRolleeiner Art
Opfergefäß(p traā ) und Opferfeuer.
• Durch den Bettelgang wird der buddhistische
Weltentsager “ein Dissolver” der kulturellen Kategorien
und “ein Brecher der Konventionen”
• Durch den Almosengang verletzt der Weltentsager das
Gesetz der Reinheit: “A renouncer eatsfood begged
from all castes, thusviolating thelawsof purity”
(Olivelle1992, 139
1.4.1. Christus und Bodhisattva
Die letzte symbolische Einheit des Opfers
• Im Buch The Christ and the
Bo dhisattva veröffentlichen Aufsatz
hat Thurman (1987, 84-5) über
Bodhisattvas“exzeptionelleErlaubnis,
diegrundlegenden Regeln der Moral in
besonderen Fällen von altruistischer
Motivation zu brechen,” geschrieben.
• Die(initiatorische) Transgression des
Bodhisattvaslässt sich weniger
moralistisch, alsvielmehr im Sinneder
“obligatorischen Transgression von
Tabus” seitensdesversöhnenden
Opfers(Fleming 2004, 58-9) deuten.
1.5.1. Interkulturelle Mimesis
1.5.2. Dekontextualisierung derMeditation
1.6. Mimesis, Fest, Umkehrung und Entdifferenzierung
1.6.1. Umkehrung und Entdifferenzierung in Weltentsagung und Tantras
• Umkehrung und Entdifferenzierung sind zwei wichtigeBegriffefür dieBezeichnung
der mimetischen Krisein der TheorieGirards.
• Dieser tantrisch-yogischeProzesskann alsein Entdifferenzierungsprozessaufgefasst
werden. DieyogischeAuflösung in den Hö chsten Yo ga-Tantras lässt sich alseine
Simulierung der mimetischen Kriseim yogischen Körper deuten.
• DieyogischeZusammenpressung der Kanälemit einer “gewaltsamen Methode” lässt
sich alseineArt von gewalttätiger Entdifferenzierung im SinneGirardserklären.
• Im Zugeder Interiorisierung desOpfersscheint dasHa tha-Yo gaţ alseine“gewaltsame
Vereinigung” diegewalttätigeEntdifferenzierung (l´ indifférenciatio n vio lente ) vor dem
opfersymbolischen Opfertod zu simulieren.
• DietransgressiveVereinigung zwischen hohen Kasten und niedrigen Prostituierten ist
entdifferenzierend und “gewalttätig”
Entdifferenzierung und Differenzsystem
• In dieser Arbeit wird dieEntdifferenzierung und Wertumkehrung
nicht im Rahmen der moralistischen Problematisierung, sondern in
Bezug auf dieGeneseder Ordnung und dieDifferenzierung mittels
der Mechanismen der mimetischen Versöhnung analysiert.
• DieentdifferenzierendeUmkehrung ist politisch und differenziell,
d.h. mit Rücksicht auf den strukturierenden
Gründungsmechanismus zu lesen. Dietantrische
Entdifferenzierung zielt auf dieneueDifferenzierung.
• Mit Davild Gordon Whiteund CharlesOrzech hat Urban in seinem
Buch Tantra. Sex, Secrecy, Po litics, and Po wer in the Study o f
Religio n (2003a) die“wichtigepolitischeRolledesTantrasalseine
fundamentaleIdeologie” für dasKönigtum und für dieköniglichen
Hierarchien in Tibet, Nepal, Chinaund Indiaherausgestellt.
• “Die politische Rolle des Tantra in der Staatsgründung und der
königlichen Macht” (ebd., 275) lässt sich im Licht des
differenzierenden Gründungsmechanismusinterpretieren (vgl. 6.1.
DassakraleKönigtum alsUrsprung politischer Macht, Palaver
2003).
2.1.1. Die mimetische Krise und dermeditativ-yogische
Prozess
• In seinem Aufsatz Die Interio risierung des Opfers und
der Aufstieg des Selbst (atman) hat Heesterman
(1997a) den Prozessder Interiorisierung festgestellt.
Der yogischeKörper wird mit dem “Opferplatz
(devayajanam)” identifiziert
• DiemimetischeKrisebzw. Furor im yogischen
Meditationsritual kann vor dem Hintergrund der
“Interiorisierung des Feuers” im Weltentsager als
ein “Opferplatz (devayajanam)” (Krick 1977, 107-8)
erklärt werden.
• Tapasvin (“‘hitzeerfüllte’ Asketen”, Meisig 2003, 72)
interiorisiert dasOpferfeuer und wird Opfer.
• Der Weltentsager ist Feuer: “Dader Asket selbst das
Feuer ist – tapas ist der gängigeAusdruck sowohl für
Hitzeund Feuer alsauch für Askese- , ist Nahrung die
Opfergabe, diedurch seineinnereHitzeverbrannt
wird”
2.1.4. Zwillingschaft (sahaja) und die
gewalttätigeEntdifferenzierung
• Der endgültigeZweck desYogawird wieder
buddhistische Sahaja-Samadhi beschrieben
(Gonda1963, 221).
• Yab-Yum im tibetischen tantrischen Buddhismus
– diemännlich-weiblicheVereinigung im Sinne
der “Zwillingseinheit” der Polaritäten (Keilhauer
1987, 131) ist ein Beispiel. Y malaā (“Zwillinge”
oder “Paare”) bezeichnet diesexuelleBeziehung
zwischen ivaŚ and aktiŚ
• Der Prozessdessam dhiā wird alsdie
“Umkehrung” (reversio n) beschrieben. Die
“graduelleEliminierung der Differenzierung”
durch dieYoginsist alseineArt technische
Reinszenierung der (krisenhaften)
Entdifferenzierung anzunehmen
ParadoxaleEinheit allesReligiösen
• 2.1.5. VerbaleWettkämpfeund diemimetischeKrise
• 2.1.6. DiemimetischeKriseund dieOpferdimension der
Initiation
• 2.1.7. Kōan alsein Gift gegen Gift: Einemimetische
Interpretation
• 2.1.8. EinemimetischeLektürevon Wild FuchsKōan
• 2.2.6. DasversöhnendeOpfer alstranszendentaler
Signifikant
• 2.2.7. Paradoxieder Einheit von
Weltentsager/Welteroberer
• 3. Buddhismuszwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit
• 3.2. Transformationskraft desOpfersund Bodhisattva-
Ethik
• 3.2.2. Transformationskraft desOpfersund der sozial
engagierteBuddhismus
• 3.2.3. Friedenspotential desBuddhismusim Reich der
Eifersucht
• Zusammenfassung: ParadoxaleEinheit allesReligiösen

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Paradoxieder weltentsagung

  • 1. Paradoxie der weltgestaltenden Weltentsagung im Buddhismus Ein Zugang aus der Sicht der mimetischen Theorie R. Girards •Forschungsseminar Christliche Gesellschaftslehre: Ethik der Schöpfungsverantwortung • Wintersemester 2008/2009 •Institut:Institut für Systematische Theologie •ao.Univ.Prof. Mag.Dr. Guggenberger Wilhelm • Univ.-Prof. Mag.Dr . Palaver Wolfgang •Ilkwaen Chung
  • 2. Einleitung • ein Versuch zur Vertiefung vom bisherigen Annäherungsversuch von GirardsmimetischeTheorieund Buddhismus • einekulturtheoretische Lektürevon den gegenseitigen Abhängigkeiten der Mimesis, Differenz, Gewalt und Religion in der Geneseund der Erhaltung der asiatischen bzw. buddhistischen Kulturen und Zivilisationen • EineLektüredesBuddhismusausder Sicht der mimetischen Theorie gemäßden drei Grundpfeilern der mimetischen Theorie(1. das mimetischeBegehren, 2. der Mechanismusder mimetischen Versöhnung alsUrsprung der Kultur und 3. dasChristentum und die paradoxaleEinheit allesReligiösen) • Grundlagenforschung : Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen! - Kein Frieden unter den Religionen ohneDialog zwischen den Religionen! - Kein Dialog zwischen den Religionen und Kulturen ohne Grundlagenforschung! (Weltethos).
  • 3. Einesozialanthropologische LektüredesBuddhismus • Angelehnt an Dumontssozialanthropologisches Verständnisvon der Paradoxieder Weltentsagung als Anti-Strukturund ReservoirderKreativität wird die paradoxeDialektik zwischen Weltordnung und Weltentsagung im Licht der mimetischen Theorie Girardsbzw. deskulturtheoretischen Verständnisses von der paradoxen Ordnung desstrukturierend- differenzierenden Mechanismusder mimetischen Versöhnung dargestellt. • DiemimetischeTheoriebesitzt diegroße Beschreibungs- und Erklärungskraft für dasVerständnis der Paradoxieder buddhistischen Zivilisationen mit weltentsagenden Orientierungen (vgl. Eisenstadt 1984). • Eisenstadt, Shmuel N. 1984. Die Parado xie vo n Zivilisatio nen mit außerweltlichen Orientierungen. Überlegungen zu Max Webers Studie über Hinduismus und Buddhismus. In: Max WebersStudieüber Hinduismusund Buddhismus. Interpretation und Kritik. Hrsg. von Wolfgang Schluchter.Shurkamp Taschenbuch Wissenschaft 473. 333-360.
  • 4. Thesacrificial interpretation of world renunciation (Malamoud) • Inspiriert durch diesakrifizielle Interpretation von derWeltentsagung (Malamoud 1996) und mittelsder Mytheninterpretation Girardsvertritt dieseArbeit den genetischen Ansatz im Verständnisvon den hauptsächlich ursprünglichen und auch mythischen Quellen der Weltentsagung (vgl. “Zur GenesedesBuddhismus”, Bronkhorst 2000b). • DieGenesedesBuddhismusist “im kulturgeschichtlichen Kontext Indiens” ( rama aś ň - Bewegung) zu verstehen. • Malamoud, Charles. Cooking the World : Ritual and Thought in Ancient India. • Mit dem genetischen Tiefenverständnisvom zivilisatorischen Transformierungsprozessist diemoralistischeHerabwürdigung von den späteren positiven Entwicklungen und Potentialen zu vermeiden. • Im Unterschied zu den nihilistisch-pessimistischen Missverständnissen von der buddhistischen Weltentsagung bzw. vom Nichtswird dieParadoxieder kreativ- schöpferischen Weltentsagung kulturtheoretisch analysiert.
  • 5. Weltentsagung alsReservoir der Kreativität • Trotz desgenetischen Interessean der Erkenntnisder ursprünglich bzw. mythologischen Quellen ist das Versöhnungspotential und Friedenspotential des Buddhismusin der Gegenwart (vgl. sozial engagierter Buddhismus) keineswegszu verneinen, sondern im Sinneder Paradoxieder weltgestaltenden Weltentsagung zu bejahen und anzuerkennen • Weltentsagung alsReservoir der Kreativität und ihr Friedenspotential • Insbesonderewird daspositivePotential der buddhistischen Ethik und Weisheit der Entsagung, Loslösung und Desinteressierung im Zeitalter der mimetischen Kriseanerkannt (sieheFriedenspotential desBuddhismusim Reich der Eifersucht). • Aufgebaut auf Girardsmimetischer Lektüreder indischen Mythologieund Brahmaňas(Girard 2003) und auf der TheseHeestermansvon der Interiorisierung des Opfers (1997a) wird diemimetische Lektüre von der paradoxen Dialektik zwischen Weltordnung und Weltentsagung versucht.
  • 6. DieletztesymbolischeEinheit desOpfers • DieGemeinsamkeiten und Unterschiedezwischen den Entsagungstraditionen der Weltreligionen werden im Sinnevom “Universaleausanthropologischer Sicht” (Dumont 1991, 192) und von der “letzten symbolischen Einheit des Opfers,” diegesamtereligiöse Geschichteder Menschheit zusammenfasst,(Girard) dargestellt. • Interiorisierung desOpfersbzw. Opferfeuers •
  • 7. 1.1.2. MimetischesBegehren und BuddhismusalsHeilslehre • Der Buddhismusbesitzt einehoheSensibilität für dieProblematik desBegehrens(vgl. Lefebure1996; 2002). • DiesegroßeSensibilität für dasBegehren kann aber sozialanthropologisch differenziert werden. • DiebuddhistischeLehrevon der Begierdelosigkeit und “Ethik der Desinteressierung” besitzt daspositiveLeistungspotential im modernen Reich der Eifersucht (vgl. Sloterdijk 2002). • Aber trotz desspirituellen, mystischen und ethischen Potentialsder buddhistischen Begierdelosigkeit kann dasdekontextualisierteVerständnisder Begierdelosigkeit sozialanthropologisch nuanciert werden. • Diebuddhistischen Texte“repräsentieren das Denken des Weltentsagers”. Die Literatur desfrühen indischen Buddhismusspiegelt in erster Liniedie Werte des Weltentsagers wieder. ManchefrühebuddhistischeSchriften spiegeln “Codesdes asketischen Verhaltens” (Olivelle1992, 12). DiebuddhistischeLehrevon der Begierdelosigkeit ist (sozial)anthropologischzu explizieren. • DiesozialanthropologischeLesart der weltentsagenden Dimension desBuddhismus vermeidet dasnihilistischeoder pessimistischeMissverständnisdesBuddhismus. Die buddhistischeLeereist nicht mit Nihilismusgleichzusetzen (Dalai Lama1989, 208). • DieLeereim Buddhismuskann alsdiesozialanthropologisch spezifischeGrößedes Weltentsagersnuancierter verstanden werden.
  • 8. StillschweigendeVoraussetzungendes buddhistischen Denken • Unter dem Titel “StillschweigendeVoraussetzungen” (desbuddhistischen Denkens) hat Conzeden grundsätzlich weltentsagenden bzw. yogischen Charakter desbuddhistischen Denkensfestgestellt (1988; “yogische Philosophien”, ebd., 18) • BuddhistischeDenker gehen, so Conze, “von einer Reihestillschweigender Voraussetzungen aus, dievon modernen europäischen Philosophen ausdrücklich abgelehnt werden.” Dieersteist nahezu allem indischen ‘wissenschaftlichen’ Denken – im Gegensatz zum europäischen – gemeinsam. • Nach Conzesieht siein den yoga-ErfahrungendasentscheidendeRohmaterial für philosophische Betrachtung (ebd., 15). • Manche buddhistische P li-Wörtertragen, so Conze, “yogische Bedeutung”:ā “Leider erweist sich eineÜbertragung alsunmöglich, teilsdeswegen, weil manchePāli-Wörter yogischeBedeutung tragen, während siein unseren Sprachen, diefür dieseDingekeinen Wortschatz besitzen, etwas ganz Alltägliches bezeichnen”, so meint Conze(ebd., 105). DieBedeutung jener Begriffe, dieden “besonders geheiligten Kern der Lehre” betreffen, erschließt sich nach Conze“nur im Zustand religiöser Entrückung” (ebd., 32). • DasbuddhistischeDenken wurdefür einen (weltentsagenden) sa ghaņ entwickelt (ebd., 32-33). PhilosophischeArgumenteund Denkrichtungen stehen“lediglich mit den meditativen Praktiken der Mönche” in Zusammenhang (ebd., 40). • DieFormulierung ist offenbar alsMeditationshilfegedacht, nicht alsGrundlageirgendwelcher rationalen Spekulationen (ebd., 46). • Diebuddhistischen Begriffewerden in erster Liniemit “den Augen des yogin” gesehen: Eswird, so Conze, alsunumstritteneTatsachehingestellt, welche“den Augen des yo gin” sichtbar wird, sobald er “einen Zustand der Gnosis” erreicht hat, der esihm erlaubt, allem Bedingten gegenüber gleichmütig zu bleiben (ebd., 74).
  • 9. DieanthropologischeLektüreund dieyogische Voraussetzung desbuddhistischen Denken • Conze(ebd., 348) hat die(yogischen) Motivehinter der M dhyamikaā - Dialektik hervorgehoben: • Zugegeben – einederartige Philosophiehat dem gesunden Menschenverstand wenig Tröstliches zu bieten und mussden Durschnittsmenschenin atemberaubendeVerwirrung stürzen...DieSchwierigkeit ergibt sich daraus, dasssieihre Ideen nicht aus den Interessen und Problemen des Mannes von derStraße ableitet, sondern ausden religiösen Erwartungen desjenigen, den wir hier desKontrasteswegen den »Mann im Wald«nennen wollen.
  • 10. Zwei Arten von Buddhismus • In diesem Zusammenhang hat Conze von “zwei Arten von Buddhismus” gesprochen: Nach ihm hatteesvon Anfang an “zwei Arten von Buddhismus” gegeben. • Dawar einmal der “Buddhismus der Mönche”, dieüber dievier Wahrheiten, drei Merkmale, “verkehrteSichtweisen” und derartigeThemen “meditierten” und “durch yogischeÜbungen nach mystischer Einswerdung und endgültiger Erlösung” trachteten. • Und dagab esden “Buddhismus der Laien und Könige”, dienach einer günstigeren Wiedergeburt strebten. Die Riten des“Buddhismusder Laien und Könige” kreisten um dieReliquien des tath gataā und um st paū -Verehrung (Conze1988, 389).
  • 11. Buddhismusals‘Heilslehre’ und ‘reineSoteriologie’ • Der BuddhismusalsHeilslehreund reineSoteriologiewar weniger interessiert an der ordnungsgemäßen Bewahrung der Gesellschaft, alsvielmehr an der ‘Erlösung’ (mo k aş ). • Der buddhistischeWeg erscheint als“Heilsweg für Weltentsager”, also für Mönche und Nonnen. Diebuddhistischen Laienanhänger werden nicht explizit in dasSchema eingeordnet (Schmithausen 2003, 85). • Streng genommen wäreesschwierig, von einer ‘buddhistischen Gesellschaftsordnung’ zu sprechen. Der Buddhawolltenicht eineneueOrdnung für dieWelt und dieWelt folgt ihren eigenen Gesetzen: • “DieLehredesBuddhaist zwar eineLehrefür alleMenschen, aber sieist ihrer ursprünglichen Zielsetzung nach keineLehrefür dieGestaltung desLebens in der Welt, sondern eineLehrezur Erlösung, alszur Befreiung aus der Welt. Deshalb wollte der Buddhanicht in dem SinneeineneueOrdnung für dieWelt geben, wieesetwa Muhammad beabsichtigt hat. DieWelt folgt ihren eigenen Gesetzen”, so bemerkt Bechert (1984b, 9-10). • Der BuddhismusalsweltentsagendeHeilslehreoder reineSoteriologiehatte ursprünglich wenig zu tun mit der gesellschaftlichen Ordnung. • Aber paradoxerweisehatteder buddhistischeWeltentsager diekreativebzw. gründende, differenzierendeund strukturierendeRollegespielt. DieParadoxie der Weltordnung dank oderdurch die Weltentsagung kann mimetisch erhellt werden.
  • 12. DieweltentsagendeHauslosigkeit • DiebuddhistischeBegierdelosigkeit gehört ursprünglich zu der (spezifischen) SachedesWeltentsagersin seiner Hauslosigkeit. • “Im Hausvaterleben desProduzierensund Reproduzierens war dasBegehren nötig, in diesem Rahmen sogar lobenswert.” Begehren gehörte zum gesellschaftlichen Lebensplan und derWeltordnung. DasBegehren hielt einen in der Welt, in der Gesellschaft, und garantiertesomit den Fortbestand dieser Gesellschaft (Gombrich 1997, 55-6). • Im Gegensatz zu dem Hausvaterleben kann der buddhistische Weltentsager “wederproduzieren noch reproduzieren”, denn für ihn ist BegierdeTod (ebd., 57). • Der in Sri Lankageborener SozialanthropologeTambiah hat den spezifisch weltentsagenden Hintergrund der Begierdelosigkeit herausgestellt: Dasbuddhistische Bhik usa ghaş ņ untersagteseinen Mitgliedern dieproduktive landwirtschaftlicheTätigkeit, “jasogar dasKochen ihrer eigenen Speisen”. DieArbeit alssolchegenosskeine Wertschätzung, und dasbedeutetedievöllig materielle Abhängigkeit der Bhik uş von den Hausbewohnern (Tambiah 1984a, 218-9).
  • 13. Weltentsager alseineganz besondereArt von der Elite • tiefesVerständnisvom “Dialog” zwischen dem hauslosen Weltentsager und der dörflichen Welt desHausvaters(vgl. Dumont 1976, 311-12) • Der theravadisch-buddhistischeBhik uş will seinen Mitmenschen keineBotschaft verkünden und hat nicht die Absicht, direkt auf diesozialeOrdnung einzuwirken. Dasselbegilt auch für den indischen Weltentsager (Silber 1981, 170; vgl. Eisenstadt 1984, 351). • Andersalsin den monotheistischen Religionen hatteder Weltentsager als“eineganz besondereArt von der Elite” diekreativeRolleder paradoxen oder dialektischen Positivität gespielt. • In seinem Buch Wo rld Co nquero r and Wo rld Reno uncer [1 ] hat Tambiah (1977) dieparadoxe oderdialektische Verbundenheit von Weltentsagerund Welteroberer herausgestellt. • Deshalb ist diespezifisch buddhistischebzw. weltentsagendeTugend nicht nihilistisch-weltflüchtig misszuverstehen, sondern diekreativeRolleder paradoxen Positivität kulturtheoretisch zu erkennen und anzuerkennen • [1] AStudy o f Buddhism and Po lity in Thailand against a histo ricalBackgro und (CambridgeStudiesin Social Anthropology 15).
  • 14. Paradoxieder weltgestaltenden Weltentsagung • DiemimetischeLektüre von der Paradoxie der weltgestaltenden Weltentsagung versucht, dieParadoxieund “Widerspruch” in den “sehr spezifischen zivilisatorischen Entwicklungen” auf außerweltlichen bzw. weltentsagenden Prämissen und Orientierungenkulturtheoretisch zu erklären. • DiemimetischeLektüre der Weltentsagung interessiert sich primär für diegenetische Erklärung der Mechanismen der Weltordnung dank der Weltentsagung sowiefür dieWeltzivilisation “paradoxerweise auf derGrundlage außerweltlicherOrientierungen”. • Dieser paradoxe, jasogar widersprüchliche Aspekt der Weltordnung aufgrund der Weltentsagung kann ausder Sicht der paradoxen Mechanismen der Kulturbegründung in der TheorieGirards analysiert werden.
  • 15. Der nirvana-suchendeWeltentsager • Girard vertritt nicht die“Entsagung desmimetischen Begehrensselbst”. Er hat im BuddhismusdieGefahr der “totalen nirvanischen Entsagung” (reno ncement nirvanesque to tal) gesehen. • DietotalenirvanischeEntsagung im Buddhismusist aber weniger nihilistisch misszuverstehen, alsvielmehr sozialanthropologisch im Sinneder nirvanischen Weltentsagung des“nirvāňa-suchenden Entsagers” (Collins1982, 265) zu verstehen. • Denn dasurbuddhistischeNirv aāň bezeichnet den “Zustand der höchsten Selbstverwirklichung desTathāgata” (Dumoulin 1978, 57), d.h. den (weltentsagenden) Endzustand desBuddha. • Nirv aāň ist nicht nihilistisch misszuverstehen, sondern sozialanthropologisch alsdie transzendentaleBeschreibung desEndzustandsdesWeltentsagerszu verstehen. • DieGewaltlosigkeit (Ahi sņ ā) alsdasursprünglich Sondergebot für den Weltentsager lässt sich im Kontext der Interiorisierung der Opfergewalt begreifen. Ahi sņ ā verkündet den Versuch, die sakrifizielleGewalt zu interiorisieren und sich selbst zum Ort desOpferszu machen • Ursprünglich war dieMeditation diespezifischeSachedesWeltentsagers: “Diebuddhistische Meditation, dievon und für Entsager entwickelt wurde” (Gombrich 1997, 210).
  • 16. DieparadoxeDialektik von Weltordnung und Weltentsagung • Mit der Feststellung des“komplementären Charakters” zwischen Kastengesellschaft (Weltordnung) und Weltentsagung hat Dumont weiter gefragt: “Man kann sich sogar fragen, ob dasKastensystem unabhängig vom im Gegensatz zu ihm stehenden Weltverzicht hätte existieren und dauern können” (Dumont 1976, 226). • Interessant und wichtig ist diefolgende Feststellung Dumonts: Hierarchie gipfelte in ihrem Gegenpol, dem Weltentsager (“Hierarchy culminated in itscontrary, the renouncer!”). • Dieskann alsein wertvoller Hinweisauf das Verständnisder strukturierend-differenzierenden Rolleder Weltentsagung (und des Weltentsagers) für dieWeltordnung angesehen werden. Paradoxerweisespielt die“Anti- Struktur der Weltentsagung” dieRolleder differenzierenden Strukturierung und Gründung. • Dieser paradoxeMechanismuskann im Sinne desGründungsmechanismusGirards(1983, 166) erklärt werden. In der menschlichen Kultur kommt dieOrdnung ausäußerster Unordnung (ebd., 40).
  • 17. 1.2.3. Weltentsagung alsAnti-Struktur und Reservoir der Kreativität • In den Vorstellungen wieWeltentsagung als“Sicherheitsventil” für die brahmanischeOrdnung (Dumont 1976, 320), “dasenthalteneChaos” (Hardy 1994, 553; 526-553) und “Anti-Struktur der Weltentsagung” kann man Filter und Umleitungen der mimetischen Konflikhaftigkeit für dieWeltordnung finden. • Durch dieWeltentsagung kann ein Mensch “in den Augen der Gesellschaft tot sein, dem engmaschigen Netz der Interdependenz entgehen,” und zwar in einem solchen Maß, dass“er vom Leben der Gesellschaft schlechthin abgeschnitten wird” (Dumont 1976, 225). • Dumont hat dieFragegestellt, ob dieseKomplementarität zwischen Kasten und Weltentsagungslehrenicht biszu einem gewissen Grad dieKomplementarität von Rein und Unrein ersetzt (ebd., 231). Dieser Frageist weiter nachzugehen. Nach Shulman (1984, 139) gibt eszwischen dem Weltentsager und dem “Outcast” “in mancher Hinsicht einefrappierendeÄhnlichkeit”.
  • 18. Repräsentant festlicher Umkehrung der Werte • Nach Dumont (1976, 320) ist der Weltentsager “Repräsentant dieser Umkehrung der Werte” und “Sicherheitsventil” für diebrahmanische Ordnung: • “Er, mit seiner Verleugnung der Welt, seiner Askese, ist der Repräsentant dieser Umkehrung der Werte, diewir unseigentlich vom Fest erwarteten: Wenn man so will, hat die brahmanischeOrdnung darin ihr Sicherheitsventil gefunden, sieberücksichtigt dasTranszendenteund schützt sich auf diese Weisevor dessen Angriffen. Mit Hilfedieses Kompromissesherrscht der Brahmane seelenruhig über dieWelt, wieeineArt ein wenig monotoner Immanenz”. • DasFest selbst wird ersetzt durch die spezialisierendeArbeitsteilung. Dassakrifizielle Fest wird spezialisiert im Weltentsager als Repräsentant der Umkehrung der Werte.
  • 19. Weltentsagung alsReservoir der Kreativität • Dumont hat dieWeltentsagung nicht nur als“Sicherheitsventil” (1980, 279), sondern auch als“Reservoir der Kreativität” verstanden. • Er hat den Weltentsager alseine“Triebkraft in der Entwicklung der indischen Religion und Theorie” aufgefasst. • Nach ihm entwickeltesich der Hinduismus, dieReligion der Kasteund des Weltverzichts, indem er dieFrüchteausdem Gedankengut und der Mystik des Weltentsagersintegrierte(in dasBrahmanentum) oder tolerierte(in den Sekten) (ebd., 326-7). • Nicht nur dieGründung und Erhaltung der Sekten, sondern auch diegroßen Ideen, die ‘Erfindungen’, gehen auf das“Konto desVerzichtenden”, der in gewisser Hinsicht das Monopol darauf besaß, allesradikal in Fragezu stellen (ebd., 317). • Nach ihm (1991, 35) war der Weltentsager verantwortlich für allereligiösen Erneuerungen.
  • 20. 1.2.4. DharmadesWeltentsagers • DasDharmader Weltentsagung besteht in der Negation des Dharmader Gesellschaft. DieWeltentsagung ist nicht definiert durch sein eigenesDharma, sondern durch dieNegation des DharmadesLebensin der Welt. • DasDharmadesWeltentsagersbesteht ausVerboten (niv tti straŗ śā ) anstatt Geboten. Weltentsager ist eine “Ausnahme”. • DasnegativistischeDharmadesWeltentsagersscheint mit dem “zivilen Tod desWeltentsagers” zu tun zu haben. • Der Eintritt in den (weltentsagenden) Bodhisattva-Pfad ist durch den Verzicht auf Hausund Familie“negativ gekennzeichnet” (Dumoulin 1995, 186). • Deshalb lässt sich die“negativistischePhilosophiedes Buddhismus” (Winternitz 1968c, 431) und “Vorliebedes Buddhismusfür dieNegation” (Dumoulin 1976, 131) vor diesem sozialanthropologischen Hintergrund des negativistischen Dharmader Weltentsagung erklären.
  • 21. 1.3.3. Kreuz und Bettelschale • The Cro ss and the Begging Bo wl: Deco nstructing o f the Co smo lo gy o f Vio lence (Fredericks1998). • Der Bettelgang ist grundlegend wichtig, und ein Tag desWeltentsagersscheint sich um seinen Bettelgang zu drehen. • DieGabean den Bhik uş wird gleichgesetzt mit dem Pi asňđ (ReisbällealsOpfergabean den Toten). • DasOpferfeuer brennt im Inneren desWeltentsagers (Brekke1998, 304). • So wurdedieNahrungsaufnahmedesAsketen zu den obligatorischen morgendlichen und abendlichen Feuerritualen erklärt (Michaels1998, 355; Olivelle 1992, 134). • Der Spezialist desSakralen spieltedieRolleeiner Art Opfergefäß(p traā ) und Opferfeuer. • Durch den Bettelgang wird der buddhistische Weltentsager “ein Dissolver” der kulturellen Kategorien und “ein Brecher der Konventionen” • Durch den Almosengang verletzt der Weltentsager das Gesetz der Reinheit: “A renouncer eatsfood begged from all castes, thusviolating thelawsof purity” (Olivelle1992, 139
  • 22. 1.4.1. Christus und Bodhisattva Die letzte symbolische Einheit des Opfers • Im Buch The Christ and the Bo dhisattva veröffentlichen Aufsatz hat Thurman (1987, 84-5) über Bodhisattvas“exzeptionelleErlaubnis, diegrundlegenden Regeln der Moral in besonderen Fällen von altruistischer Motivation zu brechen,” geschrieben. • Die(initiatorische) Transgression des Bodhisattvaslässt sich weniger moralistisch, alsvielmehr im Sinneder “obligatorischen Transgression von Tabus” seitensdesversöhnenden Opfers(Fleming 2004, 58-9) deuten.
  • 23. 1.5.1. Interkulturelle Mimesis 1.5.2. Dekontextualisierung derMeditation 1.6. Mimesis, Fest, Umkehrung und Entdifferenzierung 1.6.1. Umkehrung und Entdifferenzierung in Weltentsagung und Tantras • Umkehrung und Entdifferenzierung sind zwei wichtigeBegriffefür dieBezeichnung der mimetischen Krisein der TheorieGirards. • Dieser tantrisch-yogischeProzesskann alsein Entdifferenzierungsprozessaufgefasst werden. DieyogischeAuflösung in den Hö chsten Yo ga-Tantras lässt sich alseine Simulierung der mimetischen Kriseim yogischen Körper deuten. • DieyogischeZusammenpressung der Kanälemit einer “gewaltsamen Methode” lässt sich alseineArt von gewalttätiger Entdifferenzierung im SinneGirardserklären. • Im Zugeder Interiorisierung desOpfersscheint dasHa tha-Yo gaţ alseine“gewaltsame Vereinigung” diegewalttätigeEntdifferenzierung (l´ indifférenciatio n vio lente ) vor dem opfersymbolischen Opfertod zu simulieren. • DietransgressiveVereinigung zwischen hohen Kasten und niedrigen Prostituierten ist entdifferenzierend und “gewalttätig”
  • 24. Entdifferenzierung und Differenzsystem • In dieser Arbeit wird dieEntdifferenzierung und Wertumkehrung nicht im Rahmen der moralistischen Problematisierung, sondern in Bezug auf dieGeneseder Ordnung und dieDifferenzierung mittels der Mechanismen der mimetischen Versöhnung analysiert. • DieentdifferenzierendeUmkehrung ist politisch und differenziell, d.h. mit Rücksicht auf den strukturierenden Gründungsmechanismus zu lesen. Dietantrische Entdifferenzierung zielt auf dieneueDifferenzierung. • Mit Davild Gordon Whiteund CharlesOrzech hat Urban in seinem Buch Tantra. Sex, Secrecy, Po litics, and Po wer in the Study o f Religio n (2003a) die“wichtigepolitischeRolledesTantrasalseine fundamentaleIdeologie” für dasKönigtum und für dieköniglichen Hierarchien in Tibet, Nepal, Chinaund Indiaherausgestellt. • “Die politische Rolle des Tantra in der Staatsgründung und der königlichen Macht” (ebd., 275) lässt sich im Licht des differenzierenden Gründungsmechanismusinterpretieren (vgl. 6.1. DassakraleKönigtum alsUrsprung politischer Macht, Palaver 2003).
  • 25. 2.1.1. Die mimetische Krise und dermeditativ-yogische Prozess • In seinem Aufsatz Die Interio risierung des Opfers und der Aufstieg des Selbst (atman) hat Heesterman (1997a) den Prozessder Interiorisierung festgestellt. Der yogischeKörper wird mit dem “Opferplatz (devayajanam)” identifiziert • DiemimetischeKrisebzw. Furor im yogischen Meditationsritual kann vor dem Hintergrund der “Interiorisierung des Feuers” im Weltentsager als ein “Opferplatz (devayajanam)” (Krick 1977, 107-8) erklärt werden. • Tapasvin (“‘hitzeerfüllte’ Asketen”, Meisig 2003, 72) interiorisiert dasOpferfeuer und wird Opfer. • Der Weltentsager ist Feuer: “Dader Asket selbst das Feuer ist – tapas ist der gängigeAusdruck sowohl für Hitzeund Feuer alsauch für Askese- , ist Nahrung die Opfergabe, diedurch seineinnereHitzeverbrannt wird”
  • 26. 2.1.4. Zwillingschaft (sahaja) und die gewalttätigeEntdifferenzierung • Der endgültigeZweck desYogawird wieder buddhistische Sahaja-Samadhi beschrieben (Gonda1963, 221). • Yab-Yum im tibetischen tantrischen Buddhismus – diemännlich-weiblicheVereinigung im Sinne der “Zwillingseinheit” der Polaritäten (Keilhauer 1987, 131) ist ein Beispiel. Y malaā (“Zwillinge” oder “Paare”) bezeichnet diesexuelleBeziehung zwischen ivaŚ and aktiŚ • Der Prozessdessam dhiā wird alsdie “Umkehrung” (reversio n) beschrieben. Die “graduelleEliminierung der Differenzierung” durch dieYoginsist alseineArt technische Reinszenierung der (krisenhaften) Entdifferenzierung anzunehmen
  • 27. ParadoxaleEinheit allesReligiösen • 2.1.5. VerbaleWettkämpfeund diemimetischeKrise • 2.1.6. DiemimetischeKriseund dieOpferdimension der Initiation • 2.1.7. Kōan alsein Gift gegen Gift: Einemimetische Interpretation • 2.1.8. EinemimetischeLektürevon Wild FuchsKōan • 2.2.6. DasversöhnendeOpfer alstranszendentaler Signifikant • 2.2.7. Paradoxieder Einheit von Weltentsager/Welteroberer • 3. Buddhismuszwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit • 3.2. Transformationskraft desOpfersund Bodhisattva- Ethik • 3.2.2. Transformationskraft desOpfersund der sozial engagierteBuddhismus • 3.2.3. Friedenspotential desBuddhismusim Reich der Eifersucht • Zusammenfassung: ParadoxaleEinheit allesReligiösen