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ISBN x-xxxx-xxxx-x
Alle Rechte beim Autor
© 2008 Burkhard Pape, cyberculture lanzarote
Herstellung und Verlag: Verlag xxx

Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung
des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert,
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Layout und Umschlag: Diogenes von der Töss, cyberculture lanzarote
Fotos: Pape; cyberculture lanzarote

Wir danken dem DFB, adidas und der GTZ für ihre Unterstützung
                                                   2
Diplomat
    in Drei Streifen


    Burkhard Pape und adidas:
40 Jahre Fussball-Entwicklungshilfe




              Verlag

               3
4
Ein Reisebericht mit
         Herz und Ball
Vier Jahrzehnte lang hat Burkhard Pape     Und während die deutsche Fussball
den deutschen Fussball im Ausland          Nationalmannschaft im Laufe der Zeit in
erfolgreich repräsentiert. Viel hat sich   so manchen internationalen Turnieren
geändert seit er mit seiner Art der        Schwäche zeigte, gewinnt Pape mit
„Entwicklungshilfe“ damals begann.         „seinen“ Teams aus zwei Kontinenten
Auch sportlich sind die Kontinente         dutzende von Wettkämpfen, pflegt
enger zusammengerückt. Die Afrika-         mit seiner Arbeit das gute Image des
Meisterschaften sind heute fester          deutschen Fussballs und sorgt für
Bestandteil mitteleuropäischer live-       ein positives Image der Deutschen
Sportprogramme im Fernsehen und            insgesamt.
im Internet. In diesem Buch schildert
ein Insider, wie alles begann, wie es      Während ein Franz Beckenbauer
im Laufe der Jahre weiterging und wie      im Rampenlicht zuerst mit genialen
ein echtes deutsches Exportprodukt         Pässen die Stürmer bediente und
im Ausland erfolgreich eingeführt          danach im internationalen Fussball
wurde. Burkhard Pape konnte dabei          auch als Funktionär die Fäden zog,
auf die Unterstützung von Freunden,        arbeitet Burkhard Pape, von der
Firmen und Helfern zählen, auch wenn       Öffentlichkeit viel weniger beachtet im
oft die Mittel für eine noch konkretere    Ausland erfolgreich daran, deutsche
Hilfe fehlten, weil der Sport unter        Ideen und Qualität in viele andere
den Politikern nicht den Stellenwert       Länder zu tragen.
geniesst, den er vielleicht erhalten
sollte. Hier waren es vor allem der        Während in Deutschland Rassismus
Deutsche Fussballbund und adidas,          und Gewalt gegen Ausländer immer
auf deren Unterstützung der Trainer        wieder für Schlagzeilen sorgten, bis
zählen konnte. Und so wanderten            vor allem mit der Fussball-WM 2006
begehrte deutsche National-Trikots         auch diese unschönen Geschehnisse
nicht selten in die Hände von jungen       zu einem guten Teil relativiert wurden,
Talenten     aus     den   sogenannten     passt sich ein deutscher Fussballtrainer
„Entwicklungsländern“ und trugen           an unbekannte Kulturen an und sorgt
zur Motivation vieler ambitionierter       für eine Völkerverständigung direkt
Jugendlicher bei. Schon seit Beginn        am Menschen, von der die meisten
deustcher Entwicklungshilfe kleideten      im Ausland tätigen Diplomaten nur
sich die Nationalspieler dieser Länder     träumen können.
stolz in drei Streifen, die zum Symbol
für Sportsgeist, deutsche Qualität und     Der Sport entfacht Leidenschaft, setzt
herausragende Leistungen geworden          Emotionen frei und ist – fairness und
sind.                                      Sportsgeist vorausgesetzt – eine

                                     5
der Förderung würdige Variante des          Kulturen aufmerksam beobachten und
menschlichen Bedürfnisses, sich mit         integrieren möchten. Pape, zusammen
anderen zu messen. Ein Diplomat             mit adidas, dem DFB und weiteren
hinter seinem Schreibtisch kann nicht       Förderern, hat dies als grosser
so viele Sympathien gewinnen wie            Sympathieträger in Afrika und Asien
der Trainer auf dem Platz. Pape war         vorgezeigt und einen wichtigen Beitrag
während der Arbeit in den Ländern,          zur Re-Integration der Deutschen in die
in denen er eingesetzt wurde,               internationale Familie geleistet.
bekannt und beliebt wie hierzulande
Rumenigge, Vogts, Beckenbauer und           Die    sprichwörtlichen    „deutschen
Klinsmann. In Deutschland wurde von         Tugenden“, die vor allem der Fussball-
seiner sympathischen Arbeit kaum            Nationalmannschaft immer wieder
Notiz genommen, eine Lücke, die das         bescheinigt werden, wenn sie ein
vorliegende Buch schliessen möchte.         verloren geglaubtes Spiel noch aus
                                            dem Feuer reisst, hat Pape erfolgreich
Deutschland hat nicht erst mit der          international    weitergegeben,     vor
„WM der Herzen“ gezeigt, dass das           allem auch in Ländern, in denen
Trauma und die Schande, die Hitler          keine „deutsche Ordnung“ herrscht,
dem Volk nach dem 2. Weltkrieg              in denen Länderspiele nicht 2 Jahre
hinterlassen hatte, endgültig der           vorher geplant sind, in denen man
Vergangenheit angehören sollten. Dass       statt auf Medizinbälle zum Training auf
die Deutschen ein gastfreundliches,         Kokosnüsse zurückgreifen musste und
multikulturelles Volk sind und andere       in denen die Beschwörung von Geistern




Die „Sportspende“ aus Deutschland wird in Sri Lanka...


                                             6
... genauso wie in Thailand begeistert empfangen
vor dem Spiel auch heute noch zum            Papes blonde und hellhäutige Kinder
Alltag gehört. Der Mensch Burkhard           sind auf viele internationale Schulen
Pape hat sich daran angepasst                gegangen. In einer mehrfarbigen
und dennoch jene „ordentlichen“              Fussballmannschaft       spielte  die
Tugenden trainieren lassen. Der Erfolg       Nationalität für sie nie eine Rolle,
hat ihm Recht gegeben und an seinen          sondern nur, ob einer ein besserer
ehemaligen Wirkungsstätten hat er            Tormann oder Stürmer war.
bleibende Eindrücke hinterlassen und
ist dort auch heute noch bekannt wie in
Deutschland ein Gerd Müller.                 Dieses Buch blickt auf spannende
                                             Jahre im Ausland zurück, kann
Der Sport kann Barrieren auflösen, wo        sowohl als Abenteuer-Bericht gelesen
die Politik scheitern muss. Sport ist eine   werden, als auch als Grundlage für
Sprache, die die ganze Welt spricht, der     eine erfolgreiche Strategie globaler
Sportler wird zum Kinde, indem es ihm        Integration innerhalb und ausserhalb
nur um grundsätzliche Werte von Sieg         des Fussballplatzes.
oder Niederlage, Einsatzbereitschaft         Ein Erfolg, der dank jahrzehntelanger
und Emotionsfülle geht.                      guter Zusammenarbeit mit adidas,
Es wird gejubelt und geweint, Gegner         weiteren Förderern und mit seinen
umarmen sich und werden ausserhalb           Weggefährten aus Sport und Politik,
des „Kampfplatzes“ zu Freunden.              erst zustande kommen konnte.

                                       7
8
E
      ndlich bin ich dazu gekommen, einmal      kennt Rummenige, Beckenbauer, die Ver-
      aufzuschreiben, wie „exotisch“ eigent-    eine Bayern, Borussia Mönchengladbach,
      lich mein Leben gewesen ist.              HSV – obwohl man diesen Vereinsnamen
                                                nur ganz schlecht aussprechen konnte.
Nach Kindheit und Jugend in Magdeburg, wo       Zuerst wusste ich nicht, welcher Verein mit
ich als knapp 13-Jähriger das Kriegsende        einem für die Afrikaner völlig unaussprech-
und vorher die Bombenangriffe erlebt hatte,     lichen Namen gemeint sein konnte. Aber da
kam es in der DDR-Zeit noch ganz normal         man mich dann immer: fragte: „Burkhard,
zu einer breit gefächerten sportlichen Lauf-    kennst Du den Verein mit vielen jungen
bahn.                                           Spielern, die immer so einen tollen Angriffs-
Zuerst war es die Leichtatlethik mit Meister-   fußball spielen? Als ich dann den Namen
schaften im Zehnkampf, danach war es der        „Mönchen-Gladbach“ aussprach, wurde mit
Fußball in Spitzenmannschaften in der DDR       leuchtenden Gesichtern genickt. Aber den
und nach meiner Flucht ab 1953 auch in          Namen dieses Vereins selbst auszuspre-
der Bundesrepublik. Das Exotische begann        chen, das sollte einfach nicht klappen!
12 Jahre später. Seitdem hat es mein Leben
bestimmt, und ich meine, dass ich insge-        Wie fing das alles mit diesen 36 Jahren fas-
samt sehr viel erlebt habe.                     zinierender Arbeit im Ausland an? Vorher
Wenn ich heute davon erzähle, dann pas-         war ich einige Jahre Verbandssportlehrer
siert es mir oft, dass jemand sagt: „In die-    beim Badischen Fußballverband auf der
sen Ländern, da war ich auch schon!“ Es         Sportschule Karlsruhe-Schöneck. Das war
sind oft Menschen, die dort für 14 Tage         eine sehr schöne, einprägsame Zeit. Ob-
ihren Urlaub verbrachten und die dann von       wohl ich dort der jüngste Verbandssport-
diesem Land erzählen wollen.                    lehrer gewesen bin, war ich sicher nicht der
Sehen wir uns jetzt das Wort „exotisch“ ein-    Schlechteste. Dort habe ich viel gelernt.
mal genauer an! Wenn man sich überlegt,         Nicht nur, soweit es um Pädagogik ging, son-
dass ich 36 Jahre im Ausland unterwegs          dern noch mehr konnte ich den Umgang mit
war, hat mich in dieser Zeit trotzdem der       den Funktionären lernen. Das war eine Fra-
Begriff „Ausländer“ gekennzeichnet. Es ist      ge, die sich immer wieder auch im Ausland
aber zu akzeptieren, dass ich mich selbst in    stellte: Wie komme ich mit den Offiziellen,
manchem dieser Länder schon nicht mehr          mit den Funktionären zurecht? Das war
als Ausländer empfand. Dazu passt auch,         weit problematischer in Afrika oder Asien,
dass wir heute hier bei uns von den Proble-
men mit der Immigration sprechen, wenn
von den Menschen die Rede ist, die zu uns
nach Deutschland gekommen sind. Meine
Situation war anders, dass ich nämlich als
Repräsentant 36 Jahre lang Ausländer war
und davon je zur Hälfte 18 Jahre in Afrika
und 18 Jahre in Asien. In der gesamten Zeit
habe ich deshalb aber nie das erlebt, was
sich hier bei uns mit den Immigranten leider
so tut.

Man meint, wir könnten sehr stolz sein! Man     Treffen der Verbandssportlehrer 1961 auf der
bewundert den deutschen Fußball, man be-        Sportschule Schöneck. Mit dabei: Helmut
wundert den deutschen Fußballbund. Man          Schön, Sepp Herberger, Burkhard Pape

                                          9
als schon in Deutschland. Aber ich hatte in ich Verbandssportlehrer in Karlsruhe, lernte
meiner Heimat gelernt, wie auch mit schwie- viel, hatte aber stets die Worte von Sepp
rigen Leuten umzugehen war. Viel geholfen Herberger in Erinnerung und wußte, dass
hat mir ausserdem, dass ich bei Sepp Her- ich irgendwann einem solchen Ruf ins Aus-
berger, dem damaligen Bundestrainer, ei- land folgen würde.
nen „Stein im Brett“ hatte. Er war mit der Es war also 1965, als der DFB laufend An-
Nationalmannschaft mehrfach bei mir in fragen erhielt und zwar besonders aus Afri-
Karlsruhe auf der Sportschule, und der gute ka: „Wir wollen einen deutschen Trainer für
Kontakt zu ihm war sehr hilfreich für mich.   unsere Nationalmannschaft haben“. Zuerst
Eines Tage sagte er dort zu mir: „Burkhard, konnte der DFB nur antworten: „Dafür ha-
horche se mol! Se müsse was ins Ausland ben wir keine Trainer. Wir haben zwar Sepp
gehe! Se sin a guate Sportlährer un könne Herberger und seinen Assistenten Helmut
was!” Bei meinem bald darauf folgenden Schön, aber sonst niemanden dafür.“
Entschluß, dem Ruf ins Ausland zu folgen, Nachdem die Rufe nach einem deutschen
haben         diese                                                  Trainer immer lauter
Worte von Sepp                                                       wurden, kam man
Herberger stark                                                      aber doch zu der Er-
mitgewirkt. Den                                                      kenntnis, dass die
Reiz, so etwas zu                                                    E n t w i c k l u n g s h i l fe
tun, gab es vor-                                                     auch zum Vorteil von
her schon immer.                                                     Deutschland              viel-
Während         mei-                                                 leicht doch ebenfalls
ner DDR-Zeit bis                                                     mit einem Fußball-
1953 hatte ich                                                       trainer wirkungsvoll
schon immer von                                                      zu ergänzen war. Der
Reisen geträumt,                                                     DFB sprach mit dem
was in der DDR                                                       Auswärtigen              Amt,
oft ein Wunsch                                                       die Idee fiel dort auf
bleiben mußte.                                                       fruchtbaren Boden
Im Westen wurde                                                      mit der klaren Fest-
das zu meinem                                                        stellung:           „Warum
Glück richtigge-                                                     sollten wir das nicht
hend zum Hobby!                                                      auch einmal versu-
Die Reisen ins                                                       chen“! Es wurde bei
Ausland      waren                                                   diesen Gesprächen
meine Chance,                                                        aber auch deutlich,
viel für die eigene                                                  dass es nicht nur um
Horizonterweite-      Sepp Herberger und Helmut Schön                das Training einer Na-
rung zu tun. Ich                                                     tionalmannschaft ge-
habe sehr deutlich den Unterschied erlebt, hen würde, sondern auch um die Ausbildung
ob man lediglich für 2 bis 3 Wochen eine von Trainern, die jene Lücke füllen müssten,
oberflächliche Erfahrung als Tourist im Aus- die nach dem Weggang des deutschen Trai-
land machen konnte oder ob man mehrere ners entstehen könnte. Zu dieser „Hilfe zur
Jahre dort zwar ein Ausländer blieb, aber oft Selbsthilfe“ ist es dann auch gekommen! Es
den Eindruck haben konnte, fast zum Ein- war Sepp Herberger, der meinen Namen da-
heimischen geworden zu sein.                  mals ins weitere Spiel brachte. Er wies auf
Dazu kam es aber erst 1965. Bis dahin war mich als standfesten Verbandssportlehrer

                                                     10
hin, der sicher für eine solche Aufgabe qua-      Das ist ebenfalls in West-Afrika und nicht
lifiziert sei, weil er erfolgreich Mannschaften   weit vom Kongo entfernt. Wir haben hier
trainieren würde, mit der Amateurauswahl          gerade den Sportminister von diesem Land
auch schon zu Spielen in anderen Ländern          zu Besuch und der hat uns gesagt, dass
wie z.B. der USA gewesen sei. Er könne auch       er nicht eher aus Deutschland weggehen
Trainer ausbilden, was er laufend tun wür-        würde, wenn er nicht einen deutschen Trai-
de, weshalb er eine solche Aufgabe sicher         ner mitnehmen könnte.“ Für mich klangen
mit grossem Einsatz und Aussicht auf Erfolg       diese mit einem solchen Nachdruck ausge-
angehen könne. Und dieser Kandidat sei            sprochenen Worte recht überzeugend, und
bereit, eine derartige Aufgabe zu überneh-        ich fragte natürlich, ob ich mich mit diesem
men.                                              Minister beim DFB treffen könnte, um ihn
Sepp Herberger war eine anerkannte Auto-          kennen zu lernen. Nach dem O.K. fuhr ich
rität! Und mit seiner Fürsprache ging plötz-      also nach Frankfurt. Auffallend an diesem
lich auch alles Ruck-Zuck. Wir trafen uns         Minister war, dass er sich als Mann mit kräf-
in Bonn, wo damals das Auswärtige Amt             tiger Leibesfülle herausstellte, weshalb es
residierte, das Innenministerium wurde mit        in meiner direkten Art sofort meine erste
hinzugezogen und man kam mit dem DFB-             Aktion gewesen ist, ihn über seinen Bauch
Beauftragten Passlack ganz schnell zu den         zu streicheln und zu sagen: „Wenn ich also
nötigen Regelungen. Für mich war jedenfalls       nach Sierra Leone komme, dann bist Du ei-
klar: Wenn die Regierung dahinter steht,          ner meiner ersten Patienten! Denn so geht
dann kann ich mich darauf einlassen, dann         das nicht als Sportminister!“ Das berühmte
passen die Bedingungen. „Ob jetzt Afrika,         afrikanische Lachen ertönte daraufhin
Alaska oder Asien – ich bin bereit, das zu        durch die Hallen des deutschen Fußball-
machen!“, das war meine Einstellung. Und          bundes und dieser Mann aus Sierra Leone
ich wußte auch, dass mir niemand vom DFB          und ich waren uns gleich näher gekommen.
und von den Regierungsbeamten sagen               Das hat mir später in seinem Land sehr ge-
konnte, was genau mich dort erwartet und          holfen, nämlich meine Art, recht burschikos
wie ich damit umzugehen hätte.                    mit allen meinen Gesprächspartnern ohne
Zuerst hieß es noch in Bonn, ich könne da-        Rücksicht auf ihre gesellschaftliche Stel-
von ausgehen, dass der erste Versuch sechs        lung umzugehen.
Monate im Kongo sein würde. Man fragte            Dazu kam auch noch, dass ich Hennes Weil-
mich zum wiederholten Male, ob ich das tun        weiler – der auf der Sporthochschule in Köln
würde, und ich antwortete erneut: „Ich bin        auch mein Lehrer gewesen war – dort in
zu allem bereit, selbst wenn Ihr mich jetzt       Köln besuchte, wo sich auch zwei Fußballer
in die Antarktis oder wohin auch immer sen-       aus Sierra Leone in der Trainer-Ausbildung
den würdet“!                                      befanden. Beide waren zwar noch nicht so
Es war somit alles klar. Die Ausreise war für     weit, dass sie ihr Diplom bekommen konn-
Anfang Februar 1966 eingeplant. Ich muss-         ten, aber ich sollte sie auf Wunsch von
te auf der Sportschule Ende des Jahres und        Hennes Weisweiler gleich mit in ihr Land zu-
im Januar vorher noch einige Prüfungen            rücknehmen und sie dort weiter ausbilden.
abnehmen. Plötzlich kam aber im Dezem-            Den Grund dafür war, dass nämlich beide
ber der Anruf: „Würden Sie denn auch nach         nur sehr schlechtes Englisch sprachen und
Sierra Leone gehen?“ Zuerst musste ich            dem theoretischen Unterricht nicht beson-
fragen: „Wo ist das denn? Das hört sich so        ders gut folgen konnten. Ich bin jedenfalls
nach Südamerika an.“ Die Antwort vom Aus-         später in ihrem Land mit den Beiden sehr
wärtigen Amt war: „Wir mussten auch erst          gut zurecht gekommen und habe sie zu gu-
einmal nachschauen“.                              ten Sportlehrern ausbilden können.

                                          11
Es gab dann noch ein Gespräch im Auswär-       Uganda die nächste große Herausforderung
tigen Amt mit dem späteren Bundeskanzler       auf mich zu. Die erste Station war für mich
und damaligen Außenminister Willy Brandt.      als Vorbereitung für die weiteren Stationen
Wir sprachen auch über die Verbindungen        mehr als lehrreich und das zu einer Zeit im
zu meinem Elternhaus in Magdeburg. Mein        Jahr 1966, als es bei uns in Deutschland
Vater war früher Bundesjugendführer im         sehr wenig Wissen über Afrika gab.
Deutschen Reichsbanner gewesen, was
Willy Brandt bekannt war. Nachdem er mich
dazu befragt hatte, sagte er noch: „Herr       Afrika vor 33 Jahren
Pape, wir wissen gar nicht, was Sie da ei-     Burkhard Pape berichtet im Jahre 1975 in
gentlich alles in Afrika machen sollen?“ Ich   der Fachzeitschrift „Der Fussballtrainer“
konnte nur sagen: „Ja, Herr Außenminister,     (siehe Bild S. 14) über seine Erlebnisse vor
das weiß ich eigentlich auch nicht. Das kann   Ort. Der vorliegende Artikel und das dort
mir nämlich niemand genau sagen!“ Willy        präsentierte Afrikabild muten sicherlich ein
Brandt meinte daraufhin: „Machen Sie dort      wenig überholt an, beweisen daher um so
bloß keinen Mist!“                             deutlicher, welche Veränderungen, auch
Ich behaupte heute, nachdem 36 Jahre im        dank der Sportentwicklungshilfe, in vier
Ausland daraus geworden sind, dass ich         Jahrzehnten vor sich gegangen sind... :
wohl kaum „Mist“ gemacht habe. Auch aus
diesem Anfang in Sierra Leone, für den ur-     Sport und Politik
sprünglich insgesamt 6 Monate eingeplant
waren, wurden dann nach mehreren Verlän-       Im Leben der Afrikaner spielt der Sport eine
gerungen zwei Jahre.                           besondere Rolle. Man verspricht sich vom
Später kam nach dieser Anfangszeit in          Sport, in einigen Bereichen auch mit Recht,
meinem ersten afrikanischen Land mit           eine Chance der Anerkennung, die auf ande-




Trainingseinheit unter freiem Himmel: Burkhard Pape und konzentrierte Zuhörer

                                                12
ren Gebieten noch nicht so schnell zu erwar-    ständig das Gespenst „Prestige“ im Nacken
ten ist. Man hat eine Möglichkeit gefunden,     stehen. Schulsport, Jugendarbeit, Lehrer-
sich den Bewohnern anderer Länder, Konti-       und Übungsleiterausbildung sind Dinge, die
nente, auch den Völkern anderer Hautfarbe       Zeit und Geld kosten, aber eben erst nach
als ebenbürtig oder gar überlegen zu erwei-     Jahren Erfolge bringen. Wenn sich diese
sen. Dies ist ein Faktor, der den Sport zu      Einstellung nicht ändert, wird der afrika-
einem politischen Hilfsmittel werden lässt,     nische Fußball weiterhin nur als exotischer
aber leider der kontinuierlichen Entwick-       Farbtupfer auf internationalem Parkett er-
lung im Wege steht. In Afrika ist der Sport     scheinen, wie beispielsweise Zaire bei der
ein Politikum ersten Ranges. Allerdings aber    letzten Weltmeisterschaft 74. Zaire hat mich
auch eines voller Widersprüche. Wirtschaft-     nicht enttäuscht, da ich nicht mehr erwartet
liche Schwierigkeiten sind nur eins jener       hatte. Die Publikumslieblinge gingen zwar
Probleme, die eine gute Sportorganisation       kämpfend unter, verstanden auch durch
erschweren. An Geld mangelt es immer.           einige Kabinettstückchen das Publikum zu
Ein Teil der jungen afrikanischen Staaten       begeistern. Was aber fehlte, waren Routine,
sieht im Sport ein Mittel, um das Prestige      Stellungsspiel, taktische Marschregeln, von
des eigenen Landes zu stärken. Es gibt aber     Spielerpersönlichkeiten ganz zu schweigen.
auch massgebliche Persönlichkeiten ande-        Wieder einmal gab es keine Chance für den
rer Staaten, die der Meinung sind, dass eine    Schwarzen Erdteil.
gemeinsame afrikanische Sportbewegung
ein echtes Mittel sei, um zu einer grossen      Der Hemmschuh des Prestigedenkens
politischen Gemeinschaft zu kommen. Die
Folgen solcher Politik haben wir leider schon   Da ich nun selbst seit Jahren in Afrika tätig
erleben müssen, als der afrikanische Sport      bin — in der Zwischenzeit mit vielen anderen
groβen Druck ausübte auf die Olympischen        Kollegen —, weiβ ich, daβ das Prestigeden-
Spiele in München in der Frage der Teilnah-     ken für uns ein sehr groβer Hemmschuh ist.
me von Rhodesien.                               Ich habe in West- und Ostafrika einige Revo-
                                                lutionen erlebt. Die Arbeit mit der National-
Ein weiteres Problem der Beziehung von          mannschaft ging danach immer sehr schnell
Sport und Politik ist, daβ in den meisten       weiter. Andere Pläne wurden erst mal zu den
Ländern der Sport, oder besser seine Orga-      Akten gelegt, da sie ja vom Vorgänger wa-
nisation, politisch abhängig ist und durch      ren. Ob in West- oder Ostafrika, ich konnte
Staatsstreiche und Revolutionen immer wie-      immer nur den Weg gehen, der für uns zu
der zurückgeworfen werden kann.                 Hause kaum verständlich erscheint: Erst
                                                Spitzensport, dann kommt die Breite. Lei-
All diese Dinge, politisches Denken, Über-      der wird dann aber die Breite auch wieder
bewerten des Prestiges, politische Abhän-       sehr schnell vergessen, wenn die Spitze auf
gigkeit, hindern die kontinuierliche Ent-       einmal für afrikanische Verhältnisse sehr er-
wicklung und die organische Aufbauarbeit,       folgreich ist.
die notwendig wäre, um den Anschluβ an
andere Länder zu erreichen. Es ist nicht        All dies macht es auch verständlich, dass
damit getan, bei der Teilnahme an grossen       man hier bei unserer Arbeit gezwungen ist,
sportlichen Ereignissen immer wieder zu         sehr schnell zu improvisieren. Ich glaube
erklären: Wir sind gekommen, um zu ler-         kaum, dass ein Fussballehrer in Deutsch-
nen. Die Jahre zwischen grossen Sporter-        land so vielseitig sein muss, wie es hier die
eignissen müssen genutzt werden, um den         Verhältnisse von uns verlangen. Man hat
Aufbau zu fördern. Dabei darf aber nicht        dort doch für viele Dinge „seine“ Leute. Es

                                         13
gibt eine Art von Arbeitsaufteilung. Hier, im   organisieren, dass wirkliche Vergleiche mit
Ausland, müssen wir alles in einer Person       anderen auch möglich waren. Kaum vor-
verkörpern, einmal, weil es notwendig ist,      handenes oder schlechtes Sportmaterial
zum anderen setzt man es bei uns voraus.        setzte weitere Improvisationskunst voraus.
Es wird einfach erwartet.                       Zum Krafttraining mussten dann auch mal
                                                          Steine oder Kokosnüsse aushel-
                                                          fen, Palmen am Strand oder Ba-
                                                          nanenstauden wurden als Sla-
                                                          lomstangen zweckentfremdet.
                                                          Persönliche      Schwierigkeiten,
                                                          unabhängig von den Menschen,
                                                          kamen dazu: Sprachbarrieren,
                                                          Wohnungsfrage, eigener Trans-
                                                          port, an wen kann man sich auch
                                                          mal mit einer fachlichen Frage
                                                          wenden, wen um Rat fragen,
                                                          sich eindenken in die Mentalität
                                                          des Afrikaners. Alles Dinge, die
                                                          sehr belasten können. Mit der
                                                          Zeit lernt man aber auch diese
                                                          Hürden zu meistern. Leicht ist es
                                                          sicherlich keinem von uns gefal-
                                                          len. Man muβte eben „seinen“
                                                          Weg finden. Von den Afrikanern
                                                          akzeptiert werden, heisst nicht
                                                          nur, auf fachlichem Gebiet Vor-
                                                          bild zu sein, das ist vielmehr
                                                          eine unbedingte Voraussetzung.
                                                          Das psychologische Problem
                                                          bei solch einem Einsatz dürfte
                                                          für viele das gröβte Hindernis
                                                          sein: Die Gewalttätigkeiten und
                                                          die Arroganz der früheren Kolo-
                                                          nialherren haben tiefe Wunden
                                                hinterlassen. An uns liegt es, zu bewei-
Es begann in Sierra Leone                       sen, dass wir wirklich helfen wollen. Als
                                                erstes muss man dem Afrikaner klarma-
Zwei Jahre Westafrika, zwei Jahre Sierra        chen, dass ein Klassenunterschied, be-
Leone, das war mein erster Einsatz in Afri-     dingt durch die Hautfarbe, für uns nicht
ka. Es waren schwere, aber auch schöne          besteht, und zwar nicht nur durch nette
Jahre. Von der Mentalität und „Arbeitswut“      Reden, sondern durch Taten. So zu leben,
der Afrikaner hatte ich noch keine Vorstel-     wie der Afrikaner, ist dabei nicht notwen-
lung. Mit der Nationalmannschaft zu ge-         dig. Unserem Können, unserer Zivilisation,
winnen, setzte man voraus, da man ja jetzt      unseren Lebensgewohnheiten konnten wir
einen deutschen Trainer hatte. Aber hier        gerecht werden und dennoch das feste
war echte Pionierarbeit notwendig: Spieler      Vertrauen der Leute gewinnen. Kleine Din-
im Lande zu finden; den Spielbetrieb so zu      ge helfen dabei, diesen Weg leichter zu be-

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schreiten: Transport der nass geschwitzten     sagt, man sollte Pape zu diesem Zeitpunkt
Spieler, auch einmal im eigenen Auto, eine     nicht gehen lassen. Wir haben erst jetzt die
EInladung der Mannschaft zum Kaffee            Früchte seiner Arbeit zu sehen bekommen.
ins eigene Heim Bis zu höchsten Stellen        Wenn wir Pape gehen lassen, wird Ugan-
muss man versuchen, auch auf sozialem          da sofort bereit sein, sich ihn zu schnap-
Gebiet eine Verbesserung der Spieler und       pen. Zur Zeit können wir es uns aber nicht
ihrer Familien zu erreichen. Dienstlich und    leisten, den Standard im Fuβball wieder
auch privat habe ich sehr viele Reisen         sinken zu lassen. Noch haben wir keinen
(überwiegend Safaris) in das tiefste Innere    Nachfolger. Ein weiteres Jahr unter Pape
des afrikanischen Urwalds unternommen.         würde für uns viele Probleme lösen“.
Entweder waren es Reisen zu den Ge-
burtsorten der Spieler, Besuche bei ihren      Nun aber, ich ging. Im Gepäck viele Erfah-
Angehörigen, oder Fahrten zu Lehrgängen,       rungen auf fachlichem Gebiet, Erfahrungen
„nup country“, oder Safaris, die wir einfach   in der Behandlung der Menschen, aber im
unternahmen, um noch ,,echtes“ Afrika zu       Gepäck auch Geschenke der Afrikaner
erleben, ein Afrika, wie wir es uns in un-     und Filme und Farbdias von einem Land,
serer Jugend erträumt hatten. Die Kon-         das wir natürlich viel gründlicher kennen
takte werden geknüpft in dem Milieu, aus       gelernt haben als ein Tourist in wenigen
dem die Spieler kommen. Vieles wurde für       Wochen.
mich leichter verständlich. Auch der groβe     In Lagos ein uns schon vertrautes Bild: Sol-
Zauberer „Ju-Ju“, der auch heute noch im       daten mit Maschinenpistolen. Da sie nicht
Leben des Afrikaners eine bedeutende           auf uns gerichtet waren, was schliesslich
Rolle spielt. Der Europäer sollte sich nicht   auch schon mal der Fall war, störte es uns
einbilden, über diesen Dingen zu stehen!       nicht. Weiter ging es ´gen Osten.
Aberglaube, kultische Gemeinden, Feti-
schismus, der Glaube an das Horoskop der       Daβ die klimatische Umstellung von West
Tageszeitung usw., all diese Dinge haben       nach Ost keine Probleme brachte, war für
auch heute noch (oder heute wieder) einen      meine Arbeit ein erster wesentlicher Faktor.
Platz in unserer Gesellschaft. Mir gelang      Eine Umstellung betraf den Sport selbst.
es, das Vertrauen meiner Spieler so weit zu    Organisatorisch war in Uganda alles leich-
gewinnen, daβ man mir sogar erlaubte, vor      ter als in Sierra Leone. Seit Jahren gab es
einem Länderspiel gegen Guinea als Euro-       ein „National Council of Sports“, Träger al-
päer dabeizubleiben, als zwei Stunden vor      ler Sportarten, herrliche Rasenflächen, wo-
Spielbeginn der groβe „Ju-Ju“-Mann kam,        bei selbstverständlich das gute Klima eine
um seine kultisch-heilige Handlung vorzu-      wesentliche Rolle spielte, eine Sporthalle
nehmen. Ich war tief beeindruckt, einmal       für 2500 Zuschauer, einen geregelten
durch das Erlebnis, aber auch von dem          Spielbetrieb in den Regionen, aber leider
hohen Vertrauensbeweis. Man wollte mir         auch nur wenige ausgebildete Trainer. Da
zeigen, ich sei einer von ihnen.               ein Afrikaner als Nationaltrainer fungierte,
                                               war meine erste Hauptaufgabe die Orga-
Von West nach 0st                              nisation des Spielbetriebs und die Ausbil-
                                               dung von Trainern und Übungsleitern. Ich
Trotz gröβter Anstrengung der Afrikaner,       war darüber nicht böse, enthob es mich
mich weiter im Lande zu behalten, hiess        doch des Problems, immer nur ans Siegen
es für die Familie packen und es ging quer     denken zu müssen, was man ja von einem
durch den Kontinent nach Ostafrika. Die        deutschen Trainer erwartet. Die pädago-
Staatszeitung schrieb dann: „Offen ge-         gische Aufgabe mit Lehrern, Übungslei-

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tern und Trainern hatte auch ihre Reize und      nur dienstlich, sondern auch privat Türen
- freie Wochenenden standen in Aussicht!         zu den höchsten Stellen öffnete. Was dies
Die ersten Lehrgänge wurden durchgeführt,        bedeutete, weiß nur derjenige, der längere
die Technical Colleges boten sich dabei mit      Zeit im Ausland tätig war und die Probleme
ihren Sportanlagen an. Nach den erfolg-          kennt, die auf allen Gebieten auftauchen
reichen Lehrgängen sah man nun auch, daβ         und auch vom Arbeitgeber in Bonn kaum
dadurch eine Möglichkeit gegeben war, den        behoben werden können.
Sport im Landesinneren zu fördern, denn
auch in Afrika ist ein Talent weder an einen     Durch gute Kontakte konnte man fast Un-
Ort noch an eine Zeit gebunden. Nur muβ es       mögliches, dienstlich und privat, möglich
eben gefunden werden!                            machen.

Schwarz-weiβe Kooperation                        Erfolge im Afrika-Pokal

Nach kurzer Zeit bat man mich dann aber,         Da die Spiele innerhalb Ostafrikas einer In-
auch das Training und die Arbeit mit der         zucht glichen, überzeugte ich den Verband
Nationalmannschaft zu übernehmen. Da             von der Notwendigkeit, am Afrikapokal der
meine Bedingung, daβ mir der Afrikaner als       Nationen und der Landesmeister teilzuneh-
Assistent zur Verfügung steht, angenommen        men. Bedingt durch die Auslosung kommt es
wurde, kam es zu einer guten afrikanisch-        dabei zu Vergleichen mit anderen Ländern
deutschen Zusammenarbeit.                        und auch Teilen Afrikas. Mit der Teilnahme
Nach zwei Jahren hatte ich eine Jugendna-        an diesem Turnier wurde mir immer automa-
tionalmannschaft ins Leben gerufen. Somit        tisch auch das Training des Landesmeisters
bekam mein Assistent eine selbständige           übertragen - eine sehr erfolgreiche Tätigkeit
Aufgabe, bei der ich nur noch beratend zur       in Verbindung mit der Nationalmannschaft.
Seite stand. Ein anderer Afrikaner, der vor-     Zuerst kamen wir mit dem Vereinsmeister
malige Spielführer der Nationalmannschaft,       bis ins Semifinale, zwei Jahre später bis ins
wurde mein Assistent und brachte es bis zu       Endspiel. Der zweite Versuch mit der Nati-
einer Ausbildung in Köln als Fuβballehrer.       onalmannschaft im Afrikapokal führte uns
Eine Nationalliga wurde eingeführt, um die       nach großartigen Siegen in der Qualifikati-
Leistungsstärke zu verbessern. Sie spielte
über das ganze Land, und trotz Geburtswe-
hen und „afrikanischen“ Schwierigkeiten
wurde sie von Jahr zu Jahr erfolgreicher.
Die jährliche Teilnahme am Ostafrikaturnier
war für Uganda immer ein groβes Ziel. Daβ
dabei nicht nur sportliche Belange, sondern
auch politische eine Rolle spielten, war klar.
Wer ist der ,,Gröβte“ im Land? Uganda,
Kenia, Tansania oder Sansibar? Nun, die
,,Gröβten“ wurden wir. In meiner sechsjäh-
rigen Tätigkeit konnte Uganda viermal den
Pokal gewinnen, einmal wurden wir Zweiter,       on - erstmals für Uganda - bis ins Endturnier
und einmal wurde er nicht ausgetragen, da        nach Kairo. Eine Deutschlandreise meiner
Krieg im Lande war. Zweimal gewannen wir         Truppe bildete einen weiteren Höhepunkt.
den Pokal mit den Junioren. für Ostafrika        Das Länderspiel gegen die Amateure des
durchaus ein stolzer Rekord, der mir nicht       DFB in Bamberg ging nur knapp 1:2 verlo-

                                                  16
ren.                                             eigentlich alles erreicht, was den Leistungs-
Eine Revolution im Land - Idi Amin Dada          stand der Nationalmannschaft betraf. für
kam an die Macht - änderte nichts an mei-        den weiteren Unterbau fehlten die notwen-
ner Arbeit. Unter guter Bewachung und bei
,,Kriegsverhältnissen“ ging alles ordentlich
weiter.

Als erstmals eine Ostafrika-Auswahl aufge-
stellt wurde, mit Spielern aus allen vier Län-
dern, wurde mir die Ehre zuteil, als Trainer
dieser Auswahl berufen zu werden. Im Zuge
der Afrikanisierung war es für mich als Eu-
ropäer eine groβe Anerkennung von Seiten
der Afrikaner. So kam ich nach fast sechs-
jähriger Arbeit in Uganda, neben der Ausbil-
dung von Trainern und Übungsleitern, auch
zu einem nicht schlechten Rekord, nämlich
                                                 zu Gast bei Idi Amin
52 Siege, 18 Unentschieden und nur 13
Niederlagen.                                     digen Gelder. Großartige Abschiedspartys
                                                 machten uns das Abschiednehmen noch
Es war eine lange, nicht immer leichte,          schwerer, lieβen wir doch viele Freunde in
aber doch schöne und erfolgreiche Zeit in        Ostafrika zurück.
Uganda. Die Tage der Unruhen sind heute
vergessen, wo man bewaffnet ins Kino oder        Von der Nilquelle bis zur Mündung
zu einer Party fuhr, wo Überfälle an der Ta-
gesordnung waren, wo man nachts oft mit          Von der Quelle des Nils verschlug es uns ca.
dem Gewehr durchs Haus schlich, weil man         600 km nördlich an die Mündung des Nils,
annahm, dass mit Pangas (Buschmessern)           dem Lebensspender Ägyptens. Ein neues
bewaffnete Banden ins Haus einzudringen          Einsatzland, ein neuer Wohnort, Kairo, un-
versuchten. Die Stunden der Angst sind           sere neue Heimat. Neue Probleme, neue
nicht zu zählen, die meine Frau allein mit       Bekannte, neues Einleben, neues Herantas-
Sohn im Haus verbrachte, da meine Tätig-         ten an die schon vorhandenen Institutionen,
keit mich oft ins Ausland oder auβerhalb         eigene Gedanken. Aber dies sind unsere
Kampalas führte. Dass auch meine Frau mit        Probleme, mit denen wir leben, wir können
Waffen umzugehen weiss, war dabei nur            auch nicht erwarten, daβ zu Hause dafür im-
ein kleiner Trost. Passiert ist allerdings nie   mer volles Verständnis aufgebracht wird.
etwas. Die Angst war jedoch berechtigt, da
selbstverständlich in allen Zeitungen meine      Ägypten nimmt mit Sicherheit eine Sonder-
Abwesenheit nachzulesen war.                     stellung ein unter den Ländern am Mittel-
                                                 meer. Ägypten, das Land der Pyramiden, eine
Nach fast sechs Jahren wurden von Seiten         faszinierende, auch heute noch geheimnis-
der Uganda-Regierung alle Anstrengungen          volle Welt am Nil. Tempel, Gräber, Riesen-
gemacht, mich auch weiterhin im Lande zu         bildwerke haben schon Römer und Griechen
behalten. Präsident Idi Amin, ehemals selbst     im Altertum in ihren Bann gezogen. Ein Dich-
Sportler. zu dem ich auch gute freundschaft-     ter sagte einmal: ,,Der Ägyptische Boden ist
liche Beziehungen hatte setzte sich selbst       Gold, der Nil ist ein Wunder, die Ägyptischen
dafür ein. Aber nach solch langer Zeit war       Frauen sind wie himmlische Huris, und

                                         17
sich, sondern eher etwas Verwir-
                                                        rendes, Gegensätzliches. Eine un-
                                                        beschreibliche Bürokratie und eine
                                                        geplante Volkswirtschaft, nach so-
                                                        zialistischem Vorbild gelenkt, führt
                                                        dazu, daβ Konsumgüter heute noch
                                                        sehr knapp sind. Menschenschlan-
                                                        gen vor den Staatsläden sind an
                                                        der Tagesordnung, das Wort Luxus
                                                        findet man nur bei sehr wenigen,
                                                        der „Bakschisch“, das „Öl zwischen-
                                                        menschlicher Beziehungen“, hilft
                                                        doch immer wieder weiter.

                                                        Malesh

                                                         Seit der Revolution 1952 regieren
                                                         erstmals Ägypter über Ägypten. In
                                                         den über 20 Jahren völliger Selb-
                                                         ständigkeit haben Kriege und po-
                                                         litische Ereignisse aller Art tiefe
                                                         Einschnitte in den Ablauf der Wirt-
                                                         schaft und auch im Sport gebracht.
                                                         Stillstand heiβt Rückgang, nicht nur
                                                         für den Sport. 30 Mill. Menschen le-
                                                         ben heute in Ägypten, davon etwa 7
                                                         Millionen in Kairo. Fast 2 Millionen
                                                         wurden nach dem ersten Krieg aus
                                                         den Städten Suez, Ismailia und Port
                                                         Said evakuiert. Mit der Eröffnung
                                                         des Suezkanals werden diese Leute
 Gespannt verfolgt Pape die Künste seiner                wieder zurückgehen. Ob das spür-
           ägyptischen Jungs                    bar wird, ist fraglich, da täglich 3000 neue
Kairo ist die Stadt der Städte! „ Welch ein     Ägypter das Licht der Welt erblicken. Ein Pro-
Glück. dass der Beruf mich dorthin brach-       blem, welches sicherlich nicht kleiner wird,
te, wo Jahr für Jahr Tausende von Touristen     denn vor zehn Jahren waren es ,,nur“ 1000.
ihre Träume von ,,Tausendundeiner Nacht“        Die Kriege haben auch in Kairo groβe Nar-
verwirklicht sehen wollen. Nur, mit Traumen     ben hinterlassen, die Stadt ist abgenutzt,
ist es bei mir nicht getan. An den Pyramiden    der Schmutz dringt aus allen Winkeln, der
fahre ich täglich vorbei. In Ägypten gibt es    Zustand der meisten Strassen ist seit Jah-
aber groβe Probleme, was nach Revolution        ren unverändert, der Verkehr hat aber be-
und zwei Kriegen gar nicht verwunderlich        ängstigend zugenommen. Überfüllte Busse,
ist. Heute spricht man hier von einem ,,Wirt-   uralte Autos auf den Straβen, die oftmals
schaftswunder“. Dies bezieht sich aber wohl     kaum mit den notwendigen Lichtern ausge-
darauf, dass es doch immer irgendwie wei-       rüstet sind, der Verkehrsfluβ, die Art zu fa-
tergeht. für westliche Besucher hat dieses      hren, sich durchzusetzen, ist unvorstellbar.
Wunder nämlich wenig Wunderbares an             Der Besucher, vom Flughafen abgeholt, at-

                                                 18
met erlöst auf, wenn er das Haus erreicht        mern. In Ismailia und Port Said regen sich
hat. Er braucht Tage, um nicht immer wie-        erste Lebenszeichen, die Bevölkerung kehrt
der als Beifahrer zu erschrecken. Um dies        zurück. Der Aufbauminister Osman Ahmed
zu begreifen, muβ man eben die ,“Malesh“-        Osman (auch Präsident eines Sportklubs,
Einstellung der Ägypter kennen (Malesh           der schon in Bremen spielte) hat grosse
ist ein Wort, das ,,Vergebung“ und ,,macht       Pläne. Man setzt groβe Hoffnungen auf die
nichts“ bedeuten kann), sich nämlich hin         Deutschen, wohl beeindruckt von unserer
und wieder rücksichtslos und auch manch-         Aufbauleistung nach dem Kriege. Wirt-
mal mit nicht ganz korrekten Mitteln durchs      schaftsdelegationen geben sich in Kairo die
Leben zu boxen. Dies ist aber nur eine Seite,    Türklinke in die Hand, sind Dauergäste in
mit deren Schwierigkeiten sich nur der Orts-     den Hotels. Warten wir ab, was kommt. Die
ansässige auseinanderzusetzen hat. Dem           wichtigste Voraussetzung für das Gelingen
Touristen eröffnet sich eine andere Welt.        dürfte wohl sein, daβ im Nahen Osten kein
Herrliche ägyptische Restaurants in der          neuer Krieg ausbricht, der mit Sicherheit
Stadt und am Nil, wo sich dann bei unter-        nicht nur Tage dauern würde.
gehender Sonne die Feluken-Boote auf dem
trägen Wasser treiben lassen oder gar ge-        Standort des Sports in Ägypten
gen den Strom segeln. Die 7-Millionen-Stadt
ist voller Dokumente vorchristlicher Vergan-     Stillstand heiβt Rückgang. Wo steht nun
genheit, voll der Stätten islamischer Kunst.     der Sport in Ägypten? Die Vergangenheit
Bei wechselnder Beleuchtung ist es immer         hat gezeigt, dass bei dem 35-Millionen-Volk
wieder ein bedrückend-faszinierender An-         ein sehr grosses Potential für den Sport
blick, über die riesigen Gebiete der Mame-       vorhanden ist. Die Ägypter haben von allen
lukkengrabmäler zu blicken, ein enormes          afrikanischen Staaten schon die gröβten
Gräberfeld mitten in der Stadt, dazwischen       Fortschritte gemacht. Medaillen und inter-
viele herrliche Moscheen. über allem dann        nationale Siege sprechen heute noch da-
die Zitadelle mit der groβen Mohamed-Ali-        von. Die deutsche Nationalmannschaft hat
Moschee. Das ägyptische Museum und die           hier in Kairo 1958 1:2 verloren, mit Spielern
Pyramiden von Gizeh und Sakkara sprechen         wie Rahn, Tilkowski, Schnellinger, Morlock,
für sich selbst. Der Blick von der Sahara-City   Schäfer. Nationalmannschaften aus aller
auf die Pyramiden, den Nil, im Hintergrund       Welt waren hier schon zu Gast. Real Madrid
Kairo, dann wieder Wüste, dürfte auch für        in seiner gröβten Zeit spielte zur Eröffnung
einen Touristen, der sich nicht so genau         des 100 000 Mann fassenden Nasser-Sta-
in der Geschichte des alten Ägyptens aus-        dions.
kennt, unvergesslich bleiben. Der nächt-
liche Lichtzauber um Sphinx und Pyramiden        Ein organisiertes Vereinsleben, mit Kluban-
versetzt den Besucher in die fünftausend         lagen für alle Arten von Sport, dürfte für Afri-
Jahre alte Kultur der Pharaonen. Fahrten         ka (und nicht nur dort) als vorbildlich gelten.
nach Luxor, Kharnak, Assuan bilden weitere       Der Gezira-Sporting-Club z. B. gilt als einer
Möglichkeiten, um Ägypten als Reiseland zu       der gröβten Klubs in der Welt. Er hat über
entdecken.                                       30 000 Mitglieder, die ca. 20 verschiedene
                                                 Sportarten betreiben können. Die Klubs
Gross sind nun die Pläne der Ägypter für den     haben eigene Stadien und eine Anhänger-
weiteren Ausbau des Landes. Der Suezka-          schaft, die sich fast schon familiär vererbt.
nal mit seinen Millionen-Dollar-Einnahmen        Mitglied in solch einem Klub zu sein, zählt
im Jahr spielt dabei die gröβte Rolle. Noch      schon etwas.
ist er Sperrgebiet, noch liegt Suez in Trüm-

                                         19
Der Fuβball ist auch hier Sportart Nr. 1.      Uganda! Die Zeit war zu kurz, um wenige
Das Problem der Aufstellung einer Na-          Wochen vor Turnierbeginn noch entschei-
tionalmannschaft liegt hier nicht wie in       denden Einfluβ - vom Training abgesehen
Schwarzafrika im Stammesdenken, son-           - auf die Mannschaft auszuüben. Seit Mo-
dern in der Rivalität der Vereine. Bei be-     naten gab es kriegsbedingt keinen Spiel-
sonderen Punktspielen kommen oft 100           verkehr, kein geregeltes Training, es fehl-
000 Zuschauer. Da das eigene Stadion           te einfach an Wettkampfpraxis. Da auch
nicht ausreicht, weicht man in das grosse      das härteste Training keinen Wettkampf
Nasser-Stadion aus. Ein Freundschafts-         ersetzt, wurden Testspiele in der Vorberei-
spiel der Eintracht Frankfurt im letzten       tungszeit ausgetragen, erst A gegen B. was
Sommer brachte auch hier gegen eine            ja auch selten einen echten Einblick gibt,
Vereinsmannschaft etwa 60 000 Leute            dann Spiele gegen Dukla Prag als Trai-
auf die Beine. Aber wie sieht es mit der       ningspartner. Leider kam es dabei zu den
heutigen Leistungsstärke im ägyptischen        bekannten Zwischenfällen im Zamalek-
Sport aus? Die Vergangenheit ist Geschich-     Stadion. Nach solch einer langen Fussball-
te - eine Hypothek, die belasten kann. Zwei    pause war die Begeisterung noch grösser
Kriege haben den Sport und nicht nur den       als erwartet. Das Stadion wurde gestürmt.
Fuβball - um Jahre zurückgeworfen. 1948        Zu einem Spiel kam es nicht, aber zu einer
wurde eine Nationalliga gegründet, aber        Katastrophe. über 40 Tote wurden dann
nur neunzehnmal konnte sie bis zum Ende        später gezählt.
durchgespielt werden. Immer wieder kam
es zu Unterbrechungen. Wir wissen alle,        Dies war psychologisch auch nicht gerade
daβ gerade in den letzten zehn Jahren die      der beste Weg der Vorbereitung, aber es
Entwicklung im Leistungssport so sprung-       musste weitergehen. Persönliche Schwie-
haft gestiegen ist, daβ den Anschluβ zu ver-   rigkeiten traten auch mal wieder auf.
lieren fast einer Katastrophe gleichkommt.     Transportschwierigkeiten, Wohnungssuche
Beispiele auf vielen Gebieten des Sports in    usw., Dinge, die gerade in solch einer Zeit
vielen Ländern gibt es dafür genug.            die Arbeit nicht gerade erleichtern. Doch
                                               Improvisieren, sich den Gegebenheiten
Mich reizte diese Aufgabe. In Spielen mit      anpassen, auch wenn es nicht in den vor-
Uganda gegen Ägypten konnte ich sehen,         gefertigten Plan paβt, sind eben Dinge,
welche Kräfte dort zu fördern sind, die        die man können muβ, die ich mir auch in
auch auf internationalem Leistungsge-          den knapp 10 Jahren Afrika gut angeeig-
bieten mitreden könnten, aber auch, daβ        net habe. Sehr viel kollegiale Unterstüt-
durch die schon vorhandenen Vereine eine       zung erhielt ich von Dettmar Cramer, der
gute Breitenarbeit möglich ist.                in seiner Eigenschaft als Trainer der FIFA
                                               im gleichen Zeitraum hier Trainerlehrgän-
Mit der neuen Mannschaft gegen die alte        ge abhielt. Die Pokalspiele selbst hatten
                                               kein sehr hohes Niveau, gemessen am in-
Meine Ankunft in Kairo fiel fast zusammen      ternationalen Standard. Trotz mangelnder
mit dem Endturnier um den Afrika-Pokal         Kondition und mit wenig Wettkampfpraxis
der Nationen. Ägypten war als Ausrich-         konnten wir gegen Uganda, Zambia, Elfen-
ter qualifiziert. Mit Uganda hatte ich - im    beinküste und Kongo-Brazzaville gewin-
Rahmen meiner letzten Tätigkeit - dieses       nen. Gegen Zaire verloren wir dann trotz
Turnier nach Siegen über Algerien erreicht.    einer 2:0-Fuhrung noch 3:2. Zaire wurde
Mein erstes Länderspiel in Kairo hiess, so     dann auch Afrikapokalsieger und vertrat ja
wollte es die Gruppeneinteilung, Ägypten -     bekanntlich den afrikanischen Erdteil bei

                                               20
der WM 74 in Deutschland.                       vier Punktspiele ausgetragen werden. Über
                                                die Zahl der erhaltenen gelben Karten wer-
Da die konditionellen Mängel gerade bei         den die Vereine jedes Mal informiert. Ein
der ägyptischen Mannschaft deutlich             ägyptischer Schiedsrichter war auch Leiter
sichtbar wurden — Wadenkrämpfe, Er-             bei der WM 74 im Spiel Deutschland gegen
schöpfung, Tempoverlust usw. - , tauchte        Australien.
die Frage auf, ob der momentane Lei-            Auch mit der Trainerausbildung konnte
stungsstand überhaupt ausreicht für den         ich beginnen. Der ägyptische Verband ist
Leistungssport. Eine Untersuchung ergab         in 5 Zonen aufgeteilt: Kairo, Alexandria,
dann interessante Resultate. Bei den Spit-      Delta, Kanal und Oberägypten. Die Zonen
zenkräften des ägyptischen Sports wurde         verfügen über eine eigene Verwaltung
ein Lungenvolumen von ca. 4 Litern festge-      und haben ihren Regionalfuβball und die
stellt. Da 5,56 Liter heute für die Belastung   Spielrunden der Jugendlichen unter sich.
im Leistungssport verlangt werden, war es       Der Hauptverband, mit Sitz in Kairo, leitet
kein Wunder, dass die Spieler den Bela-         die Nationalliga, die mit 18 Mannschaften
stungen von Wettkampf und Training nicht        über das ganze Land spielt. Da die Lei-
gewachsen waren. Drei Freundschafts-            stungsstärke nicht so groβ ist wie die Zahl
spiele gegen die Eintracht Frankfurt vor der    der Vereine, kommt es leider immer wie-
WM zeigten noch einmal, daβ die spiele-         der zu sehr niveaulosen Spielen. Der echte
rischen Mittel durchaus genügen, um auch        Spitzenspieler braucht sehr oft nur die hal-
Profimannschaften vor echte Probleme zu         be Kraft, um zu gewinnen. Es fehlt der ste-
stellen. Aber leider eben noch nicht für 90     tige Leistungsdruck, das Abverlangen einer
Minuten. Nach der WM, die auch hier mit         ständigen Höchstleistung, die dann ja erst
Spannung verfolgt wurde, begann dann            zur Beständigkeit führt. (Im Vergleich dazu:
erstmals nach langer Zeit wieder eine           unsere Bundesliga heute und die Oberliga
Punktspielrunde. In den vergangenen 26          damals).
Jahren konnte Kairo den Titel der ,,National
Club“12mal gewinnen, Zamalek 4mal und           Guter Nachwuchs
Mehalla, das jetzt im Endspiel um den Afri-
kapokal der Vereinsmeister stand, Ismailia      Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung,
und Arsenal je einmal. Daβ nach den zwei        wenn auch langsam, ist nun auch im Sport
Kriegen die Punktspieleinnahmen für die         wieder geregeltes Leben eingekehrt. Die
Vereine sehr wichtig sind, durfte wohl je-      Liga läuft, zusätzlich haben wir jetzt in den
dem klar sein, denn nach solch langer Zeit      einzelnen Zonen Sichtungsspiele gemacht,
sieht es auch für den Verband nicht gerade      um bei den Jugendlichen unter 18 Jahren
rosig aus.                                      die Talente herauszupicken. Um den lau-
                                                fenden Spielbetrieb nicht zu unterbrechen,
Viermal gelbe Karte = 15 Tage Sperre            flog ich mit einer Nachwuchsmannschaft
                                                nach Damaskus. Es war ein Turnier (Kune-
Einige Schiedsrichterlehrgänge konnte ich       tra-Pokal) mit 11 arabischen Staaten, die
schon durchführen, wobei das Niveau als         direkt oder durch finanzielle Unterstützung
sehr gut bezeichnet werden kann. Dabei          am Krieg gegen Israel teilgenommen hat-
wäre besonders zu erwähnen, daβ man             ten. Mit drei Siegen und zwei Niederlagen
hier vom Verband aus die Regelung ein-          brachte die Truppe weit mehr als erwartet.
führte, daβ die vierte gelbe Karte automa-      Es gab uns weiteres Vertrauen, daβ wir bei
tisch zu einer Sperre von 15 Tagen führt,       dem Nachwuchs auf dem richtigen Wege
egal, ob in dieser Zeit zwei, drei, oder gar    sind.

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Bezahlte Amateure                               meine Aufgabe sein. eine gute Verbindung,
                                                ein besseres Verständnis zwischen Vereinen
Der hiesige Fußball ist auf Amateurbasis        und Verband herzustellen. Mein Angebot,
aufgebaut. Durch den Verein kann der Spie-      auch die Vereine zu unterstützen, wurde
ler aber doch „einiges“ Geld machen. Ein        nach einigem Zögern überraschend schnell
guter Spieler kann durchaus auf 600-800         angenommen. Der Zamalek-Klub, der bisher
DM im Monat kommen. Es gibt dabei eine          einen Trainer aus der CSSR hatte und sehr
Staffelung nach Tabellenplatz, Zuschauer-       viele Spieler an die Nationalmannschaft
zahl, Wichtigkeit des Spieles usw. Von den      abstellt, bat um meine Hilfe, auch Arsenal.
Einnahmen gehen 10 % an den Verband             Gern bin ich diesem Wunsch, nach Abspra-
ab, 5 % an die Zone. Die Eintrittspreise lie-   che mit dem Verband, nachgekommen, lag
gen zwischen 1 DM und 10 DM. All diese          doch hier die groβe Chance, endlich einmal
Beträge sagen für deutsche Verhältnisse         die Rivalität Verein - Verband zu beseitigen.
nichts aus. Wenn man aber bedenkt, daβ          Ich als Nationaltrainer, sprich Verband, hel-
                                                                    fe euch, dem Verein, ihr
                                                                    müsst aber auch mir,
                                                                    sprich Verband helfen.
                                                                    wenn Spieler für die Na-
                                                                    tionalmannschaft      ge-
                                                                    braucht werden. Durch
                                                                    diesen Einsatz kam es
                                                                    dann auch zu einer gu-
                                                                    ten     Zusammenarbeit
                                                                    mit den Trainern, die ich
                                                                    ja auch für meine Ver-
                                                                    bandsarbeit brauchte,
                                                                    deren Arbeit letztlich
                                                                    entscheidend war für die
                                                                    Verbreitung meiner Me-
                                                                    thoden.
  Hoher Besuch: Berti Vogts, Günter Netzer u.A. in Ägypten
                                                                   Gute Trainer werden in
ein junger Verkehrspolizist knapp 100 DM        Ägypten immer willkommen sein. Als Deut-
im Monat verdient, ein Arzt am Sportinstitut    scher machte ich den Anfang. Mit meiner
es auf knapp 500 DM bringt, dann lohnt es       Hilfe konnte dieser Sport wieder aus der
sich schon, in Ägypten bei einem Spitzen-       Versenkung auftauchen, dorthin gelangen,
klub Fußball zu spielen, um zusätzlich diese    wo er schon einmal war, dann aber weiterge-
Einnahmen zu haben. Leider führt dies aber      führt werden bis zum Erreichen eines Stan-
auch dazu, daβ die Vereine kein allzu groβes    dards, der es uns erlaubte, auf der internati-
lnteresse an der Nationalmannschaft zei-        onalen Bühne des Fuβballs mitzureden. Der
gen, da der Verband nicht in der Lage ist,      Weg wird nicht leicht sein. Es wird Zeit brau-
groβe Gelder zu zahlen. Bei richtigem Spiel-    chen und natürlich auch Geld. Durch die
betrieb und einem oberen Tabellenplatz sind     langen Jahre in Afrika hat man aber eine Art
die Vereine finanziell in einer weit besseren   ,,brutales Durchhaltevermögen“ entwickelt,
Lage als der Verband. Im Gegensatz zum          ohne das es einfach keinen Erfolg geben
anderen Teil Afrikas, wo die Schwierigkeit      kann. Die Zukunft lag vor uns und ,,inshalla“
im Stammesbewuβtsein lag, würde es hier         würden wir auch erfolgreich sein.

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Sonne, Sand,                                   nen deutschen Trainer auch in etwa genau
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Siege und Sport                                von großer, kräftiger Statur. Einem solchen
                                               Wunschbild habe ich perfekt entsprochen!
Eine sportliche und politische, lebensnahe     So stellte man sich für das eigene Land
Geschichte                                     den passenden Fußballtrainer vor. Die mir
                                               entgegengebrachten Wünsche konnte ich
                                               tagtäglich spüren in einem zwar nicht mit
                                               Worten ausgesprochenen, aber trotzdem
Haben diese vier „S“, so frage ich mich        deutlichen Denken:
heute, mehr als alles andere mein Leben        „So, jetzt bist Du da und jetzt gewinnen wir
bestimmt? Es gab noch weitere lebens-          mit Dir die Länderspiele gegen unsere Riva-
werte Dinge auf meinem Weg, aber trotz-        len, gegen die Länder in der Nachbarschaft!
dem sind Sport und Sonne untrennbar mit        So war es dann auch im weiteren Verlauf
meinem Leben verbunden, Sand (im Ge-           meiner Zeit in Sierra Leone! Und nicht nur
triebe so mancher Maschinerie) hat sicher      dort. Zuerst begann es aber mit den unmög-
so manches mal die Siege verhindert, nach      lichsten Dingen.
denen ein Sportler so sehr sich sehnt wie
ein Wanderer in der Wüste nach dem leben-
spendenden Wasser.

Zu Anfang möchte ich gleich mit meiner er-
sten großen Herausforderung in dem mir bis
dahin völlig unbekannten afrikanischen Kon-
tinent, nämlich mit dem westafrikanischen
Land Sierra Leone beginnen, wo diese vier
„S“ mein Leben viele Monate bestimmen
sollten.

Für mich war dort alles richtiggehend neu
und mit nichts zu vergleichen, was ich bis
dahin erlebt hatte. Ich musste mich heran-
tasten an viele ungewohnte Dinge. Als ich
in Sierra Leone ankam, begleiteten mich
Schritt für Schritt die hohen Erwartungen
dieses Landes in den schon lange erwar-
teten zukünftigen Trainer der noch nicht
vorhandenen Fußball-Nationalmannschaft.
Aber zuerst war ich aus meiner Sicht nur
der „Ausländer“. Aber ich war doch ein be-
sonderer Ausländer, was ich bei jeder Be-              Not macht erfinderisch:
gegnung mit Einheimischen spüren konn-                 Bänke statt Medizinbälle
te. Ich war jemand, von dem man sich viel
erhofft hatte - das habe ich später auch in    Über die Platzverhältnisse wollen wir gar
anderen Ländern immer wieder erlebt und        nicht einmal reden. Es gab nämlich auch
gespürt: „Jetzt bist Du endlich da, Du deut-   keine vernünftigen Bälle; Medizinbälle wa-
scher Germane“. Und man stellte sich ei-       ren völlig unbekannt. Große Kokosnüsse

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waren der einzig mögliche Ersatz. Es wurde       ne bereits vom Premierminister erwartet. In
Sand hinein gefüllt, damit wir überhaupt         einer kurzen Rede wurden wir aufgefordert,
Gymnastik machen konnten. Als ich dann           diese Führung zu verteidigen und möglichst
an hoch offizieller Stelle quengelte, dass wir   noch auszubauen. Zugleich versprach er
nur einen einzigen Fußball hatten, wurde         eine Erhöhung der Siegesprämie für jeden
ich beim Premierminister Sir Albert Margai       Spieler auf 5 oder 8 Mark (genau weiß ich
persönlich vorstellig, der lange Jahre für die   das nicht mehr). Wir konnten das 1:0 halten
Sierra Leone Peoples Party im Amt gewesen        und ganz Sierra Leone feierte uns für die-
ist (von 1958 bis 1967) und der während          sen historischen Sieg über den Nachbarn.
dieser Zeit, kurz bevor ich kam, der erste       Zur Beruhigung der wutschnaubenden Libe-
Premierminister nach der Selbständigkeit         rianer wurde dann aber schon für drei Tage
des Landes geworden war. Vorher war ich          später ein neues Spiel ausgemacht. Es war
aber auch noch in der deutschen Botschaft,       dann ein passender Erfolg für die Diploma-
um dort unseren Botschafter zu sprechen -        tie, dass dieses Spiel mit Unentschieden
mit dem ich im weiteren Verlauf meiner Tä-       ausging.
tigkeit einen sehr guten Kontakt hatte. Als      In der Gesamtabrechnung waren auf jeden
ich ihm sagte, dass ich jetzt zum Premiermi-     Fall wir erfolgreich. Das brachte mit sich,
nister gehen würde, um dort wegen der Bäl-       dass mein Ansehen weiter beträchtlich ge-
le anzufragen, da meinte der Botschafter:        wachsen war. Die Liberianer waren jeden-
„So können Sie doch nicht hingehen, so wie       falls - das wurde mir berichtet - ausgespro-
Sie aussehen, nämlich im Sporthemd und           chen neidisch auf den deutschen Trainer im
kurzer Hose!“                                    Nachbarland, und es gab auch gleich den
Ich machte mir nichts aus diesem Ein-            scherzhaft ausgesprochenen, aber doch
wand und meine Antwort entsprach mei-
ner Einstellung: „Wenn ich jetzt im Anzug
mit Schlips komme, dann erkennt der mich
überhaupt nicht! Genauso war‘s auch. Sir Al-
bert Margai nahm die Sache sofort gut auf,
hatte aber doch den Einwand: „Ihr braucht
doch beim Spiel nur einen einzigen Fuß-
ball“. Da hatte er nicht unrecht für‘s Spiel
selbst; aber natürlich konnte ich ihm klar-
machen, was alles da noch zusätzlich so
dranhängt mit Ersatzbällen, den Mitteln für
das Training usw. Danach wurde die Sache
auch sofort ohne Verzögerung klar gemacht,
und wir hatten von nun an mehrere Fußbälle
und was sonst noch alles dazu gehört.
Es kam kurz darauf ein erstes, für Sierra Le-
one sehr bedeutendes Spiel gegen das ein
kleines bißchen größere direkte Nachbar-
land Liberia zustande. Auch politisch was
das mit langer Tradition schon immer so
ein ziemliches „Hick-Hack“ zwischen beiden
Ländern. Dieses Spiel gewannen wir knapp
aber verdient mit 1:0, und bereits nach Ende
der ersten Halbzeit wurden wir in der Kabi-              Ballgefühl auch ausserhalb
                                                             des Fussballplatzes
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ernstgemeinten Versuch eines Funktionärs        35 Jahren immer wieder geholfen hat, mich
von Liberia, mich abzuwerben sowie mich         in die Lage der Leute zu versetzen, die ich
am besten gleich in das Nachbarland mit-        trainierte, die ich brauchte oder mit denen
zunehmen.                                       ich auch zusammen lebte. Es ging darum,
Nach guten Anfängen in Karlsruhe war ich        nicht nur als Ausländer anerkannt zu wer-
schon in Deutschland ein begeisterter Ten-      den, sondern als Mensch, der sich für die-
nisspieler geworden. In der Zwischenzeit        jenigen interessiert, die dort leben und mit
hatte sich das nach ebenfalls in Sierra Leone   ihnen auf gleicher Stufe stehen wollte. Und
herumgesprochen, was dazu führte, dass          der sich nicht nur dafür interessiert, dass
ich mit dem mir inzwischen sehr gewogenen       sie dort leben, sondern wie sie leben und
Premier Margai schon bald Tennis spielte. Er    was sie erleben.
ließ sogar in seinem eigenen Wohnbereich        Denn immerhin waren meine Spieler, die aus
Tennisplätze anlegen. Wir spielten dort lau-    dem Urwald kamen, auch Menschen, mit de-
fend miteinander Tennis und hatten auch         nen ich auskommen wollte. Es gab deshalb
dadurch einen sehr stabilen, richtig guten      auch Tage, an denen ich bei den Spielern
Kontakt. Sport verbindet – das ist mir im       und deren Familien im Dorf wohnte - unter
Laufe meiner Tätigkeiten wieder und wieder      nicht immer ganz leichten Bedingungen -
aufgefallen – dort wo die reine Diplomatie      aber das wurde von den Leuten anerkannt.
versagt, haben sich verschwitzte Sports-        „Mensch, der interessiert sich doch für uns,
männer oft mehr zu sagen.                       der steht nicht nur da oben drüber!“
Gleich zu Anfang, nach wenigen Wochen in
Sierra Leone, trainierten wir als Vorberei-     Es war jedenfalls kein Wunder, dass so aus
tung auf das schon geschilderte Spiel gegen     den ursprünglich für Sierra Leone vorgese-
Liberia. Nachdem das Training vorbei war        henen 6 Monaten, als ich eigentlich wegge-
und wir alle ziemlich staubig, dreckig und      hen sollte, eine große Staatsaffäre wurde.
verschwitzt waren, ging die ganze Mann-         Die deutsche Botschaft wurde eingeschaltet
schaft zum Duschen. Und ich ging natürlich      und auch das Auswärtige Amt in Bonn. Alles
mit - was für mich vom Sport in Deutschland     wurde getan, damit ich in diesem Land blei-
her selbstverständlich war, ohne mir dabei      ben sollte. Natürlich ging diese Forderung
irgend etwas zu denken. Der deutsche Bot-       auch an den DFB mit dem Ergebnis, dass
schafter rief mich einige Tage später an und    mein Aufenthalt gleich auf ein volles Jahr
fragte, ob ich denn schon gesehen hätte, was    verlängert wurde. Später kam nach ähn-
die lokalen Zeitungen schreiben würden. Ich     lichen Forderungen an die gleichen deut-
musste ihm sagen: „Nein, was ist denn los?“     schen Stellen noch mal ein weiteres Jahr
Daraufhin hörte ich von ihm, dass in der Zei-   dazu.
tung stand, wie sehr die Spieler mehr als
überrascht waren und dem Reporter gesagt        Vorher hatte ich nach dem ersten Jahr in
hatten: „Der Trainer ist mit uns zusammen       diesem Land Urlaub in Deutschland ge-
zum Duschen gegangen!“ Dass dies dort so        macht und heiratete in Münster in Westfa-
großartig ankam, hatte ich nicht erwartet!      len meine mir schon etwas länger bekannte
Dass ich nämlich als Weißer, als Europäer       Freundin Bärbel, die auch Sportlehrerin war.
mit den schwarzen Spielern zusammen auf         Wir kamen dann gemeinsam nach Sierra
Augenhöhe stand, brachte mir ungeahnte          Leone zurück, hatten dort inzwischen ein
Sympathien ein. Und das war etwas, was ich      schönes Haus, nämlich ein altes Kolonial-
vielleicht nur gefühlsmäßig gemacht hatte,      haus gefunden, das auf Stelzen mit hartem
und was mir aber - wenn es zu ähnlichen Ge-     Holz erbaut war. Bilder ließen sich übrigens
meinsamkeiten kam - auch in den nächsten        in diesem Haus erst aufhängen, nachdem

                                         25
man in dem harten Holz unter erheblichen        nicht ganz so einfach zu überstehen. In den
Schwierigkeiten Löcher gebohrt hatte. Das       folgenden Jahren gab es das hier in Sierra
harte Holz hatte mit den Termiten zu tun, die   Leone wie später ebenfalls in anderen Län-
sich wegen der Härte nicht einnisten sollten,   dern, wobei ich dann mit den gewonnenen
damit das Haus stehenbleiben und nicht zu-      Erfahrungen aber bessere Reaktionen zei-
sammenbrechen konnte. Das waren alles           gen konnte. In Sierra Leone war es für uns
neue Erfahrungen, die ich bis dahin noch        beide jedenfalls etwas, was wir nicht er-
nicht gemacht hatte, weil ich mich damit im     wartet hatten. Es kriselte zu dieser Zeit im
vorherigen Junggesellenleben überhaupt          etwas weiter entfernten Ghana im dortigen
nicht in Berührung gekommen war.                Ein-Parteien-System. Unser Premierminister
                                                Albert Margai hatte hier das gleiche System
Meine Frau arbeitete inzwischen auch an         auch einzuführen versucht. Die Opposition
den Schulen, führte dort sogar schon sehr       war sehr dagegen. Von Regierungsseite ver-
früh so etwas Ähnliches wie das Bundes-         suchte man nun, mich in solchen Fragen
sportfest bzw. die Bundesjugendspiele ein.      einzuspannen. Aber ich wußte stets, dass
Das kam großartig an und wir waren beide als    ich mich aus diesen politischen Angelegen-
leitende Akteure voll akzeptiert. Man konnte    heiten rauszuhalten hatte. In allen meinen
auch mit Hilfe Bärbels vieles machen, was       Einsätzen habe ich stets eine solche Haltung
im Sport weiterhalf und Fortschritte brach-     eingenommen und bin gut damit gefahren,
te. Die zusätzlichen Aktivitäten von Bärbel     dass ich immer gesagt habe: „Ich bin Sport-
machten sie sehr schnell genau wie mich         ler, neutral und unpolitisch. Ich kümmere
weiter populär und sie trugen alle zur Fuß-     mich deshalb auch nicht um die Politik in
ball- sowie Sportbegeisterung mit bei.          Deutschland und genau so wenig um Eure
                                                Politik oder um die der Nachbarländer. Ich
Jetzt möchte ich aber noch auf den Anfang       verkaufe stattdessen nur Fußball“. Auf die-
meiner Zeit dort in Freetown, der Haupt-        ser Basis konnte ich mich mit der Opposition
stadt von Sierra Leone zurückkommen. Als        wie mit der Regierung immer gut verstehen,
ich dort nämlich ankam, erfuhr ich schon        weil ich genau wußte: Wenn etwas passiert,
relativ bald, dass der zuständige Sportmini-    dann kann es nur von der Opposition, der
ster überall voll Stolz erzählen würde: „Ich    Polizei oder der Armee kommen. Deshalb
war es, der den Burkhard von Deutschland        habe ich in den meisten der Länder, in de-
in Frankfurt beim dortigen Fußballbund für      nen ich war, auch die Mannschaften der Po-
unser Land gekapert und nach hierher ge-        lizei wie der Armee mit trainiert, denn es war
holt habe. Von diesem Sportminister wurde       mir klar, dass wenn einmal eine Revolution
ich wenig später ebenfalls allen anderen        kommen sollte, dass ich auch dort Helfer
Kabinettmitgliedern vorgestellt, was mir        haben würde. In solche politischen Ausei-
und danach auch Bärbel viel Unterstützung       nandersetzungen wollten nämlich weder
durch alle diese Amtspersonen gebracht          meine Frau noch ich als frisch gebackener
hat. Als wir übrigens nach unserer Heirat       Ehemann verwickelt werden.
in Deutschland gemeinsam dort ankamen,
wurde sogar eine Parlamentssitzung unter-       Und so war‘s dann auch mit dem Nicht-ver-
brochen mit der Ankündigung: „Soeben ist        wickelt-werden. Kurz nach der gerade be-
unser deutscher Trainer wieder gelandet!“       gonnenen Regenzeit hatte ich noch mit der
                                                Mannschaft der Armee trainiert. Nach dem
Nun aber zu der Überraschung in diesem          Training saßen wir in Freetown im Offiziers-
afrikanischen Land. Was in solchen Län-         kasino zusammen, als der Colonel Johnson
dern nämlich auch passiert, ist manchmal        zu mir auf einmal sagte: „Coach, morgen trai-

                                                 26
nieren wir nicht.“ Ich habe ihm als Germane      so ähnlich passiert, dass ich schon etwas
natürlich sofort geantwortet: „Moment mal,       wußte, was auf der deutschen Botschaft
hier wir trotz des Regens trainiert!“ Nach       nicht bekannt war. Der Kanzler der deut-
einer Pause sagte er wieder: „Du, morgen         schen Botschaft in Freetown, den ich dann
trainieren wir nicht!“ Ich bin dann sofort auf   auch noch ansprach, es war ein Herr Süß
die Palme gegangen und habe geantwor-            aus Darmstadt, reagierte aber als Mann
tet: „Horch mal her, Ihr seid hier geboren,      mit langjähriger Erfahrung ganz anders.
ich komme hierher, der Regen ist warm und        „Komm, Burkhard, zu uns ins Haus, ich bin
nicht wie der Schnee- und Eisregen bei uns       bewaffnet, wir können uns 14 Tage halten.“
in Deutschland, und da wird hier doch wei-       Ich erzählte ihm gleich, dass ich das sicher
tergemacht!“ Aber ich hatte nach dieser          nicht brauchen würde wegen der mir ver-
mehrfachen Wiederholung des Hinweises,           sprochenen Wachposten. Und als es dun-
dass morgen nicht trainiert würde, schon         kel wurde, waren diese Posten tatsächlich
das Gefühl, irgendetwas dürfte nicht stim-       da. Allerdings hatten sie Karabiner, die ich
men. Und dann sagte er mir, so dass es an-       schon mal im Museum gesehen hatte und
dere nicht hören konnten: „Morgen ist ‚ne        die wahrscheinlich noch aus dem ersten
Revolution! Aber Coach, Du brauchst keine        Weltkrieg stammten.
Angst zu haben. Wir schicken Dir morgen
oben auf den Berg, wo Dein Haus steht, zwei      Nachts rappelte es jedenfalls in Freetown
Soldaten, die bewaffnet sind. Dir passiert       kräftig. Es gab allerhand Tote, aber zwei
jedenfalls nichts. Aber wenn Du jetzt nach       Tage später war der Spuk vorbei und alles
Hause fährst, dann sag Deiner Frau, sie soll     wieder in Ordnung. Mich rief dann aber der
noch schnell etwas zu essen und trinken          Botschafter an und bat mich, in die Bot-
einkaufen, denn man weiß nicht, wie lange        schaft zu kommen. Er sagte: „Ich muss Sie
so etwas dauert.“                                unbedingt sprechen.“ Als ich bei ihm war,
                                                 meinte er, es könne mit der Revolution doch
Ich bin dann gleich zu Bärbel, die meinte aber   noch weiter gehen, und es ginge ihm darum,
nur, dass ich spinnen würde oder dass man        dass man meine Frau und mich sofort aus-
beim Training einen Scherz mit mir gemacht       fliegen sollte über Dakar nach Deutschland.
habe. Als ich ihr dann aber die Geschichte       Ich fragte ihn gleich: „Was ist denn dafür der
genauer erzählte, sind wir sofort doch noch      Grund?“ Seine Antwort war: „Stellen Sie sich
tüchtig einkaufen gegangen. Zugleich hielt       mal vor. Sie haben doch mit dem vorherigen
ich es für meine Pflicht, den Botschafter, zu    Premierminister Tennis gespielt und hatten
dem ich genau wie in den anderen Ländern         zu seinem Kabinett sehr gute Verbindungen,
später zu den deutschen Botschaften einen        was Ihnen jetzt, wenn die Opposition ans
guten Kontakt hatte, über die bevorstehen-       Ruder kommt, angekreidet werden kann!“
de Revolution zu unterrichten. Ich rief ihn an   Ich meinte dazu aber nur: „Kennen Sie denn
und sagte ihm: „Herr Botschafter, Sie sollten    schon den dann vielleicht möglichen neuen
sich darauf einstellen, dass heute Nacht         Premierminister?“ Er verneinte das, aber ich
eine Revolution kommt.“ Er meinte darauf-        konnte ihm sagen, dass ich ihn bereits ken-
hin allerdings: „Ach, Herr Pape, Sie hören ja    nen würde. Und dieser Mann dürfte mich
nicht nur Gras wachsen, Sie hören ja eine        genauso akzeptieren, weil er wisse, dass ich
ganze Wiese wachsen! Wenn so etwas läuft,        mich immer klar aus der Politik raushalten
dann würden wir das bestimmt als Erste           würde. Ebenfalls möchte dieser Mann je-
wissen!“                                         denfalls auch, dass wir Länderspiele gewin-
                                                 nen. Und dann sagte ich ihm noch: „Mich
Auch in späteren Zeiten ist das manchmal         akzeptiert man hier überall, weil ich inzwi-

                                         27
schen schon nicht mehr als Ausländer emp-        den dort gab es viel Trauer, aber man ließ
funden werde. Man weiß hier, dass mich die       es sich nicht nehmen, mich ganz großartig
Kultur des Landes interessiert und zwar mit      zu verabschieden. Mit ihren Tänzen trat nur
all ihren Hintergründen, dem hier normalen       für uns eine Tanzgruppe auf mit dem Namen
Familienleben, wie und wo die Menschen           „Heart Beat of Africa.“ Mein Bruder war ge-
wohnen und alle diese Dinge, womit manch         rade zu Besuch bei uns, und er nahm an der
ein Ausländer schon mal Schwierigkeiten          Abschiedsparty mit teil. Als ich ihn eingela-
hat und nach wenigen Jahren das Land ver-        den habe und er dort alles auf Tonband auf-
läßt. Das sind nämlich im Gegensatz zu mir       nahm und einen Videofilm drehte, mussten
Leute, die wenig von den Bewohnern wissen        wir allerdings versichern, dass die Darbie-
bzw. wissen wollen und nur an das hier zu        tungen dort von meinem Bruder nicht kom-
verdienende Geld denken.“                        merziell ausgewertet würden. Ich habe das
                                                 alles damals auch auf Tonband aufgenom-
Meine Zeit dort in Sierra Leone war jeden-       men und freue mich über den Film davon.
falls weiter erfolgreich und die Arbeit machte   Das Ganze damals war für uns ein wunder-
Bärbel und mir viel Spaß.                        barer Abschied. Was mir deshalb so nah und
                                                 plastisch in Erinnerung ist, weil es meine er-
Aber nach über zwei Jahren insgesamt teilte      ste Station im Ausland war, der dann aber
man mir mit, dass ich jetzt mit einer Verset-    noch viele weitere Stationen folgen sollten.
zung zu rechnen hätte. Bei meinen Freun-




                                                  28
29
Drei Jahrzehnte in Afrika und                   kannt sind vor allem die indonesischen
Asien : 1966 - 1996                             Inseln Java, Sumatra, Borneo, das heutige
Einige kurze Einblicke in eine aufregende       Kalimantan, und vor allem Bali - die Insel
Tätigkeit voller Überraschungen                 der Götter.

Sierra Leone, Westafrika: Dichter Urwald bis    Thailand. Allein der Name erweckt die
hinter das Haus. Schlangen im Garten oder       verschiedensten Erwartungen: Exotische
gar in den Zimmern. Von Palmen umsäumte         Tempelbauten und Paläste, mandeläugige
Traumstrände. Diamanten- und Edelstein-         Schönheiten mit langem seidigen Haar, Ele-
vorkommen. Aber nur 46 Meilen asphal-           fanten, tiefer Dschungel, Palmen und son-
tierte Straßen. Ein Schwarz-Afrika, wie man     nige Strände am Golf von Thailand. Bang-
es sich in der Jugend erträumt.                 kok - weltbekannte Großstadt, die fasziniert,
Ostafrika: Das sind Uganda, Kenia, Tansania     aber auch eine Zumutung sein kann, im
und Sansibar. Ostafrika steht für Buschsa-      Widerspruch zwischen asiatischer Tradition
vannen mit den größten Tierreservaten der       und westlicher Neuzeit.
Welt, aber auch für den höchsten Berg Afri-
kas, den schneebedeckten Kilimanscharo.         Westafrika, Ostafrika, Ägypten, Sri Lanka,
Und auch der Victoria See, der zweitgrößte      Indonesien und Thailand - nicht um einen
See der Welt, befindet sich in Ostafrika. Vor   Reisebericht für die Tourismusindustrie
Tansania, im Indischen Ozean, liegt Sansi-      handelt es sich im Nachfolgenden, sondern
bar, reich an Gewürznelken und Ausgangs-        um die Beschreibung meiner Einsatz- und
ort vieler Afrika-Expeditionen; die exotische   Arbeitsplätze als Fußballehrer in den letzten
Insel, die in den 90er Jahren des letzten       30 Jahren, aber auch um die Wahlheimat
Jahrhunderts gegen die in britischem Besitz     meiner Familie mit den Geburtsländern un-
befindliche Insel Helgoland in der Nordsee      serer Kinder.
eingetauscht wurde.
                                                Ob ich nun nach so vielen Jahren in diesen
Ägypten, das Land der Pharaonen, der Sphinx     Ländern ein „Afrika- und Asienkenner“ ge-
und der Pyramiden. Ein Land mit gewaltigen      worden bin, lasse ich dahin gestellt. Dabei
Wüsten, ein Land aus Sand und Salzseen,         bin ich sicher, daß wir Europäer die Menta-
ein Land mit einem Jahrhundertbauwerk,          lität der Afrikaner und der Asiaten kaum bis
dem Suezkanal, der das Mittelmeer mit           zur letzten Konsequenz verstehen werden,
dem Indischen Ozean verbindet, aber auch        ganz gleich, wie lange wir uns in Afrika oder
ein Land mit modernen Großstädten.              Asien aufhalten.
                                                Da ich aber als Fußballtrainer in erster Li-
Sri Lanka, das ehemalige Ceylon, die Perle      nie nur mit Einheimischen, die selten aus
des Indischen Ozeans: Unvorstellbar schöne      der jeweiligen Oberschicht stammten, zu
Strände und Tauchparadiese, die bis zu den      tun hatte, war es mir doch möglich, die Pro-
Malediven reichen. Plantagen mit Tee, Ka-       bleme, Sorgen und familiären Hintergründe
kao, Kautschuk und Kokospalmen, die zum         der Menschen kennenzulernen. Mit der Zeit
Teil auf 2.000 Meter Höhe liegen.               entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis
                                                und Verständnis auf beiden Seiten - die Ba-
Indonesien, mit ca. 180 Millionen Einwoh-       sis um überhaupt erfolgreich arbeiten zu
nern eines der bevölkerungsstärksten Län-       können. So wird Verständnis und Interesse
der der Welt, bestehend aus über 13.000         an uns fremden Mentalitäten und Kulturen
Inseln mit weltweit den meisten Vulkanen,       „eingetauscht“ gegen das Vertrauen der
von denen noch sehr viele aktiv sind. Be-       Bewohner des Landes gegenüber einem

                                                 30
„Fremden“.                                       sten „Engpässen“. Über Berlin floh ich zu ei-
                                                 ner Zeit in den Westen, zu der es die „men-
Doch vor weiteren Ausführungen über mei-         schenfreundliche“ Mauer noch nicht gab.
ne doch sehr lange, schöne, aber auch nicht
immer ungefährliche Tätigkeit an so vielen       Für Hannover 96, den VFR Neumünster und
unterschiedlichen Orten der Erde, zunächst       den FSV Frankfurt spielte ich dann als Ver-
einmal ein paar Angaben zu meiner Person:        tragsspieler in der Oberliga, der damaligen
1932 in Magdeburg geboren, waren die Jah-        höchsten Spielklasse (Bundesliga wurde
re des Krieges und der Nachkriegszeit sehr       erst 1962 eingeführt). Der Leichtathletik
einprägsam. Schon immer sportbegeistert,         widmete ich nur noch wenig Zeit, da ich
war ich in Magdeburg ein aktiver und erfolg-     mein Ziel verfolgte, an der Sporthochschule
reicher Fußballspieler geworden, der bis zur     Köln das Examen als Fußballtrainer unter
höchsten Klasse spielte. Aber auch Hand-         Hennes Weisweiler zu machen. Dafür benö-
ball spielte ich damals in der Stadtauswahl.     tigte ich allerdings Geld. Als „der schnellste
In der Leichtathletik wurde ich in der dama-     Rechtsaußen der Oberliga“ konnte ich mir
ligen DDR Jugendmeister im Fünfkampf und         in den Jahren, in denen ich aktiv Fußball
zwei Jahre später Juniorenmeister im Zehn-       spielte, ein finanzielles Polster schaffen, so
kampf. Schon früh war die DDR-Sportförde-        daß ich anschließend, im Jahr 1959, in Köln
rung optimal.                                    mein Examen erfolgreich ablegen konnte.

Zwar wurde man als großes Talent im Mehr-        Danach war ich sieben Jahre lang als einer
kampf umhätschelt, aber die Bespitzelung         der jüngsten Verbandssportlehrer an der
und das ganze System mit den widrigen            herrlichen Sportschule Schöneck in Karls-
Umständen waren widerlich. Meine Eltern          ruhe Durlach auf dem Turmberg tätig. Eine
und mein Bruder hatten die DDR schon früh        wichtige und lehrreiche Zeit, die mir, wie
verlassen bzw. haben, wie man in Magde-          ich später feststellen sollte, viel gab, um an
burg sagt, „rüber gemacht“. Dann kam der         meinen exotischen Einsatzorten erfolgreich
Volksaufstand am 17. Juni 1953: Schwerbe-        arbeiten zu können.
waffnete Stasileute mit Schäferhund verhaf-
teten mich wegen Spionageverdachts.              In sehr guter Erinnerung blieb mir die Rei-
                                                 se der Badischen Amateurauswahl im Jahr
Keiner der sonst so hilfsbereiten Sport-         1962 in die USA. Es war das erste Mal nach
funktionäre machte auch nur einen Finger         dem Krieg, daß eine Auswahl eine solche
krumm, um mir zu helfen. Niemand wußte,          Reise antrat. In den drei Wochen Aufenthalt
wo ich mich befand. GottseiDank konnte           wurden viele Spiele durchgeführt und nach
mein damaliger Trainer G. Gläser, der mich       Verletzung zweier Spieler zog auch ich mei-
auch später oft unterstützte, die Mannschaft     ne Fußballschuhe an, um die Auswahl auf-
davon abhalten, in Spielstreik zu treten, da     zufüllen. Wenn ich damals gewußt hätte, an
mir dies mehr geschadet denn genützt hät-        welchen Orten ich lehren und Fußball spie-
te. 10 Tage lebte ich in einer Einzelzelle mit   len würde....
weiteren sieben Häftlingen im Zuchthaus.
Doch über Umwege und mit Hilfe des Sports        An der Sportschule Schöneck lernte ich auch
wurde ich auf freien Fuß gesetzt.                meine spätere Frau und Mutter unserer Kin-
                                                 der kennen, aber dazu später mehr.
Nach dieser Erfahrung hielt mich nichts          Zwei wesentliche Dinge (oder Weisheiten)
mehr in der sozialistischen Volks-DDR - in       gab ich in den Jahren an der Sportschule
der größten „Berg-Republik“ mit den mei-         Schöneck den Menschen mit auf den Weg:

                                         31
- begeistert muß man sein, um begeistern       meine Vorstellungen: Freies Arbeiten nach
zu können,                                     meine Entscheidungen, dabei eine Natio-
- überzeugt muß man sein, um überzeugen        nalmannschaft aufzubauen, im Lande auf
zu können.                                     Talentsuche zu gehen und nationale Trainer
                                               auszubilden. Allerdings konnte ich mir natür-
Damals war mir allerdings nicht bewußt,        lich nicht vorstellen, was mich de facto er-
daß diese Philosophie in meinem weiteren       wartete. Daß das Organisieren von Spielen,
Berufs- und Lebensweg ein große Rolle spie-    das Massieren der Spieler, die Behandlung
len würde. Heute, nach 30 Jahren an so un-     von Verletzungen selbstverständlich erwar-
terschiedlichen Plätzen der Welt, blicke ich   tete wurde, überraschte mich kaum, Aber
auf so viel Ungereimtheiten in dieser Zeit     daß das Tanzen, Singen und Klavierspielen
zurück und weiß, daß diese zwei Lehrsätze      zur Selbstverständlichkeit wurden, hätte ich
notwendig waren und sind, um in meiner         zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch
exotischen, turbulenten, schönen, interes-     nicht gedacht.
santen und gefährlichen Tätigkeit Erfolg zu
haben.                                         Aber wie stellte man sich im Jahr 1966 in
                                               Westafrika einen deutschen Trainer vor?
Nennen wir diese Tätigkeit „sportliche Ent-    Was erwartete man von ihm? Ich sollte es
wicklungshilfe“. Für diese Form der Entwick-   bald erfahren:
lungshilfe ist der Kulturhaushalt des Aus-
wärtigen Amtes in Bonn zuständig, der DFB      Abflug ab Hannover am 01.02.1966 nach
steht als fachlicher Berater zur Seite. Die    Frankfurt, das Abenteuer Afrika beginnt.
GAWI, die heutige GTZ, ist für die Durchfüh-   Von Frankfurt weiter nach Dakar (Senegal)
rung der sportlichen Entwicklungshilfe ver-    mit Zwischenpause, um eine kleiner Ma-
antwortlich. Sepp Herberger, Herbert Wid-      schine zu bekommen, die mich weiter nach
mayer und viele andere bestärkten mich,        Gambia brachte. Nicht so wie heute, mit LTU
mein fachliches Können auch im Ausland         oder Neckermann in wenigen Stunden mit
unter Beweise zu stellen. So habe ich dann     komfortablen Abfertigungshallen, nein, der
das Angebot aus Bonn angenommen und            Flughafen war noch aus alten Zeiten und
bin nach Absprache mit dem DFB (Detmar         bestand nur aus einigen Baracken. Getankt
Cramer war damals mein Freund und Bera-        wurde noch von Hand aus Fässern! Weiter
ter) nach Westafrika gegangen.                 gehts nach Sierra Leone, Freetown. Der Hin-
                                               flug war schon interessant, aber das, was
Geplant war zunächst einmal ein Einsatz        nun auf mich einstürmte war neu und fast
von nur 6 Monaten, als Versuch dieser Art      unvorstellbar. So, wie man sich Afrika als
sportlicher Entwicklungshilfe. Aber schon in   kleiner Junge vorstellt: Die Affen, die auf dem
Sierra Leone wurde aus diesen 6 Monaten        Wege vom Flughafen zur Stadt zu sehen wa-
zwei Jahre. Heute sind es nun, ohne Unter-     ren, waren nicht meinetwegen dort, sondern
brechung, 30 Jahre. Ich glaube, daß man        sie sausten dort täglich durch die Gegend.
sagen kann, daß das AA, die GTZ und ich in-    Sie gehörten dort so selbstverständlich hin,
zwischen aus dem Versuchsstadium heraus        wie später zu meinem Hotel und als „Haus-
sind.                                          tiere“ unserem Garten am Haus.
In Bonn und beim DFB in Frankfurt ergab        Im Parlament, das gerade tagte, wurde eine
sich eine gute Gelegenheit, meinen künf-       Unterbrechung eingelegt und man gab be-
tigen Arbeitgeber zu treffen, den Generaldi-   kannt, daß der deutschen Fußballtrainer
rektor für Sport aus Freetown/Sierra Leone.    eingetroffen war. Dies schien ein wichtiges
Das Ergebnis der Gespräche entsprach           Ereignis zu sein. Ich erfuhr auch bald warum:

                                                32
Ein erstes Länderspiel gegen den Erzfeind       terten wir ein Sportflugzeug und hielten
Liberia war geplant, frei nach dem Motto        den Mann notdürftig am Leben.
„Nun haben wir einen deutschen Trainer,
nun gewinnen wir auch automatisch“.             Der damalige Präsident von Sierra Leone,
                                                der erste nach Entlassung des Landes
Am nächsten Tag begleitete mich „mein“ Di-      in die Selbständigkeit, Sir Albert Margai,
rector General für Sport zu allen Ministern,    kümmerte sich ebenfalls um den Fußball.
um mich vorzustellen, denn schließliche         Erst als es mir gelang ihn davon zu über-
hatter er es ja geschafft, mich nach Afri-      zeugen, daß zum Spiel ein Ball durchaus
ka zu holen. Die Minster waren zufriedne,       ausreicht, aber zum Training mehrere Bälle
denn ich entsprach voll den Vorstellungen       notwendig sind, wurde veranlaßt, eine ent-
der Afrikaner: groß, blond, kräftig und mit     sprechende Anzahl Bälle zur Verfügung zu
lauter Stimme, so daß ich beim Training         stellen. Fußball als Chefsache. Auch hatte
keine Pfeife benötige, scheut weder Sonne       Margai das größte Interesse daran, daß
oder Hitze noch die Regenmassen in der          ich sein Tennisspiel verbesserte, ein Ersu-
Regenzeit. Selbst das schwüle Wetter war        chen, dem ich gerne entsprach. Überhaupt
für den „Germanen“ kein Grund, das Trai-        hat mir die Sportart Tennis viel geholfen,
ning abzusagen.                                 Verbindungen aufzubauen und Kontakte
                                                zu festigen.
Eine Verhaltensweise, die von mir we-
der bewußt noch mit bestimmter Absicht          Aber zurück zum Länderspiel gegen Liberia.
durchgeführt wurde, brachte mir gleich zu       Nach kaum ausreichender Vorbereitung
Beginn meiner Arbeit in Westafrika großen       - notwendige Medizinbälle wurden durch
Kredit ein: Als die Spieler nach dem ersten     mit Sand gefüllte Kokosnüsse ersetzt - war
Training zu den Duschen gingen, konnten         es soweit: das Länderspiel gegen Liberia
es die Spieler nicht fassen, daß ich mich       stand vor der Tür, eine Mannschaft, gegen
ihnen selbstverständlich anschloß und mit       die noch nie gewonnen worden war. Das
ihnen duschte. Im Jahre 1966 hatte man          Haus war ausverkauft, denn man hatte
so ein Verhalten von einem Weißen nicht         ja den Germanen als Trainer. Zur großen
erwartet. Dies und die Tatsache, daß ich        Überraschung stand es in der Halbzeit,
beim Duschen meine wasserdichte Arm-            nach gutem Spiel für uns, immer noch 0 :
banduhr am Handgelenk behalten konn-            0. Da kam der Präsident persönlich in die
te, machte anschließend die Runde in der        Kabine und versprach eine Prämie für den
Stadt und in den Dörfern des Landes, was        Sieg. Und wir gewannen 1 : 0! Der Jubel
ich allerdings erst später erfuhr. Jedenfalls   war groß. Ich war der Größte. Schnell wur-
entstand durch das Duschen das Gefühl,          de nach diesem Sieg noch ein Spiel für in
daß ich zu ihnen und daß sie zu mir ge-         zwei Tagen vereinbart, um die Einnahmen
hörten.                                         zu verdoppeln. Und wieder gewannen wir.
In Sierra Leone kam auch immer wieder zu        Nur waren aus diesen zwei Spielen kaum
„Einsätzen“, die nun wirklich nicht zu mei-     Einnahmen vorhanden. Sie hatten wohl
ner Trainertätigkeit gehörten. So begleite-     „Wege“ gefunden, die sie bislang immer
te ich zusammen mit Krankenschwestern           gegangen waren. Eine Erkenntnis, die mich
einen verletzten Matrosen nach London,          seit 30 Jahren, egal wo ich mich befinde,
der sich nach einem Freundschaftsspiel          immer begleitet hat.
gegen „meine“ Mannschaft beim Baden
den Halswirbel gebrochen hatte. Nach            Dann aber kam für mich der erste große
einem notwendigen Kehlkopfschnitt char-         „Hammer“: Zwei Männer waren zum Tode

                                          33
Diplomat In Drei Streifen
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Diplomat In Drei Streifen

  • 1. 1
  • 2. ISBN x-xxxx-xxxx-x Alle Rechte beim Autor © 2008 Burkhard Pape, cyberculture lanzarote Herstellung und Verlag: Verlag xxx Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung des Autors reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Layout und Umschlag: Diogenes von der Töss, cyberculture lanzarote Fotos: Pape; cyberculture lanzarote Wir danken dem DFB, adidas und der GTZ für ihre Unterstützung 2
  • 3. Diplomat in Drei Streifen Burkhard Pape und adidas: 40 Jahre Fussball-Entwicklungshilfe Verlag 3
  • 4. 4
  • 5. Ein Reisebericht mit Herz und Ball Vier Jahrzehnte lang hat Burkhard Pape Und während die deutsche Fussball den deutschen Fussball im Ausland Nationalmannschaft im Laufe der Zeit in erfolgreich repräsentiert. Viel hat sich so manchen internationalen Turnieren geändert seit er mit seiner Art der Schwäche zeigte, gewinnt Pape mit „Entwicklungshilfe“ damals begann. „seinen“ Teams aus zwei Kontinenten Auch sportlich sind die Kontinente dutzende von Wettkämpfen, pflegt enger zusammengerückt. Die Afrika- mit seiner Arbeit das gute Image des Meisterschaften sind heute fester deutschen Fussballs und sorgt für Bestandteil mitteleuropäischer live- ein positives Image der Deutschen Sportprogramme im Fernsehen und insgesamt. im Internet. In diesem Buch schildert ein Insider, wie alles begann, wie es Während ein Franz Beckenbauer im Laufe der Jahre weiterging und wie im Rampenlicht zuerst mit genialen ein echtes deutsches Exportprodukt Pässen die Stürmer bediente und im Ausland erfolgreich eingeführt danach im internationalen Fussball wurde. Burkhard Pape konnte dabei auch als Funktionär die Fäden zog, auf die Unterstützung von Freunden, arbeitet Burkhard Pape, von der Firmen und Helfern zählen, auch wenn Öffentlichkeit viel weniger beachtet im oft die Mittel für eine noch konkretere Ausland erfolgreich daran, deutsche Hilfe fehlten, weil der Sport unter Ideen und Qualität in viele andere den Politikern nicht den Stellenwert Länder zu tragen. geniesst, den er vielleicht erhalten sollte. Hier waren es vor allem der Während in Deutschland Rassismus Deutsche Fussballbund und adidas, und Gewalt gegen Ausländer immer auf deren Unterstützung der Trainer wieder für Schlagzeilen sorgten, bis zählen konnte. Und so wanderten vor allem mit der Fussball-WM 2006 begehrte deutsche National-Trikots auch diese unschönen Geschehnisse nicht selten in die Hände von jungen zu einem guten Teil relativiert wurden, Talenten aus den sogenannten passt sich ein deutscher Fussballtrainer „Entwicklungsländern“ und trugen an unbekannte Kulturen an und sorgt zur Motivation vieler ambitionierter für eine Völkerverständigung direkt Jugendlicher bei. Schon seit Beginn am Menschen, von der die meisten deustcher Entwicklungshilfe kleideten im Ausland tätigen Diplomaten nur sich die Nationalspieler dieser Länder träumen können. stolz in drei Streifen, die zum Symbol für Sportsgeist, deutsche Qualität und Der Sport entfacht Leidenschaft, setzt herausragende Leistungen geworden Emotionen frei und ist – fairness und sind. Sportsgeist vorausgesetzt – eine 5
  • 6. der Förderung würdige Variante des Kulturen aufmerksam beobachten und menschlichen Bedürfnisses, sich mit integrieren möchten. Pape, zusammen anderen zu messen. Ein Diplomat mit adidas, dem DFB und weiteren hinter seinem Schreibtisch kann nicht Förderern, hat dies als grosser so viele Sympathien gewinnen wie Sympathieträger in Afrika und Asien der Trainer auf dem Platz. Pape war vorgezeigt und einen wichtigen Beitrag während der Arbeit in den Ländern, zur Re-Integration der Deutschen in die in denen er eingesetzt wurde, internationale Familie geleistet. bekannt und beliebt wie hierzulande Rumenigge, Vogts, Beckenbauer und Die sprichwörtlichen „deutschen Klinsmann. In Deutschland wurde von Tugenden“, die vor allem der Fussball- seiner sympathischen Arbeit kaum Nationalmannschaft immer wieder Notiz genommen, eine Lücke, die das bescheinigt werden, wenn sie ein vorliegende Buch schliessen möchte. verloren geglaubtes Spiel noch aus dem Feuer reisst, hat Pape erfolgreich Deutschland hat nicht erst mit der international weitergegeben, vor „WM der Herzen“ gezeigt, dass das allem auch in Ländern, in denen Trauma und die Schande, die Hitler keine „deutsche Ordnung“ herrscht, dem Volk nach dem 2. Weltkrieg in denen Länderspiele nicht 2 Jahre hinterlassen hatte, endgültig der vorher geplant sind, in denen man Vergangenheit angehören sollten. Dass statt auf Medizinbälle zum Training auf die Deutschen ein gastfreundliches, Kokosnüsse zurückgreifen musste und multikulturelles Volk sind und andere in denen die Beschwörung von Geistern Die „Sportspende“ aus Deutschland wird in Sri Lanka... 6
  • 7. ... genauso wie in Thailand begeistert empfangen vor dem Spiel auch heute noch zum Papes blonde und hellhäutige Kinder Alltag gehört. Der Mensch Burkhard sind auf viele internationale Schulen Pape hat sich daran angepasst gegangen. In einer mehrfarbigen und dennoch jene „ordentlichen“ Fussballmannschaft spielte die Tugenden trainieren lassen. Der Erfolg Nationalität für sie nie eine Rolle, hat ihm Recht gegeben und an seinen sondern nur, ob einer ein besserer ehemaligen Wirkungsstätten hat er Tormann oder Stürmer war. bleibende Eindrücke hinterlassen und ist dort auch heute noch bekannt wie in Deutschland ein Gerd Müller. Dieses Buch blickt auf spannende Jahre im Ausland zurück, kann Der Sport kann Barrieren auflösen, wo sowohl als Abenteuer-Bericht gelesen die Politik scheitern muss. Sport ist eine werden, als auch als Grundlage für Sprache, die die ganze Welt spricht, der eine erfolgreiche Strategie globaler Sportler wird zum Kinde, indem es ihm Integration innerhalb und ausserhalb nur um grundsätzliche Werte von Sieg des Fussballplatzes. oder Niederlage, Einsatzbereitschaft Ein Erfolg, der dank jahrzehntelanger und Emotionsfülle geht. guter Zusammenarbeit mit adidas, Es wird gejubelt und geweint, Gegner weiteren Förderern und mit seinen umarmen sich und werden ausserhalb Weggefährten aus Sport und Politik, des „Kampfplatzes“ zu Freunden. erst zustande kommen konnte. 7
  • 8. 8
  • 9. E ndlich bin ich dazu gekommen, einmal kennt Rummenige, Beckenbauer, die Ver- aufzuschreiben, wie „exotisch“ eigent- eine Bayern, Borussia Mönchengladbach, lich mein Leben gewesen ist. HSV – obwohl man diesen Vereinsnamen nur ganz schlecht aussprechen konnte. Nach Kindheit und Jugend in Magdeburg, wo Zuerst wusste ich nicht, welcher Verein mit ich als knapp 13-Jähriger das Kriegsende einem für die Afrikaner völlig unaussprech- und vorher die Bombenangriffe erlebt hatte, lichen Namen gemeint sein konnte. Aber da kam es in der DDR-Zeit noch ganz normal man mich dann immer: fragte: „Burkhard, zu einer breit gefächerten sportlichen Lauf- kennst Du den Verein mit vielen jungen bahn. Spielern, die immer so einen tollen Angriffs- Zuerst war es die Leichtatlethik mit Meister- fußball spielen? Als ich dann den Namen schaften im Zehnkampf, danach war es der „Mönchen-Gladbach“ aussprach, wurde mit Fußball in Spitzenmannschaften in der DDR leuchtenden Gesichtern genickt. Aber den und nach meiner Flucht ab 1953 auch in Namen dieses Vereins selbst auszuspre- der Bundesrepublik. Das Exotische begann chen, das sollte einfach nicht klappen! 12 Jahre später. Seitdem hat es mein Leben bestimmt, und ich meine, dass ich insge- Wie fing das alles mit diesen 36 Jahren fas- samt sehr viel erlebt habe. zinierender Arbeit im Ausland an? Vorher Wenn ich heute davon erzähle, dann pas- war ich einige Jahre Verbandssportlehrer siert es mir oft, dass jemand sagt: „In die- beim Badischen Fußballverband auf der sen Ländern, da war ich auch schon!“ Es Sportschule Karlsruhe-Schöneck. Das war sind oft Menschen, die dort für 14 Tage eine sehr schöne, einprägsame Zeit. Ob- ihren Urlaub verbrachten und die dann von wohl ich dort der jüngste Verbandssport- diesem Land erzählen wollen. lehrer gewesen bin, war ich sicher nicht der Sehen wir uns jetzt das Wort „exotisch“ ein- Schlechteste. Dort habe ich viel gelernt. mal genauer an! Wenn man sich überlegt, Nicht nur, soweit es um Pädagogik ging, son- dass ich 36 Jahre im Ausland unterwegs dern noch mehr konnte ich den Umgang mit war, hat mich in dieser Zeit trotzdem der den Funktionären lernen. Das war eine Fra- Begriff „Ausländer“ gekennzeichnet. Es ist ge, die sich immer wieder auch im Ausland aber zu akzeptieren, dass ich mich selbst in stellte: Wie komme ich mit den Offiziellen, manchem dieser Länder schon nicht mehr mit den Funktionären zurecht? Das war als Ausländer empfand. Dazu passt auch, weit problematischer in Afrika oder Asien, dass wir heute hier bei uns von den Proble- men mit der Immigration sprechen, wenn von den Menschen die Rede ist, die zu uns nach Deutschland gekommen sind. Meine Situation war anders, dass ich nämlich als Repräsentant 36 Jahre lang Ausländer war und davon je zur Hälfte 18 Jahre in Afrika und 18 Jahre in Asien. In der gesamten Zeit habe ich deshalb aber nie das erlebt, was sich hier bei uns mit den Immigranten leider so tut. Man meint, wir könnten sehr stolz sein! Man Treffen der Verbandssportlehrer 1961 auf der bewundert den deutschen Fußball, man be- Sportschule Schöneck. Mit dabei: Helmut wundert den deutschen Fußballbund. Man Schön, Sepp Herberger, Burkhard Pape 9
  • 10. als schon in Deutschland. Aber ich hatte in ich Verbandssportlehrer in Karlsruhe, lernte meiner Heimat gelernt, wie auch mit schwie- viel, hatte aber stets die Worte von Sepp rigen Leuten umzugehen war. Viel geholfen Herberger in Erinnerung und wußte, dass hat mir ausserdem, dass ich bei Sepp Her- ich irgendwann einem solchen Ruf ins Aus- berger, dem damaligen Bundestrainer, ei- land folgen würde. nen „Stein im Brett“ hatte. Er war mit der Es war also 1965, als der DFB laufend An- Nationalmannschaft mehrfach bei mir in fragen erhielt und zwar besonders aus Afri- Karlsruhe auf der Sportschule, und der gute ka: „Wir wollen einen deutschen Trainer für Kontakt zu ihm war sehr hilfreich für mich. unsere Nationalmannschaft haben“. Zuerst Eines Tage sagte er dort zu mir: „Burkhard, konnte der DFB nur antworten: „Dafür ha- horche se mol! Se müsse was ins Ausland ben wir keine Trainer. Wir haben zwar Sepp gehe! Se sin a guate Sportlährer un könne Herberger und seinen Assistenten Helmut was!” Bei meinem bald darauf folgenden Schön, aber sonst niemanden dafür.“ Entschluß, dem Ruf ins Ausland zu folgen, Nachdem die Rufe nach einem deutschen haben diese Trainer immer lauter Worte von Sepp wurden, kam man Herberger stark aber doch zu der Er- mitgewirkt. Den kenntnis, dass die Reiz, so etwas zu E n t w i c k l u n g s h i l fe tun, gab es vor- auch zum Vorteil von her schon immer. Deutschland viel- Während mei- leicht doch ebenfalls ner DDR-Zeit bis mit einem Fußball- 1953 hatte ich trainer wirkungsvoll schon immer von zu ergänzen war. Der Reisen geträumt, DFB sprach mit dem was in der DDR Auswärtigen Amt, oft ein Wunsch die Idee fiel dort auf bleiben mußte. fruchtbaren Boden Im Westen wurde mit der klaren Fest- das zu meinem stellung: „Warum Glück richtigge- sollten wir das nicht hend zum Hobby! auch einmal versu- Die Reisen ins chen“! Es wurde bei Ausland waren diesen Gesprächen meine Chance, aber auch deutlich, viel für die eigene dass es nicht nur um Horizonterweite- Sepp Herberger und Helmut Schön das Training einer Na- rung zu tun. Ich tionalmannschaft ge- habe sehr deutlich den Unterschied erlebt, hen würde, sondern auch um die Ausbildung ob man lediglich für 2 bis 3 Wochen eine von Trainern, die jene Lücke füllen müssten, oberflächliche Erfahrung als Tourist im Aus- die nach dem Weggang des deutschen Trai- land machen konnte oder ob man mehrere ners entstehen könnte. Zu dieser „Hilfe zur Jahre dort zwar ein Ausländer blieb, aber oft Selbsthilfe“ ist es dann auch gekommen! Es den Eindruck haben konnte, fast zum Ein- war Sepp Herberger, der meinen Namen da- heimischen geworden zu sein. mals ins weitere Spiel brachte. Er wies auf Dazu kam es aber erst 1965. Bis dahin war mich als standfesten Verbandssportlehrer 10
  • 11. hin, der sicher für eine solche Aufgabe qua- Das ist ebenfalls in West-Afrika und nicht lifiziert sei, weil er erfolgreich Mannschaften weit vom Kongo entfernt. Wir haben hier trainieren würde, mit der Amateurauswahl gerade den Sportminister von diesem Land auch schon zu Spielen in anderen Ländern zu Besuch und der hat uns gesagt, dass wie z.B. der USA gewesen sei. Er könne auch er nicht eher aus Deutschland weggehen Trainer ausbilden, was er laufend tun wür- würde, wenn er nicht einen deutschen Trai- de, weshalb er eine solche Aufgabe sicher ner mitnehmen könnte.“ Für mich klangen mit grossem Einsatz und Aussicht auf Erfolg diese mit einem solchen Nachdruck ausge- angehen könne. Und dieser Kandidat sei sprochenen Worte recht überzeugend, und bereit, eine derartige Aufgabe zu überneh- ich fragte natürlich, ob ich mich mit diesem men. Minister beim DFB treffen könnte, um ihn Sepp Herberger war eine anerkannte Auto- kennen zu lernen. Nach dem O.K. fuhr ich rität! Und mit seiner Fürsprache ging plötz- also nach Frankfurt. Auffallend an diesem lich auch alles Ruck-Zuck. Wir trafen uns Minister war, dass er sich als Mann mit kräf- in Bonn, wo damals das Auswärtige Amt tiger Leibesfülle herausstellte, weshalb es residierte, das Innenministerium wurde mit in meiner direkten Art sofort meine erste hinzugezogen und man kam mit dem DFB- Aktion gewesen ist, ihn über seinen Bauch Beauftragten Passlack ganz schnell zu den zu streicheln und zu sagen: „Wenn ich also nötigen Regelungen. Für mich war jedenfalls nach Sierra Leone komme, dann bist Du ei- klar: Wenn die Regierung dahinter steht, ner meiner ersten Patienten! Denn so geht dann kann ich mich darauf einlassen, dann das nicht als Sportminister!“ Das berühmte passen die Bedingungen. „Ob jetzt Afrika, afrikanische Lachen ertönte daraufhin Alaska oder Asien – ich bin bereit, das zu durch die Hallen des deutschen Fußball- machen!“, das war meine Einstellung. Und bundes und dieser Mann aus Sierra Leone ich wußte auch, dass mir niemand vom DFB und ich waren uns gleich näher gekommen. und von den Regierungsbeamten sagen Das hat mir später in seinem Land sehr ge- konnte, was genau mich dort erwartet und holfen, nämlich meine Art, recht burschikos wie ich damit umzugehen hätte. mit allen meinen Gesprächspartnern ohne Zuerst hieß es noch in Bonn, ich könne da- Rücksicht auf ihre gesellschaftliche Stel- von ausgehen, dass der erste Versuch sechs lung umzugehen. Monate im Kongo sein würde. Man fragte Dazu kam auch noch, dass ich Hennes Weil- mich zum wiederholten Male, ob ich das tun weiler – der auf der Sporthochschule in Köln würde, und ich antwortete erneut: „Ich bin auch mein Lehrer gewesen war – dort in zu allem bereit, selbst wenn Ihr mich jetzt Köln besuchte, wo sich auch zwei Fußballer in die Antarktis oder wohin auch immer sen- aus Sierra Leone in der Trainer-Ausbildung den würdet“! befanden. Beide waren zwar noch nicht so Es war somit alles klar. Die Ausreise war für weit, dass sie ihr Diplom bekommen konn- Anfang Februar 1966 eingeplant. Ich muss- ten, aber ich sollte sie auf Wunsch von te auf der Sportschule Ende des Jahres und Hennes Weisweiler gleich mit in ihr Land zu- im Januar vorher noch einige Prüfungen rücknehmen und sie dort weiter ausbilden. abnehmen. Plötzlich kam aber im Dezem- Den Grund dafür war, dass nämlich beide ber der Anruf: „Würden Sie denn auch nach nur sehr schlechtes Englisch sprachen und Sierra Leone gehen?“ Zuerst musste ich dem theoretischen Unterricht nicht beson- fragen: „Wo ist das denn? Das hört sich so ders gut folgen konnten. Ich bin jedenfalls nach Südamerika an.“ Die Antwort vom Aus- später in ihrem Land mit den Beiden sehr wärtigen Amt war: „Wir mussten auch erst gut zurecht gekommen und habe sie zu gu- einmal nachschauen“. ten Sportlehrern ausbilden können. 11
  • 12. Es gab dann noch ein Gespräch im Auswär- Uganda die nächste große Herausforderung tigen Amt mit dem späteren Bundeskanzler auf mich zu. Die erste Station war für mich und damaligen Außenminister Willy Brandt. als Vorbereitung für die weiteren Stationen Wir sprachen auch über die Verbindungen mehr als lehrreich und das zu einer Zeit im zu meinem Elternhaus in Magdeburg. Mein Jahr 1966, als es bei uns in Deutschland Vater war früher Bundesjugendführer im sehr wenig Wissen über Afrika gab. Deutschen Reichsbanner gewesen, was Willy Brandt bekannt war. Nachdem er mich dazu befragt hatte, sagte er noch: „Herr Afrika vor 33 Jahren Pape, wir wissen gar nicht, was Sie da ei- Burkhard Pape berichtet im Jahre 1975 in gentlich alles in Afrika machen sollen?“ Ich der Fachzeitschrift „Der Fussballtrainer“ konnte nur sagen: „Ja, Herr Außenminister, (siehe Bild S. 14) über seine Erlebnisse vor das weiß ich eigentlich auch nicht. Das kann Ort. Der vorliegende Artikel und das dort mir nämlich niemand genau sagen!“ Willy präsentierte Afrikabild muten sicherlich ein Brandt meinte daraufhin: „Machen Sie dort wenig überholt an, beweisen daher um so bloß keinen Mist!“ deutlicher, welche Veränderungen, auch Ich behaupte heute, nachdem 36 Jahre im dank der Sportentwicklungshilfe, in vier Ausland daraus geworden sind, dass ich Jahrzehnten vor sich gegangen sind... : wohl kaum „Mist“ gemacht habe. Auch aus diesem Anfang in Sierra Leone, für den ur- Sport und Politik sprünglich insgesamt 6 Monate eingeplant waren, wurden dann nach mehreren Verlän- Im Leben der Afrikaner spielt der Sport eine gerungen zwei Jahre. besondere Rolle. Man verspricht sich vom Später kam nach dieser Anfangszeit in Sport, in einigen Bereichen auch mit Recht, meinem ersten afrikanischen Land mit eine Chance der Anerkennung, die auf ande- Trainingseinheit unter freiem Himmel: Burkhard Pape und konzentrierte Zuhörer 12
  • 13. ren Gebieten noch nicht so schnell zu erwar- ständig das Gespenst „Prestige“ im Nacken ten ist. Man hat eine Möglichkeit gefunden, stehen. Schulsport, Jugendarbeit, Lehrer- sich den Bewohnern anderer Länder, Konti- und Übungsleiterausbildung sind Dinge, die nente, auch den Völkern anderer Hautfarbe Zeit und Geld kosten, aber eben erst nach als ebenbürtig oder gar überlegen zu erwei- Jahren Erfolge bringen. Wenn sich diese sen. Dies ist ein Faktor, der den Sport zu Einstellung nicht ändert, wird der afrika- einem politischen Hilfsmittel werden lässt, nische Fußball weiterhin nur als exotischer aber leider der kontinuierlichen Entwick- Farbtupfer auf internationalem Parkett er- lung im Wege steht. In Afrika ist der Sport scheinen, wie beispielsweise Zaire bei der ein Politikum ersten Ranges. Allerdings aber letzten Weltmeisterschaft 74. Zaire hat mich auch eines voller Widersprüche. Wirtschaft- nicht enttäuscht, da ich nicht mehr erwartet liche Schwierigkeiten sind nur eins jener hatte. Die Publikumslieblinge gingen zwar Probleme, die eine gute Sportorganisation kämpfend unter, verstanden auch durch erschweren. An Geld mangelt es immer. einige Kabinettstückchen das Publikum zu Ein Teil der jungen afrikanischen Staaten begeistern. Was aber fehlte, waren Routine, sieht im Sport ein Mittel, um das Prestige Stellungsspiel, taktische Marschregeln, von des eigenen Landes zu stärken. Es gibt aber Spielerpersönlichkeiten ganz zu schweigen. auch massgebliche Persönlichkeiten ande- Wieder einmal gab es keine Chance für den rer Staaten, die der Meinung sind, dass eine Schwarzen Erdteil. gemeinsame afrikanische Sportbewegung ein echtes Mittel sei, um zu einer grossen Der Hemmschuh des Prestigedenkens politischen Gemeinschaft zu kommen. Die Folgen solcher Politik haben wir leider schon Da ich nun selbst seit Jahren in Afrika tätig erleben müssen, als der afrikanische Sport bin — in der Zwischenzeit mit vielen anderen groβen Druck ausübte auf die Olympischen Kollegen —, weiβ ich, daβ das Prestigeden- Spiele in München in der Frage der Teilnah- ken für uns ein sehr groβer Hemmschuh ist. me von Rhodesien. Ich habe in West- und Ostafrika einige Revo- lutionen erlebt. Die Arbeit mit der National- Ein weiteres Problem der Beziehung von mannschaft ging danach immer sehr schnell Sport und Politik ist, daβ in den meisten weiter. Andere Pläne wurden erst mal zu den Ländern der Sport, oder besser seine Orga- Akten gelegt, da sie ja vom Vorgänger wa- nisation, politisch abhängig ist und durch ren. Ob in West- oder Ostafrika, ich konnte Staatsstreiche und Revolutionen immer wie- immer nur den Weg gehen, der für uns zu der zurückgeworfen werden kann. Hause kaum verständlich erscheint: Erst Spitzensport, dann kommt die Breite. Lei- All diese Dinge, politisches Denken, Über- der wird dann aber die Breite auch wieder bewerten des Prestiges, politische Abhän- sehr schnell vergessen, wenn die Spitze auf gigkeit, hindern die kontinuierliche Ent- einmal für afrikanische Verhältnisse sehr er- wicklung und die organische Aufbauarbeit, folgreich ist. die notwendig wäre, um den Anschluβ an andere Länder zu erreichen. Es ist nicht All dies macht es auch verständlich, dass damit getan, bei der Teilnahme an grossen man hier bei unserer Arbeit gezwungen ist, sportlichen Ereignissen immer wieder zu sehr schnell zu improvisieren. Ich glaube erklären: Wir sind gekommen, um zu ler- kaum, dass ein Fussballehrer in Deutsch- nen. Die Jahre zwischen grossen Sporter- land so vielseitig sein muss, wie es hier die eignissen müssen genutzt werden, um den Verhältnisse von uns verlangen. Man hat Aufbau zu fördern. Dabei darf aber nicht dort doch für viele Dinge „seine“ Leute. Es 13
  • 14. gibt eine Art von Arbeitsaufteilung. Hier, im organisieren, dass wirkliche Vergleiche mit Ausland, müssen wir alles in einer Person anderen auch möglich waren. Kaum vor- verkörpern, einmal, weil es notwendig ist, handenes oder schlechtes Sportmaterial zum anderen setzt man es bei uns voraus. setzte weitere Improvisationskunst voraus. Es wird einfach erwartet. Zum Krafttraining mussten dann auch mal Steine oder Kokosnüsse aushel- fen, Palmen am Strand oder Ba- nanenstauden wurden als Sla- lomstangen zweckentfremdet. Persönliche Schwierigkeiten, unabhängig von den Menschen, kamen dazu: Sprachbarrieren, Wohnungsfrage, eigener Trans- port, an wen kann man sich auch mal mit einer fachlichen Frage wenden, wen um Rat fragen, sich eindenken in die Mentalität des Afrikaners. Alles Dinge, die sehr belasten können. Mit der Zeit lernt man aber auch diese Hürden zu meistern. Leicht ist es sicherlich keinem von uns gefal- len. Man muβte eben „seinen“ Weg finden. Von den Afrikanern akzeptiert werden, heisst nicht nur, auf fachlichem Gebiet Vor- bild zu sein, das ist vielmehr eine unbedingte Voraussetzung. Das psychologische Problem bei solch einem Einsatz dürfte für viele das gröβte Hindernis sein: Die Gewalttätigkeiten und die Arroganz der früheren Kolo- nialherren haben tiefe Wunden hinterlassen. An uns liegt es, zu bewei- Es begann in Sierra Leone sen, dass wir wirklich helfen wollen. Als erstes muss man dem Afrikaner klarma- Zwei Jahre Westafrika, zwei Jahre Sierra chen, dass ein Klassenunterschied, be- Leone, das war mein erster Einsatz in Afri- dingt durch die Hautfarbe, für uns nicht ka. Es waren schwere, aber auch schöne besteht, und zwar nicht nur durch nette Jahre. Von der Mentalität und „Arbeitswut“ Reden, sondern durch Taten. So zu leben, der Afrikaner hatte ich noch keine Vorstel- wie der Afrikaner, ist dabei nicht notwen- lung. Mit der Nationalmannschaft zu ge- dig. Unserem Können, unserer Zivilisation, winnen, setzte man voraus, da man ja jetzt unseren Lebensgewohnheiten konnten wir einen deutschen Trainer hatte. Aber hier gerecht werden und dennoch das feste war echte Pionierarbeit notwendig: Spieler Vertrauen der Leute gewinnen. Kleine Din- im Lande zu finden; den Spielbetrieb so zu ge helfen dabei, diesen Weg leichter zu be- 14
  • 15. schreiten: Transport der nass geschwitzten sagt, man sollte Pape zu diesem Zeitpunkt Spieler, auch einmal im eigenen Auto, eine nicht gehen lassen. Wir haben erst jetzt die EInladung der Mannschaft zum Kaffee Früchte seiner Arbeit zu sehen bekommen. ins eigene Heim Bis zu höchsten Stellen Wenn wir Pape gehen lassen, wird Ugan- muss man versuchen, auch auf sozialem da sofort bereit sein, sich ihn zu schnap- Gebiet eine Verbesserung der Spieler und pen. Zur Zeit können wir es uns aber nicht ihrer Familien zu erreichen. Dienstlich und leisten, den Standard im Fuβball wieder auch privat habe ich sehr viele Reisen sinken zu lassen. Noch haben wir keinen (überwiegend Safaris) in das tiefste Innere Nachfolger. Ein weiteres Jahr unter Pape des afrikanischen Urwalds unternommen. würde für uns viele Probleme lösen“. Entweder waren es Reisen zu den Ge- burtsorten der Spieler, Besuche bei ihren Nun aber, ich ging. Im Gepäck viele Erfah- Angehörigen, oder Fahrten zu Lehrgängen, rungen auf fachlichem Gebiet, Erfahrungen „nup country“, oder Safaris, die wir einfach in der Behandlung der Menschen, aber im unternahmen, um noch ,,echtes“ Afrika zu Gepäck auch Geschenke der Afrikaner erleben, ein Afrika, wie wir es uns in un- und Filme und Farbdias von einem Land, serer Jugend erträumt hatten. Die Kon- das wir natürlich viel gründlicher kennen takte werden geknüpft in dem Milieu, aus gelernt haben als ein Tourist in wenigen dem die Spieler kommen. Vieles wurde für Wochen. mich leichter verständlich. Auch der groβe In Lagos ein uns schon vertrautes Bild: Sol- Zauberer „Ju-Ju“, der auch heute noch im daten mit Maschinenpistolen. Da sie nicht Leben des Afrikaners eine bedeutende auf uns gerichtet waren, was schliesslich Rolle spielt. Der Europäer sollte sich nicht auch schon mal der Fall war, störte es uns einbilden, über diesen Dingen zu stehen! nicht. Weiter ging es ´gen Osten. Aberglaube, kultische Gemeinden, Feti- schismus, der Glaube an das Horoskop der Daβ die klimatische Umstellung von West Tageszeitung usw., all diese Dinge haben nach Ost keine Probleme brachte, war für auch heute noch (oder heute wieder) einen meine Arbeit ein erster wesentlicher Faktor. Platz in unserer Gesellschaft. Mir gelang Eine Umstellung betraf den Sport selbst. es, das Vertrauen meiner Spieler so weit zu Organisatorisch war in Uganda alles leich- gewinnen, daβ man mir sogar erlaubte, vor ter als in Sierra Leone. Seit Jahren gab es einem Länderspiel gegen Guinea als Euro- ein „National Council of Sports“, Träger al- päer dabeizubleiben, als zwei Stunden vor ler Sportarten, herrliche Rasenflächen, wo- Spielbeginn der groβe „Ju-Ju“-Mann kam, bei selbstverständlich das gute Klima eine um seine kultisch-heilige Handlung vorzu- wesentliche Rolle spielte, eine Sporthalle nehmen. Ich war tief beeindruckt, einmal für 2500 Zuschauer, einen geregelten durch das Erlebnis, aber auch von dem Spielbetrieb in den Regionen, aber leider hohen Vertrauensbeweis. Man wollte mir auch nur wenige ausgebildete Trainer. Da zeigen, ich sei einer von ihnen. ein Afrikaner als Nationaltrainer fungierte, war meine erste Hauptaufgabe die Orga- Von West nach 0st nisation des Spielbetriebs und die Ausbil- dung von Trainern und Übungsleitern. Ich Trotz gröβter Anstrengung der Afrikaner, war darüber nicht böse, enthob es mich mich weiter im Lande zu behalten, hiess doch des Problems, immer nur ans Siegen es für die Familie packen und es ging quer denken zu müssen, was man ja von einem durch den Kontinent nach Ostafrika. Die deutschen Trainer erwartet. Die pädago- Staatszeitung schrieb dann: „Offen ge- gische Aufgabe mit Lehrern, Übungslei- 15
  • 16. tern und Trainern hatte auch ihre Reize und nur dienstlich, sondern auch privat Türen - freie Wochenenden standen in Aussicht! zu den höchsten Stellen öffnete. Was dies Die ersten Lehrgänge wurden durchgeführt, bedeutete, weiß nur derjenige, der längere die Technical Colleges boten sich dabei mit Zeit im Ausland tätig war und die Probleme ihren Sportanlagen an. Nach den erfolg- kennt, die auf allen Gebieten auftauchen reichen Lehrgängen sah man nun auch, daβ und auch vom Arbeitgeber in Bonn kaum dadurch eine Möglichkeit gegeben war, den behoben werden können. Sport im Landesinneren zu fördern, denn auch in Afrika ist ein Talent weder an einen Durch gute Kontakte konnte man fast Un- Ort noch an eine Zeit gebunden. Nur muβ es mögliches, dienstlich und privat, möglich eben gefunden werden! machen. Schwarz-weiβe Kooperation Erfolge im Afrika-Pokal Nach kurzer Zeit bat man mich dann aber, Da die Spiele innerhalb Ostafrikas einer In- auch das Training und die Arbeit mit der zucht glichen, überzeugte ich den Verband Nationalmannschaft zu übernehmen. Da von der Notwendigkeit, am Afrikapokal der meine Bedingung, daβ mir der Afrikaner als Nationen und der Landesmeister teilzuneh- Assistent zur Verfügung steht, angenommen men. Bedingt durch die Auslosung kommt es wurde, kam es zu einer guten afrikanisch- dabei zu Vergleichen mit anderen Ländern deutschen Zusammenarbeit. und auch Teilen Afrikas. Mit der Teilnahme Nach zwei Jahren hatte ich eine Jugendna- an diesem Turnier wurde mir immer automa- tionalmannschaft ins Leben gerufen. Somit tisch auch das Training des Landesmeisters bekam mein Assistent eine selbständige übertragen - eine sehr erfolgreiche Tätigkeit Aufgabe, bei der ich nur noch beratend zur in Verbindung mit der Nationalmannschaft. Seite stand. Ein anderer Afrikaner, der vor- Zuerst kamen wir mit dem Vereinsmeister malige Spielführer der Nationalmannschaft, bis ins Semifinale, zwei Jahre später bis ins wurde mein Assistent und brachte es bis zu Endspiel. Der zweite Versuch mit der Nati- einer Ausbildung in Köln als Fuβballehrer. onalmannschaft im Afrikapokal führte uns Eine Nationalliga wurde eingeführt, um die nach großartigen Siegen in der Qualifikati- Leistungsstärke zu verbessern. Sie spielte über das ganze Land, und trotz Geburtswe- hen und „afrikanischen“ Schwierigkeiten wurde sie von Jahr zu Jahr erfolgreicher. Die jährliche Teilnahme am Ostafrikaturnier war für Uganda immer ein groβes Ziel. Daβ dabei nicht nur sportliche Belange, sondern auch politische eine Rolle spielten, war klar. Wer ist der ,,Gröβte“ im Land? Uganda, Kenia, Tansania oder Sansibar? Nun, die ,,Gröβten“ wurden wir. In meiner sechsjäh- rigen Tätigkeit konnte Uganda viermal den Pokal gewinnen, einmal wurden wir Zweiter, on - erstmals für Uganda - bis ins Endturnier und einmal wurde er nicht ausgetragen, da nach Kairo. Eine Deutschlandreise meiner Krieg im Lande war. Zweimal gewannen wir Truppe bildete einen weiteren Höhepunkt. den Pokal mit den Junioren. für Ostafrika Das Länderspiel gegen die Amateure des durchaus ein stolzer Rekord, der mir nicht DFB in Bamberg ging nur knapp 1:2 verlo- 16
  • 17. ren. eigentlich alles erreicht, was den Leistungs- Eine Revolution im Land - Idi Amin Dada stand der Nationalmannschaft betraf. für kam an die Macht - änderte nichts an mei- den weiteren Unterbau fehlten die notwen- ner Arbeit. Unter guter Bewachung und bei ,,Kriegsverhältnissen“ ging alles ordentlich weiter. Als erstmals eine Ostafrika-Auswahl aufge- stellt wurde, mit Spielern aus allen vier Län- dern, wurde mir die Ehre zuteil, als Trainer dieser Auswahl berufen zu werden. Im Zuge der Afrikanisierung war es für mich als Eu- ropäer eine groβe Anerkennung von Seiten der Afrikaner. So kam ich nach fast sechs- jähriger Arbeit in Uganda, neben der Ausbil- dung von Trainern und Übungsleitern, auch zu einem nicht schlechten Rekord, nämlich zu Gast bei Idi Amin 52 Siege, 18 Unentschieden und nur 13 Niederlagen. digen Gelder. Großartige Abschiedspartys machten uns das Abschiednehmen noch Es war eine lange, nicht immer leichte, schwerer, lieβen wir doch viele Freunde in aber doch schöne und erfolgreiche Zeit in Ostafrika zurück. Uganda. Die Tage der Unruhen sind heute vergessen, wo man bewaffnet ins Kino oder Von der Nilquelle bis zur Mündung zu einer Party fuhr, wo Überfälle an der Ta- gesordnung waren, wo man nachts oft mit Von der Quelle des Nils verschlug es uns ca. dem Gewehr durchs Haus schlich, weil man 600 km nördlich an die Mündung des Nils, annahm, dass mit Pangas (Buschmessern) dem Lebensspender Ägyptens. Ein neues bewaffnete Banden ins Haus einzudringen Einsatzland, ein neuer Wohnort, Kairo, un- versuchten. Die Stunden der Angst sind sere neue Heimat. Neue Probleme, neue nicht zu zählen, die meine Frau allein mit Bekannte, neues Einleben, neues Herantas- Sohn im Haus verbrachte, da meine Tätig- ten an die schon vorhandenen Institutionen, keit mich oft ins Ausland oder auβerhalb eigene Gedanken. Aber dies sind unsere Kampalas führte. Dass auch meine Frau mit Probleme, mit denen wir leben, wir können Waffen umzugehen weiss, war dabei nur auch nicht erwarten, daβ zu Hause dafür im- ein kleiner Trost. Passiert ist allerdings nie mer volles Verständnis aufgebracht wird. etwas. Die Angst war jedoch berechtigt, da selbstverständlich in allen Zeitungen meine Ägypten nimmt mit Sicherheit eine Sonder- Abwesenheit nachzulesen war. stellung ein unter den Ländern am Mittel- meer. Ägypten, das Land der Pyramiden, eine Nach fast sechs Jahren wurden von Seiten faszinierende, auch heute noch geheimnis- der Uganda-Regierung alle Anstrengungen volle Welt am Nil. Tempel, Gräber, Riesen- gemacht, mich auch weiterhin im Lande zu bildwerke haben schon Römer und Griechen behalten. Präsident Idi Amin, ehemals selbst im Altertum in ihren Bann gezogen. Ein Dich- Sportler. zu dem ich auch gute freundschaft- ter sagte einmal: ,,Der Ägyptische Boden ist liche Beziehungen hatte setzte sich selbst Gold, der Nil ist ein Wunder, die Ägyptischen dafür ein. Aber nach solch langer Zeit war Frauen sind wie himmlische Huris, und 17
  • 18. sich, sondern eher etwas Verwir- rendes, Gegensätzliches. Eine un- beschreibliche Bürokratie und eine geplante Volkswirtschaft, nach so- zialistischem Vorbild gelenkt, führt dazu, daβ Konsumgüter heute noch sehr knapp sind. Menschenschlan- gen vor den Staatsläden sind an der Tagesordnung, das Wort Luxus findet man nur bei sehr wenigen, der „Bakschisch“, das „Öl zwischen- menschlicher Beziehungen“, hilft doch immer wieder weiter. Malesh Seit der Revolution 1952 regieren erstmals Ägypter über Ägypten. In den über 20 Jahren völliger Selb- ständigkeit haben Kriege und po- litische Ereignisse aller Art tiefe Einschnitte in den Ablauf der Wirt- schaft und auch im Sport gebracht. Stillstand heiβt Rückgang, nicht nur für den Sport. 30 Mill. Menschen le- ben heute in Ägypten, davon etwa 7 Millionen in Kairo. Fast 2 Millionen wurden nach dem ersten Krieg aus den Städten Suez, Ismailia und Port Said evakuiert. Mit der Eröffnung des Suezkanals werden diese Leute Gespannt verfolgt Pape die Künste seiner wieder zurückgehen. Ob das spür- ägyptischen Jungs bar wird, ist fraglich, da täglich 3000 neue Kairo ist die Stadt der Städte! „ Welch ein Ägypter das Licht der Welt erblicken. Ein Pro- Glück. dass der Beruf mich dorthin brach- blem, welches sicherlich nicht kleiner wird, te, wo Jahr für Jahr Tausende von Touristen denn vor zehn Jahren waren es ,,nur“ 1000. ihre Träume von ,,Tausendundeiner Nacht“ Die Kriege haben auch in Kairo groβe Nar- verwirklicht sehen wollen. Nur, mit Traumen ben hinterlassen, die Stadt ist abgenutzt, ist es bei mir nicht getan. An den Pyramiden der Schmutz dringt aus allen Winkeln, der fahre ich täglich vorbei. In Ägypten gibt es Zustand der meisten Strassen ist seit Jah- aber groβe Probleme, was nach Revolution ren unverändert, der Verkehr hat aber be- und zwei Kriegen gar nicht verwunderlich ängstigend zugenommen. Überfüllte Busse, ist. Heute spricht man hier von einem ,,Wirt- uralte Autos auf den Straβen, die oftmals schaftswunder“. Dies bezieht sich aber wohl kaum mit den notwendigen Lichtern ausge- darauf, dass es doch immer irgendwie wei- rüstet sind, der Verkehrsfluβ, die Art zu fa- tergeht. für westliche Besucher hat dieses hren, sich durchzusetzen, ist unvorstellbar. Wunder nämlich wenig Wunderbares an Der Besucher, vom Flughafen abgeholt, at- 18
  • 19. met erlöst auf, wenn er das Haus erreicht mern. In Ismailia und Port Said regen sich hat. Er braucht Tage, um nicht immer wie- erste Lebenszeichen, die Bevölkerung kehrt der als Beifahrer zu erschrecken. Um dies zurück. Der Aufbauminister Osman Ahmed zu begreifen, muβ man eben die ,“Malesh“- Osman (auch Präsident eines Sportklubs, Einstellung der Ägypter kennen (Malesh der schon in Bremen spielte) hat grosse ist ein Wort, das ,,Vergebung“ und ,,macht Pläne. Man setzt groβe Hoffnungen auf die nichts“ bedeuten kann), sich nämlich hin Deutschen, wohl beeindruckt von unserer und wieder rücksichtslos und auch manch- Aufbauleistung nach dem Kriege. Wirt- mal mit nicht ganz korrekten Mitteln durchs schaftsdelegationen geben sich in Kairo die Leben zu boxen. Dies ist aber nur eine Seite, Türklinke in die Hand, sind Dauergäste in mit deren Schwierigkeiten sich nur der Orts- den Hotels. Warten wir ab, was kommt. Die ansässige auseinanderzusetzen hat. Dem wichtigste Voraussetzung für das Gelingen Touristen eröffnet sich eine andere Welt. dürfte wohl sein, daβ im Nahen Osten kein Herrliche ägyptische Restaurants in der neuer Krieg ausbricht, der mit Sicherheit Stadt und am Nil, wo sich dann bei unter- nicht nur Tage dauern würde. gehender Sonne die Feluken-Boote auf dem trägen Wasser treiben lassen oder gar ge- Standort des Sports in Ägypten gen den Strom segeln. Die 7-Millionen-Stadt ist voller Dokumente vorchristlicher Vergan- Stillstand heiβt Rückgang. Wo steht nun genheit, voll der Stätten islamischer Kunst. der Sport in Ägypten? Die Vergangenheit Bei wechselnder Beleuchtung ist es immer hat gezeigt, dass bei dem 35-Millionen-Volk wieder ein bedrückend-faszinierender An- ein sehr grosses Potential für den Sport blick, über die riesigen Gebiete der Mame- vorhanden ist. Die Ägypter haben von allen lukkengrabmäler zu blicken, ein enormes afrikanischen Staaten schon die gröβten Gräberfeld mitten in der Stadt, dazwischen Fortschritte gemacht. Medaillen und inter- viele herrliche Moscheen. über allem dann nationale Siege sprechen heute noch da- die Zitadelle mit der groβen Mohamed-Ali- von. Die deutsche Nationalmannschaft hat Moschee. Das ägyptische Museum und die hier in Kairo 1958 1:2 verloren, mit Spielern Pyramiden von Gizeh und Sakkara sprechen wie Rahn, Tilkowski, Schnellinger, Morlock, für sich selbst. Der Blick von der Sahara-City Schäfer. Nationalmannschaften aus aller auf die Pyramiden, den Nil, im Hintergrund Welt waren hier schon zu Gast. Real Madrid Kairo, dann wieder Wüste, dürfte auch für in seiner gröβten Zeit spielte zur Eröffnung einen Touristen, der sich nicht so genau des 100 000 Mann fassenden Nasser-Sta- in der Geschichte des alten Ägyptens aus- dions. kennt, unvergesslich bleiben. Der nächt- liche Lichtzauber um Sphinx und Pyramiden Ein organisiertes Vereinsleben, mit Kluban- versetzt den Besucher in die fünftausend lagen für alle Arten von Sport, dürfte für Afri- Jahre alte Kultur der Pharaonen. Fahrten ka (und nicht nur dort) als vorbildlich gelten. nach Luxor, Kharnak, Assuan bilden weitere Der Gezira-Sporting-Club z. B. gilt als einer Möglichkeiten, um Ägypten als Reiseland zu der gröβten Klubs in der Welt. Er hat über entdecken. 30 000 Mitglieder, die ca. 20 verschiedene Sportarten betreiben können. Die Klubs Gross sind nun die Pläne der Ägypter für den haben eigene Stadien und eine Anhänger- weiteren Ausbau des Landes. Der Suezka- schaft, die sich fast schon familiär vererbt. nal mit seinen Millionen-Dollar-Einnahmen Mitglied in solch einem Klub zu sein, zählt im Jahr spielt dabei die gröβte Rolle. Noch schon etwas. ist er Sperrgebiet, noch liegt Suez in Trüm- 19
  • 20. Der Fuβball ist auch hier Sportart Nr. 1. Uganda! Die Zeit war zu kurz, um wenige Das Problem der Aufstellung einer Na- Wochen vor Turnierbeginn noch entschei- tionalmannschaft liegt hier nicht wie in denden Einfluβ - vom Training abgesehen Schwarzafrika im Stammesdenken, son- - auf die Mannschaft auszuüben. Seit Mo- dern in der Rivalität der Vereine. Bei be- naten gab es kriegsbedingt keinen Spiel- sonderen Punktspielen kommen oft 100 verkehr, kein geregeltes Training, es fehl- 000 Zuschauer. Da das eigene Stadion te einfach an Wettkampfpraxis. Da auch nicht ausreicht, weicht man in das grosse das härteste Training keinen Wettkampf Nasser-Stadion aus. Ein Freundschafts- ersetzt, wurden Testspiele in der Vorberei- spiel der Eintracht Frankfurt im letzten tungszeit ausgetragen, erst A gegen B. was Sommer brachte auch hier gegen eine ja auch selten einen echten Einblick gibt, Vereinsmannschaft etwa 60 000 Leute dann Spiele gegen Dukla Prag als Trai- auf die Beine. Aber wie sieht es mit der ningspartner. Leider kam es dabei zu den heutigen Leistungsstärke im ägyptischen bekannten Zwischenfällen im Zamalek- Sport aus? Die Vergangenheit ist Geschich- Stadion. Nach solch einer langen Fussball- te - eine Hypothek, die belasten kann. Zwei pause war die Begeisterung noch grösser Kriege haben den Sport und nicht nur den als erwartet. Das Stadion wurde gestürmt. Fuβball - um Jahre zurückgeworfen. 1948 Zu einem Spiel kam es nicht, aber zu einer wurde eine Nationalliga gegründet, aber Katastrophe. über 40 Tote wurden dann nur neunzehnmal konnte sie bis zum Ende später gezählt. durchgespielt werden. Immer wieder kam es zu Unterbrechungen. Wir wissen alle, Dies war psychologisch auch nicht gerade daβ gerade in den letzten zehn Jahren die der beste Weg der Vorbereitung, aber es Entwicklung im Leistungssport so sprung- musste weitergehen. Persönliche Schwie- haft gestiegen ist, daβ den Anschluβ zu ver- rigkeiten traten auch mal wieder auf. lieren fast einer Katastrophe gleichkommt. Transportschwierigkeiten, Wohnungssuche Beispiele auf vielen Gebieten des Sports in usw., Dinge, die gerade in solch einer Zeit vielen Ländern gibt es dafür genug. die Arbeit nicht gerade erleichtern. Doch Improvisieren, sich den Gegebenheiten Mich reizte diese Aufgabe. In Spielen mit anpassen, auch wenn es nicht in den vor- Uganda gegen Ägypten konnte ich sehen, gefertigten Plan paβt, sind eben Dinge, welche Kräfte dort zu fördern sind, die die man können muβ, die ich mir auch in auch auf internationalem Leistungsge- den knapp 10 Jahren Afrika gut angeeig- bieten mitreden könnten, aber auch, daβ net habe. Sehr viel kollegiale Unterstüt- durch die schon vorhandenen Vereine eine zung erhielt ich von Dettmar Cramer, der gute Breitenarbeit möglich ist. in seiner Eigenschaft als Trainer der FIFA im gleichen Zeitraum hier Trainerlehrgän- Mit der neuen Mannschaft gegen die alte ge abhielt. Die Pokalspiele selbst hatten kein sehr hohes Niveau, gemessen am in- Meine Ankunft in Kairo fiel fast zusammen ternationalen Standard. Trotz mangelnder mit dem Endturnier um den Afrika-Pokal Kondition und mit wenig Wettkampfpraxis der Nationen. Ägypten war als Ausrich- konnten wir gegen Uganda, Zambia, Elfen- ter qualifiziert. Mit Uganda hatte ich - im beinküste und Kongo-Brazzaville gewin- Rahmen meiner letzten Tätigkeit - dieses nen. Gegen Zaire verloren wir dann trotz Turnier nach Siegen über Algerien erreicht. einer 2:0-Fuhrung noch 3:2. Zaire wurde Mein erstes Länderspiel in Kairo hiess, so dann auch Afrikapokalsieger und vertrat ja wollte es die Gruppeneinteilung, Ägypten - bekanntlich den afrikanischen Erdteil bei 20
  • 21. der WM 74 in Deutschland. vier Punktspiele ausgetragen werden. Über die Zahl der erhaltenen gelben Karten wer- Da die konditionellen Mängel gerade bei den die Vereine jedes Mal informiert. Ein der ägyptischen Mannschaft deutlich ägyptischer Schiedsrichter war auch Leiter sichtbar wurden — Wadenkrämpfe, Er- bei der WM 74 im Spiel Deutschland gegen schöpfung, Tempoverlust usw. - , tauchte Australien. die Frage auf, ob der momentane Lei- Auch mit der Trainerausbildung konnte stungsstand überhaupt ausreicht für den ich beginnen. Der ägyptische Verband ist Leistungssport. Eine Untersuchung ergab in 5 Zonen aufgeteilt: Kairo, Alexandria, dann interessante Resultate. Bei den Spit- Delta, Kanal und Oberägypten. Die Zonen zenkräften des ägyptischen Sports wurde verfügen über eine eigene Verwaltung ein Lungenvolumen von ca. 4 Litern festge- und haben ihren Regionalfuβball und die stellt. Da 5,56 Liter heute für die Belastung Spielrunden der Jugendlichen unter sich. im Leistungssport verlangt werden, war es Der Hauptverband, mit Sitz in Kairo, leitet kein Wunder, dass die Spieler den Bela- die Nationalliga, die mit 18 Mannschaften stungen von Wettkampf und Training nicht über das ganze Land spielt. Da die Lei- gewachsen waren. Drei Freundschafts- stungsstärke nicht so groβ ist wie die Zahl spiele gegen die Eintracht Frankfurt vor der der Vereine, kommt es leider immer wie- WM zeigten noch einmal, daβ die spiele- der zu sehr niveaulosen Spielen. Der echte rischen Mittel durchaus genügen, um auch Spitzenspieler braucht sehr oft nur die hal- Profimannschaften vor echte Probleme zu be Kraft, um zu gewinnen. Es fehlt der ste- stellen. Aber leider eben noch nicht für 90 tige Leistungsdruck, das Abverlangen einer Minuten. Nach der WM, die auch hier mit ständigen Höchstleistung, die dann ja erst Spannung verfolgt wurde, begann dann zur Beständigkeit führt. (Im Vergleich dazu: erstmals nach langer Zeit wieder eine unsere Bundesliga heute und die Oberliga Punktspielrunde. In den vergangenen 26 damals). Jahren konnte Kairo den Titel der ,,National Club“12mal gewinnen, Zamalek 4mal und Guter Nachwuchs Mehalla, das jetzt im Endspiel um den Afri- kapokal der Vereinsmeister stand, Ismailia Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung, und Arsenal je einmal. Daβ nach den zwei wenn auch langsam, ist nun auch im Sport Kriegen die Punktspieleinnahmen für die wieder geregeltes Leben eingekehrt. Die Vereine sehr wichtig sind, durfte wohl je- Liga läuft, zusätzlich haben wir jetzt in den dem klar sein, denn nach solch langer Zeit einzelnen Zonen Sichtungsspiele gemacht, sieht es auch für den Verband nicht gerade um bei den Jugendlichen unter 18 Jahren rosig aus. die Talente herauszupicken. Um den lau- fenden Spielbetrieb nicht zu unterbrechen, Viermal gelbe Karte = 15 Tage Sperre flog ich mit einer Nachwuchsmannschaft nach Damaskus. Es war ein Turnier (Kune- Einige Schiedsrichterlehrgänge konnte ich tra-Pokal) mit 11 arabischen Staaten, die schon durchführen, wobei das Niveau als direkt oder durch finanzielle Unterstützung sehr gut bezeichnet werden kann. Dabei am Krieg gegen Israel teilgenommen hat- wäre besonders zu erwähnen, daβ man ten. Mit drei Siegen und zwei Niederlagen hier vom Verband aus die Regelung ein- brachte die Truppe weit mehr als erwartet. führte, daβ die vierte gelbe Karte automa- Es gab uns weiteres Vertrauen, daβ wir bei tisch zu einer Sperre von 15 Tagen führt, dem Nachwuchs auf dem richtigen Wege egal, ob in dieser Zeit zwei, drei, oder gar sind. 21
  • 22. Bezahlte Amateure meine Aufgabe sein. eine gute Verbindung, ein besseres Verständnis zwischen Vereinen Der hiesige Fußball ist auf Amateurbasis und Verband herzustellen. Mein Angebot, aufgebaut. Durch den Verein kann der Spie- auch die Vereine zu unterstützen, wurde ler aber doch „einiges“ Geld machen. Ein nach einigem Zögern überraschend schnell guter Spieler kann durchaus auf 600-800 angenommen. Der Zamalek-Klub, der bisher DM im Monat kommen. Es gibt dabei eine einen Trainer aus der CSSR hatte und sehr Staffelung nach Tabellenplatz, Zuschauer- viele Spieler an die Nationalmannschaft zahl, Wichtigkeit des Spieles usw. Von den abstellt, bat um meine Hilfe, auch Arsenal. Einnahmen gehen 10 % an den Verband Gern bin ich diesem Wunsch, nach Abspra- ab, 5 % an die Zone. Die Eintrittspreise lie- che mit dem Verband, nachgekommen, lag gen zwischen 1 DM und 10 DM. All diese doch hier die groβe Chance, endlich einmal Beträge sagen für deutsche Verhältnisse die Rivalität Verein - Verband zu beseitigen. nichts aus. Wenn man aber bedenkt, daβ Ich als Nationaltrainer, sprich Verband, hel- fe euch, dem Verein, ihr müsst aber auch mir, sprich Verband helfen. wenn Spieler für die Na- tionalmannschaft ge- braucht werden. Durch diesen Einsatz kam es dann auch zu einer gu- ten Zusammenarbeit mit den Trainern, die ich ja auch für meine Ver- bandsarbeit brauchte, deren Arbeit letztlich entscheidend war für die Verbreitung meiner Me- thoden. Hoher Besuch: Berti Vogts, Günter Netzer u.A. in Ägypten Gute Trainer werden in ein junger Verkehrspolizist knapp 100 DM Ägypten immer willkommen sein. Als Deut- im Monat verdient, ein Arzt am Sportinstitut scher machte ich den Anfang. Mit meiner es auf knapp 500 DM bringt, dann lohnt es Hilfe konnte dieser Sport wieder aus der sich schon, in Ägypten bei einem Spitzen- Versenkung auftauchen, dorthin gelangen, klub Fußball zu spielen, um zusätzlich diese wo er schon einmal war, dann aber weiterge- Einnahmen zu haben. Leider führt dies aber führt werden bis zum Erreichen eines Stan- auch dazu, daβ die Vereine kein allzu groβes dards, der es uns erlaubte, auf der internati- lnteresse an der Nationalmannschaft zei- onalen Bühne des Fuβballs mitzureden. Der gen, da der Verband nicht in der Lage ist, Weg wird nicht leicht sein. Es wird Zeit brau- groβe Gelder zu zahlen. Bei richtigem Spiel- chen und natürlich auch Geld. Durch die betrieb und einem oberen Tabellenplatz sind langen Jahre in Afrika hat man aber eine Art die Vereine finanziell in einer weit besseren ,,brutales Durchhaltevermögen“ entwickelt, Lage als der Verband. Im Gegensatz zum ohne das es einfach keinen Erfolg geben anderen Teil Afrikas, wo die Schwierigkeit kann. Die Zukunft lag vor uns und ,,inshalla“ im Stammesbewuβtsein lag, würde es hier würden wir auch erfolgreich sein. 22
  • 23. Sonne, Sand, nen deutschen Trainer auch in etwa genau so vor, wie ich damals aussah: blond und Siege und Sport von großer, kräftiger Statur. Einem solchen Wunschbild habe ich perfekt entsprochen! Eine sportliche und politische, lebensnahe So stellte man sich für das eigene Land Geschichte den passenden Fußballtrainer vor. Die mir entgegengebrachten Wünsche konnte ich tagtäglich spüren in einem zwar nicht mit Worten ausgesprochenen, aber trotzdem Haben diese vier „S“, so frage ich mich deutlichen Denken: heute, mehr als alles andere mein Leben „So, jetzt bist Du da und jetzt gewinnen wir bestimmt? Es gab noch weitere lebens- mit Dir die Länderspiele gegen unsere Riva- werte Dinge auf meinem Weg, aber trotz- len, gegen die Länder in der Nachbarschaft! dem sind Sport und Sonne untrennbar mit So war es dann auch im weiteren Verlauf meinem Leben verbunden, Sand (im Ge- meiner Zeit in Sierra Leone! Und nicht nur triebe so mancher Maschinerie) hat sicher dort. Zuerst begann es aber mit den unmög- so manches mal die Siege verhindert, nach lichsten Dingen. denen ein Sportler so sehr sich sehnt wie ein Wanderer in der Wüste nach dem leben- spendenden Wasser. Zu Anfang möchte ich gleich mit meiner er- sten großen Herausforderung in dem mir bis dahin völlig unbekannten afrikanischen Kon- tinent, nämlich mit dem westafrikanischen Land Sierra Leone beginnen, wo diese vier „S“ mein Leben viele Monate bestimmen sollten. Für mich war dort alles richtiggehend neu und mit nichts zu vergleichen, was ich bis dahin erlebt hatte. Ich musste mich heran- tasten an viele ungewohnte Dinge. Als ich in Sierra Leone ankam, begleiteten mich Schritt für Schritt die hohen Erwartungen dieses Landes in den schon lange erwar- teten zukünftigen Trainer der noch nicht vorhandenen Fußball-Nationalmannschaft. Aber zuerst war ich aus meiner Sicht nur der „Ausländer“. Aber ich war doch ein be- sonderer Ausländer, was ich bei jeder Be- Not macht erfinderisch: gegnung mit Einheimischen spüren konn- Bänke statt Medizinbälle te. Ich war jemand, von dem man sich viel erhofft hatte - das habe ich später auch in Über die Platzverhältnisse wollen wir gar anderen Ländern immer wieder erlebt und nicht einmal reden. Es gab nämlich auch gespürt: „Jetzt bist Du endlich da, Du deut- keine vernünftigen Bälle; Medizinbälle wa- scher Germane“. Und man stellte sich ei- ren völlig unbekannt. Große Kokosnüsse 23
  • 24. waren der einzig mögliche Ersatz. Es wurde ne bereits vom Premierminister erwartet. In Sand hinein gefüllt, damit wir überhaupt einer kurzen Rede wurden wir aufgefordert, Gymnastik machen konnten. Als ich dann diese Führung zu verteidigen und möglichst an hoch offizieller Stelle quengelte, dass wir noch auszubauen. Zugleich versprach er nur einen einzigen Fußball hatten, wurde eine Erhöhung der Siegesprämie für jeden ich beim Premierminister Sir Albert Margai Spieler auf 5 oder 8 Mark (genau weiß ich persönlich vorstellig, der lange Jahre für die das nicht mehr). Wir konnten das 1:0 halten Sierra Leone Peoples Party im Amt gewesen und ganz Sierra Leone feierte uns für die- ist (von 1958 bis 1967) und der während sen historischen Sieg über den Nachbarn. dieser Zeit, kurz bevor ich kam, der erste Zur Beruhigung der wutschnaubenden Libe- Premierminister nach der Selbständigkeit rianer wurde dann aber schon für drei Tage des Landes geworden war. Vorher war ich später ein neues Spiel ausgemacht. Es war aber auch noch in der deutschen Botschaft, dann ein passender Erfolg für die Diploma- um dort unseren Botschafter zu sprechen - tie, dass dieses Spiel mit Unentschieden mit dem ich im weiteren Verlauf meiner Tä- ausging. tigkeit einen sehr guten Kontakt hatte. Als In der Gesamtabrechnung waren auf jeden ich ihm sagte, dass ich jetzt zum Premiermi- Fall wir erfolgreich. Das brachte mit sich, nister gehen würde, um dort wegen der Bäl- dass mein Ansehen weiter beträchtlich ge- le anzufragen, da meinte der Botschafter: wachsen war. Die Liberianer waren jeden- „So können Sie doch nicht hingehen, so wie falls - das wurde mir berichtet - ausgespro- Sie aussehen, nämlich im Sporthemd und chen neidisch auf den deutschen Trainer im kurzer Hose!“ Nachbarland, und es gab auch gleich den Ich machte mir nichts aus diesem Ein- scherzhaft ausgesprochenen, aber doch wand und meine Antwort entsprach mei- ner Einstellung: „Wenn ich jetzt im Anzug mit Schlips komme, dann erkennt der mich überhaupt nicht! Genauso war‘s auch. Sir Al- bert Margai nahm die Sache sofort gut auf, hatte aber doch den Einwand: „Ihr braucht doch beim Spiel nur einen einzigen Fuß- ball“. Da hatte er nicht unrecht für‘s Spiel selbst; aber natürlich konnte ich ihm klar- machen, was alles da noch zusätzlich so dranhängt mit Ersatzbällen, den Mitteln für das Training usw. Danach wurde die Sache auch sofort ohne Verzögerung klar gemacht, und wir hatten von nun an mehrere Fußbälle und was sonst noch alles dazu gehört. Es kam kurz darauf ein erstes, für Sierra Le- one sehr bedeutendes Spiel gegen das ein kleines bißchen größere direkte Nachbar- land Liberia zustande. Auch politisch was das mit langer Tradition schon immer so ein ziemliches „Hick-Hack“ zwischen beiden Ländern. Dieses Spiel gewannen wir knapp aber verdient mit 1:0, und bereits nach Ende der ersten Halbzeit wurden wir in der Kabi- Ballgefühl auch ausserhalb des Fussballplatzes 24
  • 25. ernstgemeinten Versuch eines Funktionärs 35 Jahren immer wieder geholfen hat, mich von Liberia, mich abzuwerben sowie mich in die Lage der Leute zu versetzen, die ich am besten gleich in das Nachbarland mit- trainierte, die ich brauchte oder mit denen zunehmen. ich auch zusammen lebte. Es ging darum, Nach guten Anfängen in Karlsruhe war ich nicht nur als Ausländer anerkannt zu wer- schon in Deutschland ein begeisterter Ten- den, sondern als Mensch, der sich für die- nisspieler geworden. In der Zwischenzeit jenigen interessiert, die dort leben und mit hatte sich das nach ebenfalls in Sierra Leone ihnen auf gleicher Stufe stehen wollte. Und herumgesprochen, was dazu führte, dass der sich nicht nur dafür interessiert, dass ich mit dem mir inzwischen sehr gewogenen sie dort leben, sondern wie sie leben und Premier Margai schon bald Tennis spielte. Er was sie erleben. ließ sogar in seinem eigenen Wohnbereich Denn immerhin waren meine Spieler, die aus Tennisplätze anlegen. Wir spielten dort lau- dem Urwald kamen, auch Menschen, mit de- fend miteinander Tennis und hatten auch nen ich auskommen wollte. Es gab deshalb dadurch einen sehr stabilen, richtig guten auch Tage, an denen ich bei den Spielern Kontakt. Sport verbindet – das ist mir im und deren Familien im Dorf wohnte - unter Laufe meiner Tätigkeiten wieder und wieder nicht immer ganz leichten Bedingungen - aufgefallen – dort wo die reine Diplomatie aber das wurde von den Leuten anerkannt. versagt, haben sich verschwitzte Sports- „Mensch, der interessiert sich doch für uns, männer oft mehr zu sagen. der steht nicht nur da oben drüber!“ Gleich zu Anfang, nach wenigen Wochen in Sierra Leone, trainierten wir als Vorberei- Es war jedenfalls kein Wunder, dass so aus tung auf das schon geschilderte Spiel gegen den ursprünglich für Sierra Leone vorgese- Liberia. Nachdem das Training vorbei war henen 6 Monaten, als ich eigentlich wegge- und wir alle ziemlich staubig, dreckig und hen sollte, eine große Staatsaffäre wurde. verschwitzt waren, ging die ganze Mann- Die deutsche Botschaft wurde eingeschaltet schaft zum Duschen. Und ich ging natürlich und auch das Auswärtige Amt in Bonn. Alles mit - was für mich vom Sport in Deutschland wurde getan, damit ich in diesem Land blei- her selbstverständlich war, ohne mir dabei ben sollte. Natürlich ging diese Forderung irgend etwas zu denken. Der deutsche Bot- auch an den DFB mit dem Ergebnis, dass schafter rief mich einige Tage später an und mein Aufenthalt gleich auf ein volles Jahr fragte, ob ich denn schon gesehen hätte, was verlängert wurde. Später kam nach ähn- die lokalen Zeitungen schreiben würden. Ich lichen Forderungen an die gleichen deut- musste ihm sagen: „Nein, was ist denn los?“ schen Stellen noch mal ein weiteres Jahr Daraufhin hörte ich von ihm, dass in der Zei- dazu. tung stand, wie sehr die Spieler mehr als überrascht waren und dem Reporter gesagt Vorher hatte ich nach dem ersten Jahr in hatten: „Der Trainer ist mit uns zusammen diesem Land Urlaub in Deutschland ge- zum Duschen gegangen!“ Dass dies dort so macht und heiratete in Münster in Westfa- großartig ankam, hatte ich nicht erwartet! len meine mir schon etwas länger bekannte Dass ich nämlich als Weißer, als Europäer Freundin Bärbel, die auch Sportlehrerin war. mit den schwarzen Spielern zusammen auf Wir kamen dann gemeinsam nach Sierra Augenhöhe stand, brachte mir ungeahnte Leone zurück, hatten dort inzwischen ein Sympathien ein. Und das war etwas, was ich schönes Haus, nämlich ein altes Kolonial- vielleicht nur gefühlsmäßig gemacht hatte, haus gefunden, das auf Stelzen mit hartem und was mir aber - wenn es zu ähnlichen Ge- Holz erbaut war. Bilder ließen sich übrigens meinsamkeiten kam - auch in den nächsten in diesem Haus erst aufhängen, nachdem 25
  • 26. man in dem harten Holz unter erheblichen nicht ganz so einfach zu überstehen. In den Schwierigkeiten Löcher gebohrt hatte. Das folgenden Jahren gab es das hier in Sierra harte Holz hatte mit den Termiten zu tun, die Leone wie später ebenfalls in anderen Län- sich wegen der Härte nicht einnisten sollten, dern, wobei ich dann mit den gewonnenen damit das Haus stehenbleiben und nicht zu- Erfahrungen aber bessere Reaktionen zei- sammenbrechen konnte. Das waren alles gen konnte. In Sierra Leone war es für uns neue Erfahrungen, die ich bis dahin noch beide jedenfalls etwas, was wir nicht er- nicht gemacht hatte, weil ich mich damit im wartet hatten. Es kriselte zu dieser Zeit im vorherigen Junggesellenleben überhaupt etwas weiter entfernten Ghana im dortigen nicht in Berührung gekommen war. Ein-Parteien-System. Unser Premierminister Albert Margai hatte hier das gleiche System Meine Frau arbeitete inzwischen auch an auch einzuführen versucht. Die Opposition den Schulen, führte dort sogar schon sehr war sehr dagegen. Von Regierungsseite ver- früh so etwas Ähnliches wie das Bundes- suchte man nun, mich in solchen Fragen sportfest bzw. die Bundesjugendspiele ein. einzuspannen. Aber ich wußte stets, dass Das kam großartig an und wir waren beide als ich mich aus diesen politischen Angelegen- leitende Akteure voll akzeptiert. Man konnte heiten rauszuhalten hatte. In allen meinen auch mit Hilfe Bärbels vieles machen, was Einsätzen habe ich stets eine solche Haltung im Sport weiterhalf und Fortschritte brach- eingenommen und bin gut damit gefahren, te. Die zusätzlichen Aktivitäten von Bärbel dass ich immer gesagt habe: „Ich bin Sport- machten sie sehr schnell genau wie mich ler, neutral und unpolitisch. Ich kümmere weiter populär und sie trugen alle zur Fuß- mich deshalb auch nicht um die Politik in ball- sowie Sportbegeisterung mit bei. Deutschland und genau so wenig um Eure Politik oder um die der Nachbarländer. Ich Jetzt möchte ich aber noch auf den Anfang verkaufe stattdessen nur Fußball“. Auf die- meiner Zeit dort in Freetown, der Haupt- ser Basis konnte ich mich mit der Opposition stadt von Sierra Leone zurückkommen. Als wie mit der Regierung immer gut verstehen, ich dort nämlich ankam, erfuhr ich schon weil ich genau wußte: Wenn etwas passiert, relativ bald, dass der zuständige Sportmini- dann kann es nur von der Opposition, der ster überall voll Stolz erzählen würde: „Ich Polizei oder der Armee kommen. Deshalb war es, der den Burkhard von Deutschland habe ich in den meisten der Länder, in de- in Frankfurt beim dortigen Fußballbund für nen ich war, auch die Mannschaften der Po- unser Land gekapert und nach hierher ge- lizei wie der Armee mit trainiert, denn es war holt habe. Von diesem Sportminister wurde mir klar, dass wenn einmal eine Revolution ich wenig später ebenfalls allen anderen kommen sollte, dass ich auch dort Helfer Kabinettmitgliedern vorgestellt, was mir haben würde. In solche politischen Ausei- und danach auch Bärbel viel Unterstützung nandersetzungen wollten nämlich weder durch alle diese Amtspersonen gebracht meine Frau noch ich als frisch gebackener hat. Als wir übrigens nach unserer Heirat Ehemann verwickelt werden. in Deutschland gemeinsam dort ankamen, wurde sogar eine Parlamentssitzung unter- Und so war‘s dann auch mit dem Nicht-ver- brochen mit der Ankündigung: „Soeben ist wickelt-werden. Kurz nach der gerade be- unser deutscher Trainer wieder gelandet!“ gonnenen Regenzeit hatte ich noch mit der Mannschaft der Armee trainiert. Nach dem Nun aber zu der Überraschung in diesem Training saßen wir in Freetown im Offiziers- afrikanischen Land. Was in solchen Län- kasino zusammen, als der Colonel Johnson dern nämlich auch passiert, ist manchmal zu mir auf einmal sagte: „Coach, morgen trai- 26
  • 27. nieren wir nicht.“ Ich habe ihm als Germane so ähnlich passiert, dass ich schon etwas natürlich sofort geantwortet: „Moment mal, wußte, was auf der deutschen Botschaft hier wir trotz des Regens trainiert!“ Nach nicht bekannt war. Der Kanzler der deut- einer Pause sagte er wieder: „Du, morgen schen Botschaft in Freetown, den ich dann trainieren wir nicht!“ Ich bin dann sofort auf auch noch ansprach, es war ein Herr Süß die Palme gegangen und habe geantwor- aus Darmstadt, reagierte aber als Mann tet: „Horch mal her, Ihr seid hier geboren, mit langjähriger Erfahrung ganz anders. ich komme hierher, der Regen ist warm und „Komm, Burkhard, zu uns ins Haus, ich bin nicht wie der Schnee- und Eisregen bei uns bewaffnet, wir können uns 14 Tage halten.“ in Deutschland, und da wird hier doch wei- Ich erzählte ihm gleich, dass ich das sicher tergemacht!“ Aber ich hatte nach dieser nicht brauchen würde wegen der mir ver- mehrfachen Wiederholung des Hinweises, sprochenen Wachposten. Und als es dun- dass morgen nicht trainiert würde, schon kel wurde, waren diese Posten tatsächlich das Gefühl, irgendetwas dürfte nicht stim- da. Allerdings hatten sie Karabiner, die ich men. Und dann sagte er mir, so dass es an- schon mal im Museum gesehen hatte und dere nicht hören konnten: „Morgen ist ‚ne die wahrscheinlich noch aus dem ersten Revolution! Aber Coach, Du brauchst keine Weltkrieg stammten. Angst zu haben. Wir schicken Dir morgen oben auf den Berg, wo Dein Haus steht, zwei Nachts rappelte es jedenfalls in Freetown Soldaten, die bewaffnet sind. Dir passiert kräftig. Es gab allerhand Tote, aber zwei jedenfalls nichts. Aber wenn Du jetzt nach Tage später war der Spuk vorbei und alles Hause fährst, dann sag Deiner Frau, sie soll wieder in Ordnung. Mich rief dann aber der noch schnell etwas zu essen und trinken Botschafter an und bat mich, in die Bot- einkaufen, denn man weiß nicht, wie lange schaft zu kommen. Er sagte: „Ich muss Sie so etwas dauert.“ unbedingt sprechen.“ Als ich bei ihm war, meinte er, es könne mit der Revolution doch Ich bin dann gleich zu Bärbel, die meinte aber noch weiter gehen, und es ginge ihm darum, nur, dass ich spinnen würde oder dass man dass man meine Frau und mich sofort aus- beim Training einen Scherz mit mir gemacht fliegen sollte über Dakar nach Deutschland. habe. Als ich ihr dann aber die Geschichte Ich fragte ihn gleich: „Was ist denn dafür der genauer erzählte, sind wir sofort doch noch Grund?“ Seine Antwort war: „Stellen Sie sich tüchtig einkaufen gegangen. Zugleich hielt mal vor. Sie haben doch mit dem vorherigen ich es für meine Pflicht, den Botschafter, zu Premierminister Tennis gespielt und hatten dem ich genau wie in den anderen Ländern zu seinem Kabinett sehr gute Verbindungen, später zu den deutschen Botschaften einen was Ihnen jetzt, wenn die Opposition ans guten Kontakt hatte, über die bevorstehen- Ruder kommt, angekreidet werden kann!“ de Revolution zu unterrichten. Ich rief ihn an Ich meinte dazu aber nur: „Kennen Sie denn und sagte ihm: „Herr Botschafter, Sie sollten schon den dann vielleicht möglichen neuen sich darauf einstellen, dass heute Nacht Premierminister?“ Er verneinte das, aber ich eine Revolution kommt.“ Er meinte darauf- konnte ihm sagen, dass ich ihn bereits ken- hin allerdings: „Ach, Herr Pape, Sie hören ja nen würde. Und dieser Mann dürfte mich nicht nur Gras wachsen, Sie hören ja eine genauso akzeptieren, weil er wisse, dass ich ganze Wiese wachsen! Wenn so etwas läuft, mich immer klar aus der Politik raushalten dann würden wir das bestimmt als Erste würde. Ebenfalls möchte dieser Mann je- wissen!“ denfalls auch, dass wir Länderspiele gewin- nen. Und dann sagte ich ihm noch: „Mich Auch in späteren Zeiten ist das manchmal akzeptiert man hier überall, weil ich inzwi- 27
  • 28. schen schon nicht mehr als Ausländer emp- den dort gab es viel Trauer, aber man ließ funden werde. Man weiß hier, dass mich die es sich nicht nehmen, mich ganz großartig Kultur des Landes interessiert und zwar mit zu verabschieden. Mit ihren Tänzen trat nur all ihren Hintergründen, dem hier normalen für uns eine Tanzgruppe auf mit dem Namen Familienleben, wie und wo die Menschen „Heart Beat of Africa.“ Mein Bruder war ge- wohnen und alle diese Dinge, womit manch rade zu Besuch bei uns, und er nahm an der ein Ausländer schon mal Schwierigkeiten Abschiedsparty mit teil. Als ich ihn eingela- hat und nach wenigen Jahren das Land ver- den habe und er dort alles auf Tonband auf- läßt. Das sind nämlich im Gegensatz zu mir nahm und einen Videofilm drehte, mussten Leute, die wenig von den Bewohnern wissen wir allerdings versichern, dass die Darbie- bzw. wissen wollen und nur an das hier zu tungen dort von meinem Bruder nicht kom- verdienende Geld denken.“ merziell ausgewertet würden. Ich habe das alles damals auch auf Tonband aufgenom- Meine Zeit dort in Sierra Leone war jeden- men und freue mich über den Film davon. falls weiter erfolgreich und die Arbeit machte Das Ganze damals war für uns ein wunder- Bärbel und mir viel Spaß. barer Abschied. Was mir deshalb so nah und plastisch in Erinnerung ist, weil es meine er- Aber nach über zwei Jahren insgesamt teilte ste Station im Ausland war, der dann aber man mir mit, dass ich jetzt mit einer Verset- noch viele weitere Stationen folgen sollten. zung zu rechnen hätte. Bei meinen Freun- 28
  • 29. 29
  • 30. Drei Jahrzehnte in Afrika und kannt sind vor allem die indonesischen Asien : 1966 - 1996 Inseln Java, Sumatra, Borneo, das heutige Einige kurze Einblicke in eine aufregende Kalimantan, und vor allem Bali - die Insel Tätigkeit voller Überraschungen der Götter. Sierra Leone, Westafrika: Dichter Urwald bis Thailand. Allein der Name erweckt die hinter das Haus. Schlangen im Garten oder verschiedensten Erwartungen: Exotische gar in den Zimmern. Von Palmen umsäumte Tempelbauten und Paläste, mandeläugige Traumstrände. Diamanten- und Edelstein- Schönheiten mit langem seidigen Haar, Ele- vorkommen. Aber nur 46 Meilen asphal- fanten, tiefer Dschungel, Palmen und son- tierte Straßen. Ein Schwarz-Afrika, wie man nige Strände am Golf von Thailand. Bang- es sich in der Jugend erträumt. kok - weltbekannte Großstadt, die fasziniert, Ostafrika: Das sind Uganda, Kenia, Tansania aber auch eine Zumutung sein kann, im und Sansibar. Ostafrika steht für Buschsa- Widerspruch zwischen asiatischer Tradition vannen mit den größten Tierreservaten der und westlicher Neuzeit. Welt, aber auch für den höchsten Berg Afri- kas, den schneebedeckten Kilimanscharo. Westafrika, Ostafrika, Ägypten, Sri Lanka, Und auch der Victoria See, der zweitgrößte Indonesien und Thailand - nicht um einen See der Welt, befindet sich in Ostafrika. Vor Reisebericht für die Tourismusindustrie Tansania, im Indischen Ozean, liegt Sansi- handelt es sich im Nachfolgenden, sondern bar, reich an Gewürznelken und Ausgangs- um die Beschreibung meiner Einsatz- und ort vieler Afrika-Expeditionen; die exotische Arbeitsplätze als Fußballehrer in den letzten Insel, die in den 90er Jahren des letzten 30 Jahren, aber auch um die Wahlheimat Jahrhunderts gegen die in britischem Besitz meiner Familie mit den Geburtsländern un- befindliche Insel Helgoland in der Nordsee serer Kinder. eingetauscht wurde. Ob ich nun nach so vielen Jahren in diesen Ägypten, das Land der Pharaonen, der Sphinx Ländern ein „Afrika- und Asienkenner“ ge- und der Pyramiden. Ein Land mit gewaltigen worden bin, lasse ich dahin gestellt. Dabei Wüsten, ein Land aus Sand und Salzseen, bin ich sicher, daß wir Europäer die Menta- ein Land mit einem Jahrhundertbauwerk, lität der Afrikaner und der Asiaten kaum bis dem Suezkanal, der das Mittelmeer mit zur letzten Konsequenz verstehen werden, dem Indischen Ozean verbindet, aber auch ganz gleich, wie lange wir uns in Afrika oder ein Land mit modernen Großstädten. Asien aufhalten. Da ich aber als Fußballtrainer in erster Li- Sri Lanka, das ehemalige Ceylon, die Perle nie nur mit Einheimischen, die selten aus des Indischen Ozeans: Unvorstellbar schöne der jeweiligen Oberschicht stammten, zu Strände und Tauchparadiese, die bis zu den tun hatte, war es mir doch möglich, die Pro- Malediven reichen. Plantagen mit Tee, Ka- bleme, Sorgen und familiären Hintergründe kao, Kautschuk und Kokospalmen, die zum der Menschen kennenzulernen. Mit der Zeit Teil auf 2.000 Meter Höhe liegen. entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis und Verständnis auf beiden Seiten - die Ba- Indonesien, mit ca. 180 Millionen Einwoh- sis um überhaupt erfolgreich arbeiten zu nern eines der bevölkerungsstärksten Län- können. So wird Verständnis und Interesse der der Welt, bestehend aus über 13.000 an uns fremden Mentalitäten und Kulturen Inseln mit weltweit den meisten Vulkanen, „eingetauscht“ gegen das Vertrauen der von denen noch sehr viele aktiv sind. Be- Bewohner des Landes gegenüber einem 30
  • 31. „Fremden“. sten „Engpässen“. Über Berlin floh ich zu ei- ner Zeit in den Westen, zu der es die „men- Doch vor weiteren Ausführungen über mei- schenfreundliche“ Mauer noch nicht gab. ne doch sehr lange, schöne, aber auch nicht immer ungefährliche Tätigkeit an so vielen Für Hannover 96, den VFR Neumünster und unterschiedlichen Orten der Erde, zunächst den FSV Frankfurt spielte ich dann als Ver- einmal ein paar Angaben zu meiner Person: tragsspieler in der Oberliga, der damaligen 1932 in Magdeburg geboren, waren die Jah- höchsten Spielklasse (Bundesliga wurde re des Krieges und der Nachkriegszeit sehr erst 1962 eingeführt). Der Leichtathletik einprägsam. Schon immer sportbegeistert, widmete ich nur noch wenig Zeit, da ich war ich in Magdeburg ein aktiver und erfolg- mein Ziel verfolgte, an der Sporthochschule reicher Fußballspieler geworden, der bis zur Köln das Examen als Fußballtrainer unter höchsten Klasse spielte. Aber auch Hand- Hennes Weisweiler zu machen. Dafür benö- ball spielte ich damals in der Stadtauswahl. tigte ich allerdings Geld. Als „der schnellste In der Leichtathletik wurde ich in der dama- Rechtsaußen der Oberliga“ konnte ich mir ligen DDR Jugendmeister im Fünfkampf und in den Jahren, in denen ich aktiv Fußball zwei Jahre später Juniorenmeister im Zehn- spielte, ein finanzielles Polster schaffen, so kampf. Schon früh war die DDR-Sportförde- daß ich anschließend, im Jahr 1959, in Köln rung optimal. mein Examen erfolgreich ablegen konnte. Zwar wurde man als großes Talent im Mehr- Danach war ich sieben Jahre lang als einer kampf umhätschelt, aber die Bespitzelung der jüngsten Verbandssportlehrer an der und das ganze System mit den widrigen herrlichen Sportschule Schöneck in Karls- Umständen waren widerlich. Meine Eltern ruhe Durlach auf dem Turmberg tätig. Eine und mein Bruder hatten die DDR schon früh wichtige und lehrreiche Zeit, die mir, wie verlassen bzw. haben, wie man in Magde- ich später feststellen sollte, viel gab, um an burg sagt, „rüber gemacht“. Dann kam der meinen exotischen Einsatzorten erfolgreich Volksaufstand am 17. Juni 1953: Schwerbe- arbeiten zu können. waffnete Stasileute mit Schäferhund verhaf- teten mich wegen Spionageverdachts. In sehr guter Erinnerung blieb mir die Rei- se der Badischen Amateurauswahl im Jahr Keiner der sonst so hilfsbereiten Sport- 1962 in die USA. Es war das erste Mal nach funktionäre machte auch nur einen Finger dem Krieg, daß eine Auswahl eine solche krumm, um mir zu helfen. Niemand wußte, Reise antrat. In den drei Wochen Aufenthalt wo ich mich befand. GottseiDank konnte wurden viele Spiele durchgeführt und nach mein damaliger Trainer G. Gläser, der mich Verletzung zweier Spieler zog auch ich mei- auch später oft unterstützte, die Mannschaft ne Fußballschuhe an, um die Auswahl auf- davon abhalten, in Spielstreik zu treten, da zufüllen. Wenn ich damals gewußt hätte, an mir dies mehr geschadet denn genützt hät- welchen Orten ich lehren und Fußball spie- te. 10 Tage lebte ich in einer Einzelzelle mit len würde.... weiteren sieben Häftlingen im Zuchthaus. Doch über Umwege und mit Hilfe des Sports An der Sportschule Schöneck lernte ich auch wurde ich auf freien Fuß gesetzt. meine spätere Frau und Mutter unserer Kin- der kennen, aber dazu später mehr. Nach dieser Erfahrung hielt mich nichts Zwei wesentliche Dinge (oder Weisheiten) mehr in der sozialistischen Volks-DDR - in gab ich in den Jahren an der Sportschule der größten „Berg-Republik“ mit den mei- Schöneck den Menschen mit auf den Weg: 31
  • 32. - begeistert muß man sein, um begeistern meine Vorstellungen: Freies Arbeiten nach zu können, meine Entscheidungen, dabei eine Natio- - überzeugt muß man sein, um überzeugen nalmannschaft aufzubauen, im Lande auf zu können. Talentsuche zu gehen und nationale Trainer auszubilden. Allerdings konnte ich mir natür- Damals war mir allerdings nicht bewußt, lich nicht vorstellen, was mich de facto er- daß diese Philosophie in meinem weiteren wartete. Daß das Organisieren von Spielen, Berufs- und Lebensweg ein große Rolle spie- das Massieren der Spieler, die Behandlung len würde. Heute, nach 30 Jahren an so un- von Verletzungen selbstverständlich erwar- terschiedlichen Plätzen der Welt, blicke ich tete wurde, überraschte mich kaum, Aber auf so viel Ungereimtheiten in dieser Zeit daß das Tanzen, Singen und Klavierspielen zurück und weiß, daß diese zwei Lehrsätze zur Selbstverständlichkeit wurden, hätte ich notwendig waren und sind, um in meiner zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch exotischen, turbulenten, schönen, interes- nicht gedacht. santen und gefährlichen Tätigkeit Erfolg zu haben. Aber wie stellte man sich im Jahr 1966 in Westafrika einen deutschen Trainer vor? Nennen wir diese Tätigkeit „sportliche Ent- Was erwartete man von ihm? Ich sollte es wicklungshilfe“. Für diese Form der Entwick- bald erfahren: lungshilfe ist der Kulturhaushalt des Aus- wärtigen Amtes in Bonn zuständig, der DFB Abflug ab Hannover am 01.02.1966 nach steht als fachlicher Berater zur Seite. Die Frankfurt, das Abenteuer Afrika beginnt. GAWI, die heutige GTZ, ist für die Durchfüh- Von Frankfurt weiter nach Dakar (Senegal) rung der sportlichen Entwicklungshilfe ver- mit Zwischenpause, um eine kleiner Ma- antwortlich. Sepp Herberger, Herbert Wid- schine zu bekommen, die mich weiter nach mayer und viele andere bestärkten mich, Gambia brachte. Nicht so wie heute, mit LTU mein fachliches Können auch im Ausland oder Neckermann in wenigen Stunden mit unter Beweise zu stellen. So habe ich dann komfortablen Abfertigungshallen, nein, der das Angebot aus Bonn angenommen und Flughafen war noch aus alten Zeiten und bin nach Absprache mit dem DFB (Detmar bestand nur aus einigen Baracken. Getankt Cramer war damals mein Freund und Bera- wurde noch von Hand aus Fässern! Weiter ter) nach Westafrika gegangen. gehts nach Sierra Leone, Freetown. Der Hin- flug war schon interessant, aber das, was Geplant war zunächst einmal ein Einsatz nun auf mich einstürmte war neu und fast von nur 6 Monaten, als Versuch dieser Art unvorstellbar. So, wie man sich Afrika als sportlicher Entwicklungshilfe. Aber schon in kleiner Junge vorstellt: Die Affen, die auf dem Sierra Leone wurde aus diesen 6 Monaten Wege vom Flughafen zur Stadt zu sehen wa- zwei Jahre. Heute sind es nun, ohne Unter- ren, waren nicht meinetwegen dort, sondern brechung, 30 Jahre. Ich glaube, daß man sie sausten dort täglich durch die Gegend. sagen kann, daß das AA, die GTZ und ich in- Sie gehörten dort so selbstverständlich hin, zwischen aus dem Versuchsstadium heraus wie später zu meinem Hotel und als „Haus- sind. tiere“ unserem Garten am Haus. In Bonn und beim DFB in Frankfurt ergab Im Parlament, das gerade tagte, wurde eine sich eine gute Gelegenheit, meinen künf- Unterbrechung eingelegt und man gab be- tigen Arbeitgeber zu treffen, den Generaldi- kannt, daß der deutschen Fußballtrainer rektor für Sport aus Freetown/Sierra Leone. eingetroffen war. Dies schien ein wichtiges Das Ergebnis der Gespräche entsprach Ereignis zu sein. Ich erfuhr auch bald warum: 32
  • 33. Ein erstes Länderspiel gegen den Erzfeind terten wir ein Sportflugzeug und hielten Liberia war geplant, frei nach dem Motto den Mann notdürftig am Leben. „Nun haben wir einen deutschen Trainer, nun gewinnen wir auch automatisch“. Der damalige Präsident von Sierra Leone, der erste nach Entlassung des Landes Am nächsten Tag begleitete mich „mein“ Di- in die Selbständigkeit, Sir Albert Margai, rector General für Sport zu allen Ministern, kümmerte sich ebenfalls um den Fußball. um mich vorzustellen, denn schließliche Erst als es mir gelang ihn davon zu über- hatter er es ja geschafft, mich nach Afri- zeugen, daß zum Spiel ein Ball durchaus ka zu holen. Die Minster waren zufriedne, ausreicht, aber zum Training mehrere Bälle denn ich entsprach voll den Vorstellungen notwendig sind, wurde veranlaßt, eine ent- der Afrikaner: groß, blond, kräftig und mit sprechende Anzahl Bälle zur Verfügung zu lauter Stimme, so daß ich beim Training stellen. Fußball als Chefsache. Auch hatte keine Pfeife benötige, scheut weder Sonne Margai das größte Interesse daran, daß oder Hitze noch die Regenmassen in der ich sein Tennisspiel verbesserte, ein Ersu- Regenzeit. Selbst das schwüle Wetter war chen, dem ich gerne entsprach. Überhaupt für den „Germanen“ kein Grund, das Trai- hat mir die Sportart Tennis viel geholfen, ning abzusagen. Verbindungen aufzubauen und Kontakte zu festigen. Eine Verhaltensweise, die von mir we- der bewußt noch mit bestimmter Absicht Aber zurück zum Länderspiel gegen Liberia. durchgeführt wurde, brachte mir gleich zu Nach kaum ausreichender Vorbereitung Beginn meiner Arbeit in Westafrika großen - notwendige Medizinbälle wurden durch Kredit ein: Als die Spieler nach dem ersten mit Sand gefüllte Kokosnüsse ersetzt - war Training zu den Duschen gingen, konnten es soweit: das Länderspiel gegen Liberia es die Spieler nicht fassen, daß ich mich stand vor der Tür, eine Mannschaft, gegen ihnen selbstverständlich anschloß und mit die noch nie gewonnen worden war. Das ihnen duschte. Im Jahre 1966 hatte man Haus war ausverkauft, denn man hatte so ein Verhalten von einem Weißen nicht ja den Germanen als Trainer. Zur großen erwartet. Dies und die Tatsache, daß ich Überraschung stand es in der Halbzeit, beim Duschen meine wasserdichte Arm- nach gutem Spiel für uns, immer noch 0 : banduhr am Handgelenk behalten konn- 0. Da kam der Präsident persönlich in die te, machte anschließend die Runde in der Kabine und versprach eine Prämie für den Stadt und in den Dörfern des Landes, was Sieg. Und wir gewannen 1 : 0! Der Jubel ich allerdings erst später erfuhr. Jedenfalls war groß. Ich war der Größte. Schnell wur- entstand durch das Duschen das Gefühl, de nach diesem Sieg noch ein Spiel für in daß ich zu ihnen und daß sie zu mir ge- zwei Tagen vereinbart, um die Einnahmen hörten. zu verdoppeln. Und wieder gewannen wir. In Sierra Leone kam auch immer wieder zu Nur waren aus diesen zwei Spielen kaum „Einsätzen“, die nun wirklich nicht zu mei- Einnahmen vorhanden. Sie hatten wohl ner Trainertätigkeit gehörten. So begleite- „Wege“ gefunden, die sie bislang immer te ich zusammen mit Krankenschwestern gegangen waren. Eine Erkenntnis, die mich einen verletzten Matrosen nach London, seit 30 Jahren, egal wo ich mich befinde, der sich nach einem Freundschaftsspiel immer begleitet hat. gegen „meine“ Mannschaft beim Baden den Halswirbel gebrochen hatte. Nach Dann aber kam für mich der erste große einem notwendigen Kehlkopfschnitt char- „Hammer“: Zwei Männer waren zum Tode 33