Wie klimafreundlich sind unsere Produkte wirklich? Ein Gradmesser ist der Product Carbon
Footprint (PFC). Doch bislang weist ihn kaum ein Unternehmen aus, denn es fehlt ein durchgängiger Management-Ansatz. Der Artikel beschreibt einen Ansatz den PCF schon in der Produktentwicklung zu berücksichtigen.
1. 4/15 Mai/Juni D, A, CH: Euro 14,40 | ISSN 1618-002Xwww.digital-engineering-magazin.de
Innovative Lösungen für Konstrukteure, Entwickler und Ingenieure
CENIT: Ganzheitlicher Anbieter für PLM und Digitale Fabrik
Wettbewerbsfähiger durch
Prozessoptimierung und Beratung
Expertentalk
Additive Fertigung
beeinflusst Konstruktion
Sensorik
VorausschauendeWartung
mit Datenfusion vorantreiben
Kostenvorteil
DurchgängigeVerbindung
zwischen PLM und Produktion
ANZEIGE
Industrie 4.0 | Internet der Dinge
Kurt Bengel,
Sprecher des Vorstands
bei der CENIT AG,
erläutert im Gespräch,
wie Unternehmen ihre
Geschäftsprozesse mit
digitalen Mitteln schlanker
und effizienter gestalten
können.
2. Frankfurt am Main, 17.–20.11.2015
formnext.de
International tool making
and additive technologies
exhibition and conference
Weitere Informationen unter
+49 711 61946-825 oder formnext@mesago.com
Am internationalsten.
Am besten.
Am Main.
Der Werkzeug- und Formenbau, die Additiven Technologien/3D-Druck sowie
deren Zulieferer und Partner zeigen vom 17.–20. November auf der formnext 2015
in Frankfurt am Main Fachbesuchern aus aller Welt was sie können.
Profitieren auch Sie vom neuen und hochattraktiven Messekonzept in einer der
spektakulärsten Messehallen der Welt.
Where ideas take shape.
3. | EDITORIAL | 003
Liebe Leser,
in dieser Ausgabe finden Sie unter anderem
Fachartikel zum Thema additive Fertigung.
Additive Herstellungsverfahren entwickeln
sich – je nach Anwendung – für viele Industri-
en zu einer echten Alternative zu konventionel-
len Technologien beziehungsweise bieten eine
sinnvolle Ergänzung. Mit dem industriellen 3D-
Druck lassen sich heute schon funktionsfähige
Einzelteile oder Kleinserien flexibel und werk-
zeuglos fertigen. Die Einsatzgebiete sind viel-
fältig und prädestiniert für zahlreiche Branchen.
Beispielsweise kann man Flugzeugkomponen-
ten im additiven Fertigungsverfahren ebenso
herstellen wie Ersatzteile für Sondermodelle und
Vorserien im Automobilbau. Auch in der Medi-
zintechnik gibt es zahlreiche Einsatzzwecke für
den 3D-Druck. So sind patientenspezifische Im-
plantate keine Zukunftsmusik mehr, sondern
heute schon Realität.
Die additive Fertigung adressiert nicht nur
die Produktionsfachleute, sondern auch Kon-
strukteure. Schließlich haben die innovativen
Herstellungsverfahren große Auswirkungen
auf die Produktentwicklung. Dem Konstrukteur
bieten sie mehr Freiheit in der geometrischen
und konstruktiven Gestaltung. Allerdings wirk-
lich erst dann, wenn er sich von den bisherigen
fertigungstechnischen Zwängen und Kompro-
missen löst. Konstrukteure bekommen nämlich
mehr Designfreiheit, zum Beispiel lassen sich
über additive Fertigungsverfahren komplexe
Geometrien oder bionisch optimierte Bauteile
herstellen. Logischerweise wird das 3D-Druck-
gerechte Konstruieren in Zukunft auch immer
wichtiger und Konstrukteure sind gefordert, sich
dieses Wissen anzueignen.
Der 3D-Druck hat auch das Potenzial, die
Wertschöpfung im Unternehmen zu verändern.
Diese wird sich mehr und mehr von der Ferti-
gung in die Bereiche Konzeption und Konstruk-
tion verschieben. Schließlich kommt auf die Ent-
wickler eine immer wichtigere Rolle zu, da sich
das Design und die Konstruktionsdetails künf-
tig stärker auf die Herstellungskosten auswirken
werden als bisher.
Lesen Sie mehr über additive Fertigungsver-
fahren auf den Seiten 27 bis 33. Unter anderem
haben sechs Experten aus der Branche unsere
Fragen beantwortet.
Ihr
Rainer Trummer, Chefredakteur
Rainer Trummer
Chefredakteur
Neue Potenziale –
auch für Konstrukteure
PDM.PLM.
CIM DATABASE steht für hervorragendes Produktdatenmanagement
und Product Lifecycle Management – von der Konzeption und Planung
bis zur Industrialisierung. Das System unterstützt Unternehmen und
deren Ingenieure dabei, ihre wichtigste Arbeit noch besser zu machen:
erfolgreiche, innovative Produkte zu entwickeln.
25Jahre
Bremen | 17.–18. Juni
User Meeting 2015
4. DIGITAL ENGINEERING Magazin 04-2015
004 | INHALT |
Titelstory: CENIT möchte Feritungsunternehmen
mit Lösungen fürs Enterprise Information Ma-
nagement und einem neuen Consulting-Bereich
fit für die Zukunft machen 16
AKTUELL
Wirtschaftsticker
Macher und Märkte 6
Hannover Messe 2015
Wir blicken zurück 8
Simulations-Event im Juni
Anwender und Entscheider netzwerken
bei CADFEM und Ansys 8
Nafems lädt zum World Congress
Die Simulationsszene trifft sich in San Diego 9
Trends und Technologie
Neue Produkte und Verfahren 10
Veranstaltungskalender
Was, wann, wo? 14
MANAGEMENT
Titel-Interview: Mehr als PLM
CENIT: Mit Lösungen fürs Enterprise Information
Management und einem neuen Consulting-
Bereich fit für die Zukunft 16
In neuen Bahnen
Re-Engineering abgekündigter elektronischer
Leiterplatten durch die Deutsche Bahn 18
Product Carbon Footprint
Echter Umweltschutz erfordert ein durch-
gängiges Management des CO2-Ausstoßes
über alle Stufen des Produktlebenszyklus 21
Prozessgrenzen abbauen
Konstruktion, Qualitätssicherung, Lieferketten,
Fertigung, Logistik und Kundenmanagement –
wie Software hilft, Prozesse zu verheiraten 24
SPECIAL: ADDITIVE FERTIGUNG
3D-Druck-Mekka in Erfurt
Die Rapid.Tech steht Anfang Juni im Kalender,
parallel zur Enthusiasten-Messe FabCon 3D 27
Expertentalk zur additiven Fertigung
Know-how-Träger aus Industrie und
Forschung sagen, was Sache ist 28
3D-Druck bei Lamborghini
Zeit und Geld bei der Entwicklung von
Prototypen und Serienfahrzeugen sparen 32
<Sensoren sind immer und überall: Mit Erscheinen
dieses Heftes startet auch die Messe für Sensor-
und Messtechnik, Sensor+Test. Deshalb haben wir
dem Themenkomplex Sensorik & Bildverarbei-
tung ab Seite 38 elf Seiten gewidmet. Von Feed-
backsystemen über die intelligente Anbindung
von Sensoren und Highspeed-Bildverarbeitung in
der Forschung bis hin zur Fusion von Sensordaten
zeichnen wir die Vielfalt dieser Querschnittsbran-
che nach.
>Grenzen abbauen: Das Management der Pro-
duktentwicklung wird zunehmend komplexer.
Ideen wie Industrie 4.0 regen zur Diskussion an, ob
Management-Systeme wie PLM weiterhin an Ab-
teilungs- und Unternehmensgrenzen haltmachen
dürfen (Seite 16, Seite 24) und ob künftig nicht
auch der CO2-Ausstoß eines Produktes über den
kompletten Lebenszyklus bestimmt werden müss-
te (Seite 21). Bleibt die Frage: Wer ist da operativ
der Kapitän? Die Entwicklungsleitung wäre sicher
nicht die schlechteste Wahl – laufen hier doch heu-
te schon viele Fäden zusammen.
3D-Druck und allgemein die additive Fertigung entwickeln sich etwa so rasant, wie sich die Autos einer ihrer
Anwender fahren (Seite 32) – mit ein Grund, sich die Termine im Kalender anzustreichen: Anfang Juni finden
in Erfurt mit Rapid.Tech und FabCon 3D gleich zwei additive Messen zum 3D-Druck statt (Seite 27). Wer so
lange nicht warten will oder kann, die aktuellen Trends zu erfahren, schaut bei unserem Expertentalk zum
Thema rein (Seite 28).
Bilder:Balluff,inIT,Mikrotron,KüblerBild:LLandesmesseStuttgartBilder:LamborghiniundStratasys
5. | INHALT | 005
SIMULATION & VISUALISIERUNG
Interview: 35 Jahre in der Simulation
CAE- und CFD-Anbieter CD-adapco feiert Jubi-
läum und plaudert aus dem Nähkästchen 34
Nicht wirklich, aber real
Zunehmend finden Design-Prozesse im
virtuellen Raum statt 36
SENSORIK & BILDVERARBEITUNG
Feedback für den Antrieb
Permagnet-Nonius-Feedback-Technologie verein-
facht die Integration von Feedback-Systemen 38
Forschen gegen Hexenschuss
Belastungssimulator zur Erforschung der
Ursachen von Bandscheibenvorfällen 40
Drehgeber mit BiSS
Die BiSS-Schnittstelle kommt in
dynamischen Anwendungen an 42
Am Anfang der Nahrungskette
Bildverarbeitung und Strömungsmechanik helfen
bei der Erforschung der Ruderfußkrebse 44
Wenn Sensordaten fusionieren
Ein neuer Ansatz nutzt alle Anlagendaten
für die vorausschauende Wartung 46
HARDWARE & PERIPHERIE
Die neuen Großformatdrucker von HP
Schnell in Farbe und Schwarzweiß – bis zu
30 DIN-A1-Seiten pro Minute drucken 50
Von der Rolle
Schnell, trocken, wasserfest: Canon
stellt neue Großformatdrucker vor 51
Wirtschaftlich plotten
Epsons Neue können optional
auch scannen im Großformat 52
Zwei Mäuse, ein Treiber
Der Ingenieur hat zwei Hände: CADMouse
ergänzt SpaceMouse auf dem Schreibtisch 53
CAD & DESIGN
CAM: Was passt, das passt
Mastercam im Einsatz bei Finke Formenbau 54
CT setzt architekonisches Zeichen
CAD-Schnittstellen werkeln oft im
Verborgenen – 2015 bringt viel Neues 56
ELEKTROTECHNIK & AUTOMATION
Alle an einem Kabel
ifm verheiratet RFID-Technologie mit dem
Ein-Leiter-Sensor-Aktor-Bus AS-Interface 58
Ein Servoregler für alles
Lenze liefert Servoregler für Dosieranlagen
in der Parfüm- und Aromenindustrie 60
Ventile richtig regeln
I/O-Module für Proportionalventile in
Pneumatik- und Hydraulik-Systemen 62
24-Volt-Netzteile
Die neue Generation nimmt weniger
Platz im Schaltschrank weg 63
EDITORIAL 3
MARKTPLATZ 65
DIGITAL ENGINEERING SOLUTIONS 64
IMPRESSUM 66
VORSCHAU 66
Titelthemen
REDAKTIONELL ERWÄHNTE
FIRMEN UND INSTITUTIONEN
3Dconnexion [S. 53], Ansys [S. 8], Arburg
[S. 10, 28], AS-Interface [S. 58], B&R [S. 6],
Balluff [S. 38], Baumüller [S. 12], Beckhoff
[S. 12], CADFEM [S. 8], Canon [S. 51], CD-adapco
[S. 34], Cenit AG [S. 16], Coffee Solution [S. 10],
Comsol [S. 12], CoreTechnologie (CT) [S. 56],
Dassault Systèmes [S. 6], Deutsche Bahn AG
[S. 18], Deutsche Messe [S. 8], Epson [S. 52],
Festo [S. 6, 10], Finke Formenbau [S. 54], HP
[S. 50], ifm electronic [S. 58], Inneo [S. 6],
Institut für industrielle Informationstechnik
(inIT) der Hochschule Ostwestfalen-Lippe
[S. 46], Intercam [S. 54], Kübler [S. 42], Leichtbau
BW GmbH [S. 29], Lenze [S. 13], Lenze [S. 60],
Leuze [S. 40], Makerbot [S. 6, 29], Mastercam
[S. 54], MHP [S. 21], Mikrotron [S. 44], MSC
Software [S. 6], Murrelektronik [S. 63], NAFEMS
[S. 9], Open Mind [S. 13], PTC [S. 6], Rapid.Tech
[S. 27], Rockwell [S. 10], RS Components [S. 29],
Siemens Industry [S. 7], Siemens PLM Software
[S. 24], SKF [S. 10], Stratasys [S. 30, 32], Thing-
worx [S. 12], Verein Deutscher Ingenieure e.V.
[S. 30], Virtual Dimension Center (VDC) Fellbach
[S. 36], Wago [S. 62], Yaskawa Europe [S. 7].
6. DIGITAL ENGINEERING Magazin 04-2015
nen wichtigen Orientierungspunkt könnte
dabei der Product Carbon Footprint (PCF)
– also der CO2
-Fußabdruck – bieten. Denn
dieser weist nicht nur aus, wie viel Treib-
hausgas ein Produkt unmittelbar bei der
Herstellung erzeugt. Vielmehr summiert
der PCF alle Emissionen entlang des ge-
samten Lebenszyklus auf – vom Abbau der
Rohstoffe bis zur Entsorgung – und gibt da-
mit Auskunft darüber, wie klimafreundlich
das Produkt wirklich ist.
I
m Dezember 2014 trafen sich Vertreter
von 195 Staaten zur Weltklimakonferenz
der UNO in der peruanischen Hauptstadt
Lima. Verständigt haben sie sich darüber,
wie die Erderwärmung zu begrenzen ist.
Unstrittig war dabei, dass sich dieses Ziel
nur erreichen lässt, wenn die CO2
-Emissio-
nen global sinken.
Weniger Einigkeit herrscht jedoch über
die Anstrengungen der einzelnen Länder. So
kritisiert Bundesentwicklungsminister Gerd
Müller die wenig ambitionierten Klimaziele
der USA und Chinas: Die Amerikaner wollen
den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2015
um 26 bis 28 Prozent im Vergleich zu 2005
verringern. China will überhaupt erst 2030
mit Minderungen beginnen.
Individuellen und monetären Zielen zum
Trotz fällt der Politik wie immer die Aufga-
be zu, Gesetze und Rechtsverordnungen
zu formulieren, die das Verhalten von Ge-
sellschaft und Wirtschaft beeinflussen. Ei-
G A N Z H E I T L I C H E R M A N A G E M E N T - A N S AT Z
B E S T I M M T D I E „ E C H T E “ K L I M A F R E U N D L I C H K E I T V O N P R O D U K T E N
Von derWiege
bis zur Bahre?
Bleistift, Smartphone, Auto.Wie klimafreundlich sind unsere Produkte wirklich? Ein Gradmesser ist der Product Carbon
Footprint (PFC). Doch bislang weist ihn kaum ein Unternehmen aus, denn es fehlt ein durchgängiger Management-Ansatz.
VON THOMAS DIETZ
Product Carbon Footprint | MANAGEMENT | 021
Schon bevor das Produkt da ist, entsteht CO2
für Rohstoffe, Energie und Vorprodukte, die bei
seiner Produktion benötigt werden – und das Le-
ben endet auch nicht mit dem Wurf in den Eimer.
Bild: Dirk Vonten@Fotolia.com
7. DIGITAL ENGINEERING Magazin 04-2015
weil es bereits heute mithilfe erprobter Mo-
delle und Methoden sämtliche Phasen des
Lebenszyklus eines Produktes ganzheitlich
betrachtet und steuert – indem alle Infor-
mationen und Daten organisiert und den
Beteiligten zur Verfügung gestellt werden.
Dadurch lassen sich unter anderem
Trade-off-Situationen – also phasenüber-
greifende Abhängigkeiten und Implikati-
onen – erkennen. Bislang geschieht das
vornehmlich hinsichtlich der Funktionen
eines Produktes, seiner Eigenschaften,
der Qualität und natürlich der Kosten. Es
spricht aber nichts dagegen, auch ökolo-
gische Faktoren wie den CO2
-Ausstoß zu
berücksichtigen.
Wichtig dabei ist, schon bei der Entwick-
lung anzusetzen. Denn zu diesem Zeit-
punkt werden etwa 80 Prozent der künf-
tigen Umweltauswirkungen – und der
Kosten – eines Produktes festgelegt. Hier
getroffene Entscheidungen später zu revi-
dieren, ist mit einem erheblichem Zeit- und
Kostenaufwand verbunden.
Das führt zu einer besonderen Heraus-
forderung: Wenn klimafreundliche Produk-
te mit einem niedrigen PCF-Wert entste-
hen sollen, müssen schon ganz zu Beginn
alle ökologischen Auswirkungen des jewei-
ligen Produkts bekannt sein. Das wiederum
setzt voraus, dass alle Komponenten des
jeweiligen Produkts sowie die zugehörigen
Prozesse entlang des gesamten Lebenszyk-
lus eindeutig definiert sind und dass jeweils
exakte Emissionswerte zugewiesen werden
können.
Produktmodell und
Ökobilanz kombiniert
Um den ersten Teil dieser Forderung zu er-
füllen, kann das für das Product Lifecycle
Management zentrale Produktmodell ge-
nutzt werden. Dieses weist nicht nur alle
Komponenten aus, sondern ordnet diesen
auch die spezifischen Stamm- und Struk-
turdaten zu. Die Stammdaten zeigen dabei
die Merkmale des jeweiligen Einzelteils an,
die Strukturdaten die Beziehungen der Ein-
zelteile untereinander.
Mit Blick auf den PCF-Wert schafft das
zum einen die Möglichkeit, diesen zu-
nächst auf Komponenten-Ebene zu be-
stimmen und dann für das fertige Produkt
zu aggregieren. Zum anderen lässt sich an-
hand des Produktmodells und unter Be-
rücksichtigung der an das Produkt gestell-
ten Anforderungen prognostizieren, mit
welchen Emissionen bei der Nutzung und
der Entsorgung zu rechnen ist.
Rechtlicher Rahmen
Unternehmen stehen vor der Frage, ob sie
für ihre Produkte einen eindeutigen PCF-
Wert errechnen und dann auch aktiv ver-
ringern möchten. Eine umfängliche ge-
setzliche Anforderung besteht dazu zwar
(noch) nicht, einige Vorschriften zielen aber
explizit auf die CO2
-Emission von Produkten
und deren stetiger Reduzierung ab – in der
Automobilindustrie zum Beispiel der Flot-
tengrenzwert.
Außerdem treibt die Europäische Kom-
mission intensiv die Initiative„Single Market
for Green Products“ voran. Deren Ziel ist es,
die unterschiedlichen Regelungen zur De-
klaration von Umweltinformationen inner-
halb der EU zu vereinheitlichen und eine für
alle Staaten verbindliche Vorgabe durchzu-
setzen. Der PCF spielt dabei eine entschei-
dende Rolle. Neben den rechtlichen Rah-
menbedingungen sollten Unternehmen
auch die sich wandelnde Haltung vieler
Verbraucher berücksichtigen.
Verbraucher-Haltung
Eine Studie von IBM kommt beispielsweise
zu dem Schluss, dass die Kaufentscheidung
bei Fahrzeugen stark von den Faktoren
Kraftstoffeffizienz und Umweltfreundlich-
keit getrieben wird. Wie die grundsätzliche
Entscheidung von Unternehmen ausfällt,
hängt sicher auch davon ab, inwieweit sie
den PCF-Wert beeinflussen können.
Die Suche nach dem Ansatz
In welcher Phase am meisten CO2
ent-
steht, ist von Produkt zu Produkt sehr un-
terschiedlich. Ein Dieselmotor mit einer
Lebensdauer von zehn Jahren emittiert
den größten Anteil von Treibhausgasen
während seiner Nutzung. Energiesparen-
de Fertigungsverfahren oder eine opti-
mierte Logistik wirken sich in der Bilanz
also kaum aus. Stattdessen kommt es auf
entscheidende Ideen der Ingenieure für
einen effizienteren Motor an.
Beim Bleistift ist es genau andersher-
um. Hier könnte beispielsweise der kli-
mafreundliche Abbau des Grafits zu einer
deutlichen Reduzierung führen.
PCF und PLM kombinieren
Wenn sich Unternehmen dafür entschei-
den, sich mit dem PCF auseinanderzuset-
zen, müssen sie zunächst klären, wie sie
dabei vorgehen. Und das ist gar nicht so
einfach. Denn trotz einzelner Methoden
hat sich bislang noch kein durchgängiger,
systematischer und integrierter Manage-
ment-Ansatz etabliert.
MHP schlägt ein Product Carbon Foot-
print Management vor, das sich am Product
Lifecycle Management orientiert, schon
während der Entwicklungsphase ansetzt
und das Produktmodell und die Ökobilanz
kombiniert. Das Product Lifecycle Manage-
ment bietet sich als Ausgangspunkt an,
022 | MANAGEMENT | Product Carbon Footprint
Eine Ökobilanz entsteht in vier Phasen: Festlegung des Ziels und des Untersuchungsrahmens, Erstellung der Sachbilanz,
Abschätzung der Auswirkungen und eine kritische Betrachtung. Bild: MHP
8. DIGITAL ENGINEERING Magazin 04-2015
Product Carbon Footprint | MANAGEMENT | 023
Für den zweiten Teil der Forderung – also
die Zuweisung der CO2
-Werte – lässt sich
auf die Ökobilanz zurückgreifen. Das Kon-
zept ist in den Normen DIN EN ISO 14040
und ISO 14044 beschrieben und formuliert
die Anforderungen und Rahmenbedingun-
gen für die Bilanzierung von Umweltaus-
wirkungen. Diese läuft grundsätzlich in vier
Schritten ab:
Festlegung des Ziels und des Untersu-
chungsrahmens: Im ersten Schritt wird de-
finiert, für was die Umweltauswirkungen
betrachtet werden sollen und wie detail-
liert das geschehen soll.
Sachbilanz: Im zweiten Schritt werden alle
erforderlichen Daten erhoben und validiert.
Das umfasst: alle im Produkt enthaltenen
Rohstoffe, die bei der Herstellung der Roh-
stoffe ausgestoßenen Treibhausgase, den
Transport der Rohstoffe zur Produktionsan-
lagen, die Produktion des untersuchten Pro-
duktes, der Transport des Produktes von der
Produktionsanlage zum Handel usw.
Wirkungsabschätzung: Im dritten Schritt
wird analysiert, wie sich die erhobenen Da-
ten tatsächlich auf die Umwelt auswirken.
Auswertung: Zuletzt sollen die drei vor-
angegangenen Schritte kritisch überprüft
werden, um bei Bedarf nachbessern zu
können.
IT-Landschaft aufbauen
Um ein Product Carbon Footprint Manage-
ment entlang des Produktmodells und der
Ökobilanz zu etablieren, bedarf es zunächst
einer Modifikation der Organisation und der
Prozesse.Von zentraler Bedeutung ist zudem
die IT-Unterstützung, ohne die eine solch
umfassende Bilanzierungsaufgabe nicht zu
bewältigen wäre. Eine ganzheitliche Stan-
dard-Lösung ist dafür aktuell nicht verfügbar
und wird wohl auch sobald nicht am Markt
eingeführt werden. Daher bleibt den Unter-
nehmen nur, aus einzelnen Komponenten
eine individuelle Architektur aufzubauen.
Dabei sind zwei Komponenten unver-
zichtbar: ein PLM-System und eine LCA-
Lösung (Life Cycle Assessment). Mithilfe
des PLM-Systems kann das Produktmodell
erstellt, Änderungen dokumentiert und
nachvollzogen werden. Der Einsatz solcher
Systeme ist in den meisten Unternehmen
gängige Praxis, die Berücksichtigung von
PCF-spezifischen Anforderungen dürfte da-
her kaum Probleme bereiten.
Die eigentliche Erhebung und Zuwei-
sung der CO2
-Emissionen erfolgt über die
LCA-Lösung. Die großen PLM-Anbieter ha-
ben den Bedarf an solchen Anwendungen
erkannt und treiben die Entwicklung ent-
sprechender Module intensiv voran. Mo-
mentan geht es ihnen offenbar darum, sich
eine herausragende Position in diesem sich
neu entstehenden Markt zu sichern. Parallel
zu den Anbietern von PLM-Systemen etab-
lieren sich auch Spezialisten, die Online-Da-
tenbanken aufgebaut haben, über die sich
PCF-Werte und Compliance-Informationen
abrufen lassen.
Auf solche Dienste greifen die LCA-Lösun-
gen der PLM-Anbieter zu, um die Daten zu
erhalten, die sie für die konkrete Bilanzierung
des Product Carbon Footprint benötigen.
Lieferanten einbeziehen
Noch genauer lässt sich der PCF-Wert für
ein Produkt bestimmen, wenn auf eigene
Daten zurückgegriffen wird. Mit Blick auf
die Beschaffung von Rohstoffen und Vor-
produkten bietet das in den meisten Un-
ternehmen ohnehin praktizierte Lieferan-
tenmanagement den geeigneten Hebel.
So ließe sich mit den Zulieferern verein-
baren, dass bei jeder Lieferung auch Infor-
mationen über die zurückgelegte Distanz,
das Transportmittel, den Energieverbrauch
sowie über die Menge und das Gewicht
der Ladung übermit-
telt werden. Mithilfe
dieser Angaben ließe
sich dann für die spezi-
fischen Güter die PCF-
Werte kalkulieren, die
dann im ERP-System als
Stammdaten abgelegt
werden.
Damit Unternehmen
den Carbon Footprint
ihrer Produkte nicht
nur genau berechnen,
sondern auch senken
können, hat MHP den
Ansatz Green Stream
Analysis entwickelt.
Ausgangspunkt ist da-
bei das im Lean Ma-
nagement gängige
Wertstromdesign, mit
dessen Hilfe sich Lo-
gistik- und Produk-
tionsprozesse nach
ökonomischen Ge-
sichtspunkten optimal
gestalten lassen – etwa
durch eine hohe Aus-
lastung von Maschinen
und geringe Durchlauf-
zeiten. Dieses Vorgehen
wird nun um ökologische Aspekte wie den
Ressourcenverbrauch oder die Emissionen
ergänzt.
Der Clou: Die Umweltaspekte werden
durch das Vorgehen unmittelbar in die Ef-
fizienz-Überlegungen integriert. Das führt
dazu, dass sich ökonomische und ökologi-
sche Ziele nicht mehr unversöhnlich gegen-
überstehen, sondern gegenseitig ergänzen.
Minimalkompromiss in Lima
In Lima haben sich die beteiligten Länder
nach zähem Ringen (zunächst) auf einen
Minimalkompromiss verständigt. Dieser
soll die Basis für einen neuen Weltklimaver-
trag bilden, der im Dezember 2015 in Pa-
ris verhandelt wird. Ob dieser tatsächlich
entscheidende Fortschritte bringt, bleibt
abzuwarten. Umso mehr sollten die Unter-
nehmen von sich aus aktiv werden und Kli-
maschutz zur Management-Aufgabe ma-
chen. Die systematische Bilanzierung des
Product Carbon Footprint kann dazu einen
wertvollen Beitrag leisten. JBI |
Thomas Dietz ist Manager im Competence Center
PLM bei der Prozess- und IT-Beratung MHP.
Rapid Prototyping und Digital Manufacturing der neuesten
Generation - optimieren Sie Ihre Design Prozesse
medacom GmbH
35510 Butzbach
Tel. +49 6033 74888-0
info@medacom.de
Prototypen Produkt Mock-ups Werkzeugbau
Konzeptmodelle Funktionsmuster Formenbau
Damit Ihre Ideen Form annehmen
weitere Informationen unter
Vom Einsteiger- bis High-End-Modell – die 3D Drucker von
Stratasys kombiniert mit dem langjährigen Know-how der
medacom bieten Ihnen die perfekte Lösung für Ihre Ansprüche.
Rapid.Tech
Stand 2-121