SlideShare uma empresa Scribd logo
1 de 4
Baixar para ler offline
Paten für Kinder in Esmeraldas/San Lorenzo e.V.
Mönchstr. 43, 33790 Halle IBAN: DE97 4805 1580 0000 0396 85
Tel.: 05201-9892 Swift-BIC: WELADED1HAW
e-mail: Paten-fuer-Kinder@web.de GläubigerIdent.-Nr.:
DE33ZZZ00000073580
Links:
https://www.slideshare.net/EcoClub-San-Lorenzo http://vimeo.com/86573541
www.facebook.com/EcoClub.SanLorenzo https://www.bildungsspender.de/ecoclub
II – 2018
Positive Nachrichten wollten wir im zweiten Rundbrief bringen.
Ohne die Fakten zu verändern, gelingt das nur in Maßen, denn leider wurde auch das junge Paar,
das auf dem Weg nach San Lorenzo entführt wurde, ermordet. Tatverdächtig ist die gleiche bewaff-
nete Gruppe um den Ecuadorianer Walter Patricio Arizala Vernaza, die auch die Journalisten ent-
führt und getötet hatte.
Selbst die Bemühungen, zumindest die Leichen der Entführten zu bergen, haben viel Zeit in An-
spruch genommen, weil das Gebiet um den Fundort stark vermint sei, so Kolumbiens Verteidi-
gungsminister Luis Carlos Villegas.
Nicht einfacher wird die Situation vermutlich nach der Präsidentschaftswahl in Kolumbien. Ivan Du-
que hatte bereits vor seinem Amtsantritt deutlich gemacht, dass die Farc-Rebellen in dem Abkom-
men nach seiner Auffassung zu milde davongekommen sind. Zugleich kündigte er einen härteren
Kurs in Gesprächen mit der letzten noch aktiven Guerillaorganisation des Landes, dem Nationalen
Befreiungsheer (ELN), an. Wenn damit die linken Guerilleros wieder in den Untergrund getrieben
werden und die dunkle Geschichte der rechten Paramilitärs, u.a. mit Auftragsmorden für Kopfgeld,
nicht aufgearbeitet wird, verliert das mit dem Nobelpreis geehrte Friedensabkommen an Bedeutung.
In San Lorenzo wurde der Ausnahmezustand inzwischen nicht mehr verlängert und es gibt keine
Ausgangssperren und Versammlungsverbote mehr. In drei anderen ecuadorianischen Provinzen
wurde Anfang August jedoch der Ausnahmezustand verhängt, um die seit Kurzem aus Venezuela
kommenden Flüchtlingsströme mit mehr als 4.200 Menschen täglich zu registrieren, in Empfang zu
nehmen und zu betreuen.
Dennoch setzt auch in schwierigsten Lagen ein gewisser Alltag wieder ein und so startete auch der
EcoClub bereits Anfang Mai wieder.
Zusammen mit den Eltern und Kindern wurde in einer Minga wieder die alljährliche Grundreinigung
durchgeführt. Die drei Bäume, die schon im letzten Herbst sehr schlecht aussahen und ihre Blätter
verloren, wurden bei dieser Gelegenheit gefällt, da sie sich leider nicht mehr erholt haben. Sehen
wir es positiv: in den Tropen wächst ein Baum in wenigen Jahren - hier unvorstellbar - auf viele Me-
ter Höhe.
Tische und Bänke werden abgeschrubbt die Stämme werden weggetragen das Geschirr für die Mittagsmahlzeiten wird gespült
Nachdem zunächst abgewartet und mit den Familien gesprochen wurde, wer in diesem Jahr weiter
am EcoClub teilnimmt, kristallisierte sich im Verlauf der folgenden Wochen heraus, dass einige der
eher älteren Jugendlichen ausscheiden.
Das hat zum Teil ganz verschiedene und persönliche Gründe, aber diese Tendenz kommt auch
nicht komplett überraschend. Es war tatsächlich auch schon letztes Jahr zu erkennen, dass unsere
zwei Betreuerinnen es mit den über 13 jährigen nicht so leicht haben. Sie lassen sich nicht mehr so
einfach in die Spiele einbeziehen, brauchen eine andere Ansprache als die Kleinen, ganz ähnlich
den Erfahrungen mit Heranwachsenden hierzulande.
Das hat Sofia und Veronica zu zweit mit gut 20 Teilnehmern manchmal an ihre Grenzen gebracht,
so dass es jetzt einen Wechsel in der Altersstruktur gibt und viele neue jüngere Kinder nachgerückt
sind.
Das ist dennoch gar nicht dramatisch, denn ab September – und das sind wirklich überaus positive
Neuigkeiten! – gehen wir mit zwei zusätzlichen Angeboten an den Start, die im Rahmen des
EcoClub stattfinden, aber darüber hinaus für weitere Teilnehmer und Zeiten offen sind.
Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, als wir im Mai doch noch vom Bischof in Esmeral-
das die nach den Regularien des Kindermissionswerks erforderliche Unterschrift zum bereits 2017
beantragten Musikprojekt bekamen mit dem zugegebenermaßen etwas sperrigen Titel: Eine friedli-
che Gesellschaft durch die Stärkung und Weitergabe des afro-musikalischen Kulturerbes und der
Tradition des Erzählens in der Grenzstadt San Lorenzo, Esmeraldas, Ecuador.
Musik, Tanz und Erzählkunst – das ist ein Ventil für Emotionen und südamerikanische Lebensfreu-
de allen widrigen Umständen des Alltags zum Trotz. Unter den verschiedenen Musikrichtungen, die
man in San Lorenzo hören kann, nimmt die aus Afrika stammende Marimba einen ganz besonderen
Stellenwert ein. Das kann man noch besser verstehen vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der
Bevölkerung in San Lorenzo sich selbst als Afro-Ecuadorianer bzw. Farbige bezeichnet. Marimba
Esmeraldeña ist seit Dezember 2015 von der UNESCO als immaterielles Erbe der Menschheit an-
erkannt, ein Tribut an die große musikalische und religiöse Bedeutung seit dem siebzehnten Jahr-
hundert, die sich in Gesängen und Tänzen verewigt hat.
Henrry Navarrete Chilán sagt über die Marimba (Instrument): „Als Ecuadorianer, die unsere Kultur
und unser kulturelles Erbe lieben, ist es unsere Mission, nicht nur das Instrument, sondern auch das
gesamte Wissen und das alte Wissen, das sie umgibt, zu schützen.“
Wir freuen uns, dass der EcoClub dabei mitwirken kann und schon am ersten September die Eröff-
nung gefeiert hat, bei der verschiedene Künstler die drei Sparten Musik, Tanz und Erzählkunst prä-
sentiert haben.
Marimba bei der Einweihungsfeier 2011 und bei der Jubiläumsfeier 2017 Einladung zum 01.09.2018
Geplant ist jetzt ab dem dritten September Unterricht auf den Musikinstrumenten, die zu Beginn
angeschafft werden:
- Natürlich die Marimba selbst, die manchmal als Klavier des Dschungels bezeichnet wird und
dem Xylophon ähnlich sieht. Sie besteht aus Bambusrohr und edlen Hölzern, oft Lorbeer
und Zeder
- Bombo und Cununo, Trommeln mit prähistorischen Wurzeln. Sie bestehen aus mehreren
Blasen oder Membranen von Tieren meist Schafen oder Ziegen, die auf einen hohlen Holz-
sockel mit Riemen befestigt und gespannt wurden.
- Guasá ist eine längliche Rassel, ein Perkussioninstrument mit versiegelten Enden und Sa-
menkörnern im Inneren, die Vibration und Resonanz im Rahmen erzeugen.
Zwei Tanzlehrerinnen üben vier Stunden pro Woche Schritt für Schritt die traditionellen Tänze mit
den Teilnehmenden.
Außerdem geben Erzähler und Erzählerinnen Techniken und Strategien der mündlichen Überliefe-
rung von Fabeln und Legenden weiter, lassen aber auch Improvisation und Verarbeitung aktueller
Ereignisse in dieser Form ausprobieren.
Samstags ergänzt eine Werkstatt das Angebot, in der die klassischen Marimba Instrumente selbst
gebaut werden können.
Nach Jahrhunderten der Unterdrückung der Afro-Kultur soll die Stärkung gerade dieser Tradition zu
Identität, Selbsterkenntnis und Selbstbewusstsein verhelfen, die Diskussion über unterschiedliche
Herkunft und Bräuche anregen und zu mehr Toleranz unter den verschiedenen Bevölkerungsgrup-
pen führen. Gerade Musik, Tanz und Sprache sind dazu hervorragend geeignet.
Nicht weniger erfreulich ist es, dass wir durch Sonderspenden nun die langersehnte Unterstützung
einer Psychologin und einer Therapeutin nach San Lorenzo bekommen können. Malena Velez
Quintero ist Psychotherapeutin mit Fortbildungen unter anderem in den Bereichen Gestalttherapie,
Yoga, kreativem und künstlerischem Gestalten. Diana Hermida hat Biologie und Geografie studiert,
ist ausgebildet in Psychologie, Pflanzenheilkunde, Tanztherapie und verschiedenen Massagetech-
niken.
An einem Wochenende im Juni sind die beiden nach San Lorenzo gereist, um den EcoClub ken-
nenzulernen und festzustellen, ob und wie beide Seiten sich eine Zusammenarbeit vorstellen kön-
nen.
Diana im Gespräch mit den Kindern Malena nimmt die Kinder mit auf eine Traumreise Mütter und Kinder gleichermaßen involviert
Schon das erste Treffen mit den Kindern und Jugendlichen war sehr intensiv und zeigte, dass die
Lebensbedingungen in San Lorenzo tiefe Spuren auf den Kinderseelen hinterlassen, die kaum
punktuell oder an einem Wochenende aufgearbeitet werden können. Es ist nicht nur ein persönli-
cher Eindruck: Statistiken belegen, dass Kinder und Jugendliche, aber auch Frauen in Ecuador
häufig Gewalt erfahren: 33% der Kinder zwischen fünf und sieben Jahren wurden von Personen
misshandelt, in deren Obhut sie aufwachsen. Schläge für Fehler, Missgeschicke oder Ungehorsam
sind an der Tagesordnung. Sechzig Prozent der Frauen waren schon Opfer körperlicher oder seeli-
scher Gewalt. 76% von ihnen wurde vom Partner oder Ex-Partner misshandelt.
Wir werden einen langen Atem brauchen, um diese Ketten der Gewalt zu durchbrechen und auch
dann ist es längst nicht gesagt, dass es gelingen wird. Dennoch wollen wir es versuchen und mit
einem regelmäßigen Wochenendseminar ein Jahr lang jeden Monat einmal die Kinder und Mütter
stärken.
Für die Kinder geht es in den ersten vier Monaten dabei um Bewegung und Energie. Spielerisch
lernen die Teilnehmer ihren eigenen Körper mit Anatomie und den organischen Funktionen kennen
und entdecken Möglichkeiten sich auszudrücken und Emotionen freizusetzen. Zum Einsatz kom-
men Techniken wie Yoga, Elemente der Tanztherapie, Taichi, Afro Yin und andere.
Ziel ist es, dem sich Wohlfühlen im eigenen Körper näher zu kommen.
Weiter geht es dann mit Gestalttherapie und künstlerischen Arbeiten, bevor sich der Blick unter an-
derem mit Massage und Meditation nach innen richtet.
Bei den Müttern startet die Seminarreihe mit Beobachten, Einordnen und Annehmen der eigenen
Gefühlswelt. Die zweiten vier Monate widmen sich der Entdeckung der Stärken einer jeden Einzel-
nen, bevor im dritten Block der Fokus auf der Gruppe liegt. Die Aktivitäten in diesen zwölf Monaten
umfassen ganz verschiedene Bereiche, angefangen vom gemeinsamen Kochen, über Herstellung
von Naturkosmetik, Massagen, Gemüseanbau, Vorbereitung und Durchführung einer Kunstausstel-
lung bis zu gemeinsamen Arbeitseinsätzen für die Umwelt.
Wie wichtig das gemeinsame Planen und Durchführen dabei ist, haben wir immer wieder bei ver-
schiedenen Workshops erfahren, die erfolgreich realisiert wurden und bei den Teilnehmenden Zu-
spruch und Begeisterung hervorriefen, aber dann recht bald wieder einschliefen, wenn Betreuung
und Anleitung der Aktivitäten nicht mehr gegeben war.
Malena und Diana arbeiten nach dem Motto: „Sag es mir und ich werde es vergessen, zeig es mir
und ich werde mich erinnern, beziehe mich mit ein und ich werde es lernen.“ (Benjamin Franklin)
Wir sind sehr gespannt, was die professionelle und kontinuierliche Arbeit über ein Jahr bewirken
kann.
Professionell ist auch wieder das Outfit von Sofia und Veronica geworden. Die Beiden hatten sich in
Anlehnung an die Schuluniformen der Kinder neue offiziellere Kleidung gewünscht, um optisch dar-
zustellen, wer den EcoClub leitet und repräsentiert.
Für die verschiedenen Tage und Anlässe haben sie sich Shirts mit dem Schriftzug „Proyecto Eco-
Club“ in unterschiedlichen Farben ausgesucht.
Sofia und Veronica mit neuen Shirts selbstgebaut: Garderoben + Jenga – die einen schleifen noch, die anderen spielen schon
Im Mai hat auch der Tischler-Workshop wieder begonnen. Wie berichtet wird den Kindern und Ju-
gendlichen in San Lorenzo finanziert durch eine Sonderspende die Möglichkeit eröffnet, praktische
Fähigkeiten des Tischlerhandwerks zu erlernen. So entstanden dieses Jahr unter anderem Garde-
roben und das beliebte Spiel Jenga.
Weitere hoffentlich positive Nachrichten gibt es dann später im Herbst.
Viele Grüße
Marion Weeke

Mais conteúdo relacionado

Semelhante a 2018 II (20)

2022 - I.pdf
2022 - I.pdf2022 - I.pdf
2022 - I.pdf
 
Jahresbericht 2019
Jahresbericht 2019Jahresbericht 2019
Jahresbericht 2019
 
Jahresbericht 2019
Jahresbericht 2019Jahresbericht 2019
Jahresbericht 2019
 
Rundbrief 2018 - III
Rundbrief 2018 - IIIRundbrief 2018 - III
Rundbrief 2018 - III
 
2022 - II.pdf
2022 - II.pdf2022 - II.pdf
2022 - II.pdf
 
Rundbrief I-2013
Rundbrief I-2013Rundbrief I-2013
Rundbrief I-2013
 
2019 - I
2019 - I2019 - I
2019 - I
 
2013 - I
2013 - I2013 - I
2013 - I
 
2014 - II
2014 - II2014 - II
2014 - II
 
2014 ii pdf
2014   ii pdf2014   ii pdf
2014 ii pdf
 
2021 II
2021   II2021   II
2021 II
 
2023 - III
2023 - III2023 - III
2023 - III
 
2021 I
2021   I2021   I
2021 I
 
2021 I
2021   I2021   I
2021 I
 
Rundbrief 2015 - I
Rundbrief 2015 - IRundbrief 2015 - I
Rundbrief 2015 - I
 
2015 - I
2015 - I2015 - I
2015 - I
 
Jahresbericht 2021
Jahresbericht 2021Jahresbericht 2021
Jahresbericht 2021
 
2017 II
2017  II2017  II
2017 II
 
Jahresbericht 2018
Jahresbericht 2018Jahresbericht 2018
Jahresbericht 2018
 
2016 - I
2016 - I2016 - I
2016 - I
 

Mais de EcoClub San Lorenzo (16)

2023 - II.pdf
2023 - II.pdf2023 - II.pdf
2023 - II.pdf
 
2023 - I.pdf
2023 - I.pdf2023 - I.pdf
2023 - I.pdf
 
Jahresbericht 2022
Jahresbericht 2022Jahresbericht 2022
Jahresbericht 2022
 
2021 III
2021   III2021   III
2021 III
 
JB 2020
JB 2020JB 2020
JB 2020
 
2020 - III
2020 - III2020 - III
2020 - III
 
2020 - II
2020 - II2020 - II
2020 - II
 
2020 - I
2020 -  I2020 -  I
2020 - I
 
2019 - II
2019 - II2019 - II
2019 - II
 
2018 - I
2018 - I2018 - I
2018 - I
 
Jahresbericht 2017
Jahresbericht 2017Jahresbericht 2017
Jahresbericht 2017
 
Jb 2016
Jb 2016Jb 2016
Jb 2016
 
Jb 2016
Jb 2016Jb 2016
Jb 2016
 
Links
LinksLinks
Links
 
Jahresbericht 2015
Jahresbericht 2015Jahresbericht 2015
Jahresbericht 2015
 
2012 - I
2012 - I2012 - I
2012 - I
 

2018 II

  • 1. Paten für Kinder in Esmeraldas/San Lorenzo e.V. Mönchstr. 43, 33790 Halle IBAN: DE97 4805 1580 0000 0396 85 Tel.: 05201-9892 Swift-BIC: WELADED1HAW e-mail: Paten-fuer-Kinder@web.de GläubigerIdent.-Nr.: DE33ZZZ00000073580 Links: https://www.slideshare.net/EcoClub-San-Lorenzo http://vimeo.com/86573541 www.facebook.com/EcoClub.SanLorenzo https://www.bildungsspender.de/ecoclub II – 2018 Positive Nachrichten wollten wir im zweiten Rundbrief bringen. Ohne die Fakten zu verändern, gelingt das nur in Maßen, denn leider wurde auch das junge Paar, das auf dem Weg nach San Lorenzo entführt wurde, ermordet. Tatverdächtig ist die gleiche bewaff- nete Gruppe um den Ecuadorianer Walter Patricio Arizala Vernaza, die auch die Journalisten ent- führt und getötet hatte. Selbst die Bemühungen, zumindest die Leichen der Entführten zu bergen, haben viel Zeit in An- spruch genommen, weil das Gebiet um den Fundort stark vermint sei, so Kolumbiens Verteidi- gungsminister Luis Carlos Villegas. Nicht einfacher wird die Situation vermutlich nach der Präsidentschaftswahl in Kolumbien. Ivan Du- que hatte bereits vor seinem Amtsantritt deutlich gemacht, dass die Farc-Rebellen in dem Abkom- men nach seiner Auffassung zu milde davongekommen sind. Zugleich kündigte er einen härteren Kurs in Gesprächen mit der letzten noch aktiven Guerillaorganisation des Landes, dem Nationalen Befreiungsheer (ELN), an. Wenn damit die linken Guerilleros wieder in den Untergrund getrieben werden und die dunkle Geschichte der rechten Paramilitärs, u.a. mit Auftragsmorden für Kopfgeld, nicht aufgearbeitet wird, verliert das mit dem Nobelpreis geehrte Friedensabkommen an Bedeutung. In San Lorenzo wurde der Ausnahmezustand inzwischen nicht mehr verlängert und es gibt keine Ausgangssperren und Versammlungsverbote mehr. In drei anderen ecuadorianischen Provinzen wurde Anfang August jedoch der Ausnahmezustand verhängt, um die seit Kurzem aus Venezuela kommenden Flüchtlingsströme mit mehr als 4.200 Menschen täglich zu registrieren, in Empfang zu nehmen und zu betreuen. Dennoch setzt auch in schwierigsten Lagen ein gewisser Alltag wieder ein und so startete auch der EcoClub bereits Anfang Mai wieder. Zusammen mit den Eltern und Kindern wurde in einer Minga wieder die alljährliche Grundreinigung durchgeführt. Die drei Bäume, die schon im letzten Herbst sehr schlecht aussahen und ihre Blätter verloren, wurden bei dieser Gelegenheit gefällt, da sie sich leider nicht mehr erholt haben. Sehen wir es positiv: in den Tropen wächst ein Baum in wenigen Jahren - hier unvorstellbar - auf viele Me- ter Höhe. Tische und Bänke werden abgeschrubbt die Stämme werden weggetragen das Geschirr für die Mittagsmahlzeiten wird gespült
  • 2. Nachdem zunächst abgewartet und mit den Familien gesprochen wurde, wer in diesem Jahr weiter am EcoClub teilnimmt, kristallisierte sich im Verlauf der folgenden Wochen heraus, dass einige der eher älteren Jugendlichen ausscheiden. Das hat zum Teil ganz verschiedene und persönliche Gründe, aber diese Tendenz kommt auch nicht komplett überraschend. Es war tatsächlich auch schon letztes Jahr zu erkennen, dass unsere zwei Betreuerinnen es mit den über 13 jährigen nicht so leicht haben. Sie lassen sich nicht mehr so einfach in die Spiele einbeziehen, brauchen eine andere Ansprache als die Kleinen, ganz ähnlich den Erfahrungen mit Heranwachsenden hierzulande. Das hat Sofia und Veronica zu zweit mit gut 20 Teilnehmern manchmal an ihre Grenzen gebracht, so dass es jetzt einen Wechsel in der Altersstruktur gibt und viele neue jüngere Kinder nachgerückt sind. Das ist dennoch gar nicht dramatisch, denn ab September – und das sind wirklich überaus positive Neuigkeiten! – gehen wir mit zwei zusätzlichen Angeboten an den Start, die im Rahmen des EcoClub stattfinden, aber darüber hinaus für weitere Teilnehmer und Zeiten offen sind. Wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, als wir im Mai doch noch vom Bischof in Esmeral- das die nach den Regularien des Kindermissionswerks erforderliche Unterschrift zum bereits 2017 beantragten Musikprojekt bekamen mit dem zugegebenermaßen etwas sperrigen Titel: Eine friedli- che Gesellschaft durch die Stärkung und Weitergabe des afro-musikalischen Kulturerbes und der Tradition des Erzählens in der Grenzstadt San Lorenzo, Esmeraldas, Ecuador. Musik, Tanz und Erzählkunst – das ist ein Ventil für Emotionen und südamerikanische Lebensfreu- de allen widrigen Umständen des Alltags zum Trotz. Unter den verschiedenen Musikrichtungen, die man in San Lorenzo hören kann, nimmt die aus Afrika stammende Marimba einen ganz besonderen Stellenwert ein. Das kann man noch besser verstehen vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der Bevölkerung in San Lorenzo sich selbst als Afro-Ecuadorianer bzw. Farbige bezeichnet. Marimba Esmeraldeña ist seit Dezember 2015 von der UNESCO als immaterielles Erbe der Menschheit an- erkannt, ein Tribut an die große musikalische und religiöse Bedeutung seit dem siebzehnten Jahr- hundert, die sich in Gesängen und Tänzen verewigt hat. Henrry Navarrete Chilán sagt über die Marimba (Instrument): „Als Ecuadorianer, die unsere Kultur und unser kulturelles Erbe lieben, ist es unsere Mission, nicht nur das Instrument, sondern auch das gesamte Wissen und das alte Wissen, das sie umgibt, zu schützen.“ Wir freuen uns, dass der EcoClub dabei mitwirken kann und schon am ersten September die Eröff- nung gefeiert hat, bei der verschiedene Künstler die drei Sparten Musik, Tanz und Erzählkunst prä- sentiert haben. Marimba bei der Einweihungsfeier 2011 und bei der Jubiläumsfeier 2017 Einladung zum 01.09.2018 Geplant ist jetzt ab dem dritten September Unterricht auf den Musikinstrumenten, die zu Beginn angeschafft werden: - Natürlich die Marimba selbst, die manchmal als Klavier des Dschungels bezeichnet wird und dem Xylophon ähnlich sieht. Sie besteht aus Bambusrohr und edlen Hölzern, oft Lorbeer und Zeder
  • 3. - Bombo und Cununo, Trommeln mit prähistorischen Wurzeln. Sie bestehen aus mehreren Blasen oder Membranen von Tieren meist Schafen oder Ziegen, die auf einen hohlen Holz- sockel mit Riemen befestigt und gespannt wurden. - Guasá ist eine längliche Rassel, ein Perkussioninstrument mit versiegelten Enden und Sa- menkörnern im Inneren, die Vibration und Resonanz im Rahmen erzeugen. Zwei Tanzlehrerinnen üben vier Stunden pro Woche Schritt für Schritt die traditionellen Tänze mit den Teilnehmenden. Außerdem geben Erzähler und Erzählerinnen Techniken und Strategien der mündlichen Überliefe- rung von Fabeln und Legenden weiter, lassen aber auch Improvisation und Verarbeitung aktueller Ereignisse in dieser Form ausprobieren. Samstags ergänzt eine Werkstatt das Angebot, in der die klassischen Marimba Instrumente selbst gebaut werden können. Nach Jahrhunderten der Unterdrückung der Afro-Kultur soll die Stärkung gerade dieser Tradition zu Identität, Selbsterkenntnis und Selbstbewusstsein verhelfen, die Diskussion über unterschiedliche Herkunft und Bräuche anregen und zu mehr Toleranz unter den verschiedenen Bevölkerungsgrup- pen führen. Gerade Musik, Tanz und Sprache sind dazu hervorragend geeignet. Nicht weniger erfreulich ist es, dass wir durch Sonderspenden nun die langersehnte Unterstützung einer Psychologin und einer Therapeutin nach San Lorenzo bekommen können. Malena Velez Quintero ist Psychotherapeutin mit Fortbildungen unter anderem in den Bereichen Gestalttherapie, Yoga, kreativem und künstlerischem Gestalten. Diana Hermida hat Biologie und Geografie studiert, ist ausgebildet in Psychologie, Pflanzenheilkunde, Tanztherapie und verschiedenen Massagetech- niken. An einem Wochenende im Juni sind die beiden nach San Lorenzo gereist, um den EcoClub ken- nenzulernen und festzustellen, ob und wie beide Seiten sich eine Zusammenarbeit vorstellen kön- nen. Diana im Gespräch mit den Kindern Malena nimmt die Kinder mit auf eine Traumreise Mütter und Kinder gleichermaßen involviert Schon das erste Treffen mit den Kindern und Jugendlichen war sehr intensiv und zeigte, dass die Lebensbedingungen in San Lorenzo tiefe Spuren auf den Kinderseelen hinterlassen, die kaum punktuell oder an einem Wochenende aufgearbeitet werden können. Es ist nicht nur ein persönli- cher Eindruck: Statistiken belegen, dass Kinder und Jugendliche, aber auch Frauen in Ecuador häufig Gewalt erfahren: 33% der Kinder zwischen fünf und sieben Jahren wurden von Personen misshandelt, in deren Obhut sie aufwachsen. Schläge für Fehler, Missgeschicke oder Ungehorsam sind an der Tagesordnung. Sechzig Prozent der Frauen waren schon Opfer körperlicher oder seeli- scher Gewalt. 76% von ihnen wurde vom Partner oder Ex-Partner misshandelt. Wir werden einen langen Atem brauchen, um diese Ketten der Gewalt zu durchbrechen und auch dann ist es längst nicht gesagt, dass es gelingen wird. Dennoch wollen wir es versuchen und mit einem regelmäßigen Wochenendseminar ein Jahr lang jeden Monat einmal die Kinder und Mütter stärken. Für die Kinder geht es in den ersten vier Monaten dabei um Bewegung und Energie. Spielerisch lernen die Teilnehmer ihren eigenen Körper mit Anatomie und den organischen Funktionen kennen und entdecken Möglichkeiten sich auszudrücken und Emotionen freizusetzen. Zum Einsatz kom- men Techniken wie Yoga, Elemente der Tanztherapie, Taichi, Afro Yin und andere.
  • 4. Ziel ist es, dem sich Wohlfühlen im eigenen Körper näher zu kommen. Weiter geht es dann mit Gestalttherapie und künstlerischen Arbeiten, bevor sich der Blick unter an- derem mit Massage und Meditation nach innen richtet. Bei den Müttern startet die Seminarreihe mit Beobachten, Einordnen und Annehmen der eigenen Gefühlswelt. Die zweiten vier Monate widmen sich der Entdeckung der Stärken einer jeden Einzel- nen, bevor im dritten Block der Fokus auf der Gruppe liegt. Die Aktivitäten in diesen zwölf Monaten umfassen ganz verschiedene Bereiche, angefangen vom gemeinsamen Kochen, über Herstellung von Naturkosmetik, Massagen, Gemüseanbau, Vorbereitung und Durchführung einer Kunstausstel- lung bis zu gemeinsamen Arbeitseinsätzen für die Umwelt. Wie wichtig das gemeinsame Planen und Durchführen dabei ist, haben wir immer wieder bei ver- schiedenen Workshops erfahren, die erfolgreich realisiert wurden und bei den Teilnehmenden Zu- spruch und Begeisterung hervorriefen, aber dann recht bald wieder einschliefen, wenn Betreuung und Anleitung der Aktivitäten nicht mehr gegeben war. Malena und Diana arbeiten nach dem Motto: „Sag es mir und ich werde es vergessen, zeig es mir und ich werde mich erinnern, beziehe mich mit ein und ich werde es lernen.“ (Benjamin Franklin) Wir sind sehr gespannt, was die professionelle und kontinuierliche Arbeit über ein Jahr bewirken kann. Professionell ist auch wieder das Outfit von Sofia und Veronica geworden. Die Beiden hatten sich in Anlehnung an die Schuluniformen der Kinder neue offiziellere Kleidung gewünscht, um optisch dar- zustellen, wer den EcoClub leitet und repräsentiert. Für die verschiedenen Tage und Anlässe haben sie sich Shirts mit dem Schriftzug „Proyecto Eco- Club“ in unterschiedlichen Farben ausgesucht. Sofia und Veronica mit neuen Shirts selbstgebaut: Garderoben + Jenga – die einen schleifen noch, die anderen spielen schon Im Mai hat auch der Tischler-Workshop wieder begonnen. Wie berichtet wird den Kindern und Ju- gendlichen in San Lorenzo finanziert durch eine Sonderspende die Möglichkeit eröffnet, praktische Fähigkeiten des Tischlerhandwerks zu erlernen. So entstanden dieses Jahr unter anderem Garde- roben und das beliebte Spiel Jenga. Weitere hoffentlich positive Nachrichten gibt es dann später im Herbst. Viele Grüße Marion Weeke