Prof. Dr. Andreas Kagermeier
Freizeit- und Tourismusgeographie, Universität Trier
Fachsitzung: Herausforderung Verkehrswende: Entwicklungspfade für nachhaltigeren touristischen Verkehr und Freizeitverkehr (VE-FS-40)
Deutscher Kongress für Geographie, Berlin 1. bis 6. Oktober 2015
In vielen ländlichen Destinationen sind in den letzten Jahren freizeittouristische Verkehrsangebote unterschiedlichster Art installiert worden. Allerdings erfahren diese in vielen Fällen nur eine begrenzte Nachfrage, so dass sie oftmals auch wieder nach kurzer Zeit eingestellt werden. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Beitrag mit den grundsätzlichen Aspekten der Rahmenbedingungen von freizeittouristischen Verkehren im ländlichen Raum auseinander.
Als Ursache für die oftmals nur partiellen Erfolge bzw. eine suboptimale Nachfrage nach freizeittouristischen Mobilitätsangebote wird die Tatsache angesehen, dass viele Angebote ohne oder nur auf der Basis von rudimentären Machbarkeitsanalysen gestartet werden. Abgesehen von den prinzipiellen Gegebenheiten für Mobilitätsangebote im ländlichen Raum weist die freizeittouristische Nachfrage einige grundsätzliche Spezifika auf, die bei der Konzeption zu berücksichtigen sind.
Darüber hinaus berühren freizeittouristische Mobilitätsangebote auch auf der Angebotsseite eine Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren. Isolierte bzw. suboptimal bei den relevanten Akteursgruppen verankerte Aktivitäten sind ein weiterer Faktorenkomplex, der mit zu der insuffizienten Nachfrage beiträgt. Neben den nachfrageseitigen Rahmenbedingungen kommt damit organisationalen Aspekten und auch der Frage der Finanzierung eine wichtige Bedeutung zu.
Am Beispiel von zwei Good Practise Beispielen wird veranschaulicht, dass eine Berücksichtigung der relevanten Rahmenbedingungen durchaus dazu führen kann, langfristig ökonomisch tragfähige Lösungen für touristische Freizeitverkehre im ländlichen Raum zu implementieren.
The Overtourism phenomenon: explorations on the iceberg below the water surface
Schlüsselfaktoren und Voraussetzungen für erfolgreiche Freizeitverkehrsangebote im ländlichen Raum
1. Schlüsselfaktoren und Voraussetzungen für
erfolgreiche Freizeitverkehrsangebote im
ländlichen Raum
Prof. Dr. Andreas Kagermeier
Freizeit- und Tourismusgeographie, Universität Trier
Fachsitzung: Herausforderung Verkehrswende: Entwicklungspfade für
nachhaltigeren touristischen Verkehr und Freizeitverkehr (VE-FS-40)
Deutscher Kongress für Geographie, Berlin 1. bis 6. Oktober 2015
Guiver & Lumsdon TTRA 2009
2. Guiver & Lumsdon TTRA 2009
Ausgangssituation
Hohe MIV-Affinität im Freizeit- und Urlaubsverkehr
Verkehrsmittelwahl stärker emotional / hedonistisch
Volatile Nachfrage (räumlich und zeitliche Konzentration)
Schwieriger Markt: Grundvoraussetzung Angebotsqualität
Nicht nur Choice Rider sondern auch Choice Visitor
Lage der Destinationen nicht veränderbar und oft abseits
der Haupterschließungsachsen
3. Was erwartet Sie ?
Freizeitverkehre (im ländlichen Raum)
1. Rahmenbedingungen auf Nachfrageseite
2. Organisationale und strukturelle Aspekte der
Angebotsseite
3. Lösungsoptionen (angebotsseitige Gestaltung)
• Synergieoptionen mit Alltagsverkehr
• Finanzierung
Rahmenbedingungen auf Nachfrageseite
1) Zielgruppenorientierung
2) Berücksichtigung Einzugsbereiche
3) Nutzungsfrequenz
4) Awareness Generierung im Marketing
4. Spaß- und Funktionsorientierung bei
Verkehrsmittelwahl in der Freizeit
0.25 10.75
1
0.5
0.5
0.75
0.25
0
Bedeutung Funktion
Spaß
Preissensible
BequemeSportlich
Umweltbewusste
Vielseitige
Familienmenschen
Ruhige Genießer
Spaßorientierte
Autofreunde
Außenorientierte
Sportler
Eilige Individualisten
BedeutungSpass
Quelle: Gronau 2005
Modal Split für ausgewählte Mobilitätsstilgruppen
im Zoo Hellabrunn
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Sportliche
Umweltbewußte
Vielseitige
Familiemenschen
Spaßorientierte
Autofreunde
öffentl. Verkehr privater PKW
Quelle: Kagermeier & Gronau 2008, S. 225
5. Rolle Einzugsgebiet
Dinosaurierpark
Freilichtmuseum Detmold
Museum Mensch&Natur
Zoo Hellabrunn
0% 20% 40% 60% 80% 100%
in Prozent
MIV ÖPNV
Quelle: Kagermeier & Gronau 2008, S. 226
Einzugsgebiet
Ländlicher
Raum
Einzugsgebiet
Metropolregion
Anlaufzeit
Jahr 1 Jahr 2 Jahr 3 Jahr 4
0%
20%
40%
60%
80%
100% Frankenwald-mobil
Vulkan-Express
Quelle: Kagermeier & Gronau 2008, S. 228
8. Source: Metten 2008
Source: Metten 2008
Sauerland Card incl. / 3 € pro P. / max. 9 € pro Taxi
Kostenunterdeckung 8.000 € => 75 € pro Fahrgast
9. Organisationale und strukturelle Aspekte der Angebotsseite
Alltagsverkehr
Planung Politik
(Aufgabenträger)
Verkehrs-
dienstleister
ANGEBOT
Kunde
(Beförderungs-
entgelt)
Beauftragt Bestellt
Ko-Finanzierung
POLITIK / GESELLSCHAFT
Reduzierung von negativen Impacts (Schäden, Emissionen)
Klimawandel
ÖPNV - Verkehrsunternehmen
Steigerung der Auslastung / Generierung zus. Einnahmen
NATURRAUM-MANAGEMENT
Vermeidung von kapazitären Überlastphänomenen
Reduzierung von negativen Impacts (Schäden, Emissionen)
TOURISMUS
DMO: Steigerung der touristischen Attraktivität einer Destination
LT: Steigerung der touristischen Nachfrage
Angebotsseitige Ziel für für Angebot von
Freizeitverkehren
10. Organisationale und strukturelle Aspekte der Angebotsseite
Freizeitverkehr
Tour. LT
Politik
(keine Aufgabe der
Daseinsvorsorge)
Verkehrs-
dienstleister
ANGEBOT
Kunde
(Beförderungs-
entgelt???)
Wünsche
Finanzierung???
DMOs
Natur-MO
Die „Gretchenfrage“:
Auslastung
bzw.
Finanzierung
(Kosten vs. Erträge)
11. Synergien durch Zielgruppenkombination
Alltags-Freizeit-Verkehr ?
Das Beispiel Freizeitlinie Kreis Lippe
Teutoburger Wald = klassische Urlaubsregion im LR
zahlreiche touristische Sehenswürdigkeiten im Kreis Lippe
geringes ÖPNV-Angebot im Regelverkehr am Wochenende
schlechte Erreichbarkeit der Sehenswürdigkeiten mit dem ÖPNV
Touristiklinie 792
Touristiklinie im Kreis Lippe
www.kvg-lippe.de
12. Touristiklinie Lippe: Fahrtzweck
50.2%49.8%
Besuch von Sehenswürdigkeiten
anderer Fahrtzweck
Quelle: eigene Erhebung (BMBF-Projekt Imago)
Touristiklinie Lippe: Führerscheinbesitz
40
62
60
38
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Besuch von
Sehenswürdigkeiten
anderer Fahrtzweck
nein ja
Quelle: eigene Erhebung (BMBF-Projekt Imago)
13. 52 22 9 10
7 13 53 27
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Fahrradmitnahme
keine
Fahrradmitnahme
(fast) täglich mehrmals pro Woche
einmal in der Woche 1-3mal im Monat
seltener nie
ÖPNV-Nutzung
Fahrradbusse in den Kreisen Paderborn und Höxter
Quelle: eigene Erhebung (BMBF-Projekt Imago)
KONUS
www.schwarzwald-tourismus.info
Seit 2005:
Für Übernachtungsgäste im Schwarzwald:
ÖPNV-Nutzung ohne weitere Kosten in
Tourismusabgabe inkludiert.
0,36 € pro Übernachtung => ca. 3,8 Mio. €
16. Zusammenfassung
Beachtung der nachfrageseitigen Gegebenheiten
Ausloten von Optimierungsoptionen durch Synergien mit
Alltagsverkehr
Kooperation der Beteiligten aus Mobilitätsmarkt,
Tourismus und Politik
Langwieriger Prozess des „Aufeinander Zugehens“ und
Entwicklung von Verständnis für Rationalitäten der
beteiligten Akteursgruppen
Herausforderung Freizeitverkehr
Ich danke für Ihre
Aufmerksamkeit …