Paper 'mismatch and tension' for trainers in europe conference 2010 by w kidd
Folienvortrag koch
1. Johannes Koch
Vollständige Handlung
Was wird aus diesem Leitbild in der
Wissensgesellschaft?
Noch bevor das Modell der vollständigen Handlung in einem Modellversuch der Stahlwerke Salzgitter
zur Leittextmethode (1979 -82) als Lernmodell in der beruflichen Bildung eingesetzt worden ist, war
es bereits Leitbild für die Humanisierung des Arbeitslebens. Vollständige Handlungen beschrieben die
Anforderungen an Arbeitsplätze im Gegensatz zur „repetitiven Teilarbeit“.
In der beruflichen Bildung wurde die vollständige Handlung als Gegenkonzept gegen die damals
verbreitete „Vier-Stufen-Methode“ eingeführt. Für das Lernmodell wurde die bis heute übliche
Darstellung als Kreislauf gewählt.
Modell der vollständigen
Handlung
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
1
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
2. Als Leitbild für Facharbeit fand die vollständige Handlung Eingang in die berufliche Bildung über die
Neuordnung der Metall- und Elektroberufe (1987).
Leitbild in
Ausbildungsordnungen
Die Ausbildung soll zum selbständigen
Planen
Durchführen und
Kontrollieren
befähigen
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Wenn man das Modell der vollständigen Handlung heute bewerten will, dann muss man deshalb
zwei Bedeutungen unterscheiden:
Modell der vollständigen
Handlung
1. Individueller Lernprozess
2. Leitbild für Facharbeit
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
2
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
3. Als kognitives Lernmodell zur selbstständigen Erarbeitung von Fachkenntnissen, zum gedanklichen
Probehandeln und zur Kontrolle und Reflexion von Arbeitsergebnissen hat es auch heute noch seine
Berechtigung. Als Leitbild für Facharbeit (in der Industrie) ist es nicht mehr zeitgemäß.
Modell der vollständigen
Handlung
1. Individueller Lernprozess
2. Leitbild für Facharbeit
Als Leitbild für Facharbeit nicht mehr
tauglich
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Der Grund sind veränderte Arbeitsanforderungen.
Anfang der 80ziger war die industrielle Arbeitswelt noch überwiegend geprägt durch
Einzelarbeitsplätze.
Einzelfertigung
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
In großen Hallen standen viele gleiche Werkzeugmaschinen, an denen oft angelernte Arbeitskräfte
einzelne Werkstücke bearbeiteten. Die Arbeiten wurden durch einen Meister oder Vorarbeiter
angeleitet, koordiniert und kontrolliert.
3
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
4. Fachkräfte wurden vor allem für die Wartung und Instandhaltung der Maschinen und Anlagen
benötigt. Schematisch zeigt diese Arbeitsteilung die folgende Folie:
Automatisierung
Instandhalter
Meister
Werker
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Durch die Automatisierung wird diese Arbeitsorganisation verändert. Im Idealfall übernimmt eine
automatisierte Anlage die Produktion der Einzelmaschinen. Damit fallen alle entsprechenden
Arbeitsplätze weg. Übrig bleibt die Bedienung der Anlage. Wartung und Instandhaltung werden
zunehmend outgesourced, ein anderer Teil wird in die Bedienung integriert.
outgesourced
Arbeitsteam
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Auch die bisherige Funktion des Meisters wird nicht mehr benötigt. Dessen disponierende Aufgaben
werden von dem Team übernommen. Wegen der unterschiedlichen Aufgaben an der Anlage werden
Fachkräfte mit unterschiedlichen Kompetenzen im Team eingesetzt. Gemeinsam müssen die
Fachkräfte im Team die Produktivität sichern. Es zählt nicht mehr die individuelle Leistung, sondern
4
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
5. das Ergebnis insgesamt. Organisiert werden nicht mehr einzelne Funktionen, sondern der
Leistungsprozess.
Teamarbeit
Ein Team von Fachkräften mit
unterschiedlichen Kompetenzen
ist gemeinsam
für einen Leistungsprozess
verantwortlich
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Schematisch lässt sich die prozessorientierte Arbeitsorganisation mit dem folgenden Bild darstellen.
Ein Team von Fachkräften wird um einen Leistungsprozess herum organisiert.
Prozessorientierung
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Mit der Prozessorganisation werden neue Anforderungen an Fachkräfte gestellt, die im Leitbild der
vollständigen Handlung noch nicht enthalten waren.
5
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
6. Prozesskompetenz
Arbeiten in Prozessen erfordert
Kommunikation
und
Kooperation
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Die Prozessorganisation verlangt von den Fachkräften nicht nur neue Kompetenzen wie
Kommunikation und Kooperation, sie hat auch gravierende Auswirkungen auf die Entwicklung der
Kompetenzanforderungen für Fachkräfte generell.
Folgen für Kompetenzen
1. Kompetenzen werden durch den
Prozess bestimmt
2. Kompetenzen werden
entstandardisiert
3. Jede Fachkraft wird zum Experten
ihrer Kompetenzen
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Die neueren Ausbildungsordnungen versuchen den Anforderungen der Prozessorientierung zu
entsprechen. Leider oft nicht konsequent genug.
6
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
7. Zukunft
Facharbeit in der Wissensgesellschaft
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Die bisherigen Überlegungen sollten zeigen, dass die vollständige Handlung die Anforderungen an
Fachkräfte in einer prozessorientiert organisierten Arbeitswelt nicht mehr hinreichend beschreiben.
Dies ist der aktuelle Stand der Diskussion. Ein überzeugendes Leitbild fehlt allerdings bisher.
Umso schwerer lässt sich die hier gestellte Frage nach einem Leitbild für Facharbeit in der
Wissensgesellschaft beantworten. Der Begriff der Wissensgesellschaft wird selbst oft als Leitbild für
zukünftige Entwicklungen genutzt. Umso wichtiger ist es, sich darüber zu verständigen, was mit
Wissensgesellschaft gemeint ist.
Wissensgesellschaft?
Wissen wird zum wichtigsten
Produktionsfaktor
Helmut Willke
Systemisches Wissensmanagement
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Die folgenden Überlegungen gehen von den Ausführungen von Helmut Willke zum systemischen
Wissensmanagement aus. Auch der Begriff des Wissensmanagements muss interpretiert werden.
7
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
8. Wissensmanagement
ist die Fähigkeit von Unternehmen
und anderen Organisationen ihre
wertvollste Ressource optimal zu
nutzen
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Dass es in der Wissensgesellschaft nicht um Wissen, sondern um die Verwertung von Wissen geht,
macht die folgende Aussage von Willke deutlich:
Organisierte Wissensarbeit
nutzt den Prozess des Organisierens,
um Wissen zu einer Produktivkraft
zu entfalten
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
In der Wissensgesellschaft geht es deshalb nicht primär um individuelles Wissen, sondern um die
erfolgreiche Organisation von Wissensarbeit. Entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit von
Unternehmen wird damit sein, wie gut es ihnen gelingt, Wissensprozesse zu organisieren.
8
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
9. Schneller Wandel
Wettbewerbsentscheidend ist für
Unternehmen, wie schnell es ihnen
gelingt, Ergebnisse aus Forschung
und Entwicklung für ihre
Produktentwicklung und
Produktherstellung
zu nutzen
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Facharbeit war schon immer überwiegend wissensbasiert. Neu ist, dass dieses Wissen immer
schneller veraltet. Kennzeichnend für die Wissensgesellschaft ist deshalb, dass Wissen ständig als
Prozess des lebenslangen Lernens aktualisiert werden muss. Die Zukunft der Facharbeit wird vor
allem davon abhängen, auf welchem Weg die notwendige Aktualisierung des Wissens gelingt. Die
große Chance ist, dass Fachkräfte als Experten ihrer Arbeitstätigkeiten sich selbst notwendige
Informationen zur Aktualisierung ihres Wissens beschaffen. Eine relevante Quelle dafür ist das
Internet.
Wissensbasierte Facharbeit
WWW
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
9
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
10. Zur organisierten Wissensarbeit gehört jedoch mehr als nur das Sammeln von Informationen:
Wissen als Produktionsfaktor
Wissen
wird nur dann zu einem
Produktionsfaktor,
wenn es
Innovationen
bewirkt
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Entscheidend ist vor allem, wie erfolgreich neue Informationen für die Innovation von Arbeits- und
Leistungsprozessen genutzt werden.
Prozessinnovation
WWW
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
10
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
11. Prozessinnovationen können nicht von Fachkräften allein realisiert, sondern nur gemeinsam in
Prozessen der Organisationsentwicklung realisiert werden. Für Unternehmen wird es damit immer
wichtiger, die Wissensarbeit ihrer Beschäftigten wirkungsvoll zu unterstützen.
Wissen und
Organisationsentwicklung
Prozessinnovation
setzt die
Integration von Wissen
durch
Organisationsentwicklung
voraus
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Wissensmanagement und Organisationsentwicklung werden deshalb zu den entscheidenden
Kernkompetenzen von erfolgreichen Unternehmen gehören.
Ein Leitbild für Facharbeit in der Wissensgesellschaft könnte deshalb lauten:
Neues Leitbild
Wissensbasierte
prozessoptimierende
Facharbeit
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
11
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
12. Die betriebliche (duale) Ausbildung wird dann ihren Stellenwert gegenüber einer schulisch-
akademischen Ausbildung behaupten, wenn es mit ihr gelingt, zukünftige Fachkräfte auf diese Form
der organisierten Wissensarbeit vorzubereiten. Dies kann geschehen durch:
Folgerungen:
1. Lernen an Aufgaben im
Arbeitsprozess
2. Prozessoptimierung als
Ausbildungsinhalt
3. Lernen aus dem Internet als
Methode
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Für die Lernlandschaft in der Wissensgesellschaft wird das Internet eine Schlüsselstellung erhalten:
Perspektive
Mit dem Internet wird systematisches
Lernen in Arbeitsprozessen
möglich
Das Internet erlaubt die virtuelle
Kooperation von Lernorten
Mit dem Internet wird duales Lernen
zukunftsfähig
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Das Internet ist in seiner jetzigen Form jedoch als Lernmedium wenig effizient. Auszubildende
müssen schnell zuverlässige Informationen zur Bewältigung ihrer Arbeitsaufgaben finden können.
12
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
13. Voraussetzungen
Aufbereitung von Informationen für
die Aus- und Weiterbildung und
Bereitstellung über das Internet
Lernen aus dem Internet als
Bestandteil des dualen Systems
braucht eine geeignete
Infrastruktur
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
So wie Schulen und Hochschulen Informationen für Schüler und Studenten aufbereiten, ist auch die
Aufbereitung für das Lernen aus dem Internet für die berufliche Bildung sinnvoll. Diese Institutionen
werden hier als Kompetenzagenturen bezeichnet.
Infrastruktur
WWW
Kompetenzagentur
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Prinzipiell kann jede Bildungsinstitution, Berufsschule, Hochschule, Forschungsinstitut, freier
Bildungsträger oder Lehrmittelverlag, anstreben, die Rolle einer Kompetenzagentur zu übernehmen.
13
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
14. Das Internet schafft gute Rahmenbedingungen für den Wettbewerb der Informationsangebote.
Entscheidend wird die Frage sein, wie sich diese Wissensdienstleistungen finanzieren lassen.
Erste Ansätze
Beispiel für eine bereits vorhandene
Infrastruktur sind die
Kompetenzzentren
im Handwerk
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Das bereits vorhandene Netz der Kompetenzzentren, deren Entwicklung durch das Bundesinstitut für
Berufsbildung unterstützt wird, bietet die Möglichkeit, eine bundesweite Infrastruktur konzeptionell
und finanziell zu fördern. Es gibt erste Ansätze, Kompetenzzentren auch in anderen
Wirtschaftsbereichen (IHK) aufzubauen.
Aufgabe von Kompetenzzentren
Monitoring der technischen
Entwicklung
Identifikation relevanter Themen
Aufbereitung für die Aus- und
Weiterbildung
Konzeption BMBF 2001
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
14
Experten-Workshop IGM 29.09.2010
15. Eine netzgestützte Infrastruktur als unabdingbare Voraussetzung für die Wissensarbeit in der Aus-
und Weiterbildung von Fachkräften wird nicht ohne planmäßige Unterstützung entstehen, jedenfalls
nicht als integrierter Teil des dualen Systems. Wenn man das hier entworfene Leitbild für Facharbeit
in der Wissensgesellschaft bildungspolitisch will, wird es Zeit, dafür die richtigen Weichen zu stellen.
Ausblick
Mit einer gezielten
Weiterentwicklung des Konzepts
der Kompetenzzentren ließe sich die
notwendige Infrastruktur für die
duale Ausbildung in der
Wissensgesellschaft herstellen
FRIEDRICHSDORFER BÜRO FÜR BILDUNGSPLANUNG
Vielen Dank !
15
Experten-Workshop IGM 29.09.2010