5. Ein Reisebericht mit
Herz und Ball
Vier Jahrzehnte lang hat Burkhard Pape Und während die deutsche Fussball
den deutschen Fussball im Ausland Nationalmannschaft im Laufe der Zeit in
erfolgreich repräsentiert. Viel hat sich so manchen internationalen Turnieren
geändert seit er mit seiner Art der Schwäche zeigte, gewinnt Pape mit
„Entwicklungshilfe“ damals begann. „seinen“ Teams aus zwei Kontinenten
Auch sportlich sind die Kontinente dutzende von Wettkämpfen, pflegt
enger zusammengerückt. Die Afrika- mit seiner Arbeit das gute Image des
Meisterschaften sind heute fester deutschen Fussballs und sorgt für
Bestandteil mitteleuropäischer live- ein positives Image der Deutschen
Sportprogramme im Fernsehen und insgesamt.
im Internet. In diesem Buch schildert
ein Insider, wie alles begann, wie es Während ein Franz Beckenbauer
im Laufe der Jahre weiterging und wie im Rampenlicht zuerst mit genialen
ein echtes deutsches Exportprodukt Pässen die Stürmer bediente und
im Ausland erfolgreich eingeführt danach im internationalen Fussball
wurde. Burkhard Pape konnte dabei auch als Funktionär die Fäden zog,
auf die Unterstützung von Freunden, arbeitet Burkhard Pape, von der
Firmen und Helfern zählen, auch wenn Öffentlichkeit viel weniger beachtet im
oft die Mittel für eine noch konkretere Ausland erfolgreich daran, deutsche
Hilfe fehlten, weil der Sport unter Ideen und Qualität in viele andere
den Politikern nicht den Stellenwert Länder zu tragen.
geniesst, den er vielleicht erhalten
sollte. Hier waren es vor allem der Während in Deutschland Rassismus
Deutsche Fussballbund und adidas, und Gewalt gegen Ausländer immer
auf deren Unterstützung der Trainer wieder für Schlagzeilen sorgten, bis
zählen konnte. Und so wanderten vor allem mit der Fussball-WM 2006
begehrte deutsche National-Trikots auch diese unschönen Geschehnisse
nicht selten in die Hände von jungen zu einem guten Teil relativiert wurden,
Talenten aus den sogenannten passt sich ein deutscher Fussballtrainer
„Entwicklungsländern“ und trugen an unbekannte Kulturen an und sorgt
zur Motivation vieler ambitionierter für eine Völkerverständigung direkt
Jugendlicher bei. Schon seit Beginn am Menschen, von der die meisten
deustcher Entwicklungshilfe kleideten im Ausland tätigen Diplomaten nur
sich die Nationalspieler dieser Länder träumen können.
stolz in drei Streifen, die zum Symbol
für Sportsgeist, deutsche Qualität und Der Sport entfacht Leidenschaft, setzt
herausragende Leistungen geworden Emotionen frei und ist – fairness und
sind. Sportsgeist vorausgesetzt – eine
5
6. der Förderung würdige Variante des Kulturen aufmerksam beobachten und
menschlichen Bedürfnisses, sich mit integrieren möchten. Pape, zusammen
anderen zu messen. Ein Diplomat mit adidas, dem DFB und weiteren
hinter seinem Schreibtisch kann nicht Förderern, hat dies als grosser
so viele Sympathien gewinnen wie Sympathieträger in Afrika und Asien
der Trainer auf dem Platz. Pape war vorgezeigt und einen wichtigen Beitrag
während der Arbeit in den Ländern, zur Re-Integration der Deutschen in die
in denen er eingesetzt wurde, internationale Familie geleistet.
bekannt und beliebt wie hierzulande
Rumenigge, Vogts, Beckenbauer und Die sprichwörtlichen „deutschen
Klinsmann. In Deutschland wurde von Tugenden“, die vor allem der Fussball-
seiner sympathischen Arbeit kaum Nationalmannschaft immer wieder
Notiz genommen, eine Lücke, die das bescheinigt werden, wenn sie ein
vorliegende Buch schliessen möchte. verloren geglaubtes Spiel noch aus
dem Feuer reisst, hat Pape erfolgreich
Deutschland hat nicht erst mit der international weitergegeben, vor
„WM der Herzen“ gezeigt, dass das allem auch in Ländern, in denen
Trauma und die Schande, die Hitler keine „deutsche Ordnung“ herrscht,
dem Volk nach dem 2. Weltkrieg in denen Länderspiele nicht 2 Jahre
hinterlassen hatte, endgültig der vorher geplant sind, in denen man
Vergangenheit angehören sollten. Dass statt auf Medizinbälle zum Training auf
die Deutschen ein gastfreundliches, Kokosnüsse zurückgreifen musste und
multikulturelles Volk sind und andere in denen die Beschwörung von Geistern
Die „Sportspende“ aus Deutschland wird in Sri Lanka...
6
7. ... genauso wie in Thailand begeistert empfangen
vor dem Spiel auch heute noch zum Papes blonde und hellhäutige Kinder
Alltag gehört. Der Mensch Burkhard sind auf viele internationale Schulen
Pape hat sich daran angepasst gegangen. In einer mehrfarbigen
und dennoch jene „ordentlichen“ Fussballmannschaft spielte die
Tugenden trainieren lassen. Der Erfolg Nationalität für sie nie eine Rolle,
hat ihm Recht gegeben und an seinen sondern nur, ob einer ein besserer
ehemaligen Wirkungsstätten hat er Tormann oder Stürmer war.
bleibende Eindrücke hinterlassen und
ist dort auch heute noch bekannt wie in
Deutschland ein Gerd Müller. Dieses Buch blickt auf spannende
Jahre im Ausland zurück, kann
Der Sport kann Barrieren auflösen, wo sowohl als Abenteuer-Bericht gelesen
die Politik scheitern muss. Sport ist eine werden, als auch als Grundlage für
Sprache, die die ganze Welt spricht, der eine erfolgreiche Strategie globaler
Sportler wird zum Kinde, indem es ihm Integration innerhalb und ausserhalb
nur um grundsätzliche Werte von Sieg des Fussballplatzes.
oder Niederlage, Einsatzbereitschaft Ein Erfolg, der dank jahrzehntelanger
und Emotionsfülle geht. guter Zusammenarbeit mit adidas,
Es wird gejubelt und geweint, Gegner weiteren Förderern und mit seinen
umarmen sich und werden ausserhalb Weggefährten aus Sport und Politik,
des „Kampfplatzes“ zu Freunden. erst zustande kommen konnte.
7
9. E
ndlich bin ich dazu gekommen, einmal kennt Rummenige, Beckenbauer, die Ver-
aufzuschreiben, wie „exotisch“ eigent- eine Bayern, Borussia Mönchengladbach,
lich mein Leben gewesen ist. HSV – obwohl man diesen Vereinsnamen
nur ganz schlecht aussprechen konnte.
Nach Kindheit und Jugend in Magdeburg, wo Zuerst wusste ich nicht, welcher Verein mit
ich als knapp 13-Jähriger das Kriegsende einem für die Afrikaner völlig unaussprech-
und vorher die Bombenangriffe erlebt hatte, lichen Namen gemeint sein konnte. Aber da
kam es in der DDR-Zeit noch ganz normal man mich dann immer: fragte: „Burkhard,
zu einer breit gefächerten sportlichen Lauf- kennst Du den Verein mit vielen jungen
bahn. Spielern, die immer so einen tollen Angriffs-
Zuerst war es die Leichtatlethik mit Meister- fußball spielen? Als ich dann den Namen
schaften im Zehnkampf, danach war es der „Mönchen-Gladbach“ aussprach, wurde mit
Fußball in Spitzenmannschaften in der DDR leuchtenden Gesichtern genickt. Aber den
und nach meiner Flucht ab 1953 auch in Namen dieses Vereins selbst auszuspre-
der Bundesrepublik. Das Exotische begann chen, das sollte einfach nicht klappen!
12 Jahre später. Seitdem hat es mein Leben
bestimmt, und ich meine, dass ich insge- Wie fing das alles mit diesen 36 Jahren fas-
samt sehr viel erlebt habe. zinierender Arbeit im Ausland an? Vorher
Wenn ich heute davon erzähle, dann pas- war ich einige Jahre Verbandssportlehrer
siert es mir oft, dass jemand sagt: „In die- beim Badischen Fußballverband auf der
sen Ländern, da war ich auch schon!“ Es Sportschule Karlsruhe-Schöneck. Das war
sind oft Menschen, die dort für 14 Tage eine sehr schöne, einprägsame Zeit. Ob-
ihren Urlaub verbrachten und die dann von wohl ich dort der jüngste Verbandssport-
diesem Land erzählen wollen. lehrer gewesen bin, war ich sicher nicht der
Sehen wir uns jetzt das Wort „exotisch“ ein- Schlechteste. Dort habe ich viel gelernt.
mal genauer an! Wenn man sich überlegt, Nicht nur, soweit es um Pädagogik ging, son-
dass ich 36 Jahre im Ausland unterwegs dern noch mehr konnte ich den Umgang mit
war, hat mich in dieser Zeit trotzdem der den Funktionären lernen. Das war eine Fra-
Begriff „Ausländer“ gekennzeichnet. Es ist ge, die sich immer wieder auch im Ausland
aber zu akzeptieren, dass ich mich selbst in stellte: Wie komme ich mit den Offiziellen,
manchem dieser Länder schon nicht mehr mit den Funktionären zurecht? Das war
als Ausländer empfand. Dazu passt auch, weit problematischer in Afrika oder Asien,
dass wir heute hier bei uns von den Proble-
men mit der Immigration sprechen, wenn
von den Menschen die Rede ist, die zu uns
nach Deutschland gekommen sind. Meine
Situation war anders, dass ich nämlich als
Repräsentant 36 Jahre lang Ausländer war
und davon je zur Hälfte 18 Jahre in Afrika
und 18 Jahre in Asien. In der gesamten Zeit
habe ich deshalb aber nie das erlebt, was
sich hier bei uns mit den Immigranten leider
so tut.
Man meint, wir könnten sehr stolz sein! Man Treffen der Verbandssportlehrer 1961 auf der
bewundert den deutschen Fußball, man be- Sportschule Schöneck. Mit dabei: Helmut
wundert den deutschen Fußballbund. Man Schön, Sepp Herberger, Burkhard Pape
9
10. als schon in Deutschland. Aber ich hatte in ich Verbandssportlehrer in Karlsruhe, lernte
meiner Heimat gelernt, wie auch mit schwie- viel, hatte aber stets die Worte von Sepp
rigen Leuten umzugehen war. Viel geholfen Herberger in Erinnerung und wußte, dass
hat mir ausserdem, dass ich bei Sepp Her- ich irgendwann einem solchen Ruf ins Aus-
berger, dem damaligen Bundestrainer, ei- land folgen würde.
nen „Stein im Brett“ hatte. Er war mit der Es war also 1965, als der DFB laufend An-
Nationalmannschaft mehrfach bei mir in fragen erhielt und zwar besonders aus Afri-
Karlsruhe auf der Sportschule, und der gute ka: „Wir wollen einen deutschen Trainer für
Kontakt zu ihm war sehr hilfreich für mich. unsere Nationalmannschaft haben“. Zuerst
Eines Tage sagte er dort zu mir: „Burkhard, konnte der DFB nur antworten: „Dafür ha-
horche se mol! Se müsse was ins Ausland ben wir keine Trainer. Wir haben zwar Sepp
gehe! Se sin a guate Sportlährer un könne Herberger und seinen Assistenten Helmut
was!” Bei meinem bald darauf folgenden Schön, aber sonst niemanden dafür.“
Entschluß, dem Ruf ins Ausland zu folgen, Nachdem die Rufe nach einem deutschen
haben diese Trainer immer lauter
Worte von Sepp wurden, kam man
Herberger stark aber doch zu der Er-
mitgewirkt. Den kenntnis, dass die
Reiz, so etwas zu E n t w i c k l u n g s h i l fe
tun, gab es vor- auch zum Vorteil von
her schon immer. Deutschland viel-
Während mei- leicht doch ebenfalls
ner DDR-Zeit bis mit einem Fußball-
1953 hatte ich trainer wirkungsvoll
schon immer von zu ergänzen war. Der
Reisen geträumt, DFB sprach mit dem
was in der DDR Auswärtigen Amt,
oft ein Wunsch die Idee fiel dort auf
bleiben mußte. fruchtbaren Boden
Im Westen wurde mit der klaren Fest-
das zu meinem stellung: „Warum
Glück richtigge- sollten wir das nicht
hend zum Hobby! auch einmal versu-
Die Reisen ins chen“! Es wurde bei
Ausland waren diesen Gesprächen
meine Chance, aber auch deutlich,
viel für die eigene dass es nicht nur um
Horizonterweite- Sepp Herberger und Helmut Schön das Training einer Na-
rung zu tun. Ich tionalmannschaft ge-
habe sehr deutlich den Unterschied erlebt, hen würde, sondern auch um die Ausbildung
ob man lediglich für 2 bis 3 Wochen eine von Trainern, die jene Lücke füllen müssten,
oberflächliche Erfahrung als Tourist im Aus- die nach dem Weggang des deutschen Trai-
land machen konnte oder ob man mehrere ners entstehen könnte. Zu dieser „Hilfe zur
Jahre dort zwar ein Ausländer blieb, aber oft Selbsthilfe“ ist es dann auch gekommen! Es
den Eindruck haben konnte, fast zum Ein- war Sepp Herberger, der meinen Namen da-
heimischen geworden zu sein. mals ins weitere Spiel brachte. Er wies auf
Dazu kam es aber erst 1965. Bis dahin war mich als standfesten Verbandssportlehrer
10
11. hin, der sicher für eine solche Aufgabe qua- Das ist ebenfalls in West-Afrika und nicht
lifiziert sei, weil er erfolgreich Mannschaften weit vom Kongo entfernt. Wir haben hier
trainieren würde, mit der Amateurauswahl gerade den Sportminister von diesem Land
auch schon zu Spielen in anderen Ländern zu Besuch und der hat uns gesagt, dass
wie z.B. der USA gewesen sei. Er könne auch er nicht eher aus Deutschland weggehen
Trainer ausbilden, was er laufend tun wür- würde, wenn er nicht einen deutschen Trai-
de, weshalb er eine solche Aufgabe sicher ner mitnehmen könnte.“ Für mich klangen
mit grossem Einsatz und Aussicht auf Erfolg diese mit einem solchen Nachdruck ausge-
angehen könne. Und dieser Kandidat sei sprochenen Worte recht überzeugend, und
bereit, eine derartige Aufgabe zu überneh- ich fragte natürlich, ob ich mich mit diesem
men. Minister beim DFB treffen könnte, um ihn
Sepp Herberger war eine anerkannte Auto- kennen zu lernen. Nach dem O.K. fuhr ich
rität! Und mit seiner Fürsprache ging plötz- also nach Frankfurt. Auffallend an diesem
lich auch alles Ruck-Zuck. Wir trafen uns Minister war, dass er sich als Mann mit kräf-
in Bonn, wo damals das Auswärtige Amt tiger Leibesfülle herausstellte, weshalb es
residierte, das Innenministerium wurde mit in meiner direkten Art sofort meine erste
hinzugezogen und man kam mit dem DFB- Aktion gewesen ist, ihn über seinen Bauch
Beauftragten Passlack ganz schnell zu den zu streicheln und zu sagen: „Wenn ich also
nötigen Regelungen. Für mich war jedenfalls nach Sierra Leone komme, dann bist Du ei-
klar: Wenn die Regierung dahinter steht, ner meiner ersten Patienten! Denn so geht
dann kann ich mich darauf einlassen, dann das nicht als Sportminister!“ Das berühmte
passen die Bedingungen. „Ob jetzt Afrika, afrikanische Lachen ertönte daraufhin
Alaska oder Asien – ich bin bereit, das zu durch die Hallen des deutschen Fußball-
machen!“, das war meine Einstellung. Und bundes und dieser Mann aus Sierra Leone
ich wußte auch, dass mir niemand vom DFB und ich waren uns gleich näher gekommen.
und von den Regierungsbeamten sagen Das hat mir später in seinem Land sehr ge-
konnte, was genau mich dort erwartet und holfen, nämlich meine Art, recht burschikos
wie ich damit umzugehen hätte. mit allen meinen Gesprächspartnern ohne
Zuerst hieß es noch in Bonn, ich könne da- Rücksicht auf ihre gesellschaftliche Stel-
von ausgehen, dass der erste Versuch sechs lung umzugehen.
Monate im Kongo sein würde. Man fragte Dazu kam auch noch, dass ich Hennes Weil-
mich zum wiederholten Male, ob ich das tun weiler – der auf der Sporthochschule in Köln
würde, und ich antwortete erneut: „Ich bin auch mein Lehrer gewesen war – dort in
zu allem bereit, selbst wenn Ihr mich jetzt Köln besuchte, wo sich auch zwei Fußballer
in die Antarktis oder wohin auch immer sen- aus Sierra Leone in der Trainer-Ausbildung
den würdet“! befanden. Beide waren zwar noch nicht so
Es war somit alles klar. Die Ausreise war für weit, dass sie ihr Diplom bekommen konn-
Anfang Februar 1966 eingeplant. Ich muss- ten, aber ich sollte sie auf Wunsch von
te auf der Sportschule Ende des Jahres und Hennes Weisweiler gleich mit in ihr Land zu-
im Januar vorher noch einige Prüfungen rücknehmen und sie dort weiter ausbilden.
abnehmen. Plötzlich kam aber im Dezem- Den Grund dafür war, dass nämlich beide
ber der Anruf: „Würden Sie denn auch nach nur sehr schlechtes Englisch sprachen und
Sierra Leone gehen?“ Zuerst musste ich dem theoretischen Unterricht nicht beson-
fragen: „Wo ist das denn? Das hört sich so ders gut folgen konnten. Ich bin jedenfalls
nach Südamerika an.“ Die Antwort vom Aus- später in ihrem Land mit den Beiden sehr
wärtigen Amt war: „Wir mussten auch erst gut zurecht gekommen und habe sie zu gu-
einmal nachschauen“. ten Sportlehrern ausbilden können.
11
12. Es gab dann noch ein Gespräch im Auswär- Uganda die nächste große Herausforderung
tigen Amt mit dem späteren Bundeskanzler auf mich zu. Die erste Station war für mich
und damaligen Außenminister Willy Brandt. als Vorbereitung für die weiteren Stationen
Wir sprachen auch über die Verbindungen mehr als lehrreich und das zu einer Zeit im
zu meinem Elternhaus in Magdeburg. Mein Jahr 1966, als es bei uns in Deutschland
Vater war früher Bundesjugendführer im sehr wenig Wissen über Afrika gab.
Deutschen Reichsbanner gewesen, was
Willy Brandt bekannt war. Nachdem er mich
dazu befragt hatte, sagte er noch: „Herr Afrika vor 33 Jahren
Pape, wir wissen gar nicht, was Sie da ei- Burkhard Pape berichtet im Jahre 1975 in
gentlich alles in Afrika machen sollen?“ Ich der Fachzeitschrift „Der Fussballtrainer“
konnte nur sagen: „Ja, Herr Außenminister, (siehe Bild S. 14) über seine Erlebnisse vor
das weiß ich eigentlich auch nicht. Das kann Ort. Der vorliegende Artikel und das dort
mir nämlich niemand genau sagen!“ Willy präsentierte Afrikabild muten sicherlich ein
Brandt meinte daraufhin: „Machen Sie dort wenig überholt an, beweisen daher um so
bloß keinen Mist!“ deutlicher, welche Veränderungen, auch
Ich behaupte heute, nachdem 36 Jahre im dank der Sportentwicklungshilfe, in vier
Ausland daraus geworden sind, dass ich Jahrzehnten vor sich gegangen sind... :
wohl kaum „Mist“ gemacht habe. Auch aus
diesem Anfang in Sierra Leone, für den ur- Sport und Politik
sprünglich insgesamt 6 Monate eingeplant
waren, wurden dann nach mehreren Verlän- Im Leben der Afrikaner spielt der Sport eine
gerungen zwei Jahre. besondere Rolle. Man verspricht sich vom
Später kam nach dieser Anfangszeit in Sport, in einigen Bereichen auch mit Recht,
meinem ersten afrikanischen Land mit eine Chance der Anerkennung, die auf ande-
Trainingseinheit unter freiem Himmel: Burkhard Pape und konzentrierte Zuhörer
12
13. ren Gebieten noch nicht so schnell zu erwar- ständig das Gespenst „Prestige“ im Nacken
ten ist. Man hat eine Möglichkeit gefunden, stehen. Schulsport, Jugendarbeit, Lehrer-
sich den Bewohnern anderer Länder, Konti- und Übungsleiterausbildung sind Dinge, die
nente, auch den Völkern anderer Hautfarbe Zeit und Geld kosten, aber eben erst nach
als ebenbürtig oder gar überlegen zu erwei- Jahren Erfolge bringen. Wenn sich diese
sen. Dies ist ein Faktor, der den Sport zu Einstellung nicht ändert, wird der afrika-
einem politischen Hilfsmittel werden lässt, nische Fußball weiterhin nur als exotischer
aber leider der kontinuierlichen Entwick- Farbtupfer auf internationalem Parkett er-
lung im Wege steht. In Afrika ist der Sport scheinen, wie beispielsweise Zaire bei der
ein Politikum ersten Ranges. Allerdings aber letzten Weltmeisterschaft 74. Zaire hat mich
auch eines voller Widersprüche. Wirtschaft- nicht enttäuscht, da ich nicht mehr erwartet
liche Schwierigkeiten sind nur eins jener hatte. Die Publikumslieblinge gingen zwar
Probleme, die eine gute Sportorganisation kämpfend unter, verstanden auch durch
erschweren. An Geld mangelt es immer. einige Kabinettstückchen das Publikum zu
Ein Teil der jungen afrikanischen Staaten begeistern. Was aber fehlte, waren Routine,
sieht im Sport ein Mittel, um das Prestige Stellungsspiel, taktische Marschregeln, von
des eigenen Landes zu stärken. Es gibt aber Spielerpersönlichkeiten ganz zu schweigen.
auch massgebliche Persönlichkeiten ande- Wieder einmal gab es keine Chance für den
rer Staaten, die der Meinung sind, dass eine Schwarzen Erdteil.
gemeinsame afrikanische Sportbewegung
ein echtes Mittel sei, um zu einer grossen Der Hemmschuh des Prestigedenkens
politischen Gemeinschaft zu kommen. Die
Folgen solcher Politik haben wir leider schon Da ich nun selbst seit Jahren in Afrika tätig
erleben müssen, als der afrikanische Sport bin — in der Zwischenzeit mit vielen anderen
groβen Druck ausübte auf die Olympischen Kollegen —, weiβ ich, daβ das Prestigeden-
Spiele in München in der Frage der Teilnah- ken für uns ein sehr groβer Hemmschuh ist.
me von Rhodesien. Ich habe in West- und Ostafrika einige Revo-
lutionen erlebt. Die Arbeit mit der National-
Ein weiteres Problem der Beziehung von mannschaft ging danach immer sehr schnell
Sport und Politik ist, daβ in den meisten weiter. Andere Pläne wurden erst mal zu den
Ländern der Sport, oder besser seine Orga- Akten gelegt, da sie ja vom Vorgänger wa-
nisation, politisch abhängig ist und durch ren. Ob in West- oder Ostafrika, ich konnte
Staatsstreiche und Revolutionen immer wie- immer nur den Weg gehen, der für uns zu
der zurückgeworfen werden kann. Hause kaum verständlich erscheint: Erst
Spitzensport, dann kommt die Breite. Lei-
All diese Dinge, politisches Denken, Über- der wird dann aber die Breite auch wieder
bewerten des Prestiges, politische Abhän- sehr schnell vergessen, wenn die Spitze auf
gigkeit, hindern die kontinuierliche Ent- einmal für afrikanische Verhältnisse sehr er-
wicklung und die organische Aufbauarbeit, folgreich ist.
die notwendig wäre, um den Anschluβ an
andere Länder zu erreichen. Es ist nicht All dies macht es auch verständlich, dass
damit getan, bei der Teilnahme an grossen man hier bei unserer Arbeit gezwungen ist,
sportlichen Ereignissen immer wieder zu sehr schnell zu improvisieren. Ich glaube
erklären: Wir sind gekommen, um zu ler- kaum, dass ein Fussballehrer in Deutsch-
nen. Die Jahre zwischen grossen Sporter- land so vielseitig sein muss, wie es hier die
eignissen müssen genutzt werden, um den Verhältnisse von uns verlangen. Man hat
Aufbau zu fördern. Dabei darf aber nicht dort doch für viele Dinge „seine“ Leute. Es
13
14. gibt eine Art von Arbeitsaufteilung. Hier, im organisieren, dass wirkliche Vergleiche mit
Ausland, müssen wir alles in einer Person anderen auch möglich waren. Kaum vor-
verkörpern, einmal, weil es notwendig ist, handenes oder schlechtes Sportmaterial
zum anderen setzt man es bei uns voraus. setzte weitere Improvisationskunst voraus.
Es wird einfach erwartet. Zum Krafttraining mussten dann auch mal
Steine oder Kokosnüsse aushel-
fen, Palmen am Strand oder Ba-
nanenstauden wurden als Sla-
lomstangen zweckentfremdet.
Persönliche Schwierigkeiten,
unabhängig von den Menschen,
kamen dazu: Sprachbarrieren,
Wohnungsfrage, eigener Trans-
port, an wen kann man sich auch
mal mit einer fachlichen Frage
wenden, wen um Rat fragen,
sich eindenken in die Mentalität
des Afrikaners. Alles Dinge, die
sehr belasten können. Mit der
Zeit lernt man aber auch diese
Hürden zu meistern. Leicht ist es
sicherlich keinem von uns gefal-
len. Man muβte eben „seinen“
Weg finden. Von den Afrikanern
akzeptiert werden, heisst nicht
nur, auf fachlichem Gebiet Vor-
bild zu sein, das ist vielmehr
eine unbedingte Voraussetzung.
Das psychologische Problem
bei solch einem Einsatz dürfte
für viele das gröβte Hindernis
sein: Die Gewalttätigkeiten und
die Arroganz der früheren Kolo-
nialherren haben tiefe Wunden
hinterlassen. An uns liegt es, zu bewei-
Es begann in Sierra Leone sen, dass wir wirklich helfen wollen. Als
erstes muss man dem Afrikaner klarma-
Zwei Jahre Westafrika, zwei Jahre Sierra chen, dass ein Klassenunterschied, be-
Leone, das war mein erster Einsatz in Afri- dingt durch die Hautfarbe, für uns nicht
ka. Es waren schwere, aber auch schöne besteht, und zwar nicht nur durch nette
Jahre. Von der Mentalität und „Arbeitswut“ Reden, sondern durch Taten. So zu leben,
der Afrikaner hatte ich noch keine Vorstel- wie der Afrikaner, ist dabei nicht notwen-
lung. Mit der Nationalmannschaft zu ge- dig. Unserem Können, unserer Zivilisation,
winnen, setzte man voraus, da man ja jetzt unseren Lebensgewohnheiten konnten wir
einen deutschen Trainer hatte. Aber hier gerecht werden und dennoch das feste
war echte Pionierarbeit notwendig: Spieler Vertrauen der Leute gewinnen. Kleine Din-
im Lande zu finden; den Spielbetrieb so zu ge helfen dabei, diesen Weg leichter zu be-
14
15. schreiten: Transport der nass geschwitzten sagt, man sollte Pape zu diesem Zeitpunkt
Spieler, auch einmal im eigenen Auto, eine nicht gehen lassen. Wir haben erst jetzt die
EInladung der Mannschaft zum Kaffee Früchte seiner Arbeit zu sehen bekommen.
ins eigene Heim Bis zu höchsten Stellen Wenn wir Pape gehen lassen, wird Ugan-
muss man versuchen, auch auf sozialem da sofort bereit sein, sich ihn zu schnap-
Gebiet eine Verbesserung der Spieler und pen. Zur Zeit können wir es uns aber nicht
ihrer Familien zu erreichen. Dienstlich und leisten, den Standard im Fuβball wieder
auch privat habe ich sehr viele Reisen sinken zu lassen. Noch haben wir keinen
(überwiegend Safaris) in das tiefste Innere Nachfolger. Ein weiteres Jahr unter Pape
des afrikanischen Urwalds unternommen. würde für uns viele Probleme lösen“.
Entweder waren es Reisen zu den Ge-
burtsorten der Spieler, Besuche bei ihren Nun aber, ich ging. Im Gepäck viele Erfah-
Angehörigen, oder Fahrten zu Lehrgängen, rungen auf fachlichem Gebiet, Erfahrungen
„nup country“, oder Safaris, die wir einfach in der Behandlung der Menschen, aber im
unternahmen, um noch ,,echtes“ Afrika zu Gepäck auch Geschenke der Afrikaner
erleben, ein Afrika, wie wir es uns in un- und Filme und Farbdias von einem Land,
serer Jugend erträumt hatten. Die Kon- das wir natürlich viel gründlicher kennen
takte werden geknüpft in dem Milieu, aus gelernt haben als ein Tourist in wenigen
dem die Spieler kommen. Vieles wurde für Wochen.
mich leichter verständlich. Auch der groβe In Lagos ein uns schon vertrautes Bild: Sol-
Zauberer „Ju-Ju“, der auch heute noch im daten mit Maschinenpistolen. Da sie nicht
Leben des Afrikaners eine bedeutende auf uns gerichtet waren, was schliesslich
Rolle spielt. Der Europäer sollte sich nicht auch schon mal der Fall war, störte es uns
einbilden, über diesen Dingen zu stehen! nicht. Weiter ging es ´gen Osten.
Aberglaube, kultische Gemeinden, Feti-
schismus, der Glaube an das Horoskop der Daβ die klimatische Umstellung von West
Tageszeitung usw., all diese Dinge haben nach Ost keine Probleme brachte, war für
auch heute noch (oder heute wieder) einen meine Arbeit ein erster wesentlicher Faktor.
Platz in unserer Gesellschaft. Mir gelang Eine Umstellung betraf den Sport selbst.
es, das Vertrauen meiner Spieler so weit zu Organisatorisch war in Uganda alles leich-
gewinnen, daβ man mir sogar erlaubte, vor ter als in Sierra Leone. Seit Jahren gab es
einem Länderspiel gegen Guinea als Euro- ein „National Council of Sports“, Träger al-
päer dabeizubleiben, als zwei Stunden vor ler Sportarten, herrliche Rasenflächen, wo-
Spielbeginn der groβe „Ju-Ju“-Mann kam, bei selbstverständlich das gute Klima eine
um seine kultisch-heilige Handlung vorzu- wesentliche Rolle spielte, eine Sporthalle
nehmen. Ich war tief beeindruckt, einmal für 2500 Zuschauer, einen geregelten
durch das Erlebnis, aber auch von dem Spielbetrieb in den Regionen, aber leider
hohen Vertrauensbeweis. Man wollte mir auch nur wenige ausgebildete Trainer. Da
zeigen, ich sei einer von ihnen. ein Afrikaner als Nationaltrainer fungierte,
war meine erste Hauptaufgabe die Orga-
Von West nach 0st nisation des Spielbetriebs und die Ausbil-
dung von Trainern und Übungsleitern. Ich
Trotz gröβter Anstrengung der Afrikaner, war darüber nicht böse, enthob es mich
mich weiter im Lande zu behalten, hiess doch des Problems, immer nur ans Siegen
es für die Familie packen und es ging quer denken zu müssen, was man ja von einem
durch den Kontinent nach Ostafrika. Die deutschen Trainer erwartet. Die pädago-
Staatszeitung schrieb dann: „Offen ge- gische Aufgabe mit Lehrern, Übungslei-
15
16. tern und Trainern hatte auch ihre Reize und nur dienstlich, sondern auch privat Türen
- freie Wochenenden standen in Aussicht! zu den höchsten Stellen öffnete. Was dies
Die ersten Lehrgänge wurden durchgeführt, bedeutete, weiß nur derjenige, der längere
die Technical Colleges boten sich dabei mit Zeit im Ausland tätig war und die Probleme
ihren Sportanlagen an. Nach den erfolg- kennt, die auf allen Gebieten auftauchen
reichen Lehrgängen sah man nun auch, daβ und auch vom Arbeitgeber in Bonn kaum
dadurch eine Möglichkeit gegeben war, den behoben werden können.
Sport im Landesinneren zu fördern, denn
auch in Afrika ist ein Talent weder an einen Durch gute Kontakte konnte man fast Un-
Ort noch an eine Zeit gebunden. Nur muβ es mögliches, dienstlich und privat, möglich
eben gefunden werden! machen.
Schwarz-weiβe Kooperation Erfolge im Afrika-Pokal
Nach kurzer Zeit bat man mich dann aber, Da die Spiele innerhalb Ostafrikas einer In-
auch das Training und die Arbeit mit der zucht glichen, überzeugte ich den Verband
Nationalmannschaft zu übernehmen. Da von der Notwendigkeit, am Afrikapokal der
meine Bedingung, daβ mir der Afrikaner als Nationen und der Landesmeister teilzuneh-
Assistent zur Verfügung steht, angenommen men. Bedingt durch die Auslosung kommt es
wurde, kam es zu einer guten afrikanisch- dabei zu Vergleichen mit anderen Ländern
deutschen Zusammenarbeit. und auch Teilen Afrikas. Mit der Teilnahme
Nach zwei Jahren hatte ich eine Jugendna- an diesem Turnier wurde mir immer automa-
tionalmannschaft ins Leben gerufen. Somit tisch auch das Training des Landesmeisters
bekam mein Assistent eine selbständige übertragen - eine sehr erfolgreiche Tätigkeit
Aufgabe, bei der ich nur noch beratend zur in Verbindung mit der Nationalmannschaft.
Seite stand. Ein anderer Afrikaner, der vor- Zuerst kamen wir mit dem Vereinsmeister
malige Spielführer der Nationalmannschaft, bis ins Semifinale, zwei Jahre später bis ins
wurde mein Assistent und brachte es bis zu Endspiel. Der zweite Versuch mit der Nati-
einer Ausbildung in Köln als Fuβballehrer. onalmannschaft im Afrikapokal führte uns
Eine Nationalliga wurde eingeführt, um die nach großartigen Siegen in der Qualifikati-
Leistungsstärke zu verbessern. Sie spielte
über das ganze Land, und trotz Geburtswe-
hen und „afrikanischen“ Schwierigkeiten
wurde sie von Jahr zu Jahr erfolgreicher.
Die jährliche Teilnahme am Ostafrikaturnier
war für Uganda immer ein groβes Ziel. Daβ
dabei nicht nur sportliche Belange, sondern
auch politische eine Rolle spielten, war klar.
Wer ist der ,,Gröβte“ im Land? Uganda,
Kenia, Tansania oder Sansibar? Nun, die
,,Gröβten“ wurden wir. In meiner sechsjäh-
rigen Tätigkeit konnte Uganda viermal den
Pokal gewinnen, einmal wurden wir Zweiter, on - erstmals für Uganda - bis ins Endturnier
und einmal wurde er nicht ausgetragen, da nach Kairo. Eine Deutschlandreise meiner
Krieg im Lande war. Zweimal gewannen wir Truppe bildete einen weiteren Höhepunkt.
den Pokal mit den Junioren. für Ostafrika Das Länderspiel gegen die Amateure des
durchaus ein stolzer Rekord, der mir nicht DFB in Bamberg ging nur knapp 1:2 verlo-
16
17. ren. eigentlich alles erreicht, was den Leistungs-
Eine Revolution im Land - Idi Amin Dada stand der Nationalmannschaft betraf. für
kam an die Macht - änderte nichts an mei- den weiteren Unterbau fehlten die notwen-
ner Arbeit. Unter guter Bewachung und bei
,,Kriegsverhältnissen“ ging alles ordentlich
weiter.
Als erstmals eine Ostafrika-Auswahl aufge-
stellt wurde, mit Spielern aus allen vier Län-
dern, wurde mir die Ehre zuteil, als Trainer
dieser Auswahl berufen zu werden. Im Zuge
der Afrikanisierung war es für mich als Eu-
ropäer eine groβe Anerkennung von Seiten
der Afrikaner. So kam ich nach fast sechs-
jähriger Arbeit in Uganda, neben der Ausbil-
dung von Trainern und Übungsleitern, auch
zu einem nicht schlechten Rekord, nämlich
zu Gast bei Idi Amin
52 Siege, 18 Unentschieden und nur 13
Niederlagen. digen Gelder. Großartige Abschiedspartys
machten uns das Abschiednehmen noch
Es war eine lange, nicht immer leichte, schwerer, lieβen wir doch viele Freunde in
aber doch schöne und erfolgreiche Zeit in Ostafrika zurück.
Uganda. Die Tage der Unruhen sind heute
vergessen, wo man bewaffnet ins Kino oder Von der Nilquelle bis zur Mündung
zu einer Party fuhr, wo Überfälle an der Ta-
gesordnung waren, wo man nachts oft mit Von der Quelle des Nils verschlug es uns ca.
dem Gewehr durchs Haus schlich, weil man 600 km nördlich an die Mündung des Nils,
annahm, dass mit Pangas (Buschmessern) dem Lebensspender Ägyptens. Ein neues
bewaffnete Banden ins Haus einzudringen Einsatzland, ein neuer Wohnort, Kairo, un-
versuchten. Die Stunden der Angst sind sere neue Heimat. Neue Probleme, neue
nicht zu zählen, die meine Frau allein mit Bekannte, neues Einleben, neues Herantas-
Sohn im Haus verbrachte, da meine Tätig- ten an die schon vorhandenen Institutionen,
keit mich oft ins Ausland oder auβerhalb eigene Gedanken. Aber dies sind unsere
Kampalas führte. Dass auch meine Frau mit Probleme, mit denen wir leben, wir können
Waffen umzugehen weiss, war dabei nur auch nicht erwarten, daβ zu Hause dafür im-
ein kleiner Trost. Passiert ist allerdings nie mer volles Verständnis aufgebracht wird.
etwas. Die Angst war jedoch berechtigt, da
selbstverständlich in allen Zeitungen meine Ägypten nimmt mit Sicherheit eine Sonder-
Abwesenheit nachzulesen war. stellung ein unter den Ländern am Mittel-
meer. Ägypten, das Land der Pyramiden, eine
Nach fast sechs Jahren wurden von Seiten faszinierende, auch heute noch geheimnis-
der Uganda-Regierung alle Anstrengungen volle Welt am Nil. Tempel, Gräber, Riesen-
gemacht, mich auch weiterhin im Lande zu bildwerke haben schon Römer und Griechen
behalten. Präsident Idi Amin, ehemals selbst im Altertum in ihren Bann gezogen. Ein Dich-
Sportler. zu dem ich auch gute freundschaft- ter sagte einmal: ,,Der Ägyptische Boden ist
liche Beziehungen hatte setzte sich selbst Gold, der Nil ist ein Wunder, die Ägyptischen
dafür ein. Aber nach solch langer Zeit war Frauen sind wie himmlische Huris, und
17
18. sich, sondern eher etwas Verwir-
rendes, Gegensätzliches. Eine un-
beschreibliche Bürokratie und eine
geplante Volkswirtschaft, nach so-
zialistischem Vorbild gelenkt, führt
dazu, daβ Konsumgüter heute noch
sehr knapp sind. Menschenschlan-
gen vor den Staatsläden sind an
der Tagesordnung, das Wort Luxus
findet man nur bei sehr wenigen,
der „Bakschisch“, das „Öl zwischen-
menschlicher Beziehungen“, hilft
doch immer wieder weiter.
Malesh
Seit der Revolution 1952 regieren
erstmals Ägypter über Ägypten. In
den über 20 Jahren völliger Selb-
ständigkeit haben Kriege und po-
litische Ereignisse aller Art tiefe
Einschnitte in den Ablauf der Wirt-
schaft und auch im Sport gebracht.
Stillstand heiβt Rückgang, nicht nur
für den Sport. 30 Mill. Menschen le-
ben heute in Ägypten, davon etwa 7
Millionen in Kairo. Fast 2 Millionen
wurden nach dem ersten Krieg aus
den Städten Suez, Ismailia und Port
Said evakuiert. Mit der Eröffnung
des Suezkanals werden diese Leute
Gespannt verfolgt Pape die Künste seiner wieder zurückgehen. Ob das spür-
ägyptischen Jungs bar wird, ist fraglich, da täglich 3000 neue
Kairo ist die Stadt der Städte! „ Welch ein Ägypter das Licht der Welt erblicken. Ein Pro-
Glück. dass der Beruf mich dorthin brach- blem, welches sicherlich nicht kleiner wird,
te, wo Jahr für Jahr Tausende von Touristen denn vor zehn Jahren waren es ,,nur“ 1000.
ihre Träume von ,,Tausendundeiner Nacht“ Die Kriege haben auch in Kairo groβe Nar-
verwirklicht sehen wollen. Nur, mit Traumen ben hinterlassen, die Stadt ist abgenutzt,
ist es bei mir nicht getan. An den Pyramiden der Schmutz dringt aus allen Winkeln, der
fahre ich täglich vorbei. In Ägypten gibt es Zustand der meisten Strassen ist seit Jah-
aber groβe Probleme, was nach Revolution ren unverändert, der Verkehr hat aber be-
und zwei Kriegen gar nicht verwunderlich ängstigend zugenommen. Überfüllte Busse,
ist. Heute spricht man hier von einem ,,Wirt- uralte Autos auf den Straβen, die oftmals
schaftswunder“. Dies bezieht sich aber wohl kaum mit den notwendigen Lichtern ausge-
darauf, dass es doch immer irgendwie wei- rüstet sind, der Verkehrsfluβ, die Art zu fa-
tergeht. für westliche Besucher hat dieses hren, sich durchzusetzen, ist unvorstellbar.
Wunder nämlich wenig Wunderbares an Der Besucher, vom Flughafen abgeholt, at-
18
19. met erlöst auf, wenn er das Haus erreicht mern. In Ismailia und Port Said regen sich
hat. Er braucht Tage, um nicht immer wie- erste Lebenszeichen, die Bevölkerung kehrt
der als Beifahrer zu erschrecken. Um dies zurück. Der Aufbauminister Osman Ahmed
zu begreifen, muβ man eben die ,“Malesh“- Osman (auch Präsident eines Sportklubs,
Einstellung der Ägypter kennen (Malesh der schon in Bremen spielte) hat grosse
ist ein Wort, das ,,Vergebung“ und ,,macht Pläne. Man setzt groβe Hoffnungen auf die
nichts“ bedeuten kann), sich nämlich hin Deutschen, wohl beeindruckt von unserer
und wieder rücksichtslos und auch manch- Aufbauleistung nach dem Kriege. Wirt-
mal mit nicht ganz korrekten Mitteln durchs schaftsdelegationen geben sich in Kairo die
Leben zu boxen. Dies ist aber nur eine Seite, Türklinke in die Hand, sind Dauergäste in
mit deren Schwierigkeiten sich nur der Orts- den Hotels. Warten wir ab, was kommt. Die
ansässige auseinanderzusetzen hat. Dem wichtigste Voraussetzung für das Gelingen
Touristen eröffnet sich eine andere Welt. dürfte wohl sein, daβ im Nahen Osten kein
Herrliche ägyptische Restaurants in der neuer Krieg ausbricht, der mit Sicherheit
Stadt und am Nil, wo sich dann bei unter- nicht nur Tage dauern würde.
gehender Sonne die Feluken-Boote auf dem
trägen Wasser treiben lassen oder gar ge- Standort des Sports in Ägypten
gen den Strom segeln. Die 7-Millionen-Stadt
ist voller Dokumente vorchristlicher Vergan- Stillstand heiβt Rückgang. Wo steht nun
genheit, voll der Stätten islamischer Kunst. der Sport in Ägypten? Die Vergangenheit
Bei wechselnder Beleuchtung ist es immer hat gezeigt, dass bei dem 35-Millionen-Volk
wieder ein bedrückend-faszinierender An- ein sehr grosses Potential für den Sport
blick, über die riesigen Gebiete der Mame- vorhanden ist. Die Ägypter haben von allen
lukkengrabmäler zu blicken, ein enormes afrikanischen Staaten schon die gröβten
Gräberfeld mitten in der Stadt, dazwischen Fortschritte gemacht. Medaillen und inter-
viele herrliche Moscheen. über allem dann nationale Siege sprechen heute noch da-
die Zitadelle mit der groβen Mohamed-Ali- von. Die deutsche Nationalmannschaft hat
Moschee. Das ägyptische Museum und die hier in Kairo 1958 1:2 verloren, mit Spielern
Pyramiden von Gizeh und Sakkara sprechen wie Rahn, Tilkowski, Schnellinger, Morlock,
für sich selbst. Der Blick von der Sahara-City Schäfer. Nationalmannschaften aus aller
auf die Pyramiden, den Nil, im Hintergrund Welt waren hier schon zu Gast. Real Madrid
Kairo, dann wieder Wüste, dürfte auch für in seiner gröβten Zeit spielte zur Eröffnung
einen Touristen, der sich nicht so genau des 100 000 Mann fassenden Nasser-Sta-
in der Geschichte des alten Ägyptens aus- dions.
kennt, unvergesslich bleiben. Der nächt-
liche Lichtzauber um Sphinx und Pyramiden Ein organisiertes Vereinsleben, mit Kluban-
versetzt den Besucher in die fünftausend lagen für alle Arten von Sport, dürfte für Afri-
Jahre alte Kultur der Pharaonen. Fahrten ka (und nicht nur dort) als vorbildlich gelten.
nach Luxor, Kharnak, Assuan bilden weitere Der Gezira-Sporting-Club z. B. gilt als einer
Möglichkeiten, um Ägypten als Reiseland zu der gröβten Klubs in der Welt. Er hat über
entdecken. 30 000 Mitglieder, die ca. 20 verschiedene
Sportarten betreiben können. Die Klubs
Gross sind nun die Pläne der Ägypter für den haben eigene Stadien und eine Anhänger-
weiteren Ausbau des Landes. Der Suezka- schaft, die sich fast schon familiär vererbt.
nal mit seinen Millionen-Dollar-Einnahmen Mitglied in solch einem Klub zu sein, zählt
im Jahr spielt dabei die gröβte Rolle. Noch schon etwas.
ist er Sperrgebiet, noch liegt Suez in Trüm-
19
20. Der Fuβball ist auch hier Sportart Nr. 1. Uganda! Die Zeit war zu kurz, um wenige
Das Problem der Aufstellung einer Na- Wochen vor Turnierbeginn noch entschei-
tionalmannschaft liegt hier nicht wie in denden Einfluβ - vom Training abgesehen
Schwarzafrika im Stammesdenken, son- - auf die Mannschaft auszuüben. Seit Mo-
dern in der Rivalität der Vereine. Bei be- naten gab es kriegsbedingt keinen Spiel-
sonderen Punktspielen kommen oft 100 verkehr, kein geregeltes Training, es fehl-
000 Zuschauer. Da das eigene Stadion te einfach an Wettkampfpraxis. Da auch
nicht ausreicht, weicht man in das grosse das härteste Training keinen Wettkampf
Nasser-Stadion aus. Ein Freundschafts- ersetzt, wurden Testspiele in der Vorberei-
spiel der Eintracht Frankfurt im letzten tungszeit ausgetragen, erst A gegen B. was
Sommer brachte auch hier gegen eine ja auch selten einen echten Einblick gibt,
Vereinsmannschaft etwa 60 000 Leute dann Spiele gegen Dukla Prag als Trai-
auf die Beine. Aber wie sieht es mit der ningspartner. Leider kam es dabei zu den
heutigen Leistungsstärke im ägyptischen bekannten Zwischenfällen im Zamalek-
Sport aus? Die Vergangenheit ist Geschich- Stadion. Nach solch einer langen Fussball-
te - eine Hypothek, die belasten kann. Zwei pause war die Begeisterung noch grösser
Kriege haben den Sport und nicht nur den als erwartet. Das Stadion wurde gestürmt.
Fuβball - um Jahre zurückgeworfen. 1948 Zu einem Spiel kam es nicht, aber zu einer
wurde eine Nationalliga gegründet, aber Katastrophe. über 40 Tote wurden dann
nur neunzehnmal konnte sie bis zum Ende später gezählt.
durchgespielt werden. Immer wieder kam
es zu Unterbrechungen. Wir wissen alle, Dies war psychologisch auch nicht gerade
daβ gerade in den letzten zehn Jahren die der beste Weg der Vorbereitung, aber es
Entwicklung im Leistungssport so sprung- musste weitergehen. Persönliche Schwie-
haft gestiegen ist, daβ den Anschluβ zu ver- rigkeiten traten auch mal wieder auf.
lieren fast einer Katastrophe gleichkommt. Transportschwierigkeiten, Wohnungssuche
Beispiele auf vielen Gebieten des Sports in usw., Dinge, die gerade in solch einer Zeit
vielen Ländern gibt es dafür genug. die Arbeit nicht gerade erleichtern. Doch
Improvisieren, sich den Gegebenheiten
Mich reizte diese Aufgabe. In Spielen mit anpassen, auch wenn es nicht in den vor-
Uganda gegen Ägypten konnte ich sehen, gefertigten Plan paβt, sind eben Dinge,
welche Kräfte dort zu fördern sind, die die man können muβ, die ich mir auch in
auch auf internationalem Leistungsge- den knapp 10 Jahren Afrika gut angeeig-
bieten mitreden könnten, aber auch, daβ net habe. Sehr viel kollegiale Unterstüt-
durch die schon vorhandenen Vereine eine zung erhielt ich von Dettmar Cramer, der
gute Breitenarbeit möglich ist. in seiner Eigenschaft als Trainer der FIFA
im gleichen Zeitraum hier Trainerlehrgän-
Mit der neuen Mannschaft gegen die alte ge abhielt. Die Pokalspiele selbst hatten
kein sehr hohes Niveau, gemessen am in-
Meine Ankunft in Kairo fiel fast zusammen ternationalen Standard. Trotz mangelnder
mit dem Endturnier um den Afrika-Pokal Kondition und mit wenig Wettkampfpraxis
der Nationen. Ägypten war als Ausrich- konnten wir gegen Uganda, Zambia, Elfen-
ter qualifiziert. Mit Uganda hatte ich - im beinküste und Kongo-Brazzaville gewin-
Rahmen meiner letzten Tätigkeit - dieses nen. Gegen Zaire verloren wir dann trotz
Turnier nach Siegen über Algerien erreicht. einer 2:0-Fuhrung noch 3:2. Zaire wurde
Mein erstes Länderspiel in Kairo hiess, so dann auch Afrikapokalsieger und vertrat ja
wollte es die Gruppeneinteilung, Ägypten - bekanntlich den afrikanischen Erdteil bei
20
21. der WM 74 in Deutschland. vier Punktspiele ausgetragen werden. Über
die Zahl der erhaltenen gelben Karten wer-
Da die konditionellen Mängel gerade bei den die Vereine jedes Mal informiert. Ein
der ägyptischen Mannschaft deutlich ägyptischer Schiedsrichter war auch Leiter
sichtbar wurden — Wadenkrämpfe, Er- bei der WM 74 im Spiel Deutschland gegen
schöpfung, Tempoverlust usw. - , tauchte Australien.
die Frage auf, ob der momentane Lei- Auch mit der Trainerausbildung konnte
stungsstand überhaupt ausreicht für den ich beginnen. Der ägyptische Verband ist
Leistungssport. Eine Untersuchung ergab in 5 Zonen aufgeteilt: Kairo, Alexandria,
dann interessante Resultate. Bei den Spit- Delta, Kanal und Oberägypten. Die Zonen
zenkräften des ägyptischen Sports wurde verfügen über eine eigene Verwaltung
ein Lungenvolumen von ca. 4 Litern festge- und haben ihren Regionalfuβball und die
stellt. Da 5,56 Liter heute für die Belastung Spielrunden der Jugendlichen unter sich.
im Leistungssport verlangt werden, war es Der Hauptverband, mit Sitz in Kairo, leitet
kein Wunder, dass die Spieler den Bela- die Nationalliga, die mit 18 Mannschaften
stungen von Wettkampf und Training nicht über das ganze Land spielt. Da die Lei-
gewachsen waren. Drei Freundschafts- stungsstärke nicht so groβ ist wie die Zahl
spiele gegen die Eintracht Frankfurt vor der der Vereine, kommt es leider immer wie-
WM zeigten noch einmal, daβ die spiele- der zu sehr niveaulosen Spielen. Der echte
rischen Mittel durchaus genügen, um auch Spitzenspieler braucht sehr oft nur die hal-
Profimannschaften vor echte Probleme zu be Kraft, um zu gewinnen. Es fehlt der ste-
stellen. Aber leider eben noch nicht für 90 tige Leistungsdruck, das Abverlangen einer
Minuten. Nach der WM, die auch hier mit ständigen Höchstleistung, die dann ja erst
Spannung verfolgt wurde, begann dann zur Beständigkeit führt. (Im Vergleich dazu:
erstmals nach langer Zeit wieder eine unsere Bundesliga heute und die Oberliga
Punktspielrunde. In den vergangenen 26 damals).
Jahren konnte Kairo den Titel der ,,National
Club“12mal gewinnen, Zamalek 4mal und Guter Nachwuchs
Mehalla, das jetzt im Endspiel um den Afri-
kapokal der Vereinsmeister stand, Ismailia Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung,
und Arsenal je einmal. Daβ nach den zwei wenn auch langsam, ist nun auch im Sport
Kriegen die Punktspieleinnahmen für die wieder geregeltes Leben eingekehrt. Die
Vereine sehr wichtig sind, durfte wohl je- Liga läuft, zusätzlich haben wir jetzt in den
dem klar sein, denn nach solch langer Zeit einzelnen Zonen Sichtungsspiele gemacht,
sieht es auch für den Verband nicht gerade um bei den Jugendlichen unter 18 Jahren
rosig aus. die Talente herauszupicken. Um den lau-
fenden Spielbetrieb nicht zu unterbrechen,
Viermal gelbe Karte = 15 Tage Sperre flog ich mit einer Nachwuchsmannschaft
nach Damaskus. Es war ein Turnier (Kune-
Einige Schiedsrichterlehrgänge konnte ich tra-Pokal) mit 11 arabischen Staaten, die
schon durchführen, wobei das Niveau als direkt oder durch finanzielle Unterstützung
sehr gut bezeichnet werden kann. Dabei am Krieg gegen Israel teilgenommen hat-
wäre besonders zu erwähnen, daβ man ten. Mit drei Siegen und zwei Niederlagen
hier vom Verband aus die Regelung ein- brachte die Truppe weit mehr als erwartet.
führte, daβ die vierte gelbe Karte automa- Es gab uns weiteres Vertrauen, daβ wir bei
tisch zu einer Sperre von 15 Tagen führt, dem Nachwuchs auf dem richtigen Wege
egal, ob in dieser Zeit zwei, drei, oder gar sind.
21
22. Bezahlte Amateure meine Aufgabe sein. eine gute Verbindung,
ein besseres Verständnis zwischen Vereinen
Der hiesige Fußball ist auf Amateurbasis und Verband herzustellen. Mein Angebot,
aufgebaut. Durch den Verein kann der Spie- auch die Vereine zu unterstützen, wurde
ler aber doch „einiges“ Geld machen. Ein nach einigem Zögern überraschend schnell
guter Spieler kann durchaus auf 600-800 angenommen. Der Zamalek-Klub, der bisher
DM im Monat kommen. Es gibt dabei eine einen Trainer aus der CSSR hatte und sehr
Staffelung nach Tabellenplatz, Zuschauer- viele Spieler an die Nationalmannschaft
zahl, Wichtigkeit des Spieles usw. Von den abstellt, bat um meine Hilfe, auch Arsenal.
Einnahmen gehen 10 % an den Verband Gern bin ich diesem Wunsch, nach Abspra-
ab, 5 % an die Zone. Die Eintrittspreise lie- che mit dem Verband, nachgekommen, lag
gen zwischen 1 DM und 10 DM. All diese doch hier die groβe Chance, endlich einmal
Beträge sagen für deutsche Verhältnisse die Rivalität Verein - Verband zu beseitigen.
nichts aus. Wenn man aber bedenkt, daβ Ich als Nationaltrainer, sprich Verband, hel-
fe euch, dem Verein, ihr
müsst aber auch mir,
sprich Verband helfen.
wenn Spieler für die Na-
tionalmannschaft ge-
braucht werden. Durch
diesen Einsatz kam es
dann auch zu einer gu-
ten Zusammenarbeit
mit den Trainern, die ich
ja auch für meine Ver-
bandsarbeit brauchte,
deren Arbeit letztlich
entscheidend war für die
Verbreitung meiner Me-
thoden.
Hoher Besuch: Berti Vogts, Günter Netzer u.A. in Ägypten
Gute Trainer werden in
ein junger Verkehrspolizist knapp 100 DM Ägypten immer willkommen sein. Als Deut-
im Monat verdient, ein Arzt am Sportinstitut scher machte ich den Anfang. Mit meiner
es auf knapp 500 DM bringt, dann lohnt es Hilfe konnte dieser Sport wieder aus der
sich schon, in Ägypten bei einem Spitzen- Versenkung auftauchen, dorthin gelangen,
klub Fußball zu spielen, um zusätzlich diese wo er schon einmal war, dann aber weiterge-
Einnahmen zu haben. Leider führt dies aber führt werden bis zum Erreichen eines Stan-
auch dazu, daβ die Vereine kein allzu groβes dards, der es uns erlaubte, auf der internati-
lnteresse an der Nationalmannschaft zei- onalen Bühne des Fuβballs mitzureden. Der
gen, da der Verband nicht in der Lage ist, Weg wird nicht leicht sein. Es wird Zeit brau-
groβe Gelder zu zahlen. Bei richtigem Spiel- chen und natürlich auch Geld. Durch die
betrieb und einem oberen Tabellenplatz sind langen Jahre in Afrika hat man aber eine Art
die Vereine finanziell in einer weit besseren ,,brutales Durchhaltevermögen“ entwickelt,
Lage als der Verband. Im Gegensatz zum ohne das es einfach keinen Erfolg geben
anderen Teil Afrikas, wo die Schwierigkeit kann. Die Zukunft lag vor uns und ,,inshalla“
im Stammesbewuβtsein lag, würde es hier würden wir auch erfolgreich sein.
22
23. Sonne, Sand, nen deutschen Trainer auch in etwa genau
so vor, wie ich damals aussah: blond und
Siege und Sport von großer, kräftiger Statur. Einem solchen
Wunschbild habe ich perfekt entsprochen!
Eine sportliche und politische, lebensnahe So stellte man sich für das eigene Land
Geschichte den passenden Fußballtrainer vor. Die mir
entgegengebrachten Wünsche konnte ich
tagtäglich spüren in einem zwar nicht mit
Worten ausgesprochenen, aber trotzdem
Haben diese vier „S“, so frage ich mich deutlichen Denken:
heute, mehr als alles andere mein Leben „So, jetzt bist Du da und jetzt gewinnen wir
bestimmt? Es gab noch weitere lebens- mit Dir die Länderspiele gegen unsere Riva-
werte Dinge auf meinem Weg, aber trotz- len, gegen die Länder in der Nachbarschaft!
dem sind Sport und Sonne untrennbar mit So war es dann auch im weiteren Verlauf
meinem Leben verbunden, Sand (im Ge- meiner Zeit in Sierra Leone! Und nicht nur
triebe so mancher Maschinerie) hat sicher dort. Zuerst begann es aber mit den unmög-
so manches mal die Siege verhindert, nach lichsten Dingen.
denen ein Sportler so sehr sich sehnt wie
ein Wanderer in der Wüste nach dem leben-
spendenden Wasser.
Zu Anfang möchte ich gleich mit meiner er-
sten großen Herausforderung in dem mir bis
dahin völlig unbekannten afrikanischen Kon-
tinent, nämlich mit dem westafrikanischen
Land Sierra Leone beginnen, wo diese vier
„S“ mein Leben viele Monate bestimmen
sollten.
Für mich war dort alles richtiggehend neu
und mit nichts zu vergleichen, was ich bis
dahin erlebt hatte. Ich musste mich heran-
tasten an viele ungewohnte Dinge. Als ich
in Sierra Leone ankam, begleiteten mich
Schritt für Schritt die hohen Erwartungen
dieses Landes in den schon lange erwar-
teten zukünftigen Trainer der noch nicht
vorhandenen Fußball-Nationalmannschaft.
Aber zuerst war ich aus meiner Sicht nur
der „Ausländer“. Aber ich war doch ein be-
sonderer Ausländer, was ich bei jeder Be- Not macht erfinderisch:
gegnung mit Einheimischen spüren konn- Bänke statt Medizinbälle
te. Ich war jemand, von dem man sich viel
erhofft hatte - das habe ich später auch in Über die Platzverhältnisse wollen wir gar
anderen Ländern immer wieder erlebt und nicht einmal reden. Es gab nämlich auch
gespürt: „Jetzt bist Du endlich da, Du deut- keine vernünftigen Bälle; Medizinbälle wa-
scher Germane“. Und man stellte sich ei- ren völlig unbekannt. Große Kokosnüsse
23
24. waren der einzig mögliche Ersatz. Es wurde ne bereits vom Premierminister erwartet. In
Sand hinein gefüllt, damit wir überhaupt einer kurzen Rede wurden wir aufgefordert,
Gymnastik machen konnten. Als ich dann diese Führung zu verteidigen und möglichst
an hoch offizieller Stelle quengelte, dass wir noch auszubauen. Zugleich versprach er
nur einen einzigen Fußball hatten, wurde eine Erhöhung der Siegesprämie für jeden
ich beim Premierminister Sir Albert Margai Spieler auf 5 oder 8 Mark (genau weiß ich
persönlich vorstellig, der lange Jahre für die das nicht mehr). Wir konnten das 1:0 halten
Sierra Leone Peoples Party im Amt gewesen und ganz Sierra Leone feierte uns für die-
ist (von 1958 bis 1967) und der während sen historischen Sieg über den Nachbarn.
dieser Zeit, kurz bevor ich kam, der erste Zur Beruhigung der wutschnaubenden Libe-
Premierminister nach der Selbständigkeit rianer wurde dann aber schon für drei Tage
des Landes geworden war. Vorher war ich später ein neues Spiel ausgemacht. Es war
aber auch noch in der deutschen Botschaft, dann ein passender Erfolg für die Diploma-
um dort unseren Botschafter zu sprechen - tie, dass dieses Spiel mit Unentschieden
mit dem ich im weiteren Verlauf meiner Tä- ausging.
tigkeit einen sehr guten Kontakt hatte. Als In der Gesamtabrechnung waren auf jeden
ich ihm sagte, dass ich jetzt zum Premiermi- Fall wir erfolgreich. Das brachte mit sich,
nister gehen würde, um dort wegen der Bäl- dass mein Ansehen weiter beträchtlich ge-
le anzufragen, da meinte der Botschafter: wachsen war. Die Liberianer waren jeden-
„So können Sie doch nicht hingehen, so wie falls - das wurde mir berichtet - ausgespro-
Sie aussehen, nämlich im Sporthemd und chen neidisch auf den deutschen Trainer im
kurzer Hose!“ Nachbarland, und es gab auch gleich den
Ich machte mir nichts aus diesem Ein- scherzhaft ausgesprochenen, aber doch
wand und meine Antwort entsprach mei-
ner Einstellung: „Wenn ich jetzt im Anzug
mit Schlips komme, dann erkennt der mich
überhaupt nicht! Genauso war‘s auch. Sir Al-
bert Margai nahm die Sache sofort gut auf,
hatte aber doch den Einwand: „Ihr braucht
doch beim Spiel nur einen einzigen Fuß-
ball“. Da hatte er nicht unrecht für‘s Spiel
selbst; aber natürlich konnte ich ihm klar-
machen, was alles da noch zusätzlich so
dranhängt mit Ersatzbällen, den Mitteln für
das Training usw. Danach wurde die Sache
auch sofort ohne Verzögerung klar gemacht,
und wir hatten von nun an mehrere Fußbälle
und was sonst noch alles dazu gehört.
Es kam kurz darauf ein erstes, für Sierra Le-
one sehr bedeutendes Spiel gegen das ein
kleines bißchen größere direkte Nachbar-
land Liberia zustande. Auch politisch was
das mit langer Tradition schon immer so
ein ziemliches „Hick-Hack“ zwischen beiden
Ländern. Dieses Spiel gewannen wir knapp
aber verdient mit 1:0, und bereits nach Ende
der ersten Halbzeit wurden wir in der Kabi- Ballgefühl auch ausserhalb
des Fussballplatzes
24
25. ernstgemeinten Versuch eines Funktionärs 35 Jahren immer wieder geholfen hat, mich
von Liberia, mich abzuwerben sowie mich in die Lage der Leute zu versetzen, die ich
am besten gleich in das Nachbarland mit- trainierte, die ich brauchte oder mit denen
zunehmen. ich auch zusammen lebte. Es ging darum,
Nach guten Anfängen in Karlsruhe war ich nicht nur als Ausländer anerkannt zu wer-
schon in Deutschland ein begeisterter Ten- den, sondern als Mensch, der sich für die-
nisspieler geworden. In der Zwischenzeit jenigen interessiert, die dort leben und mit
hatte sich das nach ebenfalls in Sierra Leone ihnen auf gleicher Stufe stehen wollte. Und
herumgesprochen, was dazu führte, dass der sich nicht nur dafür interessiert, dass
ich mit dem mir inzwischen sehr gewogenen sie dort leben, sondern wie sie leben und
Premier Margai schon bald Tennis spielte. Er was sie erleben.
ließ sogar in seinem eigenen Wohnbereich Denn immerhin waren meine Spieler, die aus
Tennisplätze anlegen. Wir spielten dort lau- dem Urwald kamen, auch Menschen, mit de-
fend miteinander Tennis und hatten auch nen ich auskommen wollte. Es gab deshalb
dadurch einen sehr stabilen, richtig guten auch Tage, an denen ich bei den Spielern
Kontakt. Sport verbindet – das ist mir im und deren Familien im Dorf wohnte - unter
Laufe meiner Tätigkeiten wieder und wieder nicht immer ganz leichten Bedingungen -
aufgefallen – dort wo die reine Diplomatie aber das wurde von den Leuten anerkannt.
versagt, haben sich verschwitzte Sports- „Mensch, der interessiert sich doch für uns,
männer oft mehr zu sagen. der steht nicht nur da oben drüber!“
Gleich zu Anfang, nach wenigen Wochen in
Sierra Leone, trainierten wir als Vorberei- Es war jedenfalls kein Wunder, dass so aus
tung auf das schon geschilderte Spiel gegen den ursprünglich für Sierra Leone vorgese-
Liberia. Nachdem das Training vorbei war henen 6 Monaten, als ich eigentlich wegge-
und wir alle ziemlich staubig, dreckig und hen sollte, eine große Staatsaffäre wurde.
verschwitzt waren, ging die ganze Mann- Die deutsche Botschaft wurde eingeschaltet
schaft zum Duschen. Und ich ging natürlich und auch das Auswärtige Amt in Bonn. Alles
mit - was für mich vom Sport in Deutschland wurde getan, damit ich in diesem Land blei-
her selbstverständlich war, ohne mir dabei ben sollte. Natürlich ging diese Forderung
irgend etwas zu denken. Der deutsche Bot- auch an den DFB mit dem Ergebnis, dass
schafter rief mich einige Tage später an und mein Aufenthalt gleich auf ein volles Jahr
fragte, ob ich denn schon gesehen hätte, was verlängert wurde. Später kam nach ähn-
die lokalen Zeitungen schreiben würden. Ich lichen Forderungen an die gleichen deut-
musste ihm sagen: „Nein, was ist denn los?“ schen Stellen noch mal ein weiteres Jahr
Daraufhin hörte ich von ihm, dass in der Zei- dazu.
tung stand, wie sehr die Spieler mehr als
überrascht waren und dem Reporter gesagt Vorher hatte ich nach dem ersten Jahr in
hatten: „Der Trainer ist mit uns zusammen diesem Land Urlaub in Deutschland ge-
zum Duschen gegangen!“ Dass dies dort so macht und heiratete in Münster in Westfa-
großartig ankam, hatte ich nicht erwartet! len meine mir schon etwas länger bekannte
Dass ich nämlich als Weißer, als Europäer Freundin Bärbel, die auch Sportlehrerin war.
mit den schwarzen Spielern zusammen auf Wir kamen dann gemeinsam nach Sierra
Augenhöhe stand, brachte mir ungeahnte Leone zurück, hatten dort inzwischen ein
Sympathien ein. Und das war etwas, was ich schönes Haus, nämlich ein altes Kolonial-
vielleicht nur gefühlsmäßig gemacht hatte, haus gefunden, das auf Stelzen mit hartem
und was mir aber - wenn es zu ähnlichen Ge- Holz erbaut war. Bilder ließen sich übrigens
meinsamkeiten kam - auch in den nächsten in diesem Haus erst aufhängen, nachdem
25
26. man in dem harten Holz unter erheblichen nicht ganz so einfach zu überstehen. In den
Schwierigkeiten Löcher gebohrt hatte. Das folgenden Jahren gab es das hier in Sierra
harte Holz hatte mit den Termiten zu tun, die Leone wie später ebenfalls in anderen Län-
sich wegen der Härte nicht einnisten sollten, dern, wobei ich dann mit den gewonnenen
damit das Haus stehenbleiben und nicht zu- Erfahrungen aber bessere Reaktionen zei-
sammenbrechen konnte. Das waren alles gen konnte. In Sierra Leone war es für uns
neue Erfahrungen, die ich bis dahin noch beide jedenfalls etwas, was wir nicht er-
nicht gemacht hatte, weil ich mich damit im wartet hatten. Es kriselte zu dieser Zeit im
vorherigen Junggesellenleben überhaupt etwas weiter entfernten Ghana im dortigen
nicht in Berührung gekommen war. Ein-Parteien-System. Unser Premierminister
Albert Margai hatte hier das gleiche System
Meine Frau arbeitete inzwischen auch an auch einzuführen versucht. Die Opposition
den Schulen, führte dort sogar schon sehr war sehr dagegen. Von Regierungsseite ver-
früh so etwas Ähnliches wie das Bundes- suchte man nun, mich in solchen Fragen
sportfest bzw. die Bundesjugendspiele ein. einzuspannen. Aber ich wußte stets, dass
Das kam großartig an und wir waren beide als ich mich aus diesen politischen Angelegen-
leitende Akteure voll akzeptiert. Man konnte heiten rauszuhalten hatte. In allen meinen
auch mit Hilfe Bärbels vieles machen, was Einsätzen habe ich stets eine solche Haltung
im Sport weiterhalf und Fortschritte brach- eingenommen und bin gut damit gefahren,
te. Die zusätzlichen Aktivitäten von Bärbel dass ich immer gesagt habe: „Ich bin Sport-
machten sie sehr schnell genau wie mich ler, neutral und unpolitisch. Ich kümmere
weiter populär und sie trugen alle zur Fuß- mich deshalb auch nicht um die Politik in
ball- sowie Sportbegeisterung mit bei. Deutschland und genau so wenig um Eure
Politik oder um die der Nachbarländer. Ich
Jetzt möchte ich aber noch auf den Anfang verkaufe stattdessen nur Fußball“. Auf die-
meiner Zeit dort in Freetown, der Haupt- ser Basis konnte ich mich mit der Opposition
stadt von Sierra Leone zurückkommen. Als wie mit der Regierung immer gut verstehen,
ich dort nämlich ankam, erfuhr ich schon weil ich genau wußte: Wenn etwas passiert,
relativ bald, dass der zuständige Sportmini- dann kann es nur von der Opposition, der
ster überall voll Stolz erzählen würde: „Ich Polizei oder der Armee kommen. Deshalb
war es, der den Burkhard von Deutschland habe ich in den meisten der Länder, in de-
in Frankfurt beim dortigen Fußballbund für nen ich war, auch die Mannschaften der Po-
unser Land gekapert und nach hierher ge- lizei wie der Armee mit trainiert, denn es war
holt habe. Von diesem Sportminister wurde mir klar, dass wenn einmal eine Revolution
ich wenig später ebenfalls allen anderen kommen sollte, dass ich auch dort Helfer
Kabinettmitgliedern vorgestellt, was mir haben würde. In solche politischen Ausei-
und danach auch Bärbel viel Unterstützung nandersetzungen wollten nämlich weder
durch alle diese Amtspersonen gebracht meine Frau noch ich als frisch gebackener
hat. Als wir übrigens nach unserer Heirat Ehemann verwickelt werden.
in Deutschland gemeinsam dort ankamen,
wurde sogar eine Parlamentssitzung unter- Und so war‘s dann auch mit dem Nicht-ver-
brochen mit der Ankündigung: „Soeben ist wickelt-werden. Kurz nach der gerade be-
unser deutscher Trainer wieder gelandet!“ gonnenen Regenzeit hatte ich noch mit der
Mannschaft der Armee trainiert. Nach dem
Nun aber zu der Überraschung in diesem Training saßen wir in Freetown im Offiziers-
afrikanischen Land. Was in solchen Län- kasino zusammen, als der Colonel Johnson
dern nämlich auch passiert, ist manchmal zu mir auf einmal sagte: „Coach, morgen trai-
26
27. nieren wir nicht.“ Ich habe ihm als Germane so ähnlich passiert, dass ich schon etwas
natürlich sofort geantwortet: „Moment mal, wußte, was auf der deutschen Botschaft
hier wir trotz des Regens trainiert!“ Nach nicht bekannt war. Der Kanzler der deut-
einer Pause sagte er wieder: „Du, morgen schen Botschaft in Freetown, den ich dann
trainieren wir nicht!“ Ich bin dann sofort auf auch noch ansprach, es war ein Herr Süß
die Palme gegangen und habe geantwor- aus Darmstadt, reagierte aber als Mann
tet: „Horch mal her, Ihr seid hier geboren, mit langjähriger Erfahrung ganz anders.
ich komme hierher, der Regen ist warm und „Komm, Burkhard, zu uns ins Haus, ich bin
nicht wie der Schnee- und Eisregen bei uns bewaffnet, wir können uns 14 Tage halten.“
in Deutschland, und da wird hier doch wei- Ich erzählte ihm gleich, dass ich das sicher
tergemacht!“ Aber ich hatte nach dieser nicht brauchen würde wegen der mir ver-
mehrfachen Wiederholung des Hinweises, sprochenen Wachposten. Und als es dun-
dass morgen nicht trainiert würde, schon kel wurde, waren diese Posten tatsächlich
das Gefühl, irgendetwas dürfte nicht stim- da. Allerdings hatten sie Karabiner, die ich
men. Und dann sagte er mir, so dass es an- schon mal im Museum gesehen hatte und
dere nicht hören konnten: „Morgen ist ‚ne die wahrscheinlich noch aus dem ersten
Revolution! Aber Coach, Du brauchst keine Weltkrieg stammten.
Angst zu haben. Wir schicken Dir morgen
oben auf den Berg, wo Dein Haus steht, zwei Nachts rappelte es jedenfalls in Freetown
Soldaten, die bewaffnet sind. Dir passiert kräftig. Es gab allerhand Tote, aber zwei
jedenfalls nichts. Aber wenn Du jetzt nach Tage später war der Spuk vorbei und alles
Hause fährst, dann sag Deiner Frau, sie soll wieder in Ordnung. Mich rief dann aber der
noch schnell etwas zu essen und trinken Botschafter an und bat mich, in die Bot-
einkaufen, denn man weiß nicht, wie lange schaft zu kommen. Er sagte: „Ich muss Sie
so etwas dauert.“ unbedingt sprechen.“ Als ich bei ihm war,
meinte er, es könne mit der Revolution doch
Ich bin dann gleich zu Bärbel, die meinte aber noch weiter gehen, und es ginge ihm darum,
nur, dass ich spinnen würde oder dass man dass man meine Frau und mich sofort aus-
beim Training einen Scherz mit mir gemacht fliegen sollte über Dakar nach Deutschland.
habe. Als ich ihr dann aber die Geschichte Ich fragte ihn gleich: „Was ist denn dafür der
genauer erzählte, sind wir sofort doch noch Grund?“ Seine Antwort war: „Stellen Sie sich
tüchtig einkaufen gegangen. Zugleich hielt mal vor. Sie haben doch mit dem vorherigen
ich es für meine Pflicht, den Botschafter, zu Premierminister Tennis gespielt und hatten
dem ich genau wie in den anderen Ländern zu seinem Kabinett sehr gute Verbindungen,
später zu den deutschen Botschaften einen was Ihnen jetzt, wenn die Opposition ans
guten Kontakt hatte, über die bevorstehen- Ruder kommt, angekreidet werden kann!“
de Revolution zu unterrichten. Ich rief ihn an Ich meinte dazu aber nur: „Kennen Sie denn
und sagte ihm: „Herr Botschafter, Sie sollten schon den dann vielleicht möglichen neuen
sich darauf einstellen, dass heute Nacht Premierminister?“ Er verneinte das, aber ich
eine Revolution kommt.“ Er meinte darauf- konnte ihm sagen, dass ich ihn bereits ken-
hin allerdings: „Ach, Herr Pape, Sie hören ja nen würde. Und dieser Mann dürfte mich
nicht nur Gras wachsen, Sie hören ja eine genauso akzeptieren, weil er wisse, dass ich
ganze Wiese wachsen! Wenn so etwas läuft, mich immer klar aus der Politik raushalten
dann würden wir das bestimmt als Erste würde. Ebenfalls möchte dieser Mann je-
wissen!“ denfalls auch, dass wir Länderspiele gewin-
nen. Und dann sagte ich ihm noch: „Mich
Auch in späteren Zeiten ist das manchmal akzeptiert man hier überall, weil ich inzwi-
27
28. schen schon nicht mehr als Ausländer emp- den dort gab es viel Trauer, aber man ließ
funden werde. Man weiß hier, dass mich die es sich nicht nehmen, mich ganz großartig
Kultur des Landes interessiert und zwar mit zu verabschieden. Mit ihren Tänzen trat nur
all ihren Hintergründen, dem hier normalen für uns eine Tanzgruppe auf mit dem Namen
Familienleben, wie und wo die Menschen „Heart Beat of Africa.“ Mein Bruder war ge-
wohnen und alle diese Dinge, womit manch rade zu Besuch bei uns, und er nahm an der
ein Ausländer schon mal Schwierigkeiten Abschiedsparty mit teil. Als ich ihn eingela-
hat und nach wenigen Jahren das Land ver- den habe und er dort alles auf Tonband auf-
läßt. Das sind nämlich im Gegensatz zu mir nahm und einen Videofilm drehte, mussten
Leute, die wenig von den Bewohnern wissen wir allerdings versichern, dass die Darbie-
bzw. wissen wollen und nur an das hier zu tungen dort von meinem Bruder nicht kom-
verdienende Geld denken.“ merziell ausgewertet würden. Ich habe das
alles damals auch auf Tonband aufgenom-
Meine Zeit dort in Sierra Leone war jeden- men und freue mich über den Film davon.
falls weiter erfolgreich und die Arbeit machte Das Ganze damals war für uns ein wunder-
Bärbel und mir viel Spaß. barer Abschied. Was mir deshalb so nah und
plastisch in Erinnerung ist, weil es meine er-
Aber nach über zwei Jahren insgesamt teilte ste Station im Ausland war, der dann aber
man mir mit, dass ich jetzt mit einer Verset- noch viele weitere Stationen folgen sollten.
zung zu rechnen hätte. Bei meinen Freun-
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30. Drei Jahrzehnte in Afrika und kannt sind vor allem die indonesischen
Asien : 1966 - 1996 Inseln Java, Sumatra, Borneo, das heutige
Einige kurze Einblicke in eine aufregende Kalimantan, und vor allem Bali - die Insel
Tätigkeit voller Überraschungen der Götter.
Sierra Leone, Westafrika: Dichter Urwald bis Thailand. Allein der Name erweckt die
hinter das Haus. Schlangen im Garten oder verschiedensten Erwartungen: Exotische
gar in den Zimmern. Von Palmen umsäumte Tempelbauten und Paläste, mandeläugige
Traumstrände. Diamanten- und Edelstein- Schönheiten mit langem seidigen Haar, Ele-
vorkommen. Aber nur 46 Meilen asphal- fanten, tiefer Dschungel, Palmen und son-
tierte Straßen. Ein Schwarz-Afrika, wie man nige Strände am Golf von Thailand. Bang-
es sich in der Jugend erträumt. kok - weltbekannte Großstadt, die fasziniert,
Ostafrika: Das sind Uganda, Kenia, Tansania aber auch eine Zumutung sein kann, im
und Sansibar. Ostafrika steht für Buschsa- Widerspruch zwischen asiatischer Tradition
vannen mit den größten Tierreservaten der und westlicher Neuzeit.
Welt, aber auch für den höchsten Berg Afri-
kas, den schneebedeckten Kilimanscharo. Westafrika, Ostafrika, Ägypten, Sri Lanka,
Und auch der Victoria See, der zweitgrößte Indonesien und Thailand - nicht um einen
See der Welt, befindet sich in Ostafrika. Vor Reisebericht für die Tourismusindustrie
Tansania, im Indischen Ozean, liegt Sansi- handelt es sich im Nachfolgenden, sondern
bar, reich an Gewürznelken und Ausgangs- um die Beschreibung meiner Einsatz- und
ort vieler Afrika-Expeditionen; die exotische Arbeitsplätze als Fußballehrer in den letzten
Insel, die in den 90er Jahren des letzten 30 Jahren, aber auch um die Wahlheimat
Jahrhunderts gegen die in britischem Besitz meiner Familie mit den Geburtsländern un-
befindliche Insel Helgoland in der Nordsee serer Kinder.
eingetauscht wurde.
Ob ich nun nach so vielen Jahren in diesen
Ägypten, das Land der Pharaonen, der Sphinx Ländern ein „Afrika- und Asienkenner“ ge-
und der Pyramiden. Ein Land mit gewaltigen worden bin, lasse ich dahin gestellt. Dabei
Wüsten, ein Land aus Sand und Salzseen, bin ich sicher, daß wir Europäer die Menta-
ein Land mit einem Jahrhundertbauwerk, lität der Afrikaner und der Asiaten kaum bis
dem Suezkanal, der das Mittelmeer mit zur letzten Konsequenz verstehen werden,
dem Indischen Ozean verbindet, aber auch ganz gleich, wie lange wir uns in Afrika oder
ein Land mit modernen Großstädten. Asien aufhalten.
Da ich aber als Fußballtrainer in erster Li-
Sri Lanka, das ehemalige Ceylon, die Perle nie nur mit Einheimischen, die selten aus
des Indischen Ozeans: Unvorstellbar schöne der jeweiligen Oberschicht stammten, zu
Strände und Tauchparadiese, die bis zu den tun hatte, war es mir doch möglich, die Pro-
Malediven reichen. Plantagen mit Tee, Ka- bleme, Sorgen und familiären Hintergründe
kao, Kautschuk und Kokospalmen, die zum der Menschen kennenzulernen. Mit der Zeit
Teil auf 2.000 Meter Höhe liegen. entwickelte sich ein Vertrauensverhältnis
und Verständnis auf beiden Seiten - die Ba-
Indonesien, mit ca. 180 Millionen Einwoh- sis um überhaupt erfolgreich arbeiten zu
nern eines der bevölkerungsstärksten Län- können. So wird Verständnis und Interesse
der der Welt, bestehend aus über 13.000 an uns fremden Mentalitäten und Kulturen
Inseln mit weltweit den meisten Vulkanen, „eingetauscht“ gegen das Vertrauen der
von denen noch sehr viele aktiv sind. Be- Bewohner des Landes gegenüber einem
30
31. „Fremden“. sten „Engpässen“. Über Berlin floh ich zu ei-
ner Zeit in den Westen, zu der es die „men-
Doch vor weiteren Ausführungen über mei- schenfreundliche“ Mauer noch nicht gab.
ne doch sehr lange, schöne, aber auch nicht
immer ungefährliche Tätigkeit an so vielen Für Hannover 96, den VFR Neumünster und
unterschiedlichen Orten der Erde, zunächst den FSV Frankfurt spielte ich dann als Ver-
einmal ein paar Angaben zu meiner Person: tragsspieler in der Oberliga, der damaligen
1932 in Magdeburg geboren, waren die Jah- höchsten Spielklasse (Bundesliga wurde
re des Krieges und der Nachkriegszeit sehr erst 1962 eingeführt). Der Leichtathletik
einprägsam. Schon immer sportbegeistert, widmete ich nur noch wenig Zeit, da ich
war ich in Magdeburg ein aktiver und erfolg- mein Ziel verfolgte, an der Sporthochschule
reicher Fußballspieler geworden, der bis zur Köln das Examen als Fußballtrainer unter
höchsten Klasse spielte. Aber auch Hand- Hennes Weisweiler zu machen. Dafür benö-
ball spielte ich damals in der Stadtauswahl. tigte ich allerdings Geld. Als „der schnellste
In der Leichtathletik wurde ich in der dama- Rechtsaußen der Oberliga“ konnte ich mir
ligen DDR Jugendmeister im Fünfkampf und in den Jahren, in denen ich aktiv Fußball
zwei Jahre später Juniorenmeister im Zehn- spielte, ein finanzielles Polster schaffen, so
kampf. Schon früh war die DDR-Sportförde- daß ich anschließend, im Jahr 1959, in Köln
rung optimal. mein Examen erfolgreich ablegen konnte.
Zwar wurde man als großes Talent im Mehr- Danach war ich sieben Jahre lang als einer
kampf umhätschelt, aber die Bespitzelung der jüngsten Verbandssportlehrer an der
und das ganze System mit den widrigen herrlichen Sportschule Schöneck in Karls-
Umständen waren widerlich. Meine Eltern ruhe Durlach auf dem Turmberg tätig. Eine
und mein Bruder hatten die DDR schon früh wichtige und lehrreiche Zeit, die mir, wie
verlassen bzw. haben, wie man in Magde- ich später feststellen sollte, viel gab, um an
burg sagt, „rüber gemacht“. Dann kam der meinen exotischen Einsatzorten erfolgreich
Volksaufstand am 17. Juni 1953: Schwerbe- arbeiten zu können.
waffnete Stasileute mit Schäferhund verhaf-
teten mich wegen Spionageverdachts. In sehr guter Erinnerung blieb mir die Rei-
se der Badischen Amateurauswahl im Jahr
Keiner der sonst so hilfsbereiten Sport- 1962 in die USA. Es war das erste Mal nach
funktionäre machte auch nur einen Finger dem Krieg, daß eine Auswahl eine solche
krumm, um mir zu helfen. Niemand wußte, Reise antrat. In den drei Wochen Aufenthalt
wo ich mich befand. GottseiDank konnte wurden viele Spiele durchgeführt und nach
mein damaliger Trainer G. Gläser, der mich Verletzung zweier Spieler zog auch ich mei-
auch später oft unterstützte, die Mannschaft ne Fußballschuhe an, um die Auswahl auf-
davon abhalten, in Spielstreik zu treten, da zufüllen. Wenn ich damals gewußt hätte, an
mir dies mehr geschadet denn genützt hät- welchen Orten ich lehren und Fußball spie-
te. 10 Tage lebte ich in einer Einzelzelle mit len würde....
weiteren sieben Häftlingen im Zuchthaus.
Doch über Umwege und mit Hilfe des Sports An der Sportschule Schöneck lernte ich auch
wurde ich auf freien Fuß gesetzt. meine spätere Frau und Mutter unserer Kin-
der kennen, aber dazu später mehr.
Nach dieser Erfahrung hielt mich nichts Zwei wesentliche Dinge (oder Weisheiten)
mehr in der sozialistischen Volks-DDR - in gab ich in den Jahren an der Sportschule
der größten „Berg-Republik“ mit den mei- Schöneck den Menschen mit auf den Weg:
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32. - begeistert muß man sein, um begeistern meine Vorstellungen: Freies Arbeiten nach
zu können, meine Entscheidungen, dabei eine Natio-
- überzeugt muß man sein, um überzeugen nalmannschaft aufzubauen, im Lande auf
zu können. Talentsuche zu gehen und nationale Trainer
auszubilden. Allerdings konnte ich mir natür-
Damals war mir allerdings nicht bewußt, lich nicht vorstellen, was mich de facto er-
daß diese Philosophie in meinem weiteren wartete. Daß das Organisieren von Spielen,
Berufs- und Lebensweg ein große Rolle spie- das Massieren der Spieler, die Behandlung
len würde. Heute, nach 30 Jahren an so un- von Verletzungen selbstverständlich erwar-
terschiedlichen Plätzen der Welt, blicke ich tete wurde, überraschte mich kaum, Aber
auf so viel Ungereimtheiten in dieser Zeit daß das Tanzen, Singen und Klavierspielen
zurück und weiß, daß diese zwei Lehrsätze zur Selbstverständlichkeit wurden, hätte ich
notwendig waren und sind, um in meiner zu diesem Zeitpunkt in Deutschland noch
exotischen, turbulenten, schönen, interes- nicht gedacht.
santen und gefährlichen Tätigkeit Erfolg zu
haben. Aber wie stellte man sich im Jahr 1966 in
Westafrika einen deutschen Trainer vor?
Nennen wir diese Tätigkeit „sportliche Ent- Was erwartete man von ihm? Ich sollte es
wicklungshilfe“. Für diese Form der Entwick- bald erfahren:
lungshilfe ist der Kulturhaushalt des Aus-
wärtigen Amtes in Bonn zuständig, der DFB Abflug ab Hannover am 01.02.1966 nach
steht als fachlicher Berater zur Seite. Die Frankfurt, das Abenteuer Afrika beginnt.
GAWI, die heutige GTZ, ist für die Durchfüh- Von Frankfurt weiter nach Dakar (Senegal)
rung der sportlichen Entwicklungshilfe ver- mit Zwischenpause, um eine kleiner Ma-
antwortlich. Sepp Herberger, Herbert Wid- schine zu bekommen, die mich weiter nach
mayer und viele andere bestärkten mich, Gambia brachte. Nicht so wie heute, mit LTU
mein fachliches Können auch im Ausland oder Neckermann in wenigen Stunden mit
unter Beweise zu stellen. So habe ich dann komfortablen Abfertigungshallen, nein, der
das Angebot aus Bonn angenommen und Flughafen war noch aus alten Zeiten und
bin nach Absprache mit dem DFB (Detmar bestand nur aus einigen Baracken. Getankt
Cramer war damals mein Freund und Bera- wurde noch von Hand aus Fässern! Weiter
ter) nach Westafrika gegangen. gehts nach Sierra Leone, Freetown. Der Hin-
flug war schon interessant, aber das, was
Geplant war zunächst einmal ein Einsatz nun auf mich einstürmte war neu und fast
von nur 6 Monaten, als Versuch dieser Art unvorstellbar. So, wie man sich Afrika als
sportlicher Entwicklungshilfe. Aber schon in kleiner Junge vorstellt: Die Affen, die auf dem
Sierra Leone wurde aus diesen 6 Monaten Wege vom Flughafen zur Stadt zu sehen wa-
zwei Jahre. Heute sind es nun, ohne Unter- ren, waren nicht meinetwegen dort, sondern
brechung, 30 Jahre. Ich glaube, daß man sie sausten dort täglich durch die Gegend.
sagen kann, daß das AA, die GTZ und ich in- Sie gehörten dort so selbstverständlich hin,
zwischen aus dem Versuchsstadium heraus wie später zu meinem Hotel und als „Haus-
sind. tiere“ unserem Garten am Haus.
In Bonn und beim DFB in Frankfurt ergab Im Parlament, das gerade tagte, wurde eine
sich eine gute Gelegenheit, meinen künf- Unterbrechung eingelegt und man gab be-
tigen Arbeitgeber zu treffen, den Generaldi- kannt, daß der deutschen Fußballtrainer
rektor für Sport aus Freetown/Sierra Leone. eingetroffen war. Dies schien ein wichtiges
Das Ergebnis der Gespräche entsprach Ereignis zu sein. Ich erfuhr auch bald warum:
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33. Ein erstes Länderspiel gegen den Erzfeind terten wir ein Sportflugzeug und hielten
Liberia war geplant, frei nach dem Motto den Mann notdürftig am Leben.
„Nun haben wir einen deutschen Trainer,
nun gewinnen wir auch automatisch“. Der damalige Präsident von Sierra Leone,
der erste nach Entlassung des Landes
Am nächsten Tag begleitete mich „mein“ Di- in die Selbständigkeit, Sir Albert Margai,
rector General für Sport zu allen Ministern, kümmerte sich ebenfalls um den Fußball.
um mich vorzustellen, denn schließliche Erst als es mir gelang ihn davon zu über-
hatter er es ja geschafft, mich nach Afri- zeugen, daß zum Spiel ein Ball durchaus
ka zu holen. Die Minster waren zufriedne, ausreicht, aber zum Training mehrere Bälle
denn ich entsprach voll den Vorstellungen notwendig sind, wurde veranlaßt, eine ent-
der Afrikaner: groß, blond, kräftig und mit sprechende Anzahl Bälle zur Verfügung zu
lauter Stimme, so daß ich beim Training stellen. Fußball als Chefsache. Auch hatte
keine Pfeife benötige, scheut weder Sonne Margai das größte Interesse daran, daß
oder Hitze noch die Regenmassen in der ich sein Tennisspiel verbesserte, ein Ersu-
Regenzeit. Selbst das schwüle Wetter war chen, dem ich gerne entsprach. Überhaupt
für den „Germanen“ kein Grund, das Trai- hat mir die Sportart Tennis viel geholfen,
ning abzusagen. Verbindungen aufzubauen und Kontakte
zu festigen.
Eine Verhaltensweise, die von mir we-
der bewußt noch mit bestimmter Absicht Aber zurück zum Länderspiel gegen Liberia.
durchgeführt wurde, brachte mir gleich zu Nach kaum ausreichender Vorbereitung
Beginn meiner Arbeit in Westafrika großen - notwendige Medizinbälle wurden durch
Kredit ein: Als die Spieler nach dem ersten mit Sand gefüllte Kokosnüsse ersetzt - war
Training zu den Duschen gingen, konnten es soweit: das Länderspiel gegen Liberia
es die Spieler nicht fassen, daß ich mich stand vor der Tür, eine Mannschaft, gegen
ihnen selbstverständlich anschloß und mit die noch nie gewonnen worden war. Das
ihnen duschte. Im Jahre 1966 hatte man Haus war ausverkauft, denn man hatte
so ein Verhalten von einem Weißen nicht ja den Germanen als Trainer. Zur großen
erwartet. Dies und die Tatsache, daß ich Überraschung stand es in der Halbzeit,
beim Duschen meine wasserdichte Arm- nach gutem Spiel für uns, immer noch 0 :
banduhr am Handgelenk behalten konn- 0. Da kam der Präsident persönlich in die
te, machte anschließend die Runde in der Kabine und versprach eine Prämie für den
Stadt und in den Dörfern des Landes, was Sieg. Und wir gewannen 1 : 0! Der Jubel
ich allerdings erst später erfuhr. Jedenfalls war groß. Ich war der Größte. Schnell wur-
entstand durch das Duschen das Gefühl, de nach diesem Sieg noch ein Spiel für in
daß ich zu ihnen und daß sie zu mir ge- zwei Tagen vereinbart, um die Einnahmen
hörten. zu verdoppeln. Und wieder gewannen wir.
In Sierra Leone kam auch immer wieder zu Nur waren aus diesen zwei Spielen kaum
„Einsätzen“, die nun wirklich nicht zu mei- Einnahmen vorhanden. Sie hatten wohl
ner Trainertätigkeit gehörten. So begleite- „Wege“ gefunden, die sie bislang immer
te ich zusammen mit Krankenschwestern gegangen waren. Eine Erkenntnis, die mich
einen verletzten Matrosen nach London, seit 30 Jahren, egal wo ich mich befinde,
der sich nach einem Freundschaftsspiel immer begleitet hat.
gegen „meine“ Mannschaft beim Baden
den Halswirbel gebrochen hatte. Nach Dann aber kam für mich der erste große
einem notwendigen Kehlkopfschnitt char- „Hammer“: Zwei Männer waren zum Tode
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