Benclowitz: Die Kunst ist frei!? Teil I: Tendenzschutz im Betriebs- und Perso...
Benclowitz: Die Kunst ist frei!? Teil III: Wahrung des Tendenzschutzes in der Gesetzgebung des Bundes und der Länder
1. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
Die Kunst ist frei!?
Teil III: Wahrung des Tendenzschutzes in der Gesetzgebung des
Bundes und der Länder
Joachim Benclowitz
Seit 1986 Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt „Arbeitsrecht“; seit 1991 Ge-
schäftsführer und Syndikus des Landesverbandes Nord im Deutschen Bühnen-
verein mit Sitz in Hamburg; Dozent an der Hochschule für darstellende Kunst
und Musik, Hamburg
Inhalt Seite
D
4.3
1. Wahrung des Tendenzschutzes
S. 1
im Bundes-personalvertretungsrecht sowie in
den Personalvertretungsgesetzen der Länder 2
1.1 Allgemeines zu den Beteiligungsfällen des Personalrats
(§§ 75-81 BPersVG) 2
1.2 Besondere Regelungen in Personalvertretungsgesetzen
der Länder für kulturelle Einrichtungen
(§§ 95 Abs. 1 Abs. 2, 104 Satz 1 BPersVG) 8
In seinem dritten Beitrag zum Thema „Die Kunst ist frei!?“ beschäftigt sich
Joachim Benclowitz mit den Personalvertretungsgesetzen des Bundes und der
Länder im Hinblick auf den Tendenzschutz. Es geht vor allem um die Vorausset-
zungen für die Beteiligung des Personalrates bei bestimmten Maßnahmen sowie
um besondere Regelungen für kulturelle Einrichtungen auf Landesebene.
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2. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
1. Wahrung des Tendenzschutzes im Bundes-
personalvertretungsrecht sowie in den
Personalvertretungsgesetzen der Länder
Es ist zunächst festzustellen, dass das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPers-
VG) sowie die Personalvertretungsgesetze der Länder keine entsprechende Re-
gelung wie die des § 118 BetrVG aufweisen. Die Regelungsstrukturen der einzel-
nen Personalvertretungsgesetze der Länder sind sehr inhomogen. Das Bundesper-
sonalvertretungsgesetz postuliert für den Landesgesetzgeber insbesondere keine
rahmenrechtliche Verpflichtung, besondere Vorschriften für das künstlerische
Personal zu erlassen. Nach § 95 Abs. 1 BPersVG können die Länder lediglich für
Dienststellen, die bildenden, wissenschaftlichen oder künstlerischen Zwecken
dienen, eine besondere Regelung vorsehen. Verpflichtet sind sie hierzu jedoch
D nicht. Insbesondere die Frage, inwieweit sich die Kunstfreiheit auf die Beteili-
4.3 gungsrechte des Personalrats auswirkt, läßt im Hinblick auf die jeweils sehr un-
terschiedlich ausgestalteten Landespersonalvertretungsgesetze keine einheitliche
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Konzeption erkennen.
Im Bundespersonalvertretungsgesetz ist dem Personalrat in Personalangelegen-
heiten der Beamten, Angestellten und Arbeiter ein Mitbestimmungs- und Mitwir-
kungsrecht eingeräumt. Das im Bundespersonalvertretungsgesetz grundsätzlich
nicht berücksichtigte Tendenzprivileg findet seine Ausnahme in § 77 Abs. 1 Satz 1
BPersVG. Danach finden die §§ 75 Abs. 1 und 76 Abs. 2 BPersVG (personelle
Einzelmaßnahmen) nur dann Anwendung, wenn Beschäftigte, welche sich durch
überwiegend künstlerische Tätigkeit auszeichnen, dies beantragen. Erst wenn ein
solcher Antrag seitens des Beschäftigten erfolgt, sind die Beteiligungsrechte des
Personalrats in vollem Umfang auch bei Personalangelegenheiten zu beachten.
Es bedarf hier jedoch einer genaueren Betrachtung, wann die Voraussetzungen
des Antragsrechts bei Beschäftigten mit überwiegend künstlerischer Tätigkeit
(§ 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG) vorliegen.
1.1 Allgemeines zu den Beteiligungsfällen des Personalrats
(§§ 75-81 BPersVG)
Der dritte Abschnitt des Bundespersonalvertretungsgesetzes (§§ 75-81 BPersVG)
enthält den Katalog der Beteiligungsfälle. Er unterscheidet zwischen Mitwir-
kungsrechten, worunter Informations-, Anhörungs-, Beratungs- und Initiativrech-
te gefasst sind, sowie den im Verhältnis hierzu weitergehenden Mitbestimmungs-
rechten. Es handelt sich dabei jedenfalls nur dann um ein Mitwirkungs- und kein
Mitbestimmungsrecht, wenn die Einigungsstelle keine verbindliche Entscheidung
treffen kann.
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3. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
Hierbei ist für den künstlerischen Bereich von Relevanz, dass § 77 Abs. 1 Satz 1
BPersVG die Mitbestimmung in den Personalangelegenheiten der §§ 75 Abs. 1,
76 Abs. 1 BPersVG für einen Teil der Beschäftigten davon abhängig macht, dass
der Dienststellenleiter (z. B. ein Intendant) einen Antrag an den Personalrat rich-
tet und hierdurch das Beteiligungsverfahren einleitet.
Diese Regelung gilt für die überwiegend künstlerisch Beschäftigten, so dass man
in dem Antragsrecht in § 77 Abs. 1 S. 1 BPersVG eine Gewährleistung der
Kunstfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 3 GG erblicken kann. Diese Vorschrift
kann jedoch nicht mit der Tendenzschutzregelung in § 118 BetrVG verglichen
oder gar gleichgesetzt werden. Denn § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG stellt konkret
auf den einzelnen Betroffenen bzw. Beschäftigten ab, während das BetrVG mit
seiner Tendenzschutzklausel in § 118 BetrVG auf die Unternehmenstendenz
insgesamt abzielt. Es ist somit vom Gesetzgeber im Bundespersonalvertretungs-
gesetz vorgesehen, dass es in den Händen der jeweilig künstlerisch Beschäftigten D
liegt, ob sie ihre gem. Art. 5 Abs. 3 GG gleichfalls gewährleisteten Freiheitsrechte 4.3
durch eine personalvertretungsrechtliche Beteiligung eingeengt sehen wollen
S. 3
oder nicht. Unterläßt ein als überwiegend künstlerisch Beschäftigter eine Antrag-
stellung, so findet eine Beteiligung des Personalrats nicht statt.
Tendenzschutz im Bundespersonalvertretungsgesetz
überwiegend künstlerisch Beschäftigte
Antragsrecht
Stellung (+) Stellung (-)
Beteiligung des Personalrats (+) Beteiligung des Personalrats (-)
Abb. 1: Tendenzschutz im Bundespersonalvertretungsrecht
Problematisch ist indessen das Tatbestandsmerkmal des überwiegend künstle-
risch tätigen Beschäftigten im Sinne von § 77 Abs. 1 Abs. 1 BPersVG.
Hierzu werden unproblematisch vor allem festangestellte Musiker, Dirigenten,
Sänger sowie Regisseure bei den Rundfunkanstalten gezählt.
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4. D Arbeits- und Personalrecht
D4 Kollektives Arbeitsrecht
Als problematischer werden indessen Personengruppen mit teilweise technischen,
veranstaltungsmäßigen oder handwerklichen Anteilen, wie z. B. Maskenbildner
oder Technische Direktoren an Theatern angesehen. Wesentlich ist, dass die
künstlerische Tätigkeit den größten Teil der dienstlichen Aufgaben umfaßt, also
dem Aufgabenbereich ihr entscheidendes Gepräge gibt. Ausschlaggebend ist
hierbei nicht so sehr die Quantität, sondern auch die Qualität der Tätigkeit. Ist
also eine bestimmte Tätigkeit vorrangig auf die Ausführung von Verwaltungsauf-
gaben abgestellt und das künstlerische Element demgegenüber nur abgeschwächt
gegeben, ist ein überwiegend im Sinne des § 77 Abs. 1 Satz 1 BPersVG zu ver-
neinen. Treten jedoch die verwaltungsmäßigen, organisatorischen oder techni-
schen Aufgaben gegenüber dem künstlerischen zurück, so liegt ein Fall des § 77
Abs. 1 Satz 2 BPersVG vor.
Das bereits Gesagte soll an folgendem Beispiel nochmals verdeutlicht werden:
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4.3 Beispiel
Der Personalrat eines Theaters begehrt die Feststellung, dass es sich bei
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der Einstellung eines technischen Leiters um eine mitbestimmungspflichtige
Maßnahme handele. Die Dienststellenleitung demgegenüber vertritt die Ansicht,
dass ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nur in Betracht käme, wenn es
der Beschäftigte beantrage, da dieser als technischer Leiter im Sinne des hier zur
Anwendung kommenden Bühnentechniker-Tarifvertrages1 überwiegend künstle-
risch tätig sei. Das Bundesverwaltungsgericht2 vertritt hierzu zwar die Auffas-
sung, dass der Regelung des Bühnentechniker-Tarifvertrages über die Bewertung
der Tätigkeit des hiervon erfassten Personenkreises eine indizielle Bedeutung
zukomme. Andererseits ist das Bundesverwaltungsgericht vorliegend aber auch
der Meinung, dass der Bühnentechniker-Tarifvertrag nicht „unwiderleglich fest-
legt“, dass der in diesem Tarifvertrag aufgezählte Personenkreis, zu dem auch der
technische Leiter gehöre, überwiegend künstlerisch tätig sei. Es komme daher, so
das Bundesverwaltungsgericht, für eine Bewertung darauf an, ob der technische
Leiter einzelfallbezogen auch tatsächlich überwiegend künstlerisch tätig ist. Als
entscheidend sah hier das Bundesverwaltungsgericht an, dass der technische
Leiter im Einzelfall auf die künstlerische Wiedergabe eines Theaterstücks Ein-
fluss nimmt.
Für die Praxis ist deshalb die Feststellung wichtig, dass diese Frage stets einer
genauen Einzelprüfung bedarf und eine pauschale Aussage darüber, welcher
Beschäftigte ein überwiegend künstlerisches Gepräge hat, nicht möglich ist.
Zu untersuchen ist insbesondere, ob der organisatorische und technische Bereich
überwiegend oder ob in dem auf eigener schöpferischer Leistung beruhenden
Einsatz technischer Mittel eine die Interpretation des Stückes beeinflussende
künstlerische Mitgestaltung liegt.
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