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Der Mensch als Entscheidungsträger
in der Fertigungssteuerung
Human decision-making in manufacturing control
Masterarbeit
Im Studiengang Betriebswirtschaftslehre
in der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften
der Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Verfasser: Daniel Karl Baumann
Gutachter: Prof. Dr. Eric Sucky
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis..................................................................................................I
Abkürzungsverzeichnis ...............................................................................................II
Symbolverzeichnis .................................................................................................... IV
1. Einleitung..........................................................................................................1
2. Grundlagen.......................................................................................................3
2.1. Fertigungssteuerung.........................................................................................3
2.1.1. Bedeutung der Fertigungssteuerung in der Praxis...................................3
2.1.2. Fertigungssteuerung als Teilbereich der Produktionsplanung
und -steuerung.........................................................................................7
2.1.3. Kanban-Steuerung...................................................................................9
2.2. Entscheidungstheorie .....................................................................................13
2.2.1. Einführung in die Entscheidungstheorie ................................................13
2.2.2. Rationalität und ihre Beschränkungen im menschlichen Handeln .........16
2.2.3. Deskriptive Entscheidungstheorie..........................................................19
2.2.4. Entscheidung als Prozess .....................................................................23
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung .................26
3.1. Problemstellung und Vorgehen.......................................................................26
3.2. Aufgaben der Fertigungssteuerung und Schnittstellen mit dem Menschen ....27
3.3. Vom Menschen zu treffende Entscheidungen ................................................30
3.4. Informations- und Unterstützungssysteme......................................................31
3.5. Analyse ausgewählter Entscheidungssituationen
am Beispiel der Kanban-Steuerung................................................................34
3.5.1. Auswahl eines Fertigungssteuerungsverfahrens ...................................34
3.5.2. Entscheidungen zur Organisation und Arbeitsvorbereitung...................38
3.5.3. Entscheidungen zur Steuerung und Kontrolle der Fertigung .................45
3.6. Hypothetische, suboptimale Entscheidungen .................................................58
3.6.1. Identifikation möglicher suboptimaler Entscheidungen..........................58
3.6.2. Ursachen potentieller suboptimaler Entscheidungen.............................60
3.6.3. Auswirkungen potentieller suboptimaler Entscheidungen......................61
3.7. Optimierungspotentiale...................................................................................62
4. Zusammenfassung .........................................................................................68
Literaturverzeichnis ................................................................................................... IV
I
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Strategische Wettbewerbsposition von Unternehmen S. 4
Abbildung 2: Ein generisches Geschäftsmodell S. 5
Abbildung 3: Zielsystem der Produktionslogistik S. 6
Abbildung 4: Funktionen der PPS S. 8
Abbildung 5: Funktionsweise des Zwei-Karten-Kanban S. 11
Abbildung 6: Informationszustände von Entscheidungssituationen S. 15
Abbildung 7: Übersicht zu Ursachen von Rationalitätsdefiziten S. 19
Abbildung 8: Aufbau von Beschreibungs-/Erklärungsmodellen S. 21
Abbildung 9: Aufgaben der Fertigungssteuerung S. 28
Abbildung 10: Parameter eines EUS für die Fertigungssteuerung S. 32
Abbildung 11: Beispiel Mengenplanung S. 35
Abbildung 12: Formeln zur Berechnung von Losgrößen S. 42
Abbildung 13: Beispiel Produktionsinformationen S. 46
Abbildung 14: Berechnung der Kanban-Karten-Anzahl bei Kelper Recaro S. 47
Abbildung 15: Formel zur Berechnung der Kanban-Karten-Anzahl
(nach Lödding) S. 48
Abbildung 16: Ermittlung des Sicherheitsbestandes S. 48
Abbildung 17: Steuerungsmaßnahmen S. 52
Abbildung 18: Auswirkungen einer Bestandssenkung S. 53
II
Abkürzungsverzeichnis
bspw. beispielsweise
BKT Betriebskalendertag
bzgl. bezüglich
bzw. beziehungsweise
ca. circa
d.h. das heißt
EDD Earliest-Due-Date
EDV Elektronische Datenverarbeitung
etc. et cetera
EUS Entscheidungsunterstützendes System
evtl. eventuell
FIFO First in first out
ggf. gegebenenfalls
i.d.R. in der Regel
IT Informationstechnologie
inkl. inklusive
max. maximale
ME Mengeneinheit
MRP Material Requirements Planning
MRP II Manufacturing Resource Planning
PPS Produktionsplanung und -steuerung
III
u.a. unter anderem
u.U. unter Umständen
vgl. vergleiche
z.B. zum Beispiel
IV
Symbolverzeichnis
AnzKan = Anzahl Kanban-Karten [-]
BI = Behälterinhalt [ME]
BRm = mittlere Bedarfsrate [ME]
BRmax = max. Bedarfsrate [ME/BKT]
CT = Lieferrhythmus in Arbeitstagen [BKT]
DMG = Tagesmenge in Stück [ME]
LTA+
max = max. positive Lieferterminabweichung [BKT]
m = Bedarf im Dispositionszeitraum [Stück]
MA-
max = max. negative Mengenabweichung [ME]
p = Lagerhaltungskostensatz [%]
s = Herstellungskosten [Euro/Stück]
SB = Sicherheitsbestand [ME]
SG = Servicegrad [%]
ST = Sicherheit in Arbeitstagen [BKT]
WBZ = Wiederbeschaffungszeit [BKT]
x = Losgröße [Stück]
∑Ei = Summe der Auftragswechselkosten je Los [Euro]
1. Einleitung
1
1. Einleitung
„Und was ist Zufall anders als der rohe Stein,
Der Leben annimmt unter Bildners Hand?
Den Zufall gibt die Vorsehung -
Zum Zwecke muss ihn der Mensch gestalten.“1
Das menschliche Verhalten rückt im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen For-
schung in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Fokus der Betrachtung, wie
man an der großen Anzahl verliehener Nobelpreise im Bereich der verhaltensorien-
tierten Ökonomie sehen kann.2
Beginnend mit Herbert Simon im Jahre 1978 wurden
bis hin zu Lloyd Shapley und Alvin E. Roth im Jahre 2012 seither insgesamt 14 Per-
sonen mit dem Nobelpreis für herausragende Arbeiten im Bereich der verhaltensori-
entierten Ökonomie ausgezeichnet.3
Neben der Integration des menschlichen Ver-
haltens in ökonomische Modelle und der Erforschung des Käuferverhaltens werden
auch im Bereich der betriebswirtschaftlichen Leistungsplanung zunehmend die Rolle
und das Verhalten des Entscheiders untersucht.
Im Rahmen der Produktionsplanung und -steuerung eines Unternehmens ist die vor-
dergründige Aufgabe der Fertigungssteuerung, die Produktionsplanung möglichst
optimal umzusetzen. Verschiedene Fertigungsverfahren dienen hierbei der Standar-
disierung und Automatisierung von Abläufen sowie der Verringerung des Steue-
rungsaufwandes, der oft mit einer Verringerung der Kontrollen einhergeht. Dennoch
muss der Mensch im Rahmen der Planung, Organisation und Gestaltung, Steuerung
und Kontrolle der Fertigung mitunter als Entscheidungsträger eingreifen. Die Fragen,
mit denen sich diese Arbeit auseinander, setzt sind:
• Wo treffen Menschen in der Fertigungssteuerung Entscheidungen?
• Unter welchen Umständen treffen Menschen hier Entscheidungen?
• Wie werden sie bei ihren Entscheidungen unterstützt?
• Wo können sie suboptimale Entscheidungen treffen und warum?
• Welche Auswirkungen können diese suboptimalen Entscheidungen haben?
1
Schiller (2001) S. 117.
2
Vgl. für den folgenden Absatz Dobhan (2012), S.1.
3
Vgl. Nobel Media AB (2013), www.nobelprize.org.
1. Einleitung
2
• Wie können die Entscheidungssituationen, die zu suboptimalen Entscheidun-
gen führen, positiv beeinflusst werden?
Ziel dieser Arbeit ist es, nach der Einordnung des Themenbereichs der Fertigungs-
steuerung in die betriebswirtschaftliche Unternehmensführung, vom Menschen zu
treffende Entscheidungen näher zu untersuchen. Neben der Identifikation und Analy-
se bedeutender Entscheidungssituationen wird der Fokus insbesondere auf hypothe-
tische, suboptimale Entscheidungen und Möglichkeiten ihrer positiven Beeinflussung
gelegt.
Hierzu werden zunächst in Kapitel 2 die relevanten Grundlagen zur Fertigungssteue-
rung und Entscheidungstheorie genauer erläutert, um darauf aufbauend in Kapitel 3
die Analyse des Menschen als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
durchzuführen. Unter Punkt 2.1 werden danach die relevanten Begrifflichkeiten zur
Fertigungssteuerung sowie deren Relevanz für die Praxis und ihre Einordnung in die
Produktionsplanung und -steuerung geklärt. Zudem erfolgt hier eine kurze Vorstel-
lung der Kanban-Steuerung, die zur Verdeutlichung der folgenden Analysen und Er-
gebnisse herangezogen wird. Anschließend werden unter Punkt 2.2 relevante
Grundlagen der Entscheidungstheorie, wie eine Einführung in die Rationalität und
ihre Beschränkungen im menschlichen Handeln sowie Ansätze deskriptiver Ent-
scheidungstheorien und Entscheidungsprozesse dargelegt.
Aufbauend auf den Grundlagen werden in Kapitel 3 wesentliche vom Menschen zu
treffende Entscheidungen ausfindig gemacht und analysiert, wobei das besondere
Augenmerk möglichen Entscheidungen mit negativen Auswirkungen und deren Ur-
sachen gilt. Hierfür werden zunächst aus den Aufgaben der Fertigungssteuerung die
Schnittstellen mit dem Menschen und die von ihm zu treffenden Entscheidungen ab-
geleitet. Nach einem kurzen Überblick über in der Praxis gängige Informations- und
Unterstützungssysteme erfolgt die Analyse ausgewählter Entscheidungssituationen
unter Zuhilfenahme der Kanban-Steuerung zur Verdeutlichung einzelner Entschei-
dungen. Punkt 3.6 dient der Identifikation hypothetisch, suboptimaler Entscheidun-
gen sowie ihrer Ursachen und Auswirkungen. Anschließend werden Optimierungspo-
tentiale auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse zu Entscheidungssituationen in
der Fertigungssteuerung diskutiert.
2. Grundlagen
3
2. Grundlagen
2.1. Fertigungssteuerung
2.1.1. Bedeutung der Fertigungssteuerung in der Praxis
Eine funktionierende Unternehmenslogistik ermöglicht Unternehmen eine hohe logis-
tische Zielerreichung.4
Diese spiegelt sich bspw. wieder in pünktlichen Lieferungen,
in optimalem Materialeinsatz bei minimalem Ausschuss und minimalen Lagerbestän-
den, sowie optimaler logistischer Organisation von Produktionsprozessen wieder.
Demzufolge können Unternehmen durch eine erfolgreiche Unternehmenslogistik
Wettbewerbsvorteile aufbauen, schneller das Vertrauen von Kunden gewinnen und
rascher auf sich ergebender Marktchancen und -risiken reagieren.
Auf der Grundlage der von ihm aufgestellten Thesen zu Wertketten und Wettbe-
werbsvorteilen entwickelte Porter die Wettbewerbsstrategien der Kostenführer-
schafts- und Differenzierungsstrategie.5
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwi-
ckelte Becker das Model der integrierten Leistungs- und Wertkette und die Wettbe-
werbsstrategie der integrierten Kosten- und Leistungsführerschaft.6
Vor dem Hinter-
grund dieser Strategien kann der positive Nutzen einer angemessenen Unterneh-
menslogistik weiter verdeutlicht werden. In Kombination mit Produkten mit hohem
Kundennutzen und/oder Kostenvorteilen kann eine Unternehmenslogistik wie zuvor
beschrieben wesentlich zur der Erlangung einer überlegenen Wettbewerbsposition
beitragen und so einen bedeutsamen Beitrag zum langfristigen Erfolg eines Unter-
nehmens leisten (vgl. Abbildung 1).
4
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Lödding (2008), S.1.
5
Vgl. Porter (1980), S.34-46; Porter (1999), S. 97-167.
6
Vgl. Becker (2001), S. 47-64; Becker (2011), S. 159-166, S. 191-193, S. 205-206. Eine nähere Be-
trachtung strategischer Unternehmensführung ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für weitere Informa-
tionen siehe auch Porter (1980), Porter (1999), Becker (2011).
2. Grundlagen
4
Abbildung 1: Strategische Wettbewerbsposition von Unternehmen
7
Die hierbei frei werdenden finanziellen Mittel, die sich aus eingesparten Kosten und
geringerem gebundenen Kapital im Auftragserfüllungsprozess ergeben, können vom
Unternehmen für verschiedene Zwecke verwendet werden. Eine Weitergabe an den
Kunden durch Preissenkungen kann erneut die Marktposition des Unternehmens
positiv beeinflussen. Laut dem von Gälweiler entwickelten Kreislauf aus Erfolgspo-
tentialen, Erfolg und Liquidität, kann und sollte ein Teil der zur Verfügung stehenden
Liquidität zur Erneuerung bestehender oder Schaffung neuer Erfolgspotentialen ge-
nutzt werden.8
Die Realisierung des Erfolgs wiederum ermöglicht die Sicherung von
Liquidität als grundsätzliche Voraussetzung der Existenzsicherung von Unterneh-
men. Gemäß dem Kreislauf nach Gälweiler, kann die entstehende Liquidität dem-
nach auch zur Entwicklung neuer Erfolgspotentiale genutzt werden, um das Unter-
nehmen langfristig entsprechend einer auf Existenzsicherung ausgerichteten Stabili-
tätspolitik auszurichten (vgl. Abbildung 2).
7
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Becker (2012), S. 67.
8
Vgl. für den folgenden Absatz Lödding (2008), S.1; Gälweiler (2005), S. 23-37, S. 225-259; Becker
(2011), S. 17-22, S. 31.
2. Grundlagen
5
Abbildung 2: Ein generisches Geschäftsmodell
9
Oberstes Ziel des Produktionsmanagements ist es die Produktion so zu planen, zu
organisieren, zu steuern und zu kontrollieren, dass eine möglichst hohe Wirtschaft-
lichkeit erreicht wird.10
Umgesetzt wird dieses Ziel durch die betriebsinternen logisti-
schen Zielgrößen hohe Termintreue, kurze Durchlaufzeiten, niedrige Bestände und
hohe Auslastung, die über die Dimensionen Logistikleistung und -kosten zu einem
externen Zielsystem der Produktionslogistik verknüpft werden (vgl. Abbildung 3). Ex-
terne logistische Zielgrößen, wie Lieferzeit, Lieferterminabweichung und Liefertreue
bzw. Servicegrad, haben einen direkten Kundenbezug, ihre Ermittlung ist jedoch mit
einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Im Folgenden wird die Formulierung
logistische Zielgrößen als Bezeichnung für die betriebsinternen logistischen Zielgrö-
ßen verwendet.11
9
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Becker (2011), S. 31.
10
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wiendahl (2003), S. 19-20, S. 120.
11
Eine nähere Betrachtung der logistischen Zielgrößen und ihrer Ermittlung ist nicht Gegenstand die-
ser Arbeit. Für weitere Informationen siehe auch Lödding (2008), Wiendahl (2003),
Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008).
2. Grundlagen
6
Abbildung 3: Zielsystem der Produktionslogistik
12
Die zwischen den logistischen Zielgrößen bestehenden Interdependenzen können
Schwierigkeiten bei deren Verfolgung verursachen. So besteht z.B. ein Konflikt zwi-
schen dem Ziel der hohen Auslastung von Arbeitssystemen, die nur durch das Vor-
halten gewisser Bestände zur Vermeidung von Ausfällen und Leerläufen geleistet
werden kann und dem Ziel niedriger Bestände. Mit dieser Situation sollte durch die
Fokussierung auf ein aus strategischen Gesichtspunkten abgeleitetes Ziel umgegan-
gen werden.
Die Fertigungssteuerung hat das Ziel, die Vorgaben der Produktionsplanung auch
bei oft nicht zu vermeidenden Störungen möglichst optimal zu realisieren.13
Um die-
ses Ziel zu erreichen, muss sie u.a. folgende Aufgaben bewältigen:
• Kontrolle der Durchlaufzeiten durch Steuerung der Arbeitssysteme,
• Regelung des Bestands mit möglichst geringen Schwankungen,
• Gewährleistung der Termintreue durch Ausgleichen von Planabweichungen
und angemessene Rückstandsregelungen mit flexiblen Kapazitäten,
• optimale Nutzung vorhandener Kapazitätsflexibilität zur Abstimmung von
Kapazität und Belastung,
12
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wiendahl (2003), S. 120.
13
Vgl. Lödding (2008), S.6.
hohe
Termintreue
kurze
Durchlauf-
zeiten
hohe
Auslastung
geringe
Bestände
Wirtschaft-
lichkeit
2. Grundlagen
7
• Minimierung von Reihenfolgenabweichungen,
• optimale Auslastung von Engpasskapazitäten.14
Trotz dieser Erkenntnisse wird das Fachgebiet der Fertigungssteuerung in Theorie
und Praxis häufig vernachlässigt und rückt in den Hintergrund der Produktionspla-
nung.15
Dies liegt unter anderem daran, dass die Produktionsplanung eine wesentli-
che Voraussetzung für eine hohe logistische Zielerreichung darstellt. Schafft es je-
doch die Fertigungssteuerung, nicht den Produktionsplan umzusetzen, so wird auch
die geplante logistische Zielerreichung nicht realisiert werden können. Die hohe Re-
levanz der Fertigungssteuerung für die Produktionsplanung und -steuerung (PPS),
und damit für den Erfolg von Produktionsunternehmen, liegt daher in der strategi-
schen Bedeutung ihrer Aufgabe, die logistischen Zielgrößen positiv zu beeinflussen-
den. Vor diesem Hintergrund sollte der Fertigungssteuerung daher hohe Beachtung
geschenkt werden.
2.1.2. Fertigungssteuerung als Teilbereich der Produktionsplanung und -
steuerung
Aufgabe der PPS ist es, für mehrere Perioden im Voraus das Produktionsprogramm
zu planen.16
Diese Planung basiert auf den von der Konstruktion und Arbeitsvorberei-
tung bereitgestellten Unterlagen in Form von Zeichnungen, Stücklisten und Arbeits-
plänen. Ausgangspunkt der Planungs- und Steuerungsaktivitäten sind die Absatz-
märkte und die daraus resultierenden Aufträge. Hieraus werden zum einen Beschaf-
fungsaufträge (Material- und Ressourcenbedarf) und zum anderen Fertigungsaufträ-
ge abgeleitet. Ziel ist es, das Produktionsprogramm trotz nicht zu vermeidender Stö-
rungen, wie z.B. Ausschuss, verzögerten Lieferungen, Personal- und Maschinenaus-
fällen, möglichst optimal zu realisieren.
In dieser Arbeit werden zur Einordnung der Fertigungssteuerung das Aachener PPS-
Modell von Schotten und ein Vorschlag zur Systematisierung der PPS von Hackstein
herangezogen. Die wesentlichen Funktionen der PPS sind in Abbildung 4 dargestellt.
14
Vgl. Wiendahl (2008), S. 346.
15
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Lödding (2008), S. 2 , S. 19.
16
Vgl. für den folgenden Absatz Wiendahl (2008), S. 249-259; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/
Furmans (2008), S. 323-324.
2. Grundlagen
8
Abbildung 4: Funktionen der PPS
17
Demzufolge wird unterschieden zwischen Kernaufgaben und Querschnittsaufgaben
der PPS, wobei die Produktionssteuerung im Sinne der Fertigungssteuerung als
Hauptaufgaben die Auftragsfreigabe und die Auftragsüberwachung beinhaltet.18
Wei-
tere Kernaufgaben der PPS sind laut diesen Modellen neben der Produktionssteue-
rung, die Produktionsprogrammplanung, die Mengenplanung und die Termin- und
Kapazitätsplanung. Im Rahmen der Produktionsprogrammplanung werden das Pro-
gramm geplant, Auftragsprognosen erstellt und Bedarfsermittlungen durchgeführt.
Die Mengenplanung legt anschließend fest, wann und in welcher Menge ein Auftrag
zu fertigen ist. Im Rahmen der Termin- und Kapazitätsplanung werden die Durchlauf-
sowie Kapazitätsterminierung, die Kapazitätsabstimmung und der Belegungsplan
festgelegt.19
17
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Luczak/Eversheim (1999), S. 16;
Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 325.
18
Vgl. für den folgenden Absatz Luczak/Eversheim (1999), S. 9-27, S. 43-51; Hackstein (1989),
S. 3-36; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 324-333.
19
Eine nähere Betrachtung von PPS Funktionen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nähere Infor-
mationen siehe auch Luczak/Eversheim (1999), S. 29-72; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/
Furmans (2008), S. 324-333.
2. Grundlagen
9
2.1.3. Kanban-Steuerung
Produzierenden Unternehmen steht eine Vielzahl von Fertigungssteuerungsverfah-
ren zur Realisierung ihrer Produktionsplanung zur Verfügung.20
Bei der Kanban-
Steuerung handelt sich um einen verbrauchsgesteuerten Ansatz der Fertigungssteu-
erung mit geringem Steuerungsaufwand, bei dem die Qualität durch Selbstkontrolle
am Arbeitsplatz sichergestellt wird.21
Das Grundprinzip lässt sich mit der Organisati-
on eines Supermarktes beschreiben. In den Regalen befindet sich ein bestimmter
Vorrat an Produkten. Entnimmt der Verbraucher eine bestimmte Menge, so entsteht
eine Lücke, die - unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte - so schnell wie
möglich wieder aufgefüllt wird. Der geringe Steuerungsaufwand beruht auf den einfa-
chen Regelmechanismen. Das Kanban-System arbeitet nach dem Pull-Prinzip, d.h.
der gesamte Materialfluss wird vom Verbraucher durch Entnahme von Produkten aus
dem Endlager gesteuert. Jeder Abschnitt im gesamten Produktionsprozess sichert
sich seine Materialversorgung indem bei Unterschreiten eines festgelegten Bestan-
des eine Nachlieferung beim vorgelagerten Produktionsbereich angefordert wird. Die
folgende Aufzählung beschreibt die wichtigsten Elemente des Kanban-Verfahrens:
• Die Produktion ist als ein System sich selbst steuernder und miteinander ver-
zahnter Regelkreise aufgebaut, die jeweils aus einem Bereich, der Teile ver-
braucht (Senke), und einem vorgelagerten Bereich, der Teile erzeugt (Quelle),
besteht.
• Zwischen diesen Senken und Quellen befinden sich Pufferlager. Sie dienen
dem Ausgleich von Unregelmäßigkeiten und Störungen.
• Aufträge werden nach dem Hol-Prinzip vom nachfolgenden Bereich ausgelöst.
• Zur eigentlichen Fertigungssteuerung und zur Begrenzung der Bestände die-
nen die Kanban-Karten. Sie sind die Informationsträger in diesem System.
• Die Verantwortung für Termintreue, Bestands- und Bestellmengen sowie Qua-
litätssicherung wird an die operativen Mitarbeiter übertragen.
20
Vgl. Lödding (2008), S. 131-440.
21
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wiendahl (2008), S. 341-343; Wildemann (1984), S. 33-36.
2. Grundlagen
10
Unterschreitet der Teilevorrat beim Verbraucher eine festgelegte Bestandsgröße,
fordert der Verbraucher beim Erzeuger Nachschub an.22
Hierbei kommt die Kanban-
Karte zum Einsatz. Kanban ist japanisch und bedeutet Karte bzw. Schild. Sie wird
vom Verbraucher an die entsprechende erzeugende Quelle gesendet, was der Auf-
forderung entspricht, eine festgelegte Menge des Teils zu produzieren und zu liefern.
Die Kanban-Karte entspricht aus Sicht des Erzeugers einem Auftrag mit der Auffor-
derung, das angegebene Teil in der festgelegten Menge herzustellen, in dem dafür
vorgesehenen Behälter abzulegen, die Kanban-Karte beizufügen und den Transport-
behälter innerhalb der vereinbarten Zeitdauer an den Verbraucher zu senden. Ist
dieser Vorgang abgeschlossen, liegt die Kanban-Karte wieder beim Verbraucher, der
bei erneuter Unterschreitung des festgelegten Bestandes wieder eine Nachprodukti-
on anfordert. Durch darauf abgebildete Informationen dient die Kanban-Karte zudem
auch der jederzeitigen Identifikation des Inhalts der Transportbehälter.
Um bei geringen Beständen und kurzen Durchlaufzeiten einen reibungslosen Ablauf
der Produktion sicherzustellen, sind folgende organisatorische Regeln zu beachten:23
• Verbraucher dürfen nie vorzeitig oder mehr Material als benötigt anfordern.
• Erzeuger dürfen niemals mehr Teile als angefordert herstellen, vor Eingang
der Bestellung Teile erzeugen oder fehlerhafte Erzeugnisse liefern.
• Der Steuerer soll für eine gleichmäßige Aus- und Belastung der einzelnen
Produktionsbereiche sorgen und eine angemessene, möglichst geringe An-
zahl Kanban-Karten für die Regelkreise vorgeben.
Das Kanban-Verfahren kann prinzipiell als Ein-Karten-Kanban oder als Zwei-Karten-
Kanban, aber auch als Sicht-Kanban, Behälter-Kanban und Minimal Blocking ange-
wandt werden.24
Im Folgenden wird das Verfahren am Beispiel des Zwei-Karten-
Kanban näher erläutert werden. Als Informationsträger werden hierbei die Transport-
Kanbans und die Produktions-Kanbans verwendet.25
Der Material- und Informations-
fluss zwischen einem Pufferlager und dem zugehörigen Verbraucher wird durch die
Transport-Kanbans gesteuert. Die Produktions-Kanbans regeln die Abstimmung zwi-
schen den Fertigungsbereichen und den zugehörigen Pufferlägern und repräsentie-
ren demnach gleichzeitig die Fertigungsaufträge. Abbildung 5 veranschaulicht wie
22
Vgl. für den folgenden Absatz Wiendahl (2008), S. 341-343; Wildemann (1984), S. 33-36.
23
Vgl. für die folgende Aufzählung Wildemann (1984), S. 35.
24
Vgl. Lödding (2008), S. 177-189.
25
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wiendahl (2008), S. 343-344.
2. Grundlagen
11
die Kanban-Karten zur Steuerung des Material- und Informationsflusses innerhalb
der Fertigung und zwischen Fertigung und Verbraucher eingesetzt werden können:
Abbildung 5: Funktionsweise des Zwei-Karten-Kanban
26
• Im 1. Schritt fordert der Verbraucher mittels einer Transport-Kanban eine fest-
gelegte Menge an Produkten an.
• Im 2. Schritt wird die entsprechende Anzahl der Produkte (hier durch zwei Va-
riantenteile dargestellt) in einen Transportbehälter abgelegt und mit der
Transport-Kanban an den Verbraucher geschickt.
• Im 3. Schritt wird der leere Transportbehälter an das Lager zurückgegeben.
• Es wird davon ausgegangen, dass im Endlager nun der Sicherheitsbestand
unterschritten wurde, so dass die vorher mit den Variantenteilen im Lager vor-
gehaltenen Produktions-Kanbans im 4. Schritt an das vorgelagerte Arbeitssys-
tem gesendet werden. Die eine Produktions-Kanban wird direkt vom Arbeits-
system aufgenommen, die andere an der entsprechenden Kanban-Tafel ab-
gelegt.
26
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wiendahl (2008), S. 344; Lödding (2008), S. 183.
TK TK TK PK PK PK TK TK
1 2 3 1 2 1 2 3
: Transportbehälter AS : Arbeitssystem : Pufferlager innerhalb der Fertigung
: Variante : Kanban-Tafel (Produktionskanban) : Endlager
: Produktionskanban : Kanban-Tafel (Tranfportkanban) : Verbraucher
: Transportkanban : Schrittfolge : Produktionsbereich
PKPK
AS 2AS 1
Fertigung
PK
TK
PK
5
6
7
8
9
PK
TK
2 3
1 2
PK10
1 - 10
Verbraucher
4
TK
1
2
TK
3
PK PK PK
Lager
1
2. Grundlagen
12
• Im 5. Schritt wird ein Halbprodukt aus dem Pufferlager genommen.
• Die Schritte 6, 7 stellen die Nachschubversorgung von Arbeits-system zwei
dar.
• Das löst wiederum Schritt 8 aus, die Nachproduktion des dort vorgelagerten
Teilproduktes von Arbeitssystem eins.
• Dieses versorgt sich im 9. Schritt mit benötigtem Material für die Fertigung und
fordert über die Transport-Kanban im 10. Schritt ebenfalls Nachschub an.
Eine zentrale Produktionssteuerung ist im Rahmen des Kanban-Systems trotz des
automatisierten Ablaufs notwendig.27
Sie erstellt z.B. übergeordnete Termin- und Ka-
pazitätsgrobplanungen zur Sicherstellung der Produktionsaktivität und legt den Men-
genausstoß pro Teil und Zeit durch die Bestimmung des quantitativen Produktmixes
fest. Zudem ist sie für die Aufnahme und Stornieren von Aufträgen sowie die Auf-
tragsfortschrittsüberwachung durch Registrieren der Kartenumläufe verantwortlich.
Für einen sinnvollen Einsatz des Kanban-Systems müssen außerdem folgende Vo-
raussetzungen gegeben sein:28
• Die durch das Kanban-Verfahren gesteuerten Teile dürfen nur geringen Be-
darfsschwankungen unterliegen.
• Das Produktionsprogramm sollte harmonisiert sein.
• Die Betriebsmittelaufstellung muss ablauforientiert organisiert und bei mög-
lichst gleichem Arbeitsrhythmus mit den Kapazitäten abgestimmt sein.
• Die Umrüstzeiten sollten möglichst gering und die Verfügbarkeit der Betriebs-
einrichtungen möglichst hoch sein.
• Die Qualität soll durch Selbstkontrolle am Arbeitsplatz sichergestellt werden.
• Es dürfen nur verwendbare Teile an den Verbraucher bzw. die nächste Ferti-
gungsstufe weitergegeben werden, da keine Reserveteile eingeplant sind.
• Die Mitarbeiter müssen hoch motiviert und qualifiziert sein und zur exakten Er-
füllung der Vorgaben angehalten werden.
27
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wildemann (1984), S. 36.
28
Vgl. für die folgende Aufzählung Wildemann (1982), S. 11-15, S. 38-62; Wiendahl (2008), S. 345.
2. Grundlagen
13
2.2. Entscheidungstheorie
2.2.1. Einführung in die Entscheidungstheorie
Hintergrund und Ziele:
Laut Bamberg, Coenenberg und Krapp hat die Betriebswirtschaftslehre die Aufgabe,
die in betriebswirtschaftlichen Organisationen tätigen Menschen bei ihren Entschei-
dungen beratend zu unterstützen.29
Daher wird die Betriebswirtschaftslehre häufig
auch als spezielle oder angewandte Entscheidungstheorie bezeichnet.30
Die Ent-
scheidungstheorie an sich befasst sich systematisch mit dem Entscheidungsverhal-
ten von Individuen und Gruppen. Als Entscheidung wird hierbei die Wahl einer aus
mehreren Handlungsalternativen bezeichnet. Hintergrund entscheidungstheoreti-
scher Beobachtungen und Untersuchungen ist die Gewinnung von beschreibenden
(deskriptiven) oder vorschreibenden (präskriptiven) Aussagen. Demnach lässt sich
die Entscheidungstheorie je nach Forschungsziel unterscheiden.
Ziel der deskriptiven Entscheidungstheorie ist die Beschreibung und Erklärung von
Entscheidungsfindungen in der Realität. Kernfragen sind hierbei also: Wie und wa-
rum werden Entscheidungen getroffen? Untersucht wird das Verhalten von Indivi-
duen und Gruppen im Entscheidungsprozess, um daraus empirisch gehaltvolle
Hypothesen abzuleiten, die anschließend ggf. bei der Prognose oder Steuerung
von Entscheidungen hilfreich sein können.
Ziel der präskriptiven bzw. normativen Entscheidungstheorie ist es darzulegen,
wie Entscheidungen „rational“ getroffen werden können. Kernfrage hierbei ist: Was
soll ein Entscheider in unterschiedlichen Entscheidungssituationen tun? Die prä-
skriptive Entscheidungstheorie, auch Entscheidungslogik genannt, gibt Ratschläge
zur Lösung von Entscheidungsproblemen. Sie ist nicht direkter Gegenstand dieser
Arbeit und wird daher nicht näher betrachtet.
Die Entscheidungssituation und der oder die Entscheidungsträger bilden die zwei
wesentlichen Elemente einer solchen Untersuchung.31
Die Entscheidungssituation
kann durch Zielsetzungen, Rahmenbedingungen und mögliche Handlungsaktionen
beschrieben werden und durch deren Kombinationen zu unterschiedlich günstigen
29
Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 11.
30
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 3-4.
31
Vgl. für den folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 1.
2. Grundlagen
14
oder ungünstigen Ergebnissen führen. I.d.R. kann der Entscheidungsträger diese
Kombinationen und damit die Ergebnisse jedoch nur zu einem gewissen Teil beein-
flussen. Ziel der Betriebswirtschaftslehre als angewandte Entscheidungslehre ist es,
Aussagen darüber zu erhalten, wie das Entscheidungsverhalten der Menschen in der
Betriebswirtschaft sein soll, um Ziele möglichst optimal zu erreichen, und daraus
normative Entscheidungsmodelle zu entwickeln, die die Ableitung rationaler Prob-
lemlösungen für praktische Entscheidungssituationen ermöglichen.32
Grundbegriffe:33
• Um beurteilen zu können wie und warum Entscheidungen getroffen werden
oder getroffen werden sollten, muss Klarheit über die anzustrebende Zielvor-
stellung herrschen. Sie hilft Handlungsalternativen nach ihrer Zweckdienlich-
keit zu beurteilen und zu priorisieren.
• Im Rahmen eines Entscheidungsproblems muss ein Entscheider eine Hand-
lungsalternative aus einer Menge zur Wahl stehender Handlungsalternativen
auswählen. Hierfür muss er die Alternativen bezüglich ihrer wahrscheinlich
eintretenden Ergebnisse und deren Nutzen bewerten.
• Ein Entscheidungsfeld bildet das Entscheidungsproblem zur Bewertung der
Alternativen ab. Es wird durch die Alternativen, Ergebnisse und Umweltent-
wicklungen gekennzeichnet.
• Zur Priorisierung der vorliegenden Handlungsalternativen muss das Zielsys-
tem gewissen Anforderungen entsprechen. Der Entscheidungsträger benötigt
zum einen eine genaue Vorstellung über die für die Entscheidung relevanten
Zielgrößen und zum anderen Präferenzrelationen bzgl. der verschiedenen Er-
gebnismerkmale.34
32
Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 11.
33
Vgl. für die folgenden Aufzählung Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 4-7; Bam-
berg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 27
34
Eine nähere Betrachtung von Grundbegriffen der Entscheidungstheorie ist nicht Gegenstand dieser
Arbeit. Für nähere Informationen siehe auch Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012); Bam-
berg/Coenenberg/Krapp (2012); Bitz (1981).
2. Grundlagen
15
Informationsstände Sicherheit, Risiko und Ungewissheit:
Wie bereits erwähnt, besteht ein Entscheidungsfeld aus drei Komponenten: Hand-
lungsalternativen, Umweltzuständen und Ergebnissen.35
Die Menge aller relevanten
Umfeldzustände wird Zustandsraum genannt. Je nach Kenntnisstand über den tat-
sächlichen Umfeldzustand wird nach drei Fällen unterschieden, Mischformen sind
auch möglich. In einer Ungewissheitssituation ist lediglich bekannt, dass irgendeiner
der Zustände eintreten wird. Eine Risikosituation liegt vor, wenn Wahrscheinlichkei-
ten für das Eintreten der Zustände bekannt sind. Eine Sicherheitssituation (Extrem-
fall) ist gegeben, wenn der wahre Umfeldzustand bekannt ist.
Handlungskonsequenzen von Aktionen und Zuständen können vom Entscheidungs-
träger basierend auf Kenntnissen bestehender Gesetzmäßigkeiten bestimmt werden.
Auch hier kann wieder bzgl. der Informationsstände Sicherheit, Risiko und Unge-
wissheit unterschieden werden. Nachfolgende Abbildung 6 veranschaulicht die ver-
schiedenen Informationsstände betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme.
Abbildung 6: Informationszustände von Entscheidungssituationen
36
Risikoeinstellung:
In einer Risikosituation ist der Entscheidungsträger in der Lage, Wahrscheinlichkeiten
für das Eintreten künftiger Umweltzustände anzugeben.37
Muss ein Entscheidungs-
träger eine Entscheidung unter Risiko treffen, so wird diese nicht nur von wahr-
scheinlichen Umweltzuständen beeinflusst, sondern auch von dessen Einstellung
zum Risiko. Es werden drei Risikoeinstellungen unterschieden, Risikoneutralität, Ri-
sikoaversion und Risikofreude. Ein risikoneutraler Entscheider ist bei gleicher Erwar-
tung indifferent zwischen einer riskanten Alternative und einer sicheren. Ein risiko-
averser Entscheider zieht eine sicherere Alternative vor einer riskanteren vor, ein
risikofreudiger Entscheider präferiert die riskantere Alternative.
35
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 15-26.
36
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 24.
37
Vgl. für den folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 92-93.
Konsequenzen
Sicherheit Risiko Ungewissheit
Sicherheit Sicherheit Risiko Ungewissheit
Zustände Risiko Risiko Risiko Ungewissheit
Ungewissheit Ungewissheit Ungewissheit Ungewissheit
Informationszustände
bezüglich
2. Grundlagen
16
2.2.2. Rationalität und ihre Beschränkungen im menschlichen Handeln
Rationales Verhalten in Entscheidungssituationen:
Der Begriff der Rationalität wurde in der Vergangenheit unterschiedlich definiert.38
Weber definierte Rationalität wie folgt: „Zweckrational handelt, wer sein Handeln
nach Zweck, Mittel und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die
Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nachfolgen, wie endlich auch die verschiedenen
Zwecke gegeneinander rational abwägt: also jedenfalls weder affektuell (und insbe-
sondere nicht emotional), noch traditional handelt.“39
Wie Entscheidungen in Risikosituationen rational getroffen werden können, wird vom
Bernoulli-Prinzip beschrieben.40
Die auszuwählende optimale Alternative ist hierbei
diejenige, mit dem höchsten Erwartungswert des Nutzens der möglichen Ergebnisse.
Aufgrund der Plausibilität der dem Bernoulli-Prinzip zu Grunde liegenden Axiome
rationalen Verhaltens, ist „[…] das BERNOULLI-Prinzip das wichtigste normative
Entscheidungskriterium bei Risiko.“41
Im Folgenden werden die Axiome rationalen
Verhaltens kurz aufgeführt:42
1) Ordinalprinzip: Dieses Axiom fordert, dass die zur Auswahl stehenden Al-
ternativen in eine eindeutige Rangordnung zu bringen sind. Demnach im-
pliziert dieses Axiom, dass die Alternativen vergleichbar und transitiv sind.
Transitivität besteht, wenn Alternative A der Alternative B und Alternative B
der Alternative C vorzuziehen ist und daraus folgt, dass A auch C vorzu-
ziehen ist.
2) Dominanzprinzip: Nach diesem, auch Wahrscheinlichkeitsdominanz ge-
nannten, Prinzip ist Alternative A der Alternative B vorzuziehen, wenn für
jede mögliche Wahrscheinlichkeit der Ergebniswert von A gleich dem von
B ist, er jedoch für mindestens eine Wahrscheinlichkeit größer ist als der
von B.
3) Stetigkeitsprinzip: Dieses Prinzip besagt, dass es eine Indifferenzwahr-
scheinlichkeit zwischen einer Chance mit einem Ergebnis E1 und einem
38
Vgl. Weber/Schäffer/Langenbach (2001), S. 46-76; Habermas (1988), S. 15-141; Irle (2011), S. 66-
70.
39
Weber (1988), S. 566.
40
Vgl. für den folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 109-110.
41
Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 109.
42
Vgl. für die folgende Aufzählung Bitz (1981), S. 180-182; Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012),
S. 89-91; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 121-125.
2. Grundlagen
17
sicheren Ergebnis E2 gibt und dass der Entscheidungsträger diese be-
zeichnen und fixieren kann. In anderen Worten, es existiert ein Punkt, bei
dem der Entscheider zwischen Chance und sicherem Ergebnis indifferent
ist, wenn die Wahrscheinlichkeit von Null an für das optimale Ergebnis E
stetig erhöht wird.
4) Substitutionsprinzip: Wird ein Ergebnis A in einer Wahrscheinlichkeitsver-
teilung durch eine äquivalente Lotterie ersetzt, ergibt sich eine der vorheri-
gen Verteilung gleichwertige Wahrscheinlichkeitsverteilung. Demnach er-
zielt der Entscheidungsträger keinen Vor- oder Nachteil, wenn er ein Er-
gebnis gegen eine Lotterie tauscht, wenn er zwischen ihnen indifferent ist.
5) Reduktionsprinzip: Eine einfache bzw. einstufige Wahrscheinlichkeitsver-
teilung ist gleich einer zusammengesetzten bzw. mehrstufigen Wahr-
scheinlichkeitsverteilung, wenn jedes Ergebnis mit derselben Wahrschein-
lichkeit eintritt.
6) Monotonieprinzip: Von zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen, bei denen
nur die Ergebnisse A und B mit A > B eintreten können, ist diejenige vor-
zuziehen, bei der das A die größere Eintrittswahrscheinlichkeit aufweist.
Das Bernoulli-Prinzip und die zugehörigen Axiome können sich nicht aller Kritik, ins-
besondere vor dem Hintergrund mangelnden Realitätsbezugs, erwehren, sind jedoch
plausibel und nachvollziehbar.43
Laut Laux, Gillenkirch und Schenk-Mathes gilt
daher: „Wer sie akzeptiert, sollte dem BERNOULLI-Prinzip folgen.“44
Festgestellte Paradoxien und Ursachen von Rationalitätsdefiziten:
Verschiedene Laborexperimente zum menschlichen Entscheidungsverhalten haben
systematische Abweichungen der Entscheider von rationalem Verhalten aufgezeigt.45
Aufgrund der Konzipierung der Experimente scheiden begrenzte Rationalität und ir-
rationales Verhalten der Entscheider als Erklärungsgrundlage aus. Folgende Be-
obachtungen wurden hierbei u.a. gemacht:
43
Eine nähere Betrachtung zur Anwendung und Kritiken am Bernoulli-Prinzip ist nicht Gegenstand
dieser Arbeit. Für nähere Informationen siehe auch Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 109-
144; Bamberg (2012) S. 67-106.
44
Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 121.
45
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 148,
S. 162-163.
2. Grundlagen
18
• Entscheidungsträger messen der Sicherheit eines Ergebnisses besonderes
Gewicht bei, d.h. ist eine zur Wahl stehende Alternative sicher, beeinflusst das
den Vergleich von Alternativen.
• Sind die Wahrscheinlichkeiten für Ergebnisse gering, so reagieren Entschei-
dungsträger weniger stark auf Unterschiede. In solchen Situationen orientieren
sie sich eher an Unterschieden im Ergebnis.
• Das Reduktionsaxiom wird nicht konsequent von den Entscheidungsträgern
angewandt. Je nachdem, wie unsicher Handlungsalternativen bzgl. der Um-
weltzustände dargestellt werden, entscheiden sie in unterschiedlicher Weise.
• Die Darstellung von Entscheidungsproblemen, speziell die Darstellung von
Ergebnissen, beeinflusst Entscheidungsträger.
• Referenzpunkte, die sich je nach Entscheidungssituation verändern können,
werden von Entscheidern zur Orientierung genutzt.
• Entscheider bewerten Verluste wesentlich stärker als Gewinne gleichen Be-
trags. Diese Verlustaversität kann nicht durch rationale Argumente wie Reich-
tumseffekte oder Konkavität der Nutzenfunktion erklärt werden.
• Unsichere Verluste und unsichere Gewinne werden nicht gleich bewertet. Die
Risikoeinstellung wird um den Gewinn/Verlust-Referenzpunkt gespiegelt.
• Die Art der Befragung zur Festlegung der Präferenzen von Entscheidungsträ-
gern beeinflusst diese.
Die beobachteten Abweichungen lieferten wichtige Impulse für die Weiterentwicklung
entscheidungstheoretischer Ansätze, ein allgemeines Modell zur Erklärung aller be-
kannter Paradoxien liegt jedoch bisher nicht vor.46
Abbildung 7 stellt eine Übersicht
zu möglichen Ursachen von Rationalitätsdefiziten dar. Hierbei wird in erster Linie un-
terschieden in das Wollen und Können des Menschen.47
Anschließend werden kog-
nitive Beschränkungen anhand folgender Annahmen, wobei sich die Struktur am im
Gehirn ablaufenden Entscheidungsprozess orientiert, dargestellt:
• Resourceful – Der Mensch sucht aktiv und intelligent nach Möglichkeiten der
Zielrealisierung.
46
Vgl. Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 146; für weitere Informationen zu Rationalität, Rati-
onalitätsdefiziten und deren Ursachen siehe auch Habermas (1988), Weber (1988),
Weber/Schäffer/Langenbach (2001), Irle (2011).
47
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Irle (2011), S. 74-75.
2. Grundlagen
19
• Restricted – Aus der Knappheit der Güter ergibt sich eine Beschränkung der
Wahlmöglichkeiten.
• Evaluating – Menschen bewerten Zustände und Geschehnisse.
• Expecting – Menschen erwarten künftige Zustände und Geschehnisse mit ei-
ner bestimmten Wahrscheinlichkeit.
• Maximizing – Der Mensch versucht, aus den beschränkten Möglichkeiten das
Beste zu machen.
Abbildung 7: Übersicht zu Ursachen von Rationalitätsdefiziten
48
2.2.3. Deskriptive Entscheidungstheorie
Berücksichtigung begrenzter Rationalität:
Die Empfehlung der präskriptiven Entscheidungstheorie Entscheidungen rational zu
treffen ist eingängig, ohne weitere Erklärungen jedoch schwer greifbar.49
Vor diesem
Hintergrund wurde rationales Verhalten, anhand des Bernoulli-Prinzip grob erläutert.
Dennoch ist, wie unter Punkt 2.2.2 dargestellt, in der Realität immer wieder nicht rati-
48
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Irle (2011), S. 91.
49
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 145-147.
Arbeitsscheu
Abweichende Karrierepräferenzen
Abweichende Risikopräferenzen
Abweichende Zeitpräferenzen
Wissensbeschränkungen
Beschränkte Wahrnehmumngsfähigkeit
Wahrnehmungsverzerrung
Groupthink
Koordinationsprobleme
Restricted - (keine Erweiterung erforderlich)
Beschränkte Bewertungsfähigkeit
Bewertungsverzerrung
Verzerrung bei der Kontrolle
Beschränkte Lernfähigkeiten
Verzerrung beim Lernen
Risikoschub
Macht
Beschränkte Prognosefähigkeiten
Prognoseverzerrung
Sujektive Optimierung
Durchschnitts- statt Grenzbetrachtung
Satisfizierung
Ursachen von Rationalitätsdefiziten
Eigeninteressiertes Verhalten
Resourceful
Evaluating
Expecting
Maximizing
Kognitive
Beschränkungen
2. Grundlagen
20
onales Verhalten von Entscheidungsträgern zu beobachten. Diverse Experimente
zeigen systematische Verstöße gegen Axiome der präskriptiven Entscheidungstheo-
rie auf. Diese Erkenntnisse führten zur Entwicklung sogenannter Non-Expected-
Utility-Modelle, die helfen sollen, das tatsächliche Verhalten von Entscheidungsträ-
gern einzufangen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass der Entscheidungsträger
nach klaren und konsistenten Präferenzen entscheidet. Die beobachteten Abwei-
chungen werden gesammelt und zu Prinzipien zusammengefasst, um sie als Grund-
lage für Prognosen nutzen zu können. In vielen Entscheidungssituationen ist es un-
abdingbar, menschliches Verhalten zu prognostizieren. So ist es für die Konzeption
von Arbeitsverträgen oder Entlohnungssystemen essentiell zu wissen, wie Mitarbeiter
auf Anreize tatsächlich reagieren und wie in der Realität Alternativen und Wahr-
scheinlichkeitsurteile gebildet werden.
Aufgrund des häufig kritisierten geringen Realitätsbezuges früherer Ansätze hat sich
die Entwicklungsrichtung der deskriptiven Entscheidungstheorie im Laufe der Zeit
verändert und ist seither auf eine interdisziplinäre, verhaltenswissenschaftliche Ana-
lyse der den Entscheidungsprozessen zu Grunde liegenden kognitiven Prozesse des
Individuums ausgerichtet.50
Besonders bedeutend und interessant für betriebswirt-
schaftliche Entscheidungen in Unternehmen sind z.B. die Propect Theory von
Kahneman und Tversky und der von R. M. Cyert und J. G. March entwickelte Ansatz
„A behavioral theory of the firm“.51
Ausgangspunkt letztgenannter Theorie ist die Er-
kenntnis der begrenzten Rationalität des Individuums aufgrund limitierter Informati-
onsgewinnungs- und Informationsverarbeitungskapazitäten. Daher wird hier nur von
bedingter bzw. anzustrebender Rationalität ausgegangen. Der Entscheider handhabt
diese begrenzten Kapazitäten zur Informationsgewinnung und -verarbeitung durch
unterschiedlich starke Vereinfachungen des Entscheidungsproblems. Zudem strebt
er oftmals lediglich nach zufriedenstellenden und nicht nach optimalen Lösungen des
Problems. Die Folge dessen ist laut Cyert und March oft ein adaptives Problemlö-
sungsverhalten, bei dem Folgeprobleme in Anlehnung an vorangegangene Probleme
mit möglichst geringem Aufwand bewältigt werden. Im Fokus der Betrachtung im
Rahmen dieser Theorie steht demnach neben dem Auswahlprozess das Zu-Stande-
Kommen der Entscheidungsprämissen, also der Prozess der Zielbildung und Infor-
mationsgewinnung.
50
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 6-11.
51
Vgl. Kahneman/Tversky (1979), S. 263-284; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 163-164,
S. 181-183.
2. Grundlagen
21
Aufbau und Ablauf deskriptiver Untersuchungen:
Gegenstand der deskriptiven Entscheidungstheorie ist das Zu-Stande-Kommen von
Entscheidungen, weshalb empirisch beobachtete Begrenzungen der Rationalität in
aufgestellte Thesen integriert werden müssen.52
Aufgabe der deskriptiven Entschei-
dungstheorie ist daher u.a. empirische Zusammenhänge zwischen den Variablen des
Bezugsrahmens aufzudecken und zu erklären. Warum bestimmte Ereignisse einge-
treten sind oder eintreten werden, wird hierbei basierend auf gesetzmäßigen Hypo-
thesen und bekannten Ausgangsbedingungen zu erklären versucht. Diese wissen-
schaftlichen Erklärungen basieren auf drei Bestandteilen:
• Anfangsbedingungen der konkreten Situation,
• für den Sachverhalt relevanten Gesetzmäßigkeiten,
• beschreibenden, empirischen Aussagen über den Sachverhalt.
Abbildung 8: Aufbau von Beschreibungs- / Erklärungsmodellen
53
Wie bereits erwähnt, bilden die Entscheidungssituation und der Entscheidungsträger
zwei wesentliche Elemente einer solchen Untersuchung. Abbildung 8 visualisiert, wie
alle drei Bestandteile der Erklärung diese berücksichtigen. Somit integriert das Be-
52
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 5.
53
Quelle: Eigene Darstellung.
2. Grundlagen
22
schreibungs- bzw. Erklärungsmodell neben Faktoren die den Entscheidungsträger
beeinflussen ebenso das Zielsystem und die im Entscheidungsfeld enthaltenen In-
formationen zu Handlungsalternativen, Umweltentwicklungen und möglichen Ergeb-
nissen sowie darauf aufbauende Wahrscheinlichkeitsurteile und Prognosen. Die Er-
klärung besteht nun bspw. aus der Ermittlung einer unbekannten Gesetzmäßigkeit
auf Basis einer bekannten Anfangsbedingung und bestimmten Aussagen über den
Sachverhalt.54
Ebenso ersichtlich ist, dass sich das Erklärungsmodell auch zur Er-
stellung von Prognosen verwenden lässt, indem aus bekannten Gesetzmäßigkeiten
und Anfangsbedingungen durch logisches Ableiten die noch unbekannten Aussagen
über den Sachverhalt erschlossen werden. Das folgende Beispiel verdeutlicht diesen
modellhaften Prozess noch einmal:
(Anfangsbedingungen) Ein Unternehmen nutzt das Kanban-Verfahren zur Ferti-
gungssteuerung. Aktuell werden X Produktions- und Y Transport-Kanbans zur Steue-
rung verwendet. (Relevante Gesetzmäßigkeit) In den vergangenen Jahren stieg die
Nachfrage im bevorstehenden Quartal jeweils zwischen 25 und 30 Prozent an, wes-
halb ein solcher Nachfrageanstieg auch im aktuellen Jahr prognostiziert wurde. (Aus-
sagen zum Sachverhalt) Um die Fertigung an die steigende Nachfrage anzupassen,
muss die Anzahl der Produktions- und Transport-Kanbans überprüft und optimiert
werden. Es wird angenommen, dass die optimale Anpassung bei einer Erhöhung um
jeweils 25 Prozent liegt. Denkbare Hypothesen hierzu könnten sein, dass ein risiko-
freudiger Entscheider zur Optimierung der Auslastung zu einer geringeren Steige-
rung der Kartenanzahl neigt und z.B. nur eine Anpassung um 20 Prozent vornimmt,
ein risikoaverser Entscheider dagegen tendiert evtl. zur Sicherstellung der Befriedi-
gung der Nachfrage zu einer höheren Anpassung und erwägt bspw. eine Anpassung
um 35 Prozent. Anschließend sollen die Hypothesen empirisch überprüft werden.
54
Vgl. für den folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 5.
2. Grundlagen
23
2.2.4. Entscheidung als Prozess
Phasenschema des Entscheidungsprozesses:
Steht ein Entscheidungsträger vor einem Entscheidungsproblem, so vollzieht sich die
Entscheidungsfindung als mehrstufiger Prozess, der wie folgt dargestellt werden
kann.55
Die Prozessschritte sind in der Realität jedoch nicht immer eindeutig vonei-
nander zu trennen und sollten daher nicht isoliert betrachtet werden:
(1) Problemformulierung und Präzisierung des Zielsystems
Angeregt wird ein Entscheidungsprozess häufig dadurch, dass eine unbefriedi-
gende Entwicklung einer bestimmten Situation erkannt wird, wie z.B. der Ausfall
einer Maschine.56
Hierbei kann es routinemäßig zu einer Problemformulierung
kommen. Ist die Ursache unbekannt, kann die Formulierung des Problems aber
auch einen langwierigen Suchprozess erfordern. Das Treffen optimaler Entschei-
dungen ist jedoch nur möglich, wenn angemessene Zielvorstellungen definiert
wurden, die eine Bewertung der Alternativen ermöglichen. Oft ist daher eine Prä-
zisierung des Zielsystems notwendig. Sie gibt der Alternativenanalyse eine kon-
krete Richtung und der Alternativenbewertung einen Bewertungsmaßstab.
(2) Erforschung der möglichen Handlungsalternativen
Dieser Schritt kann in drei Bestandteile unterschieden werden:57
(a) Ermittlung von Restriktionen für mögliche Alternativen: D.h. es müssen Bedin-
gungen für gültige Lösungen definiert werden und z.B. Begrenzungen finanzi-
eller Mittel oder Produktionskapazitäten berücksichtigt werden.
(b) Suche bzw. Entwicklung von Alternativen: Wissensstand, Erfahrung und Krea-
tivität des Entscheidungsträgers beeinflussen diesen Schritt wesentlich. Erfah-
rungswerte helfen sowohl bei der Suche nach Alternativen als auch bei der
Schätzung ihrer Konsequenzen, können sich jedoch auch hemmend auf das
Erkennen von Alternativen auswirken. Durch das Einbeziehen von Wissen, Er-
fahrung und Ideen anderer Personen, kann die Anzahl und Qualität der erwo-
genen Alternativen optimiert werden.
55
Vgl. für den folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 12.
56
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 12-13.
57
Vgl. für die gesamten folgenden Unterpunkte Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 13-14.
2. Grundlagen
24
(c) Prognose der Ergebnisse der Alternativen: Notwendige Voraussetzung zum
Treffen einer möglichst optimalen Entscheidung ist das Abschätzen der Kon-
sequenzen der Alternativen. Aufgrund meist unvollkommener Informations-
stände, ist eine sichere Prognose i.d.R. nicht möglich. Der Entscheidungsträ-
ger kann sich lediglich von seinem Informationsstand abhängige Wahrschein-
lichkeitsurteile zu möglichen Ergebnissen bilden.
(3) Auswahl einer Alternative
Die rationale Auswahl einer Handlungsalternative basiert prinzipiell auf dem
Grundsatz diejenige Alternative zu wählen, die das höchste Maß an Bedürfnisbe-
friedigung verspricht.58
Entscheidungsregeln legen fest, wie hierfür aus den zur
Verfügung stehenden Alternativen die passende ausgewählt werden kann. Präfe-
renzenfunktionen ordnen den Alternativen Präferenzwerte zu. Orientierungskrite-
rien beschreiben, welche Ausprägung des Präferenzwertes angestrebt wird. Eine
solche Entscheidungsregel wird oft auch als Zielfunktion bezeichnet. Entschei-
dungsprinzipien hingegen führen nicht zwingend zu einer eindeutigen Lösung des
Problems. Sie geben eine Richtlinie für die Ermittlung der Präferenzen vor, lassen
jedoch einen gewissen Entscheidungsspielraum offen. Häufig ist es schon vor der
Bewertung möglich die Anzahl der relevanten Alternativen durch sogenannte
„schwache“ Entscheidungsprinzipien zu reduzieren.59
Dominanzkriterien zielen
z.B. auf den Vergleich von zwei Alternativen ab und beinhalten Aussagen dazu,
unter welchen Bedingungen eine Alternative der anderen vorzuziehen ist, auch
ohne diese abschließend zu bewerten. Die geläufigsten Dominanzkriterien sind
die absolute Dominanz, die Zustandsdominanz und die Wahrscheinlichkeitsdomi-
nanz. Letztere wurde bereits im Rahmen des Bernoulli-Prinzips unter Punkt 2.2.2
erläutert. Bei der absoluten Dominanz ist Alternativen A Alternative B vorzuzie-
hen, wenn das schlechtmöglichste Ergebnis von A nicht schlechter ist als das
bestmögliche Ergebnis von B. Laut der Zustandsdominanz ist die Alternative A
der Alternative B vorzuziehen, wenn A bei keinem Umweltzustand zu einem
schlechteren, bei mindestens einem aber zu einem besseren Ergebnis führt als B.
58
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 33-38.
59
Vgl. Bitz (1981), S. 20-24.
2. Grundlagen
25
Entscheidung als sozialer Prozess:
Entscheidungen hängen in der Realität in hohem Maße von sozialen Aspekten ab.60
Der Entscheidungsträger kann z.B. seine Entscheidungsgrundlage verbessern, in-
dem er sich über objektive Daten, subjektive Wahrscheinlichkeitsvorstellungen oder
subjektive Bewertungen von Alternativen bei anderen Personen informiert. Diese In-
formationsbeschaffung ist von seinem sozialen Umfeld und seinen sozialen Fähigkei-
ten abhängig. Ebenso kann der Entscheider bspw. aus sozialen Gründen bei der
Festlegung der gewünschten Ergebnisse oder der Bewertung von Alternativen die
Präferenzen anderer Personen berücksichtigen. Dies kann über die Ergebnisdefiniti-
on, die Bewertung der Ergebnisse oder auch über Nebenbedingungen, die den
Handlungsspielraum einengen, geschehen. Ein Unternehmer könnte z.B. eine ge-
wisse Gewinnschmälerung in Kauf nehmen, um Entlassungen zu vermeiden.
60
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 46.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
26
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteue-
rung
3.1. Problemstellung und Vorgehen
Aufgabe der Fertigungssteuerung ist, die Vorgaben der Produktionsplanung auch bei
oft unvermeidlichen Störungen möglichst optimal zu realisieren.61
Das Zielsystem der
Fertigungssteuerung wird hierbei über die logistischen Zielgrößen der Logistikleis-
tung und -kosten dargestellt. Im Rahmen eines effektiven Produktionsmanagements
werden Methoden und Mittel vorausgesetzt, übergeordnete Unternehmensziele in
zielorientierte Maßnahmen umzusetzen.62
Die von produzierenden Unternehmen
erwartete hohe Aktions- und Reaktionsfähigkeit ist hierbei durch einen durchgängi-
gen Entscheidungsprozess im gesamten Unternehmen sicher zu stellen. Für die Fer-
tigungssteuerung bedeutet dies, dass zum einen geänderte Unternehmensziele di-
rekt in den laufenden Planungsprozess einfließen und zum anderen die Rückwirkun-
gen von Handlungsalternativen auf die Gesamtzielerreichung bekannt sein müssen.
Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind Kenntnisse über die Beziehun-
gen zwischen den Unternehmenszielen und den Zielen der Fertigungssteuerung so-
wie zwischen den Zielgrößen der Fertigungssteuerung notwendig, da hohe Flexibilität
eine entsprechende Transparenz des Entscheidungs- und Durchführungsprozesses
voraussetzt.
Fertigungsverfahren dienen der effizienten Umsetzung der Produktionsplanung.
Hierzu werden die Fertigungsprozesse umfassend strukturiert, standardisiert und
automatisiert und durch geeignete Hard- und Softwarekonfigurationen unterstützt.
Solche Konzeptionen sehen an den Nahtstellen zwischen den PPS-Funktionen wei-
terhin Schnittstellen mit dem Menschen vor.63
Trotz umfangreicher Programme und
schneller Rechner wird es immer Situationen geben, die nicht vorausgesehen wur-
den und somit Berechnungen verfälschen oder deren Ergebnisse unbrauchbar ma-
chen.64
Der sachverständige Mensch ist als weiteres Steuerungselement zwingend
erforderlich. Er muss im Programmablauf entsprechend der Ergebnisse der Compu-
terberechnungen Entscheidungen fällen und steuernd eingreifen.
61
Vgl. Punkt 2.1 Fertigungssteuerung.
62
Vgl. für den folgenden Absatz Wedemeyer (1989), S. 2-3.
63
Vgl. Schomburg (1984), S. 10.
64
Vgl. für den folgenden Absatz Scheel (1980), S. 42.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
27
Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, die Transparenz in diesem Entscheidungs-
und Durchführungsprozess durch eine strukturierte Betrachtung der vom Menschen
zu treffenden Entscheidung zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden
Kapitel 3 zunächst aus den Aufgaben der Fertigungssteuerung hergeleitet, in wel-
chen Bereichen bzw. Prozessschritten der Mensch anzutreffen ist und welche Ent-
scheidungen er dort treffen muss. Anschließend werden Informations- und Unterstüt-
zungssysteme betrachtet, um darauf folgend ausgewählte Entscheidungssituationen
am Beispiel der Kanban-Steuerung im Detail zu analysieren. Darauf basierend wer-
den Hypothesen zu möglichen suboptimalen Entscheidungen aufgestellt und Opti-
mierungspotentiale erarbeitet.
3.2. Aufgaben der Fertigungssteuerung und Schnittstellen mit dem
Menschen
Im Rahmen der Fertigung ist der Mensch bei der Planung, Gestaltung und Organisa-
tion sowie Steuerung und Kontrolle der Fertigung anzutreffen.65
Unter Punkt 2.1.2
wurden die Aufgaben der Fertigungssteuerung bereits von weiteren Aufgaben der
PPS abgegrenzt. Um Schnittstellen mit dem Menschen nun im Detail ausfindig zu
machen, werden im Folgenden die Aufgaben der Fertigungssteuerung strukturiert
betrachtet (vgl. Abbildung 9).66
65
Vgl. Schiemenz (2001), S. 152-186.
66
Vgl. Wedemeyer (1989), S. 5-7; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 325-334.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
28
Abbildung 9: Aufgaben der Fertigungssteuerung
67
Eine gewissenhafte Planung ist Voraussetzung für eine optimale Fertigungssteue-
rung, um betriebswirtschaftliche, technische und arbeitsorganisatorische Fehler zu
vermeiden.68
Diese institutionelle und funktionelle Aufgabe wird von der Arbeitsvor-
bereitung durchgeführt. Die Planung, Steuerung und Kontrolle der Produkterstellung
auf institutioneller Ebene übernimmt i.d.R. eine Stabstelle. Auf funktioneller Ebene
übernimmt die Arbeitsvorbereitung die Entwicklung der optimalen Planungs-, Steue-
rungs- und Kontrollmethoden zur Zusammenarbeit von fertigungstechnischen, be-
triebswirtschaftlichen und arbeitsorganisatorischen Unternehmensbereichen. Der
Planung kommt im Rahmen der PPS eine besondere Rolle zu, da sie übergreifend
alle anderen Schnittstellen beeinflusst und zudem durch einen fließenden Übergang
67
Quelle: Eigene Darstellung.
68
Vgl. für den folgenden Absatz Kaminsky/Heigenhauser (1970), S. 397-402.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
29
von der übergeordneten Produktionsprogrammplanung zur detaillierten Planung der
Fertigung gekennzeichnet ist. Ein durchgängiges hierarchisches Planungskonzept
stellt z.B. das Manufacturing Resources Planning (MRP II) dar.69
Die II im Kürzel
dient der Abgrenzung vom Material Requirements Planning (MRP). Auf der obersten
Ebene der Planung wird der hoch aggregierte Geschäftsplan erstellt, auf unterster
Ebene der Ablaufplan. Dazwischen sind die Stufen Aggregierte Planung, Produkti-
onsprogrammplanung und Materialbedarfsplanung zu durchlaufen. Der zeitliche und
räumliche Detaillierungsgrad nimmt hierbei mit der Planungsebene zu, wobei die zeit-
liche Reichweite abnimmt. Die übergeordneten Ebenen geben den nachfolgenden
die Rahmenbedingungen vor. Sollte jedoch unter den gegebenen Rahmenbedingun-
gen keine gute Lösung gefunden werden, so erfolgt eine Rückkopplung zur vorange-
gangenen Stufe.
Die Organisation und Gestaltung dient der Planung auf mittelfristig-dispositiver
Ebene.70
Sie umfasst u.a. Termin-, Kapazitäts- und Reihenfolgenplanungen, die Or-
ganisation von Arbeitsabläufen und ggf. die Implementierung und Anpassung des
Fertigungsverfahrens an das Unternehmensumfeld, sollte dies etwa im Rahmen ei-
ner Neugründung oder Umgestaltung notwendig sein. Entsprechend der aggregier-
ten Planung werden das mittelfristige Produktionsprogramm und zugehörige Kapazi-
täten festgelegt. D. h. es wird z.B. geplant, wie viele Mitarbeiter in den nächsten Mo-
naten beschäftigt und welche Mengen produziert werden.
Im Rahmen der Steuerung wird kurzfristig-operativ geplant und die Fertigung reali-
siert. Demnach fallen unter diesen Bereich alle Tätigkeiten, die eine detaillierte Fest-
legung der Produktionsdurchführung gemäß den Vorgaben der Prozessplanung be-
zwecken.71
Hierbei werden Maßnahmen ergriffen, die dem Ziel des möglichst rei-
bungslosen Ablaufs dienen. Es werden intern Aufträge erzeugt und freigegeben, Be-
arbeitungsreihenfolgen gebildet und Mengen und Termine überwacht. Die Kapazi-
tätssteuerung dient der Feinjustierung der Abläufe, um Störungen zu vermeiden oder
zu beheben.
69
Vgl. für den folgenden Absatz Thonemann (2010), S. 280-281.
70
Vgl. für den folgenden Absatz Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 329-332;
Schiemenz (2001),
S. 175-185; Thonemann (2010), S. 281.
71
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Schiemenz (2001), S. 186.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
30
Die Kontrolle dient der regelmäßigen Überprüfung von Strukturen und Prozessen
sowie der Qualität des Outputs. Qualitätskontrollen sichern hier etwa die gewünschte
Produktqualität. Qualitätsmanagementmethoden, wie z.B. die Kaizen-Methode, wer-
den genutzt, um über regelmäßige Feedbackkreisläufe Optimierungspotentiale von
Prozessen und Struktur zu identifizieren und umzusetzen.72
Im Rahmen der operati-
ven Fertigungssteuerung kann die Auftragskontrolle anhand von Fortschrittserfas-
sungen der Werkstattaufträge, Mengen- und Terminüberwachungen und Qualitäts-
prüfungen durchgeführt werden.73
Informationen zu Soll-Ist-Abweichungen, Auffällig-
keiten und Unzulänglichkeiten werden per Rückkopplung an die entsprechenden
vorgelagerten Fertigungsstufen weitergegeben, wo diese ausgewertet und entspre-
chende Maßnahmen ergriffen werden können.
3.3. Vom Menschen zu treffende Entscheidungen
Unter Punkt 3.2 wurden die Aufgaben der Fertigungssteuerung im Rahmen der PPS
strukturiert, um die Schnittstellen mit dem Menschen ausfindig zu machen. Abbildung
9 zeigt zudem sich hieraus ergebende Entscheidungsfelder auf. Strategische und
dispositive Entscheidungen sind dabei eher der PPS, Entscheidungen zur Steuerung
zumeist der Fertigungssteuerung zuzuordnen. Eine klare Trennung kann jedoch nicht
vorgenommen werden. Zudem ist diese Darstellung von Aufgaben und Entscheidun-
gen vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieser Arbeit entwickelt worden und erhebt
daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch wenn einige der zu treffenden Ent-
scheidungen dem Grunde nach nicht der Fertigungssteuerung direkt zuzuordnen
sind, werden im Folgenden auch vorgelagerte Entscheidungen von besonderer Re-
levanz für die Fertigungssteuerung in die Betrachtung mit einbezogen.
Im Rahmen der Fertigungssteuerung sind Entscheidungen zu treffen bzgl. der Frage,
wie die Produktionsplanung realisiert werden soll. Strategische Entscheidungen um-
fassen hierbei die Planung des groben Rahmens der Fertigung. Demnach muss zu-
nächst entschieden werden, welches Fertigungssteuerungsverfahren ausgewählt
und realisiert werden soll, um darauf aufbauend eine Fertigungsstruktur zu gestalten,
die einer geeigneten Umsetzung des Produktionsprogramms dienlich ist. Anschlie-
ßend sind, im Rahmen der Umsetzung des Produktionsprogramms, mittelfristig-
dispositive Entscheidungen hinsichtlich der Planung von Kapazitäten, Terminen und
72
Vgl. Thonemann (2010), S. 331-335.
73
Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 325.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
31
Bearbeitungsreihenfolgen zu treffen.74
Hierbei werden die strategischen Zielvorgaben
auf einzelne Aufgabenbereiche heruntergebrochen und über deren operative Umset-
zung entschieden. Es werden Entscheidungen zur arbeitsorganisatorischen Planung
hinsichtlich Material- und Arbeitskräfteeinsatz getroffen und Losgrößen, sowie Steu-
er- und Kontrollparameter festgelegt.75
In der Realisierungsphase sind dann Ent-
scheidungen zur Steuerung der laufenden Fertigung zu treffen. Hierzu zählen z.B.
die Festlegung von Bearbeitungsreihenfolgen und Priorisierungen von Aufträgen.
Des Weiteren sind vor, während und nach der Fertigung Entscheidungen hinsichtlich
Kontrollmaßnahmen zu treffen. Eher strategische Entscheidungen, z.B. die Festle-
gung von Kontrollmethoden werden i.d.R. bereits im Rahmen der strategischen Pla-
nung getroffen. Wenn nicht im Steuerungsverfahren integriert müssen zudem Ent-
scheidungen bzgl. Qualitätskontrollen getroffen werden.
3.4. Informations- und Unterstützungssysteme
Eine möglichst rationale Wahl einer Handlungsalternative verlangt, wie unter Punkt
2.2 dargelegt, neben einer Wahlmöglichkeit zwischen mindestens zwei Alternativen,
sowohl Kenntnis über die zu erwartenden Ergebnisse der Alternativen, als auch eine
Präferenzordnung der möglichen Ereignisse.76
Um dieser Forderung im Rahmen der
PPS nachzukommen, muss das genutzte PPS-System anhand eines durchgängigen
Verfahrens die erforderlichen Informationen zur Planung, Steuerung und Kontrolle
der Fertigung bereitstellen. Eine angemessene Controlling-Konzeption sollte hierfür
zum einen den Entscheidungsbezogenen Informationsbedarf decken und zum ande-
ren die Entscheidungen in den einzelnen Unternehmensbereichen koordinieren.77
Mit
anderen Worten, es muss das richtige Maß an Informationen zum richtigen Zeitpunkt
am richtigen Ort bereitgestellt werden.
Entscheidungsunterstützende Systeme (EUS) dienen der Zusammenarbeit von End-
benutzer und Anwendungssystem bei der Problemformulierung, Informationsbe-
schaffung und -verarbeitung sowie Erstellung alternativer Problemlösungen.78
Ein
von Wedemeyer konzipiertes EUS für die Fertigungssteuerung zielt darauf ab, den
Bereich der Fertigungssteuerung im Sinne eines übergreifenden PPS-Controllings in
74
Vgl. für den folgenden Absatz Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 329-334.
75
Vgl. Wedemeyer (1989), S.97.
76
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wedemeyer (1989), S.3.
77
Eine nähere Betrachtung von Controlling-Konzeptionen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nä-
here Informationen siehe auch Reichmann (2011), Horvárth (2011), Küpper (2008).
78
Vgl. Müller (1983), S. 11.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
32
allen Fristigkeiten abzudecken.79
Hierfür leitet er den in Abbildung 10 dargestellten
Parameterraum eines EUS für die Fertigungssteuerung aus dem Planungs- und
Steuerungsprozess ab. Der Parameterraum bildet die Entscheidungsvariablen und
die relevanten Einflussgrößen ab und hilft, Alternativen vor dem Hintergrund von Ent-
scheidungsfeldern und Zielsystemen zu beschreiben und zu bewerten.
Abbildung 10: Parameterraum eines EUS für die Fertigungssteuerung
80
In der Praxis ist die Nutzung von IT-Unterstützungssystemen als dritte Elementgrup-
pe der PPS neben Personen (als Aufgabenträger) und organisatorischen Regelun-
gen Standard.81
Personelle Aufgabenträger sind hierbei u.a. betriebliche Führungs-
kräfte (z.B. Meister, Betriebs- und Organisationsleiter), die Planungs- und Steue-
rungsaufgaben wahrnehmen. Die Übertragung des Informationsverarbeitungspro-
zesses auf Datenverarbeitungssysteme führt zu einer Entlastung der Aufgabenträger
von Routinetätigkeiten und zu einer Erweiterung ihrer Informationsverarbeitungska-
pazitäten.82
Bei zielführender dialogorientierter Zusammenarbeit ergibt sich daraus
eine Effizienzsteigerung, da so ein zeitnahes Reagieren des Systems auf Störungen,
die Berücksichtigung von Interdependenzen vorzunehmender Handlungen durch Si-
mulationen und eine umfassendere Abdeckung des benötigten Informationsbedarfs
möglich ist. Die Vorteile eines EDV-Systems liegen in der Speicherung und hohen
Verarbeitungsgeschwindigkeit großer Datenmengen, wobei der Mensch durch seine
Charaktereigenschaften Kreativität, Lernfähigkeit, Erfassung von Unsicherheit und
Assoziationsfähigkeit in der Lage ist, komplexe Aufgaben zu bewältigen. Die Zu-
79
Vgl. für den folgenden Absatz Wedemeyer (1989), S. 97.
80
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wedemeyer (1989), S.97.
81
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wildemann (1981), S. 3-5.
82
Vgl. Punkt 2.2.2 Rationalität und ihre Beschränkungen im menschlichen Handeln.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
33
sammenarbeit kann unterschieden werden hinsichtlich der Tatsache, ob der Aufga-
benträger das System zur Unterstützung nutzt oder die Initiative zum Handeln vom
System ausgeht. Im erstgenannten Fall bleiben seine organisatorischen Handlungs-
spielräume und Kompetenzen unangetastet und es findet ein Dialog statt, bei dem
das System kontrolliert, gesteuert und beherrscht wird. Im zweiten Fall gilt der
Mensch als Befehlsempfänger und wird lediglich bei sogenannten Programm-
Eckpunkten einbezogen, wenn Zwischenergebnisse unzulässige Abweichungen
aufweisen oder neue Daten oder menschliche Erfahrung benötigt werden.
Im Rahmen der Kanban-Steuerung kann ein solches EDV-basiertes Produktions-
steuerungsprogramm z.B. durch folgende, in primär und sekundär unterscheidbare,
Aktivitäten unterstützen.83
Primärfunktionen:
• Kapazitätsabgleich der Arbeitssysteme auf Basis des aktuellen Produktmix
und Erstellung von Produktionsplänen auf Tagesbasis für den Planungszeit-
raum nach Produktart, Menge und Wiederholfrequenz.
• Errechnung der Kartenanzahl für jedes Produkt im Regelkreislauf auf Basis
der Produktionsgrobplanung des Betriebshauptrechners.
• Planungszeitraumbezogener Ausdruck der Kanban-Karten.
• Datenverwaltung (z.B. Produkte, Arbeitspläne, Produktionsplan, Anlagenka-
pazität, Werkzeuge, Vorrichtungen und Personal).
Sekundärfunktionen:
• Personalplanung und kurz- oder langfristiger Personalkapazitätsausgleich
zwischen Arbeitseinheiten.
• Aussteuern von Betriebsmitteln, insbesondere bei Kapazitätsengpässen, so-
wie Reservierung von Kapazitäten.
• Aufzeigen von Ausweichkapazitäten bei Kapazitätsengpässen und -ausfällen.
• Kontrolle der Kanban-Karten-Anzahl.
• Werkzeugs- und Vorrichtungsverwaltung.
• Übersichtliche Darstellung des Ist-Zustandes und Auswertung des Soll-Ist-
Vergleichs der Fertigung, z.B. bzgl. Durchlaufzeiten oder Puffergrößen.
83
Vgl. für die gesamten folgenden Aufzählung Wildemann (1984), S. 36-37.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
34
• Aufzeigen von Optimierungsmaßnahmen für Sicherheitsbestände bzw. Puffer.
• Virtuelle Zuordnung von Losen zu Fertigungsaufträgen.
• Veranlassen von präventiven Instandhaltungsmaßnahmen.
3.5. Analyse ausgewählter Entscheidungssituationen am Beispiel
der Kanban-Steuerung
Die Analyse der folgenden Entscheidungssituationen wird, an die jeweilige Situation
angepasst, in Anlehnung an das erläuterte Phasenschema des Entscheidungspro-
zesses und den dargestellten Aufbau und Ablauf deskriptiver Untersuchungen,
durchgeführt.84
Hierfür werden die Entscheidungssituationen zur Verfahrensauswahl,
Organisation und Arbeitsvorbereitung sowie Steuerung und Kontrolle der Fertigungs-
steuerung am Beispiel der der Kanban-Steuerung betrachtet.
3.5.1. Auswahl eines Fertigungssteuerungsverfahrens
Die erste Entscheidung, die im Rahmen dieser Arbeit betrachtet wird, ist die Wahl
eines geeigneten Fertigungssteuerungsverfahrens. Hierbei sind die vorhandenen
Realitäten von Unternehmung und Umwelt zu berücksichtigen und ggf. anzupassen.
So bedingt diese strategische Entscheidung meist die Gestaltung bzw. Umgestaltung
von Informationsflüssen, Anpassung von Vorrichtungen und Betriebsmitteln sowie
Eingriffe in die Instanthaltungsstrategie.85
Aus Aufwands-, Kosten- und Sicherheits-
gründen werden nur selten integrierte Gesamtkonzepte durchgeführt. Stattdessen
werden insbesondere bei der Umgestaltung von Fertigungssteuerungssystemen häu-
fig bereichsbezogene Pilotprojekte gestartet und bei erfolgreicher Durchführung aus-
geweitet. So wird im Rahmen der Einführung des Kanban-Systems i.d.R. zunächst
eine räumlich und organisatorisch begrenzte Insellösung getestet. Das Ziel der Ein-
führung oder Optimierung eines Fertigungssteuerungsverfahrens ist entsprechend
ihrer Aufgabe, den Auftragsdurchlauf und damit den Informations- und Materialfluss
durch die Produktion so zu steuern, dass die Aufträge bei möglichst hoher Errei-
chung der logistischen Zielgrößen fertig gestellt werden.86
Das folgende Beispiel
dient der Verdeutlichung der Entscheidungssituation.
84
Vgl. Punkt 2.2.3 Deskriptive Entscheidungstheorie; Punkt 2.2.4 Entscheidung als Prozess.
85
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wildemann (1984), S. 62-63.
86
Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 333.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
35
Ein großes Möbelhaus möchte aufgrund hoher Organisations- und Lagerzeiten durch
die Implementierung eines neuen Fertigungssteuerungsverfahrens ihre Fertigung
optimieren. Zunächst soll das neue Verfahren in einem abgegrenzten Bereich der
Fertigung getestet werden, bevor über eine Ausweitung des Verfahrens entschieden
wird. Kurzfristige Ziele sind eine Reduzierung des Umlaufvermögens und der Durch-
laufzeiten, wobei auf eine hohe Termintreue besonderen Wert gelegt wird. Langfristig
soll eine dem Materialfluss angepasste Produktionsstruktur umgesetzt werden, um
darauf aufbauend einen möglichst hohen Grad an Automation in der Fertigung zu
realisieren.87
Der für das Pilotprojekt ausgewählte Fertigungsbereich produziert Ti-
sche und Stühle. Die Produktion erfolgt an zwei Arbeitssystemen und ist nach dem
Fließfertigungsprinzip gestaltet. Die Planung ist zentral organisiert. Es wird jeden Tag
von 8 Uhr bis 18 Uhr gearbeitet. Die folgende Mengenplanung gibt einen Überblick
über die Situation der Produktion:
Abbildung 11: Beispiel Mengenplanung
88
Es ergibt sich folgender Entscheidungsprozess:
(1) Problemformulierung und Präzisierung des Zielsystems
Die Problemformulierung in diesem Entscheidungsfall gestaltet sich einfach. Das
Unternehmen möchte die Fertigung von Tischen und Stühlen durch ein neues
Fertigungsverfahrens optimieren und steht vor einem Auswahlproblem. Das jeni-
ge Fertigungssteuerungsverfahren ist auszuwählen, das vor dem Hintergrund der
87
Vgl. Wildemann (1984), S. 62.
88
Quelle: Eigene Darstellung.
Produkt
30 Minuten an Maschine 1 15 Minuten an Maschine 1
30 Minuten an Maschine 2 15 Minuten an Maschine 2
Rüstzeiten 2 Stunden 2 Stunden
200 Stück pro Monat 400 Stück pro Monat
50 Stück pro Woche 100 Stück pro Woche
10 Stück pro Tag 20 Stück pro Tag
Sicherheitsbestand* 9 Stück 15 Stück
72 - 80 Stück pro Monat 140 - 160 Stück pro Monat
18 - 20 Stück pro Woche 35 - 40 Stück pro Woche
3 - 5 Stück pro Tag 6 - 8 Stück pro Tag
Nachfrage
Maximale
Produktionsmenge
Tische Stühle
Mengenplanung
Produktionszeiten
* für einen Servicegrad von 100 %
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
36
situativen Gegebenheiten und der Unternehmensziele die optimale Steuerung der
Fertigung ermöglicht. Aufgrund bestehender Zielkonflikte müssen die logistischen
Zielgrößen i.d.R. gewichtet werden. Im Beispiel wird hoher Wert auf die Termin-
treue und niedrige Lagerbestände gelegt.
(2) Erforschung der möglichen Handlungsalternativen
(a) Ermittlung von möglichen Restriktionen
Die an das Fertigungssteuerungsverfahren gestellten Anforderungen sind in
hohem Maße von der Struktur der Fertigung, wie z.B. Werkstattfertigung,
Fließfertigung, Inselfertigung etc. sowie der Struktur der zu bearbeitenden Auf-
träge abhängig, wie etwa Art und Anzahl unterschiedlicher Produkte und Vari-
anten, Stückzahlen, Arbeitsinhalte etc..89
Zudem sind begrenzte Kapazitäten
und finanzielle Vorgaben zu berücksichtigen. Aus diesen realen oder geplan-
ten Gegebenheiten und Voraussetzungen der Unternehmung und ihres Um-
felds lassen sich Restriktionen ableiten. Im Beispiel ist eine Produktionskapa-
zität von 10 Stunden pro Tag gegeben. Die Nachfrage beträgt pro Tag durch-
schnittlich vier Tische und sieben Stühle, wobei die Fertigung eines Tisches
eine Stunde und die eines Stuhles 30 Minuten dauert. Die Rüstzeit, um ein
Arbeitssystem von der Fertigung des einen Produkts auf das andere umzustel-
len, beträgt zwei Stunden. Aufgrund von Nachfrage, Produktions- und Rüstzei-
ten sowie interner Transportzeiten und eventuellen Störungen ist die erforder-
liche Lieferzeit u. U. geringer als die realisierbare Durchlaufzeit, was die Ver-
wendung eines Verfahrens der Lagerfertigung notwendig macht. 90
(b) Alternativensuche
Orientiert an Zielformulierung, Zielvorgaben und Restriktionen sind nun mögli-
che Handlungsalternativen zu ermitteln.91
Für diese Entscheidung entspre-
chen demnach alle Fertigungssteuerungsverfahren, die eine Lagerfertigung
ermöglichen, einer möglichen Handlungsalternative. Gängige Verfahren sind
89
Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 334-335; Eine nähere Betrachtung
von Fertigungsstrukturen und ihrer Gestaltung ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nähere Informa-
tionen siehe auch Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), Corsten (2012), Hei-
zer/Render (2007).
90
Vgl. Löddung (2008), S. 531.
91
Laut Lödding beinhaltet die Konfiguration der Fertigungssteuerung u.a. die Auswahl passender Ver-
fahren für jede Aufgabe der Fertigungssteuerung, worauf bei dieser Betrachtung jedoch verzichtet
wird. Für nähere Informationen siehe auch Lödding (2008), S. 531-543.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
37
z.B. die belastungsorientierte Auftragsfreigabe, Planung und Steuerung mit
Fortschrittszahlen, Optimized Product Technology (OPT), Kanban-Steuerung
und Conwip-Steuerung.92
(c) Ergebnisprognose
Bei der Entscheidung zur Auswahl eines Fertigungssteuerungsverfahrens wird
aller Wahrscheinlichkeit nach keine konkrete Ergebnisprognose für jede zur
Wahl stehende Alternative erstellt werden. In diesem Fall wird wahrscheinlich
zu Beginn des Auswahlprozesses ein Abwägen der Umsetzbarkeit und der un-
terschiedlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Alternativen vorgenommen.
Anschließend erscheint eine Betrachtung und Analyse von Teilprozessen hin-
sichtlich der Umsetzbarkeit erfolgversprechend.93
Zur Unterstützung der Ent-
scheidung können Schätzungen oder Simulationen durchgeführt werden. Mit-
tels dieser Methoden wird versucht abzuschätzen, wie erfolgsversprechend
die Umsetzung eines Verfahrens ist. Zudem erscheint der Einbezug von Ex-
perten oder Unternehmensberatern sinnvoll, sollten entsprechende Erfahrun-
gen in diesem Bereich nicht im Unternehmen vorhanden sein.
(3) Auswahl einer Alternative
Es ist zu betonen, dass kein Konzept der Fertigungssteuerung existiert, das den
Anforderungen der Industrie umfassend gerecht wird.94
Nachdem die Alternativen
hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten überprüft und ihre wahrscheinliche Zieler-
reichung abgeschätzt wurden, werden sie bewertet und in eine Rangfolge ge-
bracht. Um die Entscheidung zur Auswahl einer Alternative nun anhand des unter
Punkt 2.2.2 dargestellten Modell zur Untersuchung von Entscheidungssituationen
zu analysieren, müssen Entscheidungsträger und -situation genauer betrachtet
werden. Die Entscheidungssituation setzt sich aus dem Zielsystem und dem Ent-
scheidungsfeld zusammen. Das Zielsystem wurde im Rahmen des Entschei-
dungsprozesses bereits präzisiert, das Entscheidungsfeld setzt sich aus den Al-
ternativen, ihren geschätzten Ergebnissen und den möglichen Umweltentwicklun-
gen zusammen. Diese Informationen des bisher beschriebenen Prozesses zur
Entscheidungsfindung fließen in den Informationsstand des Entscheidungsträgers
92
Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 334-335; Lödding (2008), S. 131-440.
93
Vgl. Wildemann (1984), S. 84.
94
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008),
S. 335.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
38
ein und ergänzen eventuelle Vorkenntnisse. Die Risikoeinstellung spielt ebenso
eine wesentliche Rolle, da sie die Bewertung der Alternativen durch den Ent-
scheidungsträger je nach geschätzter Zielerreichung und -abweichung beein-
flusst. Außerdem sind soziale Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Stehen dem
Entscheider z.B. Personen, die von der Entscheidung betroffen werden, nahe, so
kann das seine Entscheidung zu deren Gunsten beeinflussen. Zudem wird bei
der Auswahl einer Alternative nicht zwingend nur nach rationalen Entscheidungs-
regeln gewählt (vgl. Punkt 2.2.2). So können z.B. persönliche Präferenzen auf-
grund von Vorwissen oder Erfahrungen die Entscheidung zugunsten dieses Ver-
fahrens beeinflussen.
Für dieses Beispiel eignet sich das Kanban-Verfahren besonders gut, weshalb
sich das Unternehmen entscheidet, das Pilotprojekt mit dem Kanban-Verfahren
durchzuführen.95
Die in Kapitel 3 erläuterten Voraussetzungen für die Umsetzung
wie geringe Bedarfsschwankungen, harmonisiertes Produktionsprogramm, ab-
lauforientierte Gestaltung etc. sind in angemessenem Maße erfüllt. Durch Mitar-
beiterschulungen sind deren Qualifikation und Motivation sowie die Einhaltung
und Umsetzung der Verfahrensregeln sicherzustellen. Die Umrüstzeiten sollten
nach den Voraussetzungen möglichst gering sein, hier sollten Optimierungsmaß-
nahmen ansetzten, um diese positiv zu beeinflussen. Der Wert des produzierten
Produkts ist ebenfalls zu berücksichtigen, da die Produkte in den Pufferlagern der
Fertigung gelagert werden und es so zu einer hohen Kapitalbindung kommen
kann. Da es sich in diesem Beispiel um Tische und Stühle handelt und damit um
ein Produkt mittlerer Preisklasse, ist auch diese Restriktion kein Hindernis. Bei
der Produktion mehrerer Varianten, könnte eine räumliche Begrenzung zudem zu
einer Restriktion werden, in diesem Beispiel wird jedoch angenommen, dass aus-
reichend Platz zur Verfügung steht.
3.5.2. Entscheidungen zur Organisation und Arbeitsvorbereitung
Entscheidungen zur Organisation und Arbeitsvorbereitung sind mittelfristig-
dispositive Entscheidungen.96
Um z.B. die von den Kunden geforderten Lieferzeiten
zu garantieren und zeitgleich Kanban-Regelkreise im Sinne einer verbrauchsgesteu-
erten Disposition festzulegen, muss die Bevorratungsebene, also die Fertigungsstufe
95
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Lödding (2008), S. 532.
96
Vgl. für den folgenden Absatz Wedemeyer (1989), S. 97.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
39
bis zu der nach prognostiziertem Bedarf gefertigt wird, an die geforderten Lieferzeiten
angepasst werden.97
Zudem werden in diesem Planungsschritt strategische Zielvor-
gaben präzisiert. Hierbei werden z.B. Plandaten ermittelt und Kapazitäten und Los-
größen geplant. Eine Losgröße ist die Menge eines Produktes, die zwischen zwei
Umrüstungen eines Arbeitssystems gefertigt wird.98
Ausgehend von der Produkti-
onsprogrammplanung wird daher eine Mengenplanung erstellt, innerhalb derer Be-
darf, Bestand und Bestellmengen ermittelt werden.99
Im Kanban-Verfahren werden
Aufträge jedoch nicht anhand fest zugeordneter Termine abgearbeitet.100
Stattdes-
sen wird das benötigte Material in einem Toleranzbereich zur Verfügung gestellt, das
vom ausführenden Personal verwendet werden kann. Die Bearbeitung der Aufträge
wird i.d.R. durch Abfertigungsregeln koordiniert. Material- und Kapazitätsbedarf wer-
den anhand der groben Mengenplanung geplant. Planungs- und Informationssyste-
me unterstützen bei der Festlegung der Kapazitäten und Toleranzbereiche der Re-
gelkreise in Abstimmung mit der ausführenden Ebene.101
Als Planungszeitraum wird
i.d.R. ein Monat und als Steuerungszeitraum eine Woche bis ein Tag festgelegt.102
Die notwendigen Informationen werden von Unternehmen zu Unternehmen unter-
schiedlich erstellt und aufbereitet. Eine Möglichkeit hierfür ist, dass der Verkauf als
Grundlage für den Stückzahlenbedarf Monatslieferprogramme erstellt, die sowohl
Kundenwünsche als auch den Montagebereich zusammenfassen. Diese Monatslie-
ferprogramme werden anschließend anhand der Kriterien Kundenwunsch, gleichmä-
ßige Arbeitssystemauslastung und Umstellkosten in ein Montageprogramm umge-
wandelt. Hierbei werden Losgrößen bestimmt und es wird als Rahmenkonzept eine
grobe Produktionsreihenfolgenplanung für eine Planungsperiode erstellt. Diese
Grobplanung lässt einen Überblick über die zur erwartende Fertigungs- und Lagersi-
tuation inklusive eventueller Engpässe erkennen. Im Rahmen der Feinplanung ist
eine Anpassung an den aktuellen Informationsstand vorzunehmen. Das folgende
Beispiel dient der Verdeutlichung der Entscheidungssituation.
97
Vgl. Wildemann (1984), S. 72.
98
Vgl. Wildemann (1984), S.20.
99
Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 325-332.
100
Vgl. für den folgenden Absatz Wildemann (1984), S. 37-38.
101
Vgl. hierzu Punkt 3.4 Informations- und Unterstützungssysteme.
102
Vgl. für den folgenden Absatz Wildemann (1984), S. 67-72, S. 116.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
40
Das Möbelhaus möchte nun die Kanban-Steuerung im Fertigungsbereich für Tische
und Stühle implementieren. Mit der Einführung der neuen Steuerung wurde auch ein
neues IT-Unterstützungssystem für die Fertigungssteuerung implementiert, das alle
notwendigen Informationen zur Planung und Durchführung der Fertigung verarbeitet
und bereitstellt. Ausgehend von der Produktionsprogrammplanung wurde eine Men-
genplanung erarbeitet (siehe Abbildung 11), die nun operationalisiert werden soll. Im
nächsten Schritt sollen daher nun Losgrößen und Abfertigungsregeln festgelegt wer-
den. Eine hohe Termintreue bei geringen Beständen und einer möglichst hohen Aus-
lastung von Anlagen und Personal ist anzustreben.
Folgender Entscheidungsprozess liegt vor:
(1) Problemformulierung und Präzisierung des Zielsystems
Um die Mengenplanung umzusetzen, muss sie hinsichtlich Kapazitäten und Auf-
tragsbearbeitung operationalisiert werden. Hierfür muss das Monatslieferpro-
gramm unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte in ein Montageprogramm
überführt werden. Anschließend sind Losgrößen und Abfertigungsregeln festzule-
gen. Die besonders gewichteten Zielgrößen hohe Termintreue und niedrige Be-
stände müssen zur Auswahl optimaler Lösungen auch hierbei beachtet werden.
(2) Erforschung der möglichen Handlungsalternativen
(a) Ermittlung von möglichen Restriktionen
Im Rahmen des letzten Schrittes der Feinplanung werden die Planungsergeb-
nisse noch einmal hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit und Widerspruchsfreiheit
bzgl. bestehender Vorgaben geprüft. Hierbei darf die Planung folgende Vor-
gaben und Kapazitäten nicht verletzten bzw. übersteigen, da das zum Ableh-
nen der Planungsergebnisse und somit zur Wiederholung des Planungspro-
zesses führt:103
• Anlagekapazitäten (z.B. Maximaler Output pro Zeiteinheit)
• Produktions-, Umrüst- und Instanthaltungspersonal
(z.B. hinsichtlich Schichtvorgaben oder fehlender Personalkapazitäten),
• Kapitalbindungsvorgaben (z.B. max. Kapitalbindung im
Fertigungsprozess),
103
Vgl. Wildemann (1984), S.70-71.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
41
• Lagerkapazitäten (z.B. Maximaler Lagerbestand)
• Materialbedarf (z.B. fehlende Materialien) und
• Priorisierte Aufträge (z.B. Eilaufträge)
(b) Alternativensuche und Ergebnisprognose
In der Entscheidungssituation zur Festlegung eines Montageprogramms han-
delt es sich nicht um eine konventionelle Alternativensuche und Ergebnis-
prognose. Das vom EDV-Programm erstellte Montageprogramm ist unter wirt-
schaftlichen Aspekten zu beurteilen.104
Gelegentlich kommt hierbei zum Vor-
schein, dass die Erfüllung von Kundenwünschen im Konflikt mit wirtschaftli-
chen Aspekten steht. Ist dies der Fall, sollten Verhandlungen mit dem jeweili-
gen Kunden geführt werden. Handlungsalternativen sind je nach Ausgang der
Verhandlungen das Ablehnen oder Akzeptieren der Kundenwünsche, sowie
das Aushandeln von Kompromissen.
Berechnungen zur Konkretisierung der Montageplanung wie z.B. die der Los-
größen werden i.d.R. ebenfalls von EDV-Programmen durchgeführt.105
Los-
größen werden häufig wenig Bedeutung beigemessen. Stattdessen wird oft
auf eine radikale Reduzierung der Rüstzeiten abgezielt damit kleine Losgrö-
ßen wirtschaftlich werden.106
Da Losgrößen jedoch für jedes Arbeitssystem
unterschiedlich festgelegt werden können und zudem Wiederbeschaffungszei-
ten und Bestände essenziell beeinflussen, ist ihre Festlegung sehr wichtig. Die
Auswahl einer geeigneten Methodik zur Bestimmung der Losgrößen entspricht
somit der in diesem Rahmen zu betrachtenden Entscheidungssituation. In der
Praxis ist es nicht unüblich, jede Variante einmal täglich entsprechend ihrem
Tagesbedarf aufzulegen. Vorteil sind hierbei konstante Wiederbeschaffungs-
zeiten. Nachteile können jedoch sein, dass Potentiale zur Reduzierung von
Beständen und Wiederbeschaffungszeiten nicht genutzt werden oder Kapazi-
tätsengpässen und hohen Rüstkosten auftreten. Zudem werden Nachfrageun-
terschiede zwischen Varianten nicht berücksichtigt. Bei der Auswahl eines ge-
eigneten Verfahrens muss das betrachtete Arbeitssystem bzgl. Rüstzeiten und
Kapazitätsauslastung analysiert werden. Bei geringer Rüstzeit sollten mög-
104
Vgl. Wildemann (1984), S. 94-96, S. 116.
105
Vgl. Wildemann (1984), S. 36.
106
Vgl. für den folgenden Absatz Lödding (2008), S. 195-199.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
42
p = Lagerhaltungskostensatz [%] (bzgl. Dispositionszeitraum)
s = Herstellungskosten [Euro/Stück] (losunabhängig)
x = Losgröße [Stück]
m = Bedarf im Dispositionszeitraum [Stück]
∑Ei = Summe der Auftragswechselkosten je Los [Euro]
lichst niedrige Losgrößen festgelegt werden, z.B. entsprechend eines Trans-
portbehälters. Bei hoher Rüstzeit und ausreichend Kapazität sollten die Los-
größen anhand eines Optimierungsverfahrens berechnet werden, dass min-
destens Rüst- und Bestandskosten berücksichtigt, z.B. durch die Losgrößen-
berechnung nach Andler.107
Bei hohen Rüstzeiten und hoher Kapazitätsaus-
lastung kann häufiges Umrüsten zur Überschreitung der Kapazität und zur
Nichterfüllung des Produktionsprogramms führen. Hier sollte die maximale
Rüsthäufigkeit berechnet und anschließend auf die zu fertigenden Varianten
verteilt werden, woraus sich deren Losgrößen ergeben. Die Mindestlosgröße
entspricht der Division des Bedarfs pro Monat durch die Anzahl der Arbeitsta-
ge.108
(1) =
∗ ∗	∑
∗
	
(2) . ü ℎä =
!"ü#$%! 	&% %'()ä)*+,%-$ ,% ).-#
/ü )' ()
	
(3) 0 12 34 5öß 	 =
89-%) $ :%!"
;-'%<,	: !	;!$ () )%#
Abbildung 12: Formeln zur Berechnung von Losgrößen
109
Nach der Auswahl eines geeigneten Verfahrens und der Ermittlung der Los-
größen, muss das Ergebnis noch auf ein Vielfaches des Inhalts eines Trans-
portbehälters aufgerundet werden.110
Anschließend ist die Entscheidung zu
treffen, ob die Berechnung übernommen wird, oder ob sie z.B. aufgrund von
Fehlern der Datengrundlage oder situativen Veränderungen vom Entscheider
angepasst werden muss. Nach Festlegung der Losgrößen darf ein Arbeitssys-
tem mit der Fertigung einer Variante beginnen, wenn die vorliegende Anzahl
Kanban-Karten der Losgröße entspricht.
Die Festlegung von Produktionsreihenfolgen wird i.d.R. ebenfalls von EDV-
Programmen durchgeführt.111
Im Rahmen der Kanban-Steuerung erfolgt die
107
Vgl. Wiendahl (1997), S. 261-262.
108
Vgl. Wildemann (1984), S. 67-68.
109
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lödding (2008), S. 198; Wiendahl (1997), S. 261;
Wildemann (1984), S. 67.
110
Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Lödding (2008), S. 199.
111
Vgl. Wildemann (1984), S. 36.
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
43
Bearbeitung der Aufträge meist nach der Abfertigungsregel FIFO (first in first
out). Es sind jedoch auch andere Regeln, wie z.B. das KOZ- (Kürzeste-
Operationszeit), EDD- (Earliest-Due-Date) oder SLACK-Prinzip (Schlupfzeit-
regel), möglich.112
Die Regeln entsprechen Rechenvorschriften, die wartenden
Aufträgen Prioritäten anhand von Kriterien zuordnen.113
Zur Festlegung der
Bearbeitungsreihenfolge muss hier demnach eine dem Zielsystem entspre-
chende Abfertigungsregel ausgewählt werden.
(3) Auswahl einer Alternative
Nachdem die Alternativen unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedin-
gungen hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten überprüft und deren wahrscheinli-
che Zielerreichung abgeschätzt wurden, werden sie nun bewertet und in eine
Rangfolge gebracht. Die Vorgehensweise erfolgt analog wie unter Punkt 3.5.1
dargestellt.
Im Entscheidungsproblem zur Erfüllung von Kundenwünschen im Rahmen des
Montageprogramms sind die Verhandlungsergebnisse ausschlaggebend für die
zu treffende Entscheidung. Ein Vergleich gegenseitiger Vor- und Nachteile basie-
rend auf dem entstehenden Arbeitsaufwand und den anfallenden Kosten er-
scheint oftmals als sinnvoll. Ein angemessener Informationsaustausch bzgl. Hin-
tergründen und Auswirkungen der Forderungen basierend auf einem entspre-
chenden Vertrauensverhältnis ist eine notwendige Voraussetzung. Ermöglicht die
Erfüllung des Kundenwunsches dem Kunden etwa eine einfachere Eingliederung
der Lieferungen in seine Arbeitsprozesse, wodurch pro Tag 50 Stunden Arbeit für
entsprechende Mitarbeiter entfallen, so entsprechen diese 50 Arbeitsstunden pro
Tag 250 Arbeitsstunden pro Woche und damit ca. 1.000 Arbeitsstunden pro Mo-
nat. Bei einem Stundenlohn von 10 Euro entspricht dieser Minderaufwand 10.000
Euro pro Monat und damit 120.000 Euro pro Jahr. Entsteht zeitgleich für das pro-
duzierende Unternehmen ein Mehraufwand von 150 Arbeitsstunden pro Tag, so
entspricht dies anfallenden zusätzlichen Kosten von 360.000 Euro. Ermöglicht der
Informationsaustausch einen Einblick in diese Situation, so können vorteilhafte
Lösungen für beide Parteien gefunden werden. In diesem Beispiel würde ein Ver-
112
Vgl. für den folgenden Absatz Malek (1988), S. 44, S. 74-85, S. 206.
113
Eine nähere Betrachtung von Abfertigungsregeln ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nähere
Informationen zu Untersuchungen von Abfertigungsregeln siehe auch Baker (1984),
Blackstone/Phillips/Hoog (1982), Panwalkar/Iskander (1977).
3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung
44
zicht auf die Mehrleistungen des produzierenden Unternehmens und eine ent-
sprechende zusätzliche Ausgleichszahlung von 240.000 Euro pro Jahr an den
Kunden, ggf. als Rabatt auf jeweilige Rechnungen umgesetzt, zu einem beidseiti-
gen Plus von 120.000 Euro pro Jahr führen.
Im Rahmen der Festlegung von Losgrößen ist zunächst ein Verfahren zu deren
Ermittlung auszuwählen. Da im vorliegenden Beispiel eine einfache Produktions-
struktur mit zwei Arbeitssystemen und zwei Varianten, bei hohen Rüstzeiten und
begrenzten Kapazitäten vorliegt, sollte zur Bestimmung der Losgrößen die maxi-
male Rüsthäufigkeit verwendet werden. Die hohen Rüstkosten kommen zustan-
de, da beim Umrüsten Vorrichtungen millimetergenau eingestellt werden und die
benötigten Schablonen beschafft und gelagert werden müssen.114
Die begrenzten
Kapazitäten sind aus der Mengenplanung ersichtlich. Die Nachfrage ist nahezu
identisch mit der maximalen Produktionsmenge und zudem beeinflusst die Rüst-
zeit die Produktionszeit negativ. Die maximale Rüsthäufigkeit liegt somit bei 1,25.
Demnach sollte einmal am Tag umgerüstet werden. Die Losgrößen liegen ent-
sprechend des Tagesbedarfs bei vier Tischen und acht Stühlen pro Tag.
. ü ℎä =
10	ℎ − (4	ℎ + 3,5	ℎ)
2	ℎ	
= 	1,25	
Da es sich im betrachteten Beispiel um eine überschaubare Fertigung nach dem
Kanban-System handelt, erscheint eine Produktion nach dem FIFO-Prinzip als
sinnvoll, sollten mehrere Aufträge zeitgleich an einem Arbeitssystem eingehen.
Da die Produktion der Losgrößen beider Produkte nacheinander bei einmaligem
Umrüsten jedoch die Kapazitäten eines Arbeitstages nahezu vollständig in An-
spruch nimmt, wird aller Voraussicht nach immer am Morgen mit der Produktion
des am Arbeitssystem eingestellten Produkts begonnen und nach Fertigstellung
der Losgröße des Produktes das Umrüsten auf das andere Produkt stattfinden.
Die Fertigstellung dieser Losgröße wird aller Voraussicht nach bis zum Ende des
Arbeitstages andauern, so dass am nächsten Tag ohne Umrüsten mit einer weite-
ren Losgröße dieses Produktes fortgefahren wird.
114
Vgl. Thonemann (2010), S. 309-310.
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Masterarbeit Daniel Baumann

  • 1. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung Human decision-making in manufacturing control Masterarbeit Im Studiengang Betriebswirtschaftslehre in der Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften der Otto-Friedrich-Universität Bamberg Verfasser: Daniel Karl Baumann Gutachter: Prof. Dr. Eric Sucky
  • 2. Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis..................................................................................................I Abkürzungsverzeichnis ...............................................................................................II Symbolverzeichnis .................................................................................................... IV 1. Einleitung..........................................................................................................1 2. Grundlagen.......................................................................................................3 2.1. Fertigungssteuerung.........................................................................................3 2.1.1. Bedeutung der Fertigungssteuerung in der Praxis...................................3 2.1.2. Fertigungssteuerung als Teilbereich der Produktionsplanung und -steuerung.........................................................................................7 2.1.3. Kanban-Steuerung...................................................................................9 2.2. Entscheidungstheorie .....................................................................................13 2.2.1. Einführung in die Entscheidungstheorie ................................................13 2.2.2. Rationalität und ihre Beschränkungen im menschlichen Handeln .........16 2.2.3. Deskriptive Entscheidungstheorie..........................................................19 2.2.4. Entscheidung als Prozess .....................................................................23 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung .................26 3.1. Problemstellung und Vorgehen.......................................................................26 3.2. Aufgaben der Fertigungssteuerung und Schnittstellen mit dem Menschen ....27 3.3. Vom Menschen zu treffende Entscheidungen ................................................30 3.4. Informations- und Unterstützungssysteme......................................................31 3.5. Analyse ausgewählter Entscheidungssituationen am Beispiel der Kanban-Steuerung................................................................34 3.5.1. Auswahl eines Fertigungssteuerungsverfahrens ...................................34 3.5.2. Entscheidungen zur Organisation und Arbeitsvorbereitung...................38 3.5.3. Entscheidungen zur Steuerung und Kontrolle der Fertigung .................45 3.6. Hypothetische, suboptimale Entscheidungen .................................................58 3.6.1. Identifikation möglicher suboptimaler Entscheidungen..........................58
  • 3. 3.6.2. Ursachen potentieller suboptimaler Entscheidungen.............................60 3.6.3. Auswirkungen potentieller suboptimaler Entscheidungen......................61 3.7. Optimierungspotentiale...................................................................................62 4. Zusammenfassung .........................................................................................68 Literaturverzeichnis ................................................................................................... IV
  • 4. I Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Strategische Wettbewerbsposition von Unternehmen S. 4 Abbildung 2: Ein generisches Geschäftsmodell S. 5 Abbildung 3: Zielsystem der Produktionslogistik S. 6 Abbildung 4: Funktionen der PPS S. 8 Abbildung 5: Funktionsweise des Zwei-Karten-Kanban S. 11 Abbildung 6: Informationszustände von Entscheidungssituationen S. 15 Abbildung 7: Übersicht zu Ursachen von Rationalitätsdefiziten S. 19 Abbildung 8: Aufbau von Beschreibungs-/Erklärungsmodellen S. 21 Abbildung 9: Aufgaben der Fertigungssteuerung S. 28 Abbildung 10: Parameter eines EUS für die Fertigungssteuerung S. 32 Abbildung 11: Beispiel Mengenplanung S. 35 Abbildung 12: Formeln zur Berechnung von Losgrößen S. 42 Abbildung 13: Beispiel Produktionsinformationen S. 46 Abbildung 14: Berechnung der Kanban-Karten-Anzahl bei Kelper Recaro S. 47 Abbildung 15: Formel zur Berechnung der Kanban-Karten-Anzahl (nach Lödding) S. 48 Abbildung 16: Ermittlung des Sicherheitsbestandes S. 48 Abbildung 17: Steuerungsmaßnahmen S. 52 Abbildung 18: Auswirkungen einer Bestandssenkung S. 53
  • 5. II Abkürzungsverzeichnis bspw. beispielsweise BKT Betriebskalendertag bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. circa d.h. das heißt EDD Earliest-Due-Date EDV Elektronische Datenverarbeitung etc. et cetera EUS Entscheidungsunterstützendes System evtl. eventuell FIFO First in first out ggf. gegebenenfalls i.d.R. in der Regel IT Informationstechnologie inkl. inklusive max. maximale ME Mengeneinheit MRP Material Requirements Planning MRP II Manufacturing Resource Planning PPS Produktionsplanung und -steuerung
  • 6. III u.a. unter anderem u.U. unter Umständen vgl. vergleiche z.B. zum Beispiel
  • 7. IV Symbolverzeichnis AnzKan = Anzahl Kanban-Karten [-] BI = Behälterinhalt [ME] BRm = mittlere Bedarfsrate [ME] BRmax = max. Bedarfsrate [ME/BKT] CT = Lieferrhythmus in Arbeitstagen [BKT] DMG = Tagesmenge in Stück [ME] LTA+ max = max. positive Lieferterminabweichung [BKT] m = Bedarf im Dispositionszeitraum [Stück] MA- max = max. negative Mengenabweichung [ME] p = Lagerhaltungskostensatz [%] s = Herstellungskosten [Euro/Stück] SB = Sicherheitsbestand [ME] SG = Servicegrad [%] ST = Sicherheit in Arbeitstagen [BKT] WBZ = Wiederbeschaffungszeit [BKT] x = Losgröße [Stück] ∑Ei = Summe der Auftragswechselkosten je Los [Euro]
  • 8. 1. Einleitung 1 1. Einleitung „Und was ist Zufall anders als der rohe Stein, Der Leben annimmt unter Bildners Hand? Den Zufall gibt die Vorsehung - Zum Zwecke muss ihn der Mensch gestalten.“1 Das menschliche Verhalten rückt im Rahmen der wirtschaftswissenschaftlichen For- schung in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Fokus der Betrachtung, wie man an der großen Anzahl verliehener Nobelpreise im Bereich der verhaltensorien- tierten Ökonomie sehen kann.2 Beginnend mit Herbert Simon im Jahre 1978 wurden bis hin zu Lloyd Shapley und Alvin E. Roth im Jahre 2012 seither insgesamt 14 Per- sonen mit dem Nobelpreis für herausragende Arbeiten im Bereich der verhaltensori- entierten Ökonomie ausgezeichnet.3 Neben der Integration des menschlichen Ver- haltens in ökonomische Modelle und der Erforschung des Käuferverhaltens werden auch im Bereich der betriebswirtschaftlichen Leistungsplanung zunehmend die Rolle und das Verhalten des Entscheiders untersucht. Im Rahmen der Produktionsplanung und -steuerung eines Unternehmens ist die vor- dergründige Aufgabe der Fertigungssteuerung, die Produktionsplanung möglichst optimal umzusetzen. Verschiedene Fertigungsverfahren dienen hierbei der Standar- disierung und Automatisierung von Abläufen sowie der Verringerung des Steue- rungsaufwandes, der oft mit einer Verringerung der Kontrollen einhergeht. Dennoch muss der Mensch im Rahmen der Planung, Organisation und Gestaltung, Steuerung und Kontrolle der Fertigung mitunter als Entscheidungsträger eingreifen. Die Fragen, mit denen sich diese Arbeit auseinander, setzt sind: • Wo treffen Menschen in der Fertigungssteuerung Entscheidungen? • Unter welchen Umständen treffen Menschen hier Entscheidungen? • Wie werden sie bei ihren Entscheidungen unterstützt? • Wo können sie suboptimale Entscheidungen treffen und warum? • Welche Auswirkungen können diese suboptimalen Entscheidungen haben? 1 Schiller (2001) S. 117. 2 Vgl. für den folgenden Absatz Dobhan (2012), S.1. 3 Vgl. Nobel Media AB (2013), www.nobelprize.org.
  • 9. 1. Einleitung 2 • Wie können die Entscheidungssituationen, die zu suboptimalen Entscheidun- gen führen, positiv beeinflusst werden? Ziel dieser Arbeit ist es, nach der Einordnung des Themenbereichs der Fertigungs- steuerung in die betriebswirtschaftliche Unternehmensführung, vom Menschen zu treffende Entscheidungen näher zu untersuchen. Neben der Identifikation und Analy- se bedeutender Entscheidungssituationen wird der Fokus insbesondere auf hypothe- tische, suboptimale Entscheidungen und Möglichkeiten ihrer positiven Beeinflussung gelegt. Hierzu werden zunächst in Kapitel 2 die relevanten Grundlagen zur Fertigungssteue- rung und Entscheidungstheorie genauer erläutert, um darauf aufbauend in Kapitel 3 die Analyse des Menschen als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung durchzuführen. Unter Punkt 2.1 werden danach die relevanten Begrifflichkeiten zur Fertigungssteuerung sowie deren Relevanz für die Praxis und ihre Einordnung in die Produktionsplanung und -steuerung geklärt. Zudem erfolgt hier eine kurze Vorstel- lung der Kanban-Steuerung, die zur Verdeutlichung der folgenden Analysen und Er- gebnisse herangezogen wird. Anschließend werden unter Punkt 2.2 relevante Grundlagen der Entscheidungstheorie, wie eine Einführung in die Rationalität und ihre Beschränkungen im menschlichen Handeln sowie Ansätze deskriptiver Ent- scheidungstheorien und Entscheidungsprozesse dargelegt. Aufbauend auf den Grundlagen werden in Kapitel 3 wesentliche vom Menschen zu treffende Entscheidungen ausfindig gemacht und analysiert, wobei das besondere Augenmerk möglichen Entscheidungen mit negativen Auswirkungen und deren Ur- sachen gilt. Hierfür werden zunächst aus den Aufgaben der Fertigungssteuerung die Schnittstellen mit dem Menschen und die von ihm zu treffenden Entscheidungen ab- geleitet. Nach einem kurzen Überblick über in der Praxis gängige Informations- und Unterstützungssysteme erfolgt die Analyse ausgewählter Entscheidungssituationen unter Zuhilfenahme der Kanban-Steuerung zur Verdeutlichung einzelner Entschei- dungen. Punkt 3.6 dient der Identifikation hypothetisch, suboptimaler Entscheidun- gen sowie ihrer Ursachen und Auswirkungen. Anschließend werden Optimierungspo- tentiale auf Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse zu Entscheidungssituationen in der Fertigungssteuerung diskutiert.
  • 10. 2. Grundlagen 3 2. Grundlagen 2.1. Fertigungssteuerung 2.1.1. Bedeutung der Fertigungssteuerung in der Praxis Eine funktionierende Unternehmenslogistik ermöglicht Unternehmen eine hohe logis- tische Zielerreichung.4 Diese spiegelt sich bspw. wieder in pünktlichen Lieferungen, in optimalem Materialeinsatz bei minimalem Ausschuss und minimalen Lagerbestän- den, sowie optimaler logistischer Organisation von Produktionsprozessen wieder. Demzufolge können Unternehmen durch eine erfolgreiche Unternehmenslogistik Wettbewerbsvorteile aufbauen, schneller das Vertrauen von Kunden gewinnen und rascher auf sich ergebender Marktchancen und -risiken reagieren. Auf der Grundlage der von ihm aufgestellten Thesen zu Wertketten und Wettbe- werbsvorteilen entwickelte Porter die Wettbewerbsstrategien der Kostenführer- schafts- und Differenzierungsstrategie.5 Aufbauend auf diesen Erkenntnissen entwi- ckelte Becker das Model der integrierten Leistungs- und Wertkette und die Wettbe- werbsstrategie der integrierten Kosten- und Leistungsführerschaft.6 Vor dem Hinter- grund dieser Strategien kann der positive Nutzen einer angemessenen Unterneh- menslogistik weiter verdeutlicht werden. In Kombination mit Produkten mit hohem Kundennutzen und/oder Kostenvorteilen kann eine Unternehmenslogistik wie zuvor beschrieben wesentlich zur der Erlangung einer überlegenen Wettbewerbsposition beitragen und so einen bedeutsamen Beitrag zum langfristigen Erfolg eines Unter- nehmens leisten (vgl. Abbildung 1). 4 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Lödding (2008), S.1. 5 Vgl. Porter (1980), S.34-46; Porter (1999), S. 97-167. 6 Vgl. Becker (2001), S. 47-64; Becker (2011), S. 159-166, S. 191-193, S. 205-206. Eine nähere Be- trachtung strategischer Unternehmensführung ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für weitere Informa- tionen siehe auch Porter (1980), Porter (1999), Becker (2011).
  • 11. 2. Grundlagen 4 Abbildung 1: Strategische Wettbewerbsposition von Unternehmen 7 Die hierbei frei werdenden finanziellen Mittel, die sich aus eingesparten Kosten und geringerem gebundenen Kapital im Auftragserfüllungsprozess ergeben, können vom Unternehmen für verschiedene Zwecke verwendet werden. Eine Weitergabe an den Kunden durch Preissenkungen kann erneut die Marktposition des Unternehmens positiv beeinflussen. Laut dem von Gälweiler entwickelten Kreislauf aus Erfolgspo- tentialen, Erfolg und Liquidität, kann und sollte ein Teil der zur Verfügung stehenden Liquidität zur Erneuerung bestehender oder Schaffung neuer Erfolgspotentialen ge- nutzt werden.8 Die Realisierung des Erfolgs wiederum ermöglicht die Sicherung von Liquidität als grundsätzliche Voraussetzung der Existenzsicherung von Unterneh- men. Gemäß dem Kreislauf nach Gälweiler, kann die entstehende Liquidität dem- nach auch zur Entwicklung neuer Erfolgspotentiale genutzt werden, um das Unter- nehmen langfristig entsprechend einer auf Existenzsicherung ausgerichteten Stabili- tätspolitik auszurichten (vgl. Abbildung 2). 7 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Becker (2012), S. 67. 8 Vgl. für den folgenden Absatz Lödding (2008), S.1; Gälweiler (2005), S. 23-37, S. 225-259; Becker (2011), S. 17-22, S. 31.
  • 12. 2. Grundlagen 5 Abbildung 2: Ein generisches Geschäftsmodell 9 Oberstes Ziel des Produktionsmanagements ist es die Produktion so zu planen, zu organisieren, zu steuern und zu kontrollieren, dass eine möglichst hohe Wirtschaft- lichkeit erreicht wird.10 Umgesetzt wird dieses Ziel durch die betriebsinternen logisti- schen Zielgrößen hohe Termintreue, kurze Durchlaufzeiten, niedrige Bestände und hohe Auslastung, die über die Dimensionen Logistikleistung und -kosten zu einem externen Zielsystem der Produktionslogistik verknüpft werden (vgl. Abbildung 3). Ex- terne logistische Zielgrößen, wie Lieferzeit, Lieferterminabweichung und Liefertreue bzw. Servicegrad, haben einen direkten Kundenbezug, ihre Ermittlung ist jedoch mit einem erheblichen Mehraufwand verbunden. Im Folgenden wird die Formulierung logistische Zielgrößen als Bezeichnung für die betriebsinternen logistischen Zielgrö- ßen verwendet.11 9 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Becker (2011), S. 31. 10 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wiendahl (2003), S. 19-20, S. 120. 11 Eine nähere Betrachtung der logistischen Zielgrößen und ihrer Ermittlung ist nicht Gegenstand die- ser Arbeit. Für weitere Informationen siehe auch Lödding (2008), Wiendahl (2003), Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008).
  • 13. 2. Grundlagen 6 Abbildung 3: Zielsystem der Produktionslogistik 12 Die zwischen den logistischen Zielgrößen bestehenden Interdependenzen können Schwierigkeiten bei deren Verfolgung verursachen. So besteht z.B. ein Konflikt zwi- schen dem Ziel der hohen Auslastung von Arbeitssystemen, die nur durch das Vor- halten gewisser Bestände zur Vermeidung von Ausfällen und Leerläufen geleistet werden kann und dem Ziel niedriger Bestände. Mit dieser Situation sollte durch die Fokussierung auf ein aus strategischen Gesichtspunkten abgeleitetes Ziel umgegan- gen werden. Die Fertigungssteuerung hat das Ziel, die Vorgaben der Produktionsplanung auch bei oft nicht zu vermeidenden Störungen möglichst optimal zu realisieren.13 Um die- ses Ziel zu erreichen, muss sie u.a. folgende Aufgaben bewältigen: • Kontrolle der Durchlaufzeiten durch Steuerung der Arbeitssysteme, • Regelung des Bestands mit möglichst geringen Schwankungen, • Gewährleistung der Termintreue durch Ausgleichen von Planabweichungen und angemessene Rückstandsregelungen mit flexiblen Kapazitäten, • optimale Nutzung vorhandener Kapazitätsflexibilität zur Abstimmung von Kapazität und Belastung, 12 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wiendahl (2003), S. 120. 13 Vgl. Lödding (2008), S.6. hohe Termintreue kurze Durchlauf- zeiten hohe Auslastung geringe Bestände Wirtschaft- lichkeit
  • 14. 2. Grundlagen 7 • Minimierung von Reihenfolgenabweichungen, • optimale Auslastung von Engpasskapazitäten.14 Trotz dieser Erkenntnisse wird das Fachgebiet der Fertigungssteuerung in Theorie und Praxis häufig vernachlässigt und rückt in den Hintergrund der Produktionspla- nung.15 Dies liegt unter anderem daran, dass die Produktionsplanung eine wesentli- che Voraussetzung für eine hohe logistische Zielerreichung darstellt. Schafft es je- doch die Fertigungssteuerung, nicht den Produktionsplan umzusetzen, so wird auch die geplante logistische Zielerreichung nicht realisiert werden können. Die hohe Re- levanz der Fertigungssteuerung für die Produktionsplanung und -steuerung (PPS), und damit für den Erfolg von Produktionsunternehmen, liegt daher in der strategi- schen Bedeutung ihrer Aufgabe, die logistischen Zielgrößen positiv zu beeinflussen- den. Vor diesem Hintergrund sollte der Fertigungssteuerung daher hohe Beachtung geschenkt werden. 2.1.2. Fertigungssteuerung als Teilbereich der Produktionsplanung und - steuerung Aufgabe der PPS ist es, für mehrere Perioden im Voraus das Produktionsprogramm zu planen.16 Diese Planung basiert auf den von der Konstruktion und Arbeitsvorberei- tung bereitgestellten Unterlagen in Form von Zeichnungen, Stücklisten und Arbeits- plänen. Ausgangspunkt der Planungs- und Steuerungsaktivitäten sind die Absatz- märkte und die daraus resultierenden Aufträge. Hieraus werden zum einen Beschaf- fungsaufträge (Material- und Ressourcenbedarf) und zum anderen Fertigungsaufträ- ge abgeleitet. Ziel ist es, das Produktionsprogramm trotz nicht zu vermeidender Stö- rungen, wie z.B. Ausschuss, verzögerten Lieferungen, Personal- und Maschinenaus- fällen, möglichst optimal zu realisieren. In dieser Arbeit werden zur Einordnung der Fertigungssteuerung das Aachener PPS- Modell von Schotten und ein Vorschlag zur Systematisierung der PPS von Hackstein herangezogen. Die wesentlichen Funktionen der PPS sind in Abbildung 4 dargestellt. 14 Vgl. Wiendahl (2008), S. 346. 15 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Lödding (2008), S. 2 , S. 19. 16 Vgl. für den folgenden Absatz Wiendahl (2008), S. 249-259; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/ Furmans (2008), S. 323-324.
  • 15. 2. Grundlagen 8 Abbildung 4: Funktionen der PPS 17 Demzufolge wird unterschieden zwischen Kernaufgaben und Querschnittsaufgaben der PPS, wobei die Produktionssteuerung im Sinne der Fertigungssteuerung als Hauptaufgaben die Auftragsfreigabe und die Auftragsüberwachung beinhaltet.18 Wei- tere Kernaufgaben der PPS sind laut diesen Modellen neben der Produktionssteue- rung, die Produktionsprogrammplanung, die Mengenplanung und die Termin- und Kapazitätsplanung. Im Rahmen der Produktionsprogrammplanung werden das Pro- gramm geplant, Auftragsprognosen erstellt und Bedarfsermittlungen durchgeführt. Die Mengenplanung legt anschließend fest, wann und in welcher Menge ein Auftrag zu fertigen ist. Im Rahmen der Termin- und Kapazitätsplanung werden die Durchlauf- sowie Kapazitätsterminierung, die Kapazitätsabstimmung und der Belegungsplan festgelegt.19 17 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Luczak/Eversheim (1999), S. 16; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 325. 18 Vgl. für den folgenden Absatz Luczak/Eversheim (1999), S. 9-27, S. 43-51; Hackstein (1989), S. 3-36; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 324-333. 19 Eine nähere Betrachtung von PPS Funktionen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nähere Infor- mationen siehe auch Luczak/Eversheim (1999), S. 29-72; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/ Furmans (2008), S. 324-333.
  • 16. 2. Grundlagen 9 2.1.3. Kanban-Steuerung Produzierenden Unternehmen steht eine Vielzahl von Fertigungssteuerungsverfah- ren zur Realisierung ihrer Produktionsplanung zur Verfügung.20 Bei der Kanban- Steuerung handelt sich um einen verbrauchsgesteuerten Ansatz der Fertigungssteu- erung mit geringem Steuerungsaufwand, bei dem die Qualität durch Selbstkontrolle am Arbeitsplatz sichergestellt wird.21 Das Grundprinzip lässt sich mit der Organisati- on eines Supermarktes beschreiben. In den Regalen befindet sich ein bestimmter Vorrat an Produkten. Entnimmt der Verbraucher eine bestimmte Menge, so entsteht eine Lücke, die - unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte - so schnell wie möglich wieder aufgefüllt wird. Der geringe Steuerungsaufwand beruht auf den einfa- chen Regelmechanismen. Das Kanban-System arbeitet nach dem Pull-Prinzip, d.h. der gesamte Materialfluss wird vom Verbraucher durch Entnahme von Produkten aus dem Endlager gesteuert. Jeder Abschnitt im gesamten Produktionsprozess sichert sich seine Materialversorgung indem bei Unterschreiten eines festgelegten Bestan- des eine Nachlieferung beim vorgelagerten Produktionsbereich angefordert wird. Die folgende Aufzählung beschreibt die wichtigsten Elemente des Kanban-Verfahrens: • Die Produktion ist als ein System sich selbst steuernder und miteinander ver- zahnter Regelkreise aufgebaut, die jeweils aus einem Bereich, der Teile ver- braucht (Senke), und einem vorgelagerten Bereich, der Teile erzeugt (Quelle), besteht. • Zwischen diesen Senken und Quellen befinden sich Pufferlager. Sie dienen dem Ausgleich von Unregelmäßigkeiten und Störungen. • Aufträge werden nach dem Hol-Prinzip vom nachfolgenden Bereich ausgelöst. • Zur eigentlichen Fertigungssteuerung und zur Begrenzung der Bestände die- nen die Kanban-Karten. Sie sind die Informationsträger in diesem System. • Die Verantwortung für Termintreue, Bestands- und Bestellmengen sowie Qua- litätssicherung wird an die operativen Mitarbeiter übertragen. 20 Vgl. Lödding (2008), S. 131-440. 21 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wiendahl (2008), S. 341-343; Wildemann (1984), S. 33-36.
  • 17. 2. Grundlagen 10 Unterschreitet der Teilevorrat beim Verbraucher eine festgelegte Bestandsgröße, fordert der Verbraucher beim Erzeuger Nachschub an.22 Hierbei kommt die Kanban- Karte zum Einsatz. Kanban ist japanisch und bedeutet Karte bzw. Schild. Sie wird vom Verbraucher an die entsprechende erzeugende Quelle gesendet, was der Auf- forderung entspricht, eine festgelegte Menge des Teils zu produzieren und zu liefern. Die Kanban-Karte entspricht aus Sicht des Erzeugers einem Auftrag mit der Auffor- derung, das angegebene Teil in der festgelegten Menge herzustellen, in dem dafür vorgesehenen Behälter abzulegen, die Kanban-Karte beizufügen und den Transport- behälter innerhalb der vereinbarten Zeitdauer an den Verbraucher zu senden. Ist dieser Vorgang abgeschlossen, liegt die Kanban-Karte wieder beim Verbraucher, der bei erneuter Unterschreitung des festgelegten Bestandes wieder eine Nachprodukti- on anfordert. Durch darauf abgebildete Informationen dient die Kanban-Karte zudem auch der jederzeitigen Identifikation des Inhalts der Transportbehälter. Um bei geringen Beständen und kurzen Durchlaufzeiten einen reibungslosen Ablauf der Produktion sicherzustellen, sind folgende organisatorische Regeln zu beachten:23 • Verbraucher dürfen nie vorzeitig oder mehr Material als benötigt anfordern. • Erzeuger dürfen niemals mehr Teile als angefordert herstellen, vor Eingang der Bestellung Teile erzeugen oder fehlerhafte Erzeugnisse liefern. • Der Steuerer soll für eine gleichmäßige Aus- und Belastung der einzelnen Produktionsbereiche sorgen und eine angemessene, möglichst geringe An- zahl Kanban-Karten für die Regelkreise vorgeben. Das Kanban-Verfahren kann prinzipiell als Ein-Karten-Kanban oder als Zwei-Karten- Kanban, aber auch als Sicht-Kanban, Behälter-Kanban und Minimal Blocking ange- wandt werden.24 Im Folgenden wird das Verfahren am Beispiel des Zwei-Karten- Kanban näher erläutert werden. Als Informationsträger werden hierbei die Transport- Kanbans und die Produktions-Kanbans verwendet.25 Der Material- und Informations- fluss zwischen einem Pufferlager und dem zugehörigen Verbraucher wird durch die Transport-Kanbans gesteuert. Die Produktions-Kanbans regeln die Abstimmung zwi- schen den Fertigungsbereichen und den zugehörigen Pufferlägern und repräsentie- ren demnach gleichzeitig die Fertigungsaufträge. Abbildung 5 veranschaulicht wie 22 Vgl. für den folgenden Absatz Wiendahl (2008), S. 341-343; Wildemann (1984), S. 33-36. 23 Vgl. für die folgende Aufzählung Wildemann (1984), S. 35. 24 Vgl. Lödding (2008), S. 177-189. 25 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wiendahl (2008), S. 343-344.
  • 18. 2. Grundlagen 11 die Kanban-Karten zur Steuerung des Material- und Informationsflusses innerhalb der Fertigung und zwischen Fertigung und Verbraucher eingesetzt werden können: Abbildung 5: Funktionsweise des Zwei-Karten-Kanban 26 • Im 1. Schritt fordert der Verbraucher mittels einer Transport-Kanban eine fest- gelegte Menge an Produkten an. • Im 2. Schritt wird die entsprechende Anzahl der Produkte (hier durch zwei Va- riantenteile dargestellt) in einen Transportbehälter abgelegt und mit der Transport-Kanban an den Verbraucher geschickt. • Im 3. Schritt wird der leere Transportbehälter an das Lager zurückgegeben. • Es wird davon ausgegangen, dass im Endlager nun der Sicherheitsbestand unterschritten wurde, so dass die vorher mit den Variantenteilen im Lager vor- gehaltenen Produktions-Kanbans im 4. Schritt an das vorgelagerte Arbeitssys- tem gesendet werden. Die eine Produktions-Kanban wird direkt vom Arbeits- system aufgenommen, die andere an der entsprechenden Kanban-Tafel ab- gelegt. 26 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wiendahl (2008), S. 344; Lödding (2008), S. 183. TK TK TK PK PK PK TK TK 1 2 3 1 2 1 2 3 : Transportbehälter AS : Arbeitssystem : Pufferlager innerhalb der Fertigung : Variante : Kanban-Tafel (Produktionskanban) : Endlager : Produktionskanban : Kanban-Tafel (Tranfportkanban) : Verbraucher : Transportkanban : Schrittfolge : Produktionsbereich PKPK AS 2AS 1 Fertigung PK TK PK 5 6 7 8 9 PK TK 2 3 1 2 PK10 1 - 10 Verbraucher 4 TK 1 2 TK 3 PK PK PK Lager 1
  • 19. 2. Grundlagen 12 • Im 5. Schritt wird ein Halbprodukt aus dem Pufferlager genommen. • Die Schritte 6, 7 stellen die Nachschubversorgung von Arbeits-system zwei dar. • Das löst wiederum Schritt 8 aus, die Nachproduktion des dort vorgelagerten Teilproduktes von Arbeitssystem eins. • Dieses versorgt sich im 9. Schritt mit benötigtem Material für die Fertigung und fordert über die Transport-Kanban im 10. Schritt ebenfalls Nachschub an. Eine zentrale Produktionssteuerung ist im Rahmen des Kanban-Systems trotz des automatisierten Ablaufs notwendig.27 Sie erstellt z.B. übergeordnete Termin- und Ka- pazitätsgrobplanungen zur Sicherstellung der Produktionsaktivität und legt den Men- genausstoß pro Teil und Zeit durch die Bestimmung des quantitativen Produktmixes fest. Zudem ist sie für die Aufnahme und Stornieren von Aufträgen sowie die Auf- tragsfortschrittsüberwachung durch Registrieren der Kartenumläufe verantwortlich. Für einen sinnvollen Einsatz des Kanban-Systems müssen außerdem folgende Vo- raussetzungen gegeben sein:28 • Die durch das Kanban-Verfahren gesteuerten Teile dürfen nur geringen Be- darfsschwankungen unterliegen. • Das Produktionsprogramm sollte harmonisiert sein. • Die Betriebsmittelaufstellung muss ablauforientiert organisiert und bei mög- lichst gleichem Arbeitsrhythmus mit den Kapazitäten abgestimmt sein. • Die Umrüstzeiten sollten möglichst gering und die Verfügbarkeit der Betriebs- einrichtungen möglichst hoch sein. • Die Qualität soll durch Selbstkontrolle am Arbeitsplatz sichergestellt werden. • Es dürfen nur verwendbare Teile an den Verbraucher bzw. die nächste Ferti- gungsstufe weitergegeben werden, da keine Reserveteile eingeplant sind. • Die Mitarbeiter müssen hoch motiviert und qualifiziert sein und zur exakten Er- füllung der Vorgaben angehalten werden. 27 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wildemann (1984), S. 36. 28 Vgl. für die folgende Aufzählung Wildemann (1982), S. 11-15, S. 38-62; Wiendahl (2008), S. 345.
  • 20. 2. Grundlagen 13 2.2. Entscheidungstheorie 2.2.1. Einführung in die Entscheidungstheorie Hintergrund und Ziele: Laut Bamberg, Coenenberg und Krapp hat die Betriebswirtschaftslehre die Aufgabe, die in betriebswirtschaftlichen Organisationen tätigen Menschen bei ihren Entschei- dungen beratend zu unterstützen.29 Daher wird die Betriebswirtschaftslehre häufig auch als spezielle oder angewandte Entscheidungstheorie bezeichnet.30 Die Ent- scheidungstheorie an sich befasst sich systematisch mit dem Entscheidungsverhal- ten von Individuen und Gruppen. Als Entscheidung wird hierbei die Wahl einer aus mehreren Handlungsalternativen bezeichnet. Hintergrund entscheidungstheoreti- scher Beobachtungen und Untersuchungen ist die Gewinnung von beschreibenden (deskriptiven) oder vorschreibenden (präskriptiven) Aussagen. Demnach lässt sich die Entscheidungstheorie je nach Forschungsziel unterscheiden. Ziel der deskriptiven Entscheidungstheorie ist die Beschreibung und Erklärung von Entscheidungsfindungen in der Realität. Kernfragen sind hierbei also: Wie und wa- rum werden Entscheidungen getroffen? Untersucht wird das Verhalten von Indivi- duen und Gruppen im Entscheidungsprozess, um daraus empirisch gehaltvolle Hypothesen abzuleiten, die anschließend ggf. bei der Prognose oder Steuerung von Entscheidungen hilfreich sein können. Ziel der präskriptiven bzw. normativen Entscheidungstheorie ist es darzulegen, wie Entscheidungen „rational“ getroffen werden können. Kernfrage hierbei ist: Was soll ein Entscheider in unterschiedlichen Entscheidungssituationen tun? Die prä- skriptive Entscheidungstheorie, auch Entscheidungslogik genannt, gibt Ratschläge zur Lösung von Entscheidungsproblemen. Sie ist nicht direkter Gegenstand dieser Arbeit und wird daher nicht näher betrachtet. Die Entscheidungssituation und der oder die Entscheidungsträger bilden die zwei wesentlichen Elemente einer solchen Untersuchung.31 Die Entscheidungssituation kann durch Zielsetzungen, Rahmenbedingungen und mögliche Handlungsaktionen beschrieben werden und durch deren Kombinationen zu unterschiedlich günstigen 29 Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 11. 30 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 3-4. 31 Vgl. für den folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 1.
  • 21. 2. Grundlagen 14 oder ungünstigen Ergebnissen führen. I.d.R. kann der Entscheidungsträger diese Kombinationen und damit die Ergebnisse jedoch nur zu einem gewissen Teil beein- flussen. Ziel der Betriebswirtschaftslehre als angewandte Entscheidungslehre ist es, Aussagen darüber zu erhalten, wie das Entscheidungsverhalten der Menschen in der Betriebswirtschaft sein soll, um Ziele möglichst optimal zu erreichen, und daraus normative Entscheidungsmodelle zu entwickeln, die die Ableitung rationaler Prob- lemlösungen für praktische Entscheidungssituationen ermöglichen.32 Grundbegriffe:33 • Um beurteilen zu können wie und warum Entscheidungen getroffen werden oder getroffen werden sollten, muss Klarheit über die anzustrebende Zielvor- stellung herrschen. Sie hilft Handlungsalternativen nach ihrer Zweckdienlich- keit zu beurteilen und zu priorisieren. • Im Rahmen eines Entscheidungsproblems muss ein Entscheider eine Hand- lungsalternative aus einer Menge zur Wahl stehender Handlungsalternativen auswählen. Hierfür muss er die Alternativen bezüglich ihrer wahrscheinlich eintretenden Ergebnisse und deren Nutzen bewerten. • Ein Entscheidungsfeld bildet das Entscheidungsproblem zur Bewertung der Alternativen ab. Es wird durch die Alternativen, Ergebnisse und Umweltent- wicklungen gekennzeichnet. • Zur Priorisierung der vorliegenden Handlungsalternativen muss das Zielsys- tem gewissen Anforderungen entsprechen. Der Entscheidungsträger benötigt zum einen eine genaue Vorstellung über die für die Entscheidung relevanten Zielgrößen und zum anderen Präferenzrelationen bzgl. der verschiedenen Er- gebnismerkmale.34 32 Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 11. 33 Vgl. für die folgenden Aufzählung Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 4-7; Bam- berg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 27 34 Eine nähere Betrachtung von Grundbegriffen der Entscheidungstheorie ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nähere Informationen siehe auch Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012); Bam- berg/Coenenberg/Krapp (2012); Bitz (1981).
  • 22. 2. Grundlagen 15 Informationsstände Sicherheit, Risiko und Ungewissheit: Wie bereits erwähnt, besteht ein Entscheidungsfeld aus drei Komponenten: Hand- lungsalternativen, Umweltzuständen und Ergebnissen.35 Die Menge aller relevanten Umfeldzustände wird Zustandsraum genannt. Je nach Kenntnisstand über den tat- sächlichen Umfeldzustand wird nach drei Fällen unterschieden, Mischformen sind auch möglich. In einer Ungewissheitssituation ist lediglich bekannt, dass irgendeiner der Zustände eintreten wird. Eine Risikosituation liegt vor, wenn Wahrscheinlichkei- ten für das Eintreten der Zustände bekannt sind. Eine Sicherheitssituation (Extrem- fall) ist gegeben, wenn der wahre Umfeldzustand bekannt ist. Handlungskonsequenzen von Aktionen und Zuständen können vom Entscheidungs- träger basierend auf Kenntnissen bestehender Gesetzmäßigkeiten bestimmt werden. Auch hier kann wieder bzgl. der Informationsstände Sicherheit, Risiko und Unge- wissheit unterschieden werden. Nachfolgende Abbildung 6 veranschaulicht die ver- schiedenen Informationsstände betriebswirtschaftlicher Entscheidungsprobleme. Abbildung 6: Informationszustände von Entscheidungssituationen 36 Risikoeinstellung: In einer Risikosituation ist der Entscheidungsträger in der Lage, Wahrscheinlichkeiten für das Eintreten künftiger Umweltzustände anzugeben.37 Muss ein Entscheidungs- träger eine Entscheidung unter Risiko treffen, so wird diese nicht nur von wahr- scheinlichen Umweltzuständen beeinflusst, sondern auch von dessen Einstellung zum Risiko. Es werden drei Risikoeinstellungen unterschieden, Risikoneutralität, Ri- sikoaversion und Risikofreude. Ein risikoneutraler Entscheider ist bei gleicher Erwar- tung indifferent zwischen einer riskanten Alternative und einer sicheren. Ein risiko- averser Entscheider zieht eine sicherere Alternative vor einer riskanteren vor, ein risikofreudiger Entscheider präferiert die riskantere Alternative. 35 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 15-26. 36 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 24. 37 Vgl. für den folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 92-93. Konsequenzen Sicherheit Risiko Ungewissheit Sicherheit Sicherheit Risiko Ungewissheit Zustände Risiko Risiko Risiko Ungewissheit Ungewissheit Ungewissheit Ungewissheit Ungewissheit Informationszustände bezüglich
  • 23. 2. Grundlagen 16 2.2.2. Rationalität und ihre Beschränkungen im menschlichen Handeln Rationales Verhalten in Entscheidungssituationen: Der Begriff der Rationalität wurde in der Vergangenheit unterschiedlich definiert.38 Weber definierte Rationalität wie folgt: „Zweckrational handelt, wer sein Handeln nach Zweck, Mittel und Nebenfolgen orientiert und dabei sowohl die Mittel gegen die Zwecke, wie die Zwecke gegen die Nachfolgen, wie endlich auch die verschiedenen Zwecke gegeneinander rational abwägt: also jedenfalls weder affektuell (und insbe- sondere nicht emotional), noch traditional handelt.“39 Wie Entscheidungen in Risikosituationen rational getroffen werden können, wird vom Bernoulli-Prinzip beschrieben.40 Die auszuwählende optimale Alternative ist hierbei diejenige, mit dem höchsten Erwartungswert des Nutzens der möglichen Ergebnisse. Aufgrund der Plausibilität der dem Bernoulli-Prinzip zu Grunde liegenden Axiome rationalen Verhaltens, ist „[…] das BERNOULLI-Prinzip das wichtigste normative Entscheidungskriterium bei Risiko.“41 Im Folgenden werden die Axiome rationalen Verhaltens kurz aufgeführt:42 1) Ordinalprinzip: Dieses Axiom fordert, dass die zur Auswahl stehenden Al- ternativen in eine eindeutige Rangordnung zu bringen sind. Demnach im- pliziert dieses Axiom, dass die Alternativen vergleichbar und transitiv sind. Transitivität besteht, wenn Alternative A der Alternative B und Alternative B der Alternative C vorzuziehen ist und daraus folgt, dass A auch C vorzu- ziehen ist. 2) Dominanzprinzip: Nach diesem, auch Wahrscheinlichkeitsdominanz ge- nannten, Prinzip ist Alternative A der Alternative B vorzuziehen, wenn für jede mögliche Wahrscheinlichkeit der Ergebniswert von A gleich dem von B ist, er jedoch für mindestens eine Wahrscheinlichkeit größer ist als der von B. 3) Stetigkeitsprinzip: Dieses Prinzip besagt, dass es eine Indifferenzwahr- scheinlichkeit zwischen einer Chance mit einem Ergebnis E1 und einem 38 Vgl. Weber/Schäffer/Langenbach (2001), S. 46-76; Habermas (1988), S. 15-141; Irle (2011), S. 66- 70. 39 Weber (1988), S. 566. 40 Vgl. für den folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 109-110. 41 Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 109. 42 Vgl. für die folgende Aufzählung Bitz (1981), S. 180-182; Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 89-91; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 121-125.
  • 24. 2. Grundlagen 17 sicheren Ergebnis E2 gibt und dass der Entscheidungsträger diese be- zeichnen und fixieren kann. In anderen Worten, es existiert ein Punkt, bei dem der Entscheider zwischen Chance und sicherem Ergebnis indifferent ist, wenn die Wahrscheinlichkeit von Null an für das optimale Ergebnis E stetig erhöht wird. 4) Substitutionsprinzip: Wird ein Ergebnis A in einer Wahrscheinlichkeitsver- teilung durch eine äquivalente Lotterie ersetzt, ergibt sich eine der vorheri- gen Verteilung gleichwertige Wahrscheinlichkeitsverteilung. Demnach er- zielt der Entscheidungsträger keinen Vor- oder Nachteil, wenn er ein Er- gebnis gegen eine Lotterie tauscht, wenn er zwischen ihnen indifferent ist. 5) Reduktionsprinzip: Eine einfache bzw. einstufige Wahrscheinlichkeitsver- teilung ist gleich einer zusammengesetzten bzw. mehrstufigen Wahr- scheinlichkeitsverteilung, wenn jedes Ergebnis mit derselben Wahrschein- lichkeit eintritt. 6) Monotonieprinzip: Von zwei Wahrscheinlichkeitsverteilungen, bei denen nur die Ergebnisse A und B mit A > B eintreten können, ist diejenige vor- zuziehen, bei der das A die größere Eintrittswahrscheinlichkeit aufweist. Das Bernoulli-Prinzip und die zugehörigen Axiome können sich nicht aller Kritik, ins- besondere vor dem Hintergrund mangelnden Realitätsbezugs, erwehren, sind jedoch plausibel und nachvollziehbar.43 Laut Laux, Gillenkirch und Schenk-Mathes gilt daher: „Wer sie akzeptiert, sollte dem BERNOULLI-Prinzip folgen.“44 Festgestellte Paradoxien und Ursachen von Rationalitätsdefiziten: Verschiedene Laborexperimente zum menschlichen Entscheidungsverhalten haben systematische Abweichungen der Entscheider von rationalem Verhalten aufgezeigt.45 Aufgrund der Konzipierung der Experimente scheiden begrenzte Rationalität und ir- rationales Verhalten der Entscheider als Erklärungsgrundlage aus. Folgende Be- obachtungen wurden hierbei u.a. gemacht: 43 Eine nähere Betrachtung zur Anwendung und Kritiken am Bernoulli-Prinzip ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nähere Informationen siehe auch Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 109- 144; Bamberg (2012) S. 67-106. 44 Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 121. 45 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 148, S. 162-163.
  • 25. 2. Grundlagen 18 • Entscheidungsträger messen der Sicherheit eines Ergebnisses besonderes Gewicht bei, d.h. ist eine zur Wahl stehende Alternative sicher, beeinflusst das den Vergleich von Alternativen. • Sind die Wahrscheinlichkeiten für Ergebnisse gering, so reagieren Entschei- dungsträger weniger stark auf Unterschiede. In solchen Situationen orientieren sie sich eher an Unterschieden im Ergebnis. • Das Reduktionsaxiom wird nicht konsequent von den Entscheidungsträgern angewandt. Je nachdem, wie unsicher Handlungsalternativen bzgl. der Um- weltzustände dargestellt werden, entscheiden sie in unterschiedlicher Weise. • Die Darstellung von Entscheidungsproblemen, speziell die Darstellung von Ergebnissen, beeinflusst Entscheidungsträger. • Referenzpunkte, die sich je nach Entscheidungssituation verändern können, werden von Entscheidern zur Orientierung genutzt. • Entscheider bewerten Verluste wesentlich stärker als Gewinne gleichen Be- trags. Diese Verlustaversität kann nicht durch rationale Argumente wie Reich- tumseffekte oder Konkavität der Nutzenfunktion erklärt werden. • Unsichere Verluste und unsichere Gewinne werden nicht gleich bewertet. Die Risikoeinstellung wird um den Gewinn/Verlust-Referenzpunkt gespiegelt. • Die Art der Befragung zur Festlegung der Präferenzen von Entscheidungsträ- gern beeinflusst diese. Die beobachteten Abweichungen lieferten wichtige Impulse für die Weiterentwicklung entscheidungstheoretischer Ansätze, ein allgemeines Modell zur Erklärung aller be- kannter Paradoxien liegt jedoch bisher nicht vor.46 Abbildung 7 stellt eine Übersicht zu möglichen Ursachen von Rationalitätsdefiziten dar. Hierbei wird in erster Linie un- terschieden in das Wollen und Können des Menschen.47 Anschließend werden kog- nitive Beschränkungen anhand folgender Annahmen, wobei sich die Struktur am im Gehirn ablaufenden Entscheidungsprozess orientiert, dargestellt: • Resourceful – Der Mensch sucht aktiv und intelligent nach Möglichkeiten der Zielrealisierung. 46 Vgl. Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 146; für weitere Informationen zu Rationalität, Rati- onalitätsdefiziten und deren Ursachen siehe auch Habermas (1988), Weber (1988), Weber/Schäffer/Langenbach (2001), Irle (2011). 47 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Irle (2011), S. 74-75.
  • 26. 2. Grundlagen 19 • Restricted – Aus der Knappheit der Güter ergibt sich eine Beschränkung der Wahlmöglichkeiten. • Evaluating – Menschen bewerten Zustände und Geschehnisse. • Expecting – Menschen erwarten künftige Zustände und Geschehnisse mit ei- ner bestimmten Wahrscheinlichkeit. • Maximizing – Der Mensch versucht, aus den beschränkten Möglichkeiten das Beste zu machen. Abbildung 7: Übersicht zu Ursachen von Rationalitätsdefiziten 48 2.2.3. Deskriptive Entscheidungstheorie Berücksichtigung begrenzter Rationalität: Die Empfehlung der präskriptiven Entscheidungstheorie Entscheidungen rational zu treffen ist eingängig, ohne weitere Erklärungen jedoch schwer greifbar.49 Vor diesem Hintergrund wurde rationales Verhalten, anhand des Bernoulli-Prinzip grob erläutert. Dennoch ist, wie unter Punkt 2.2.2 dargestellt, in der Realität immer wieder nicht rati- 48 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Irle (2011), S. 91. 49 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 145-147. Arbeitsscheu Abweichende Karrierepräferenzen Abweichende Risikopräferenzen Abweichende Zeitpräferenzen Wissensbeschränkungen Beschränkte Wahrnehmumngsfähigkeit Wahrnehmungsverzerrung Groupthink Koordinationsprobleme Restricted - (keine Erweiterung erforderlich) Beschränkte Bewertungsfähigkeit Bewertungsverzerrung Verzerrung bei der Kontrolle Beschränkte Lernfähigkeiten Verzerrung beim Lernen Risikoschub Macht Beschränkte Prognosefähigkeiten Prognoseverzerrung Sujektive Optimierung Durchschnitts- statt Grenzbetrachtung Satisfizierung Ursachen von Rationalitätsdefiziten Eigeninteressiertes Verhalten Resourceful Evaluating Expecting Maximizing Kognitive Beschränkungen
  • 27. 2. Grundlagen 20 onales Verhalten von Entscheidungsträgern zu beobachten. Diverse Experimente zeigen systematische Verstöße gegen Axiome der präskriptiven Entscheidungstheo- rie auf. Diese Erkenntnisse führten zur Entwicklung sogenannter Non-Expected- Utility-Modelle, die helfen sollen, das tatsächliche Verhalten von Entscheidungsträ- gern einzufangen. Hierbei wird davon ausgegangen, dass der Entscheidungsträger nach klaren und konsistenten Präferenzen entscheidet. Die beobachteten Abwei- chungen werden gesammelt und zu Prinzipien zusammengefasst, um sie als Grund- lage für Prognosen nutzen zu können. In vielen Entscheidungssituationen ist es un- abdingbar, menschliches Verhalten zu prognostizieren. So ist es für die Konzeption von Arbeitsverträgen oder Entlohnungssystemen essentiell zu wissen, wie Mitarbeiter auf Anreize tatsächlich reagieren und wie in der Realität Alternativen und Wahr- scheinlichkeitsurteile gebildet werden. Aufgrund des häufig kritisierten geringen Realitätsbezuges früherer Ansätze hat sich die Entwicklungsrichtung der deskriptiven Entscheidungstheorie im Laufe der Zeit verändert und ist seither auf eine interdisziplinäre, verhaltenswissenschaftliche Ana- lyse der den Entscheidungsprozessen zu Grunde liegenden kognitiven Prozesse des Individuums ausgerichtet.50 Besonders bedeutend und interessant für betriebswirt- schaftliche Entscheidungen in Unternehmen sind z.B. die Propect Theory von Kahneman und Tversky und der von R. M. Cyert und J. G. March entwickelte Ansatz „A behavioral theory of the firm“.51 Ausgangspunkt letztgenannter Theorie ist die Er- kenntnis der begrenzten Rationalität des Individuums aufgrund limitierter Informati- onsgewinnungs- und Informationsverarbeitungskapazitäten. Daher wird hier nur von bedingter bzw. anzustrebender Rationalität ausgegangen. Der Entscheider handhabt diese begrenzten Kapazitäten zur Informationsgewinnung und -verarbeitung durch unterschiedlich starke Vereinfachungen des Entscheidungsproblems. Zudem strebt er oftmals lediglich nach zufriedenstellenden und nicht nach optimalen Lösungen des Problems. Die Folge dessen ist laut Cyert und March oft ein adaptives Problemlö- sungsverhalten, bei dem Folgeprobleme in Anlehnung an vorangegangene Probleme mit möglichst geringem Aufwand bewältigt werden. Im Fokus der Betrachtung im Rahmen dieser Theorie steht demnach neben dem Auswahlprozess das Zu-Stande- Kommen der Entscheidungsprämissen, also der Prozess der Zielbildung und Infor- mationsgewinnung. 50 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 6-11. 51 Vgl. Kahneman/Tversky (1979), S. 263-284; Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 163-164, S. 181-183.
  • 28. 2. Grundlagen 21 Aufbau und Ablauf deskriptiver Untersuchungen: Gegenstand der deskriptiven Entscheidungstheorie ist das Zu-Stande-Kommen von Entscheidungen, weshalb empirisch beobachtete Begrenzungen der Rationalität in aufgestellte Thesen integriert werden müssen.52 Aufgabe der deskriptiven Entschei- dungstheorie ist daher u.a. empirische Zusammenhänge zwischen den Variablen des Bezugsrahmens aufzudecken und zu erklären. Warum bestimmte Ereignisse einge- treten sind oder eintreten werden, wird hierbei basierend auf gesetzmäßigen Hypo- thesen und bekannten Ausgangsbedingungen zu erklären versucht. Diese wissen- schaftlichen Erklärungen basieren auf drei Bestandteilen: • Anfangsbedingungen der konkreten Situation, • für den Sachverhalt relevanten Gesetzmäßigkeiten, • beschreibenden, empirischen Aussagen über den Sachverhalt. Abbildung 8: Aufbau von Beschreibungs- / Erklärungsmodellen 53 Wie bereits erwähnt, bilden die Entscheidungssituation und der Entscheidungsträger zwei wesentliche Elemente einer solchen Untersuchung. Abbildung 8 visualisiert, wie alle drei Bestandteile der Erklärung diese berücksichtigen. Somit integriert das Be- 52 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 5. 53 Quelle: Eigene Darstellung.
  • 29. 2. Grundlagen 22 schreibungs- bzw. Erklärungsmodell neben Faktoren die den Entscheidungsträger beeinflussen ebenso das Zielsystem und die im Entscheidungsfeld enthaltenen In- formationen zu Handlungsalternativen, Umweltentwicklungen und möglichen Ergeb- nissen sowie darauf aufbauende Wahrscheinlichkeitsurteile und Prognosen. Die Er- klärung besteht nun bspw. aus der Ermittlung einer unbekannten Gesetzmäßigkeit auf Basis einer bekannten Anfangsbedingung und bestimmten Aussagen über den Sachverhalt.54 Ebenso ersichtlich ist, dass sich das Erklärungsmodell auch zur Er- stellung von Prognosen verwenden lässt, indem aus bekannten Gesetzmäßigkeiten und Anfangsbedingungen durch logisches Ableiten die noch unbekannten Aussagen über den Sachverhalt erschlossen werden. Das folgende Beispiel verdeutlicht diesen modellhaften Prozess noch einmal: (Anfangsbedingungen) Ein Unternehmen nutzt das Kanban-Verfahren zur Ferti- gungssteuerung. Aktuell werden X Produktions- und Y Transport-Kanbans zur Steue- rung verwendet. (Relevante Gesetzmäßigkeit) In den vergangenen Jahren stieg die Nachfrage im bevorstehenden Quartal jeweils zwischen 25 und 30 Prozent an, wes- halb ein solcher Nachfrageanstieg auch im aktuellen Jahr prognostiziert wurde. (Aus- sagen zum Sachverhalt) Um die Fertigung an die steigende Nachfrage anzupassen, muss die Anzahl der Produktions- und Transport-Kanbans überprüft und optimiert werden. Es wird angenommen, dass die optimale Anpassung bei einer Erhöhung um jeweils 25 Prozent liegt. Denkbare Hypothesen hierzu könnten sein, dass ein risiko- freudiger Entscheider zur Optimierung der Auslastung zu einer geringeren Steige- rung der Kartenanzahl neigt und z.B. nur eine Anpassung um 20 Prozent vornimmt, ein risikoaverser Entscheider dagegen tendiert evtl. zur Sicherstellung der Befriedi- gung der Nachfrage zu einer höheren Anpassung und erwägt bspw. eine Anpassung um 35 Prozent. Anschließend sollen die Hypothesen empirisch überprüft werden. 54 Vgl. für den folgenden Absatz Bamberg/Coenenberg/Krapp (2012), S. 5.
  • 30. 2. Grundlagen 23 2.2.4. Entscheidung als Prozess Phasenschema des Entscheidungsprozesses: Steht ein Entscheidungsträger vor einem Entscheidungsproblem, so vollzieht sich die Entscheidungsfindung als mehrstufiger Prozess, der wie folgt dargestellt werden kann.55 Die Prozessschritte sind in der Realität jedoch nicht immer eindeutig vonei- nander zu trennen und sollten daher nicht isoliert betrachtet werden: (1) Problemformulierung und Präzisierung des Zielsystems Angeregt wird ein Entscheidungsprozess häufig dadurch, dass eine unbefriedi- gende Entwicklung einer bestimmten Situation erkannt wird, wie z.B. der Ausfall einer Maschine.56 Hierbei kann es routinemäßig zu einer Problemformulierung kommen. Ist die Ursache unbekannt, kann die Formulierung des Problems aber auch einen langwierigen Suchprozess erfordern. Das Treffen optimaler Entschei- dungen ist jedoch nur möglich, wenn angemessene Zielvorstellungen definiert wurden, die eine Bewertung der Alternativen ermöglichen. Oft ist daher eine Prä- zisierung des Zielsystems notwendig. Sie gibt der Alternativenanalyse eine kon- krete Richtung und der Alternativenbewertung einen Bewertungsmaßstab. (2) Erforschung der möglichen Handlungsalternativen Dieser Schritt kann in drei Bestandteile unterschieden werden:57 (a) Ermittlung von Restriktionen für mögliche Alternativen: D.h. es müssen Bedin- gungen für gültige Lösungen definiert werden und z.B. Begrenzungen finanzi- eller Mittel oder Produktionskapazitäten berücksichtigt werden. (b) Suche bzw. Entwicklung von Alternativen: Wissensstand, Erfahrung und Krea- tivität des Entscheidungsträgers beeinflussen diesen Schritt wesentlich. Erfah- rungswerte helfen sowohl bei der Suche nach Alternativen als auch bei der Schätzung ihrer Konsequenzen, können sich jedoch auch hemmend auf das Erkennen von Alternativen auswirken. Durch das Einbeziehen von Wissen, Er- fahrung und Ideen anderer Personen, kann die Anzahl und Qualität der erwo- genen Alternativen optimiert werden. 55 Vgl. für den folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 12. 56 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 12-13. 57 Vgl. für die gesamten folgenden Unterpunkte Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 13-14.
  • 31. 2. Grundlagen 24 (c) Prognose der Ergebnisse der Alternativen: Notwendige Voraussetzung zum Treffen einer möglichst optimalen Entscheidung ist das Abschätzen der Kon- sequenzen der Alternativen. Aufgrund meist unvollkommener Informations- stände, ist eine sichere Prognose i.d.R. nicht möglich. Der Entscheidungsträ- ger kann sich lediglich von seinem Informationsstand abhängige Wahrschein- lichkeitsurteile zu möglichen Ergebnissen bilden. (3) Auswahl einer Alternative Die rationale Auswahl einer Handlungsalternative basiert prinzipiell auf dem Grundsatz diejenige Alternative zu wählen, die das höchste Maß an Bedürfnisbe- friedigung verspricht.58 Entscheidungsregeln legen fest, wie hierfür aus den zur Verfügung stehenden Alternativen die passende ausgewählt werden kann. Präfe- renzenfunktionen ordnen den Alternativen Präferenzwerte zu. Orientierungskrite- rien beschreiben, welche Ausprägung des Präferenzwertes angestrebt wird. Eine solche Entscheidungsregel wird oft auch als Zielfunktion bezeichnet. Entschei- dungsprinzipien hingegen führen nicht zwingend zu einer eindeutigen Lösung des Problems. Sie geben eine Richtlinie für die Ermittlung der Präferenzen vor, lassen jedoch einen gewissen Entscheidungsspielraum offen. Häufig ist es schon vor der Bewertung möglich die Anzahl der relevanten Alternativen durch sogenannte „schwache“ Entscheidungsprinzipien zu reduzieren.59 Dominanzkriterien zielen z.B. auf den Vergleich von zwei Alternativen ab und beinhalten Aussagen dazu, unter welchen Bedingungen eine Alternative der anderen vorzuziehen ist, auch ohne diese abschließend zu bewerten. Die geläufigsten Dominanzkriterien sind die absolute Dominanz, die Zustandsdominanz und die Wahrscheinlichkeitsdomi- nanz. Letztere wurde bereits im Rahmen des Bernoulli-Prinzips unter Punkt 2.2.2 erläutert. Bei der absoluten Dominanz ist Alternativen A Alternative B vorzuzie- hen, wenn das schlechtmöglichste Ergebnis von A nicht schlechter ist als das bestmögliche Ergebnis von B. Laut der Zustandsdominanz ist die Alternative A der Alternative B vorzuziehen, wenn A bei keinem Umweltzustand zu einem schlechteren, bei mindestens einem aber zu einem besseren Ergebnis führt als B. 58 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 33-38. 59 Vgl. Bitz (1981), S. 20-24.
  • 32. 2. Grundlagen 25 Entscheidung als sozialer Prozess: Entscheidungen hängen in der Realität in hohem Maße von sozialen Aspekten ab.60 Der Entscheidungsträger kann z.B. seine Entscheidungsgrundlage verbessern, in- dem er sich über objektive Daten, subjektive Wahrscheinlichkeitsvorstellungen oder subjektive Bewertungen von Alternativen bei anderen Personen informiert. Diese In- formationsbeschaffung ist von seinem sozialen Umfeld und seinen sozialen Fähigkei- ten abhängig. Ebenso kann der Entscheider bspw. aus sozialen Gründen bei der Festlegung der gewünschten Ergebnisse oder der Bewertung von Alternativen die Präferenzen anderer Personen berücksichtigen. Dies kann über die Ergebnisdefiniti- on, die Bewertung der Ergebnisse oder auch über Nebenbedingungen, die den Handlungsspielraum einengen, geschehen. Ein Unternehmer könnte z.B. eine ge- wisse Gewinnschmälerung in Kauf nehmen, um Entlassungen zu vermeiden. 60 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2012), S. 46.
  • 33. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 26 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteue- rung 3.1. Problemstellung und Vorgehen Aufgabe der Fertigungssteuerung ist, die Vorgaben der Produktionsplanung auch bei oft unvermeidlichen Störungen möglichst optimal zu realisieren.61 Das Zielsystem der Fertigungssteuerung wird hierbei über die logistischen Zielgrößen der Logistikleis- tung und -kosten dargestellt. Im Rahmen eines effektiven Produktionsmanagements werden Methoden und Mittel vorausgesetzt, übergeordnete Unternehmensziele in zielorientierte Maßnahmen umzusetzen.62 Die von produzierenden Unternehmen erwartete hohe Aktions- und Reaktionsfähigkeit ist hierbei durch einen durchgängi- gen Entscheidungsprozess im gesamten Unternehmen sicher zu stellen. Für die Fer- tigungssteuerung bedeutet dies, dass zum einen geänderte Unternehmensziele di- rekt in den laufenden Planungsprozess einfließen und zum anderen die Rückwirkun- gen von Handlungsalternativen auf die Gesamtzielerreichung bekannt sein müssen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind Kenntnisse über die Beziehun- gen zwischen den Unternehmenszielen und den Zielen der Fertigungssteuerung so- wie zwischen den Zielgrößen der Fertigungssteuerung notwendig, da hohe Flexibilität eine entsprechende Transparenz des Entscheidungs- und Durchführungsprozesses voraussetzt. Fertigungsverfahren dienen der effizienten Umsetzung der Produktionsplanung. Hierzu werden die Fertigungsprozesse umfassend strukturiert, standardisiert und automatisiert und durch geeignete Hard- und Softwarekonfigurationen unterstützt. Solche Konzeptionen sehen an den Nahtstellen zwischen den PPS-Funktionen wei- terhin Schnittstellen mit dem Menschen vor.63 Trotz umfangreicher Programme und schneller Rechner wird es immer Situationen geben, die nicht vorausgesehen wur- den und somit Berechnungen verfälschen oder deren Ergebnisse unbrauchbar ma- chen.64 Der sachverständige Mensch ist als weiteres Steuerungselement zwingend erforderlich. Er muss im Programmablauf entsprechend der Ergebnisse der Compu- terberechnungen Entscheidungen fällen und steuernd eingreifen. 61 Vgl. Punkt 2.1 Fertigungssteuerung. 62 Vgl. für den folgenden Absatz Wedemeyer (1989), S. 2-3. 63 Vgl. Schomburg (1984), S. 10. 64 Vgl. für den folgenden Absatz Scheel (1980), S. 42.
  • 34. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 27 Die vorliegende Arbeit zielt darauf ab, die Transparenz in diesem Entscheidungs- und Durchführungsprozess durch eine strukturierte Betrachtung der vom Menschen zu treffenden Entscheidung zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund wird im folgenden Kapitel 3 zunächst aus den Aufgaben der Fertigungssteuerung hergeleitet, in wel- chen Bereichen bzw. Prozessschritten der Mensch anzutreffen ist und welche Ent- scheidungen er dort treffen muss. Anschließend werden Informations- und Unterstüt- zungssysteme betrachtet, um darauf folgend ausgewählte Entscheidungssituationen am Beispiel der Kanban-Steuerung im Detail zu analysieren. Darauf basierend wer- den Hypothesen zu möglichen suboptimalen Entscheidungen aufgestellt und Opti- mierungspotentiale erarbeitet. 3.2. Aufgaben der Fertigungssteuerung und Schnittstellen mit dem Menschen Im Rahmen der Fertigung ist der Mensch bei der Planung, Gestaltung und Organisa- tion sowie Steuerung und Kontrolle der Fertigung anzutreffen.65 Unter Punkt 2.1.2 wurden die Aufgaben der Fertigungssteuerung bereits von weiteren Aufgaben der PPS abgegrenzt. Um Schnittstellen mit dem Menschen nun im Detail ausfindig zu machen, werden im Folgenden die Aufgaben der Fertigungssteuerung strukturiert betrachtet (vgl. Abbildung 9).66 65 Vgl. Schiemenz (2001), S. 152-186. 66 Vgl. Wedemeyer (1989), S. 5-7; Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 325-334.
  • 35. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 28 Abbildung 9: Aufgaben der Fertigungssteuerung 67 Eine gewissenhafte Planung ist Voraussetzung für eine optimale Fertigungssteue- rung, um betriebswirtschaftliche, technische und arbeitsorganisatorische Fehler zu vermeiden.68 Diese institutionelle und funktionelle Aufgabe wird von der Arbeitsvor- bereitung durchgeführt. Die Planung, Steuerung und Kontrolle der Produkterstellung auf institutioneller Ebene übernimmt i.d.R. eine Stabstelle. Auf funktioneller Ebene übernimmt die Arbeitsvorbereitung die Entwicklung der optimalen Planungs-, Steue- rungs- und Kontrollmethoden zur Zusammenarbeit von fertigungstechnischen, be- triebswirtschaftlichen und arbeitsorganisatorischen Unternehmensbereichen. Der Planung kommt im Rahmen der PPS eine besondere Rolle zu, da sie übergreifend alle anderen Schnittstellen beeinflusst und zudem durch einen fließenden Übergang 67 Quelle: Eigene Darstellung. 68 Vgl. für den folgenden Absatz Kaminsky/Heigenhauser (1970), S. 397-402.
  • 36. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 29 von der übergeordneten Produktionsprogrammplanung zur detaillierten Planung der Fertigung gekennzeichnet ist. Ein durchgängiges hierarchisches Planungskonzept stellt z.B. das Manufacturing Resources Planning (MRP II) dar.69 Die II im Kürzel dient der Abgrenzung vom Material Requirements Planning (MRP). Auf der obersten Ebene der Planung wird der hoch aggregierte Geschäftsplan erstellt, auf unterster Ebene der Ablaufplan. Dazwischen sind die Stufen Aggregierte Planung, Produkti- onsprogrammplanung und Materialbedarfsplanung zu durchlaufen. Der zeitliche und räumliche Detaillierungsgrad nimmt hierbei mit der Planungsebene zu, wobei die zeit- liche Reichweite abnimmt. Die übergeordneten Ebenen geben den nachfolgenden die Rahmenbedingungen vor. Sollte jedoch unter den gegebenen Rahmenbedingun- gen keine gute Lösung gefunden werden, so erfolgt eine Rückkopplung zur vorange- gangenen Stufe. Die Organisation und Gestaltung dient der Planung auf mittelfristig-dispositiver Ebene.70 Sie umfasst u.a. Termin-, Kapazitäts- und Reihenfolgenplanungen, die Or- ganisation von Arbeitsabläufen und ggf. die Implementierung und Anpassung des Fertigungsverfahrens an das Unternehmensumfeld, sollte dies etwa im Rahmen ei- ner Neugründung oder Umgestaltung notwendig sein. Entsprechend der aggregier- ten Planung werden das mittelfristige Produktionsprogramm und zugehörige Kapazi- täten festgelegt. D. h. es wird z.B. geplant, wie viele Mitarbeiter in den nächsten Mo- naten beschäftigt und welche Mengen produziert werden. Im Rahmen der Steuerung wird kurzfristig-operativ geplant und die Fertigung reali- siert. Demnach fallen unter diesen Bereich alle Tätigkeiten, die eine detaillierte Fest- legung der Produktionsdurchführung gemäß den Vorgaben der Prozessplanung be- zwecken.71 Hierbei werden Maßnahmen ergriffen, die dem Ziel des möglichst rei- bungslosen Ablaufs dienen. Es werden intern Aufträge erzeugt und freigegeben, Be- arbeitungsreihenfolgen gebildet und Mengen und Termine überwacht. Die Kapazi- tätssteuerung dient der Feinjustierung der Abläufe, um Störungen zu vermeiden oder zu beheben. 69 Vgl. für den folgenden Absatz Thonemann (2010), S. 280-281. 70 Vgl. für den folgenden Absatz Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 329-332; Schiemenz (2001), S. 175-185; Thonemann (2010), S. 281. 71 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Schiemenz (2001), S. 186.
  • 37. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 30 Die Kontrolle dient der regelmäßigen Überprüfung von Strukturen und Prozessen sowie der Qualität des Outputs. Qualitätskontrollen sichern hier etwa die gewünschte Produktqualität. Qualitätsmanagementmethoden, wie z.B. die Kaizen-Methode, wer- den genutzt, um über regelmäßige Feedbackkreisläufe Optimierungspotentiale von Prozessen und Struktur zu identifizieren und umzusetzen.72 Im Rahmen der operati- ven Fertigungssteuerung kann die Auftragskontrolle anhand von Fortschrittserfas- sungen der Werkstattaufträge, Mengen- und Terminüberwachungen und Qualitäts- prüfungen durchgeführt werden.73 Informationen zu Soll-Ist-Abweichungen, Auffällig- keiten und Unzulänglichkeiten werden per Rückkopplung an die entsprechenden vorgelagerten Fertigungsstufen weitergegeben, wo diese ausgewertet und entspre- chende Maßnahmen ergriffen werden können. 3.3. Vom Menschen zu treffende Entscheidungen Unter Punkt 3.2 wurden die Aufgaben der Fertigungssteuerung im Rahmen der PPS strukturiert, um die Schnittstellen mit dem Menschen ausfindig zu machen. Abbildung 9 zeigt zudem sich hieraus ergebende Entscheidungsfelder auf. Strategische und dispositive Entscheidungen sind dabei eher der PPS, Entscheidungen zur Steuerung zumeist der Fertigungssteuerung zuzuordnen. Eine klare Trennung kann jedoch nicht vorgenommen werden. Zudem ist diese Darstellung von Aufgaben und Entscheidun- gen vor dem Hintergrund der Zielsetzung dieser Arbeit entwickelt worden und erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Auch wenn einige der zu treffenden Ent- scheidungen dem Grunde nach nicht der Fertigungssteuerung direkt zuzuordnen sind, werden im Folgenden auch vorgelagerte Entscheidungen von besonderer Re- levanz für die Fertigungssteuerung in die Betrachtung mit einbezogen. Im Rahmen der Fertigungssteuerung sind Entscheidungen zu treffen bzgl. der Frage, wie die Produktionsplanung realisiert werden soll. Strategische Entscheidungen um- fassen hierbei die Planung des groben Rahmens der Fertigung. Demnach muss zu- nächst entschieden werden, welches Fertigungssteuerungsverfahren ausgewählt und realisiert werden soll, um darauf aufbauend eine Fertigungsstruktur zu gestalten, die einer geeigneten Umsetzung des Produktionsprogramms dienlich ist. Anschlie- ßend sind, im Rahmen der Umsetzung des Produktionsprogramms, mittelfristig- dispositive Entscheidungen hinsichtlich der Planung von Kapazitäten, Terminen und 72 Vgl. Thonemann (2010), S. 331-335. 73 Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 325.
  • 38. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 31 Bearbeitungsreihenfolgen zu treffen.74 Hierbei werden die strategischen Zielvorgaben auf einzelne Aufgabenbereiche heruntergebrochen und über deren operative Umset- zung entschieden. Es werden Entscheidungen zur arbeitsorganisatorischen Planung hinsichtlich Material- und Arbeitskräfteeinsatz getroffen und Losgrößen, sowie Steu- er- und Kontrollparameter festgelegt.75 In der Realisierungsphase sind dann Ent- scheidungen zur Steuerung der laufenden Fertigung zu treffen. Hierzu zählen z.B. die Festlegung von Bearbeitungsreihenfolgen und Priorisierungen von Aufträgen. Des Weiteren sind vor, während und nach der Fertigung Entscheidungen hinsichtlich Kontrollmaßnahmen zu treffen. Eher strategische Entscheidungen, z.B. die Festle- gung von Kontrollmethoden werden i.d.R. bereits im Rahmen der strategischen Pla- nung getroffen. Wenn nicht im Steuerungsverfahren integriert müssen zudem Ent- scheidungen bzgl. Qualitätskontrollen getroffen werden. 3.4. Informations- und Unterstützungssysteme Eine möglichst rationale Wahl einer Handlungsalternative verlangt, wie unter Punkt 2.2 dargelegt, neben einer Wahlmöglichkeit zwischen mindestens zwei Alternativen, sowohl Kenntnis über die zu erwartenden Ergebnisse der Alternativen, als auch eine Präferenzordnung der möglichen Ereignisse.76 Um dieser Forderung im Rahmen der PPS nachzukommen, muss das genutzte PPS-System anhand eines durchgängigen Verfahrens die erforderlichen Informationen zur Planung, Steuerung und Kontrolle der Fertigung bereitstellen. Eine angemessene Controlling-Konzeption sollte hierfür zum einen den Entscheidungsbezogenen Informationsbedarf decken und zum ande- ren die Entscheidungen in den einzelnen Unternehmensbereichen koordinieren.77 Mit anderen Worten, es muss das richtige Maß an Informationen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort bereitgestellt werden. Entscheidungsunterstützende Systeme (EUS) dienen der Zusammenarbeit von End- benutzer und Anwendungssystem bei der Problemformulierung, Informationsbe- schaffung und -verarbeitung sowie Erstellung alternativer Problemlösungen.78 Ein von Wedemeyer konzipiertes EUS für die Fertigungssteuerung zielt darauf ab, den Bereich der Fertigungssteuerung im Sinne eines übergreifenden PPS-Controllings in 74 Vgl. für den folgenden Absatz Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 329-334. 75 Vgl. Wedemeyer (1989), S.97. 76 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wedemeyer (1989), S.3. 77 Eine nähere Betrachtung von Controlling-Konzeptionen ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nä- here Informationen siehe auch Reichmann (2011), Horvárth (2011), Küpper (2008). 78 Vgl. Müller (1983), S. 11.
  • 39. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 32 allen Fristigkeiten abzudecken.79 Hierfür leitet er den in Abbildung 10 dargestellten Parameterraum eines EUS für die Fertigungssteuerung aus dem Planungs- und Steuerungsprozess ab. Der Parameterraum bildet die Entscheidungsvariablen und die relevanten Einflussgrößen ab und hilft, Alternativen vor dem Hintergrund von Ent- scheidungsfeldern und Zielsystemen zu beschreiben und zu bewerten. Abbildung 10: Parameterraum eines EUS für die Fertigungssteuerung 80 In der Praxis ist die Nutzung von IT-Unterstützungssystemen als dritte Elementgrup- pe der PPS neben Personen (als Aufgabenträger) und organisatorischen Regelun- gen Standard.81 Personelle Aufgabenträger sind hierbei u.a. betriebliche Führungs- kräfte (z.B. Meister, Betriebs- und Organisationsleiter), die Planungs- und Steue- rungsaufgaben wahrnehmen. Die Übertragung des Informationsverarbeitungspro- zesses auf Datenverarbeitungssysteme führt zu einer Entlastung der Aufgabenträger von Routinetätigkeiten und zu einer Erweiterung ihrer Informationsverarbeitungska- pazitäten.82 Bei zielführender dialogorientierter Zusammenarbeit ergibt sich daraus eine Effizienzsteigerung, da so ein zeitnahes Reagieren des Systems auf Störungen, die Berücksichtigung von Interdependenzen vorzunehmender Handlungen durch Si- mulationen und eine umfassendere Abdeckung des benötigten Informationsbedarfs möglich ist. Die Vorteile eines EDV-Systems liegen in der Speicherung und hohen Verarbeitungsgeschwindigkeit großer Datenmengen, wobei der Mensch durch seine Charaktereigenschaften Kreativität, Lernfähigkeit, Erfassung von Unsicherheit und Assoziationsfähigkeit in der Lage ist, komplexe Aufgaben zu bewältigen. Die Zu- 79 Vgl. für den folgenden Absatz Wedemeyer (1989), S. 97. 80 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Wedemeyer (1989), S.97. 81 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wildemann (1981), S. 3-5. 82 Vgl. Punkt 2.2.2 Rationalität und ihre Beschränkungen im menschlichen Handeln.
  • 40. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 33 sammenarbeit kann unterschieden werden hinsichtlich der Tatsache, ob der Aufga- benträger das System zur Unterstützung nutzt oder die Initiative zum Handeln vom System ausgeht. Im erstgenannten Fall bleiben seine organisatorischen Handlungs- spielräume und Kompetenzen unangetastet und es findet ein Dialog statt, bei dem das System kontrolliert, gesteuert und beherrscht wird. Im zweiten Fall gilt der Mensch als Befehlsempfänger und wird lediglich bei sogenannten Programm- Eckpunkten einbezogen, wenn Zwischenergebnisse unzulässige Abweichungen aufweisen oder neue Daten oder menschliche Erfahrung benötigt werden. Im Rahmen der Kanban-Steuerung kann ein solches EDV-basiertes Produktions- steuerungsprogramm z.B. durch folgende, in primär und sekundär unterscheidbare, Aktivitäten unterstützen.83 Primärfunktionen: • Kapazitätsabgleich der Arbeitssysteme auf Basis des aktuellen Produktmix und Erstellung von Produktionsplänen auf Tagesbasis für den Planungszeit- raum nach Produktart, Menge und Wiederholfrequenz. • Errechnung der Kartenanzahl für jedes Produkt im Regelkreislauf auf Basis der Produktionsgrobplanung des Betriebshauptrechners. • Planungszeitraumbezogener Ausdruck der Kanban-Karten. • Datenverwaltung (z.B. Produkte, Arbeitspläne, Produktionsplan, Anlagenka- pazität, Werkzeuge, Vorrichtungen und Personal). Sekundärfunktionen: • Personalplanung und kurz- oder langfristiger Personalkapazitätsausgleich zwischen Arbeitseinheiten. • Aussteuern von Betriebsmitteln, insbesondere bei Kapazitätsengpässen, so- wie Reservierung von Kapazitäten. • Aufzeigen von Ausweichkapazitäten bei Kapazitätsengpässen und -ausfällen. • Kontrolle der Kanban-Karten-Anzahl. • Werkzeugs- und Vorrichtungsverwaltung. • Übersichtliche Darstellung des Ist-Zustandes und Auswertung des Soll-Ist- Vergleichs der Fertigung, z.B. bzgl. Durchlaufzeiten oder Puffergrößen. 83 Vgl. für die gesamten folgenden Aufzählung Wildemann (1984), S. 36-37.
  • 41. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 34 • Aufzeigen von Optimierungsmaßnahmen für Sicherheitsbestände bzw. Puffer. • Virtuelle Zuordnung von Losen zu Fertigungsaufträgen. • Veranlassen von präventiven Instandhaltungsmaßnahmen. 3.5. Analyse ausgewählter Entscheidungssituationen am Beispiel der Kanban-Steuerung Die Analyse der folgenden Entscheidungssituationen wird, an die jeweilige Situation angepasst, in Anlehnung an das erläuterte Phasenschema des Entscheidungspro- zesses und den dargestellten Aufbau und Ablauf deskriptiver Untersuchungen, durchgeführt.84 Hierfür werden die Entscheidungssituationen zur Verfahrensauswahl, Organisation und Arbeitsvorbereitung sowie Steuerung und Kontrolle der Fertigungs- steuerung am Beispiel der der Kanban-Steuerung betrachtet. 3.5.1. Auswahl eines Fertigungssteuerungsverfahrens Die erste Entscheidung, die im Rahmen dieser Arbeit betrachtet wird, ist die Wahl eines geeigneten Fertigungssteuerungsverfahrens. Hierbei sind die vorhandenen Realitäten von Unternehmung und Umwelt zu berücksichtigen und ggf. anzupassen. So bedingt diese strategische Entscheidung meist die Gestaltung bzw. Umgestaltung von Informationsflüssen, Anpassung von Vorrichtungen und Betriebsmitteln sowie Eingriffe in die Instanthaltungsstrategie.85 Aus Aufwands-, Kosten- und Sicherheits- gründen werden nur selten integrierte Gesamtkonzepte durchgeführt. Stattdessen werden insbesondere bei der Umgestaltung von Fertigungssteuerungssystemen häu- fig bereichsbezogene Pilotprojekte gestartet und bei erfolgreicher Durchführung aus- geweitet. So wird im Rahmen der Einführung des Kanban-Systems i.d.R. zunächst eine räumlich und organisatorisch begrenzte Insellösung getestet. Das Ziel der Ein- führung oder Optimierung eines Fertigungssteuerungsverfahrens ist entsprechend ihrer Aufgabe, den Auftragsdurchlauf und damit den Informations- und Materialfluss durch die Produktion so zu steuern, dass die Aufträge bei möglichst hoher Errei- chung der logistischen Zielgrößen fertig gestellt werden.86 Das folgende Beispiel dient der Verdeutlichung der Entscheidungssituation. 84 Vgl. Punkt 2.2.3 Deskriptive Entscheidungstheorie; Punkt 2.2.4 Entscheidung als Prozess. 85 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Wildemann (1984), S. 62-63. 86 Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 333.
  • 42. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 35 Ein großes Möbelhaus möchte aufgrund hoher Organisations- und Lagerzeiten durch die Implementierung eines neuen Fertigungssteuerungsverfahrens ihre Fertigung optimieren. Zunächst soll das neue Verfahren in einem abgegrenzten Bereich der Fertigung getestet werden, bevor über eine Ausweitung des Verfahrens entschieden wird. Kurzfristige Ziele sind eine Reduzierung des Umlaufvermögens und der Durch- laufzeiten, wobei auf eine hohe Termintreue besonderen Wert gelegt wird. Langfristig soll eine dem Materialfluss angepasste Produktionsstruktur umgesetzt werden, um darauf aufbauend einen möglichst hohen Grad an Automation in der Fertigung zu realisieren.87 Der für das Pilotprojekt ausgewählte Fertigungsbereich produziert Ti- sche und Stühle. Die Produktion erfolgt an zwei Arbeitssystemen und ist nach dem Fließfertigungsprinzip gestaltet. Die Planung ist zentral organisiert. Es wird jeden Tag von 8 Uhr bis 18 Uhr gearbeitet. Die folgende Mengenplanung gibt einen Überblick über die Situation der Produktion: Abbildung 11: Beispiel Mengenplanung 88 Es ergibt sich folgender Entscheidungsprozess: (1) Problemformulierung und Präzisierung des Zielsystems Die Problemformulierung in diesem Entscheidungsfall gestaltet sich einfach. Das Unternehmen möchte die Fertigung von Tischen und Stühlen durch ein neues Fertigungsverfahrens optimieren und steht vor einem Auswahlproblem. Das jeni- ge Fertigungssteuerungsverfahren ist auszuwählen, das vor dem Hintergrund der 87 Vgl. Wildemann (1984), S. 62. 88 Quelle: Eigene Darstellung. Produkt 30 Minuten an Maschine 1 15 Minuten an Maschine 1 30 Minuten an Maschine 2 15 Minuten an Maschine 2 Rüstzeiten 2 Stunden 2 Stunden 200 Stück pro Monat 400 Stück pro Monat 50 Stück pro Woche 100 Stück pro Woche 10 Stück pro Tag 20 Stück pro Tag Sicherheitsbestand* 9 Stück 15 Stück 72 - 80 Stück pro Monat 140 - 160 Stück pro Monat 18 - 20 Stück pro Woche 35 - 40 Stück pro Woche 3 - 5 Stück pro Tag 6 - 8 Stück pro Tag Nachfrage Maximale Produktionsmenge Tische Stühle Mengenplanung Produktionszeiten * für einen Servicegrad von 100 %
  • 43. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 36 situativen Gegebenheiten und der Unternehmensziele die optimale Steuerung der Fertigung ermöglicht. Aufgrund bestehender Zielkonflikte müssen die logistischen Zielgrößen i.d.R. gewichtet werden. Im Beispiel wird hoher Wert auf die Termin- treue und niedrige Lagerbestände gelegt. (2) Erforschung der möglichen Handlungsalternativen (a) Ermittlung von möglichen Restriktionen Die an das Fertigungssteuerungsverfahren gestellten Anforderungen sind in hohem Maße von der Struktur der Fertigung, wie z.B. Werkstattfertigung, Fließfertigung, Inselfertigung etc. sowie der Struktur der zu bearbeitenden Auf- träge abhängig, wie etwa Art und Anzahl unterschiedlicher Produkte und Vari- anten, Stückzahlen, Arbeitsinhalte etc..89 Zudem sind begrenzte Kapazitäten und finanzielle Vorgaben zu berücksichtigen. Aus diesen realen oder geplan- ten Gegebenheiten und Voraussetzungen der Unternehmung und ihres Um- felds lassen sich Restriktionen ableiten. Im Beispiel ist eine Produktionskapa- zität von 10 Stunden pro Tag gegeben. Die Nachfrage beträgt pro Tag durch- schnittlich vier Tische und sieben Stühle, wobei die Fertigung eines Tisches eine Stunde und die eines Stuhles 30 Minuten dauert. Die Rüstzeit, um ein Arbeitssystem von der Fertigung des einen Produkts auf das andere umzustel- len, beträgt zwei Stunden. Aufgrund von Nachfrage, Produktions- und Rüstzei- ten sowie interner Transportzeiten und eventuellen Störungen ist die erforder- liche Lieferzeit u. U. geringer als die realisierbare Durchlaufzeit, was die Ver- wendung eines Verfahrens der Lagerfertigung notwendig macht. 90 (b) Alternativensuche Orientiert an Zielformulierung, Zielvorgaben und Restriktionen sind nun mögli- che Handlungsalternativen zu ermitteln.91 Für diese Entscheidung entspre- chen demnach alle Fertigungssteuerungsverfahren, die eine Lagerfertigung ermöglichen, einer möglichen Handlungsalternative. Gängige Verfahren sind 89 Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 334-335; Eine nähere Betrachtung von Fertigungsstrukturen und ihrer Gestaltung ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nähere Informa- tionen siehe auch Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), Corsten (2012), Hei- zer/Render (2007). 90 Vgl. Löddung (2008), S. 531. 91 Laut Lödding beinhaltet die Konfiguration der Fertigungssteuerung u.a. die Auswahl passender Ver- fahren für jede Aufgabe der Fertigungssteuerung, worauf bei dieser Betrachtung jedoch verzichtet wird. Für nähere Informationen siehe auch Lödding (2008), S. 531-543.
  • 44. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 37 z.B. die belastungsorientierte Auftragsfreigabe, Planung und Steuerung mit Fortschrittszahlen, Optimized Product Technology (OPT), Kanban-Steuerung und Conwip-Steuerung.92 (c) Ergebnisprognose Bei der Entscheidung zur Auswahl eines Fertigungssteuerungsverfahrens wird aller Wahrscheinlichkeit nach keine konkrete Ergebnisprognose für jede zur Wahl stehende Alternative erstellt werden. In diesem Fall wird wahrscheinlich zu Beginn des Auswahlprozesses ein Abwägen der Umsetzbarkeit und der un- terschiedlichen Vor- und Nachteile der einzelnen Alternativen vorgenommen. Anschließend erscheint eine Betrachtung und Analyse von Teilprozessen hin- sichtlich der Umsetzbarkeit erfolgversprechend.93 Zur Unterstützung der Ent- scheidung können Schätzungen oder Simulationen durchgeführt werden. Mit- tels dieser Methoden wird versucht abzuschätzen, wie erfolgsversprechend die Umsetzung eines Verfahrens ist. Zudem erscheint der Einbezug von Ex- perten oder Unternehmensberatern sinnvoll, sollten entsprechende Erfahrun- gen in diesem Bereich nicht im Unternehmen vorhanden sein. (3) Auswahl einer Alternative Es ist zu betonen, dass kein Konzept der Fertigungssteuerung existiert, das den Anforderungen der Industrie umfassend gerecht wird.94 Nachdem die Alternativen hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten überprüft und ihre wahrscheinliche Zieler- reichung abgeschätzt wurden, werden sie bewertet und in eine Rangfolge ge- bracht. Um die Entscheidung zur Auswahl einer Alternative nun anhand des unter Punkt 2.2.2 dargestellten Modell zur Untersuchung von Entscheidungssituationen zu analysieren, müssen Entscheidungsträger und -situation genauer betrachtet werden. Die Entscheidungssituation setzt sich aus dem Zielsystem und dem Ent- scheidungsfeld zusammen. Das Zielsystem wurde im Rahmen des Entschei- dungsprozesses bereits präzisiert, das Entscheidungsfeld setzt sich aus den Al- ternativen, ihren geschätzten Ergebnissen und den möglichen Umweltentwicklun- gen zusammen. Diese Informationen des bisher beschriebenen Prozesses zur Entscheidungsfindung fließen in den Informationsstand des Entscheidungsträgers 92 Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 334-335; Lödding (2008), S. 131-440. 93 Vgl. Wildemann (1984), S. 84. 94 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 335.
  • 45. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 38 ein und ergänzen eventuelle Vorkenntnisse. Die Risikoeinstellung spielt ebenso eine wesentliche Rolle, da sie die Bewertung der Alternativen durch den Ent- scheidungsträger je nach geschätzter Zielerreichung und -abweichung beein- flusst. Außerdem sind soziale Einflussfaktoren zu berücksichtigen. Stehen dem Entscheider z.B. Personen, die von der Entscheidung betroffen werden, nahe, so kann das seine Entscheidung zu deren Gunsten beeinflussen. Zudem wird bei der Auswahl einer Alternative nicht zwingend nur nach rationalen Entscheidungs- regeln gewählt (vgl. Punkt 2.2.2). So können z.B. persönliche Präferenzen auf- grund von Vorwissen oder Erfahrungen die Entscheidung zugunsten dieses Ver- fahrens beeinflussen. Für dieses Beispiel eignet sich das Kanban-Verfahren besonders gut, weshalb sich das Unternehmen entscheidet, das Pilotprojekt mit dem Kanban-Verfahren durchzuführen.95 Die in Kapitel 3 erläuterten Voraussetzungen für die Umsetzung wie geringe Bedarfsschwankungen, harmonisiertes Produktionsprogramm, ab- lauforientierte Gestaltung etc. sind in angemessenem Maße erfüllt. Durch Mitar- beiterschulungen sind deren Qualifikation und Motivation sowie die Einhaltung und Umsetzung der Verfahrensregeln sicherzustellen. Die Umrüstzeiten sollten nach den Voraussetzungen möglichst gering sein, hier sollten Optimierungsmaß- nahmen ansetzten, um diese positiv zu beeinflussen. Der Wert des produzierten Produkts ist ebenfalls zu berücksichtigen, da die Produkte in den Pufferlagern der Fertigung gelagert werden und es so zu einer hohen Kapitalbindung kommen kann. Da es sich in diesem Beispiel um Tische und Stühle handelt und damit um ein Produkt mittlerer Preisklasse, ist auch diese Restriktion kein Hindernis. Bei der Produktion mehrerer Varianten, könnte eine räumliche Begrenzung zudem zu einer Restriktion werden, in diesem Beispiel wird jedoch angenommen, dass aus- reichend Platz zur Verfügung steht. 3.5.2. Entscheidungen zur Organisation und Arbeitsvorbereitung Entscheidungen zur Organisation und Arbeitsvorbereitung sind mittelfristig- dispositive Entscheidungen.96 Um z.B. die von den Kunden geforderten Lieferzeiten zu garantieren und zeitgleich Kanban-Regelkreise im Sinne einer verbrauchsgesteu- erten Disposition festzulegen, muss die Bevorratungsebene, also die Fertigungsstufe 95 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Lödding (2008), S. 532. 96 Vgl. für den folgenden Absatz Wedemeyer (1989), S. 97.
  • 46. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 39 bis zu der nach prognostiziertem Bedarf gefertigt wird, an die geforderten Lieferzeiten angepasst werden.97 Zudem werden in diesem Planungsschritt strategische Zielvor- gaben präzisiert. Hierbei werden z.B. Plandaten ermittelt und Kapazitäten und Los- größen geplant. Eine Losgröße ist die Menge eines Produktes, die zwischen zwei Umrüstungen eines Arbeitssystems gefertigt wird.98 Ausgehend von der Produkti- onsprogrammplanung wird daher eine Mengenplanung erstellt, innerhalb derer Be- darf, Bestand und Bestellmengen ermittelt werden.99 Im Kanban-Verfahren werden Aufträge jedoch nicht anhand fest zugeordneter Termine abgearbeitet.100 Stattdes- sen wird das benötigte Material in einem Toleranzbereich zur Verfügung gestellt, das vom ausführenden Personal verwendet werden kann. Die Bearbeitung der Aufträge wird i.d.R. durch Abfertigungsregeln koordiniert. Material- und Kapazitätsbedarf wer- den anhand der groben Mengenplanung geplant. Planungs- und Informationssyste- me unterstützen bei der Festlegung der Kapazitäten und Toleranzbereiche der Re- gelkreise in Abstimmung mit der ausführenden Ebene.101 Als Planungszeitraum wird i.d.R. ein Monat und als Steuerungszeitraum eine Woche bis ein Tag festgelegt.102 Die notwendigen Informationen werden von Unternehmen zu Unternehmen unter- schiedlich erstellt und aufbereitet. Eine Möglichkeit hierfür ist, dass der Verkauf als Grundlage für den Stückzahlenbedarf Monatslieferprogramme erstellt, die sowohl Kundenwünsche als auch den Montagebereich zusammenfassen. Diese Monatslie- ferprogramme werden anschließend anhand der Kriterien Kundenwunsch, gleichmä- ßige Arbeitssystemauslastung und Umstellkosten in ein Montageprogramm umge- wandelt. Hierbei werden Losgrößen bestimmt und es wird als Rahmenkonzept eine grobe Produktionsreihenfolgenplanung für eine Planungsperiode erstellt. Diese Grobplanung lässt einen Überblick über die zur erwartende Fertigungs- und Lagersi- tuation inklusive eventueller Engpässe erkennen. Im Rahmen der Feinplanung ist eine Anpassung an den aktuellen Informationsstand vorzunehmen. Das folgende Beispiel dient der Verdeutlichung der Entscheidungssituation. 97 Vgl. Wildemann (1984), S. 72. 98 Vgl. Wildemann (1984), S.20. 99 Vgl. Arnold/Isermann/Kuhn/Tempelmeier/Furmans (2008), S. 325-332. 100 Vgl. für den folgenden Absatz Wildemann (1984), S. 37-38. 101 Vgl. hierzu Punkt 3.4 Informations- und Unterstützungssysteme. 102 Vgl. für den folgenden Absatz Wildemann (1984), S. 67-72, S. 116.
  • 47. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 40 Das Möbelhaus möchte nun die Kanban-Steuerung im Fertigungsbereich für Tische und Stühle implementieren. Mit der Einführung der neuen Steuerung wurde auch ein neues IT-Unterstützungssystem für die Fertigungssteuerung implementiert, das alle notwendigen Informationen zur Planung und Durchführung der Fertigung verarbeitet und bereitstellt. Ausgehend von der Produktionsprogrammplanung wurde eine Men- genplanung erarbeitet (siehe Abbildung 11), die nun operationalisiert werden soll. Im nächsten Schritt sollen daher nun Losgrößen und Abfertigungsregeln festgelegt wer- den. Eine hohe Termintreue bei geringen Beständen und einer möglichst hohen Aus- lastung von Anlagen und Personal ist anzustreben. Folgender Entscheidungsprozess liegt vor: (1) Problemformulierung und Präzisierung des Zielsystems Um die Mengenplanung umzusetzen, muss sie hinsichtlich Kapazitäten und Auf- tragsbearbeitung operationalisiert werden. Hierfür muss das Monatslieferpro- gramm unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte in ein Montageprogramm überführt werden. Anschließend sind Losgrößen und Abfertigungsregeln festzule- gen. Die besonders gewichteten Zielgrößen hohe Termintreue und niedrige Be- stände müssen zur Auswahl optimaler Lösungen auch hierbei beachtet werden. (2) Erforschung der möglichen Handlungsalternativen (a) Ermittlung von möglichen Restriktionen Im Rahmen des letzten Schrittes der Feinplanung werden die Planungsergeb- nisse noch einmal hinsichtlich ihrer Realisierbarkeit und Widerspruchsfreiheit bzgl. bestehender Vorgaben geprüft. Hierbei darf die Planung folgende Vor- gaben und Kapazitäten nicht verletzten bzw. übersteigen, da das zum Ableh- nen der Planungsergebnisse und somit zur Wiederholung des Planungspro- zesses führt:103 • Anlagekapazitäten (z.B. Maximaler Output pro Zeiteinheit) • Produktions-, Umrüst- und Instanthaltungspersonal (z.B. hinsichtlich Schichtvorgaben oder fehlender Personalkapazitäten), • Kapitalbindungsvorgaben (z.B. max. Kapitalbindung im Fertigungsprozess), 103 Vgl. Wildemann (1984), S.70-71.
  • 48. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 41 • Lagerkapazitäten (z.B. Maximaler Lagerbestand) • Materialbedarf (z.B. fehlende Materialien) und • Priorisierte Aufträge (z.B. Eilaufträge) (b) Alternativensuche und Ergebnisprognose In der Entscheidungssituation zur Festlegung eines Montageprogramms han- delt es sich nicht um eine konventionelle Alternativensuche und Ergebnis- prognose. Das vom EDV-Programm erstellte Montageprogramm ist unter wirt- schaftlichen Aspekten zu beurteilen.104 Gelegentlich kommt hierbei zum Vor- schein, dass die Erfüllung von Kundenwünschen im Konflikt mit wirtschaftli- chen Aspekten steht. Ist dies der Fall, sollten Verhandlungen mit dem jeweili- gen Kunden geführt werden. Handlungsalternativen sind je nach Ausgang der Verhandlungen das Ablehnen oder Akzeptieren der Kundenwünsche, sowie das Aushandeln von Kompromissen. Berechnungen zur Konkretisierung der Montageplanung wie z.B. die der Los- größen werden i.d.R. ebenfalls von EDV-Programmen durchgeführt.105 Los- größen werden häufig wenig Bedeutung beigemessen. Stattdessen wird oft auf eine radikale Reduzierung der Rüstzeiten abgezielt damit kleine Losgrö- ßen wirtschaftlich werden.106 Da Losgrößen jedoch für jedes Arbeitssystem unterschiedlich festgelegt werden können und zudem Wiederbeschaffungszei- ten und Bestände essenziell beeinflussen, ist ihre Festlegung sehr wichtig. Die Auswahl einer geeigneten Methodik zur Bestimmung der Losgrößen entspricht somit der in diesem Rahmen zu betrachtenden Entscheidungssituation. In der Praxis ist es nicht unüblich, jede Variante einmal täglich entsprechend ihrem Tagesbedarf aufzulegen. Vorteil sind hierbei konstante Wiederbeschaffungs- zeiten. Nachteile können jedoch sein, dass Potentiale zur Reduzierung von Beständen und Wiederbeschaffungszeiten nicht genutzt werden oder Kapazi- tätsengpässen und hohen Rüstkosten auftreten. Zudem werden Nachfrageun- terschiede zwischen Varianten nicht berücksichtigt. Bei der Auswahl eines ge- eigneten Verfahrens muss das betrachtete Arbeitssystem bzgl. Rüstzeiten und Kapazitätsauslastung analysiert werden. Bei geringer Rüstzeit sollten mög- 104 Vgl. Wildemann (1984), S. 94-96, S. 116. 105 Vgl. Wildemann (1984), S. 36. 106 Vgl. für den folgenden Absatz Lödding (2008), S. 195-199.
  • 49. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 42 p = Lagerhaltungskostensatz [%] (bzgl. Dispositionszeitraum) s = Herstellungskosten [Euro/Stück] (losunabhängig) x = Losgröße [Stück] m = Bedarf im Dispositionszeitraum [Stück] ∑Ei = Summe der Auftragswechselkosten je Los [Euro] lichst niedrige Losgrößen festgelegt werden, z.B. entsprechend eines Trans- portbehälters. Bei hoher Rüstzeit und ausreichend Kapazität sollten die Los- größen anhand eines Optimierungsverfahrens berechnet werden, dass min- destens Rüst- und Bestandskosten berücksichtigt, z.B. durch die Losgrößen- berechnung nach Andler.107 Bei hohen Rüstzeiten und hoher Kapazitätsaus- lastung kann häufiges Umrüsten zur Überschreitung der Kapazität und zur Nichterfüllung des Produktionsprogramms führen. Hier sollte die maximale Rüsthäufigkeit berechnet und anschließend auf die zu fertigenden Varianten verteilt werden, woraus sich deren Losgrößen ergeben. Die Mindestlosgröße entspricht der Division des Bedarfs pro Monat durch die Anzahl der Arbeitsta- ge.108 (1) = ∗ ∗ ∑ ∗ (2) . ü ℎä = !"ü#$%! &% %'()ä)*+,%-$ ,% ).-# /ü )' () (3) 0 12 34 5öß = 89-%) $ :%!" ;-'%<, : ! ;!$ () )%# Abbildung 12: Formeln zur Berechnung von Losgrößen 109 Nach der Auswahl eines geeigneten Verfahrens und der Ermittlung der Los- größen, muss das Ergebnis noch auf ein Vielfaches des Inhalts eines Trans- portbehälters aufgerundet werden.110 Anschließend ist die Entscheidung zu treffen, ob die Berechnung übernommen wird, oder ob sie z.B. aufgrund von Fehlern der Datengrundlage oder situativen Veränderungen vom Entscheider angepasst werden muss. Nach Festlegung der Losgrößen darf ein Arbeitssys- tem mit der Fertigung einer Variante beginnen, wenn die vorliegende Anzahl Kanban-Karten der Losgröße entspricht. Die Festlegung von Produktionsreihenfolgen wird i.d.R. ebenfalls von EDV- Programmen durchgeführt.111 Im Rahmen der Kanban-Steuerung erfolgt die 107 Vgl. Wiendahl (1997), S. 261-262. 108 Vgl. Wildemann (1984), S. 67-68. 109 Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Lödding (2008), S. 198; Wiendahl (1997), S. 261; Wildemann (1984), S. 67. 110 Vgl. für den gesamten folgenden Absatz Lödding (2008), S. 199. 111 Vgl. Wildemann (1984), S. 36.
  • 50. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 43 Bearbeitung der Aufträge meist nach der Abfertigungsregel FIFO (first in first out). Es sind jedoch auch andere Regeln, wie z.B. das KOZ- (Kürzeste- Operationszeit), EDD- (Earliest-Due-Date) oder SLACK-Prinzip (Schlupfzeit- regel), möglich.112 Die Regeln entsprechen Rechenvorschriften, die wartenden Aufträgen Prioritäten anhand von Kriterien zuordnen.113 Zur Festlegung der Bearbeitungsreihenfolge muss hier demnach eine dem Zielsystem entspre- chende Abfertigungsregel ausgewählt werden. (3) Auswahl einer Alternative Nachdem die Alternativen unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedin- gungen hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten überprüft und deren wahrscheinli- che Zielerreichung abgeschätzt wurden, werden sie nun bewertet und in eine Rangfolge gebracht. Die Vorgehensweise erfolgt analog wie unter Punkt 3.5.1 dargestellt. Im Entscheidungsproblem zur Erfüllung von Kundenwünschen im Rahmen des Montageprogramms sind die Verhandlungsergebnisse ausschlaggebend für die zu treffende Entscheidung. Ein Vergleich gegenseitiger Vor- und Nachteile basie- rend auf dem entstehenden Arbeitsaufwand und den anfallenden Kosten er- scheint oftmals als sinnvoll. Ein angemessener Informationsaustausch bzgl. Hin- tergründen und Auswirkungen der Forderungen basierend auf einem entspre- chenden Vertrauensverhältnis ist eine notwendige Voraussetzung. Ermöglicht die Erfüllung des Kundenwunsches dem Kunden etwa eine einfachere Eingliederung der Lieferungen in seine Arbeitsprozesse, wodurch pro Tag 50 Stunden Arbeit für entsprechende Mitarbeiter entfallen, so entsprechen diese 50 Arbeitsstunden pro Tag 250 Arbeitsstunden pro Woche und damit ca. 1.000 Arbeitsstunden pro Mo- nat. Bei einem Stundenlohn von 10 Euro entspricht dieser Minderaufwand 10.000 Euro pro Monat und damit 120.000 Euro pro Jahr. Entsteht zeitgleich für das pro- duzierende Unternehmen ein Mehraufwand von 150 Arbeitsstunden pro Tag, so entspricht dies anfallenden zusätzlichen Kosten von 360.000 Euro. Ermöglicht der Informationsaustausch einen Einblick in diese Situation, so können vorteilhafte Lösungen für beide Parteien gefunden werden. In diesem Beispiel würde ein Ver- 112 Vgl. für den folgenden Absatz Malek (1988), S. 44, S. 74-85, S. 206. 113 Eine nähere Betrachtung von Abfertigungsregeln ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für nähere Informationen zu Untersuchungen von Abfertigungsregeln siehe auch Baker (1984), Blackstone/Phillips/Hoog (1982), Panwalkar/Iskander (1977).
  • 51. 3. Der Mensch als Entscheidungsträger in der Fertigungssteuerung 44 zicht auf die Mehrleistungen des produzierenden Unternehmens und eine ent- sprechende zusätzliche Ausgleichszahlung von 240.000 Euro pro Jahr an den Kunden, ggf. als Rabatt auf jeweilige Rechnungen umgesetzt, zu einem beidseiti- gen Plus von 120.000 Euro pro Jahr führen. Im Rahmen der Festlegung von Losgrößen ist zunächst ein Verfahren zu deren Ermittlung auszuwählen. Da im vorliegenden Beispiel eine einfache Produktions- struktur mit zwei Arbeitssystemen und zwei Varianten, bei hohen Rüstzeiten und begrenzten Kapazitäten vorliegt, sollte zur Bestimmung der Losgrößen die maxi- male Rüsthäufigkeit verwendet werden. Die hohen Rüstkosten kommen zustan- de, da beim Umrüsten Vorrichtungen millimetergenau eingestellt werden und die benötigten Schablonen beschafft und gelagert werden müssen.114 Die begrenzten Kapazitäten sind aus der Mengenplanung ersichtlich. Die Nachfrage ist nahezu identisch mit der maximalen Produktionsmenge und zudem beeinflusst die Rüst- zeit die Produktionszeit negativ. Die maximale Rüsthäufigkeit liegt somit bei 1,25. Demnach sollte einmal am Tag umgerüstet werden. Die Losgrößen liegen ent- sprechend des Tagesbedarfs bei vier Tischen und acht Stühlen pro Tag. . ü ℎä = 10 ℎ − (4 ℎ + 3,5 ℎ) 2 ℎ = 1,25 Da es sich im betrachteten Beispiel um eine überschaubare Fertigung nach dem Kanban-System handelt, erscheint eine Produktion nach dem FIFO-Prinzip als sinnvoll, sollten mehrere Aufträge zeitgleich an einem Arbeitssystem eingehen. Da die Produktion der Losgrößen beider Produkte nacheinander bei einmaligem Umrüsten jedoch die Kapazitäten eines Arbeitstages nahezu vollständig in An- spruch nimmt, wird aller Voraussicht nach immer am Morgen mit der Produktion des am Arbeitssystem eingestellten Produkts begonnen und nach Fertigstellung der Losgröße des Produktes das Umrüsten auf das andere Produkt stattfinden. Die Fertigstellung dieser Losgröße wird aller Voraussicht nach bis zum Ende des Arbeitstages andauern, so dass am nächsten Tag ohne Umrüsten mit einer weite- ren Losgröße dieses Produktes fortgefahren wird. 114 Vgl. Thonemann (2010), S. 309-310.