Im sonderband 2010 berichteten wir über das projekt der sanierung des Hauses der Berliner Festspiele. Der erste Bauabschnitt wurde letztes Jahr im Frühjahr abgeschlossen.
1. BTR 4/2011 So n D eRD Ru c k
Karin OcKer
Vom Repertoiretheater zum Festspielhaus
Das Haus
Der Berliner Festspiele
im sonderband 2010 berichteten wir über das pro- Haus der Berliner Festspiele, 10 Jahre intendanz von
jekt der sanierung des Hauses der Berliner Festspiele. Dr. Joachim sartorius – wurde das projekt zwischen
Der erste Bauabschnitt wurde letztes Jahr im Frühjahr den Festivals in mehreren phasen abgeschlossen.
abgeschlossen. rechtzeitig zur großen Jubiläumsfeier Damit wurde die bauliche situation der realität an-
am 27. august – 60 Jahre Berliner Festspiele, 10 Jahre gepasst: Das Haus ist jetzt fit für den Festivalbetrieb.
D as „Haus der Berliner Festspiele“, die gestaltete die öffentlichen Bereiche im sin- deren Materialien. Beispielsweise wurden
1961 von Fritz Bornemann erbaute ne der Vorbereitung des Zuschauers auf das im Bestand fast alle abgehängten Decken in
ehemalige „Freie Volksbühne“, ist Bühnengeschehen, durchaus bewusst kont- den Foyers wie die saaldecke als rabitzkons-
seit 2001 Festspiel-institution des Bundes für rastierend und unmittelbar aufeinander fol- truktion ausgeführt. notwendige eingriffe in
Musik, theater, tanz und literatur. es erhielt gend – von der intimen Kassenhalle zu den diese Decken führten zu der entscheidung,
2009 aus dem Konjunkturpaket ii Mittel zu Foyers als Orte der sammlung und des tref- bei kleinen eingriffen die rabitzkonstrukti-
einer längst fälligen sanierung und Moder- fens bis hin zum saal, ausgerichtet auf die on wiederherzustellen, bei kompletter Wie-
nisierung. seit der erbauung hatte es keine Bühne in der tradition Wagner – semper – derherstellung die Konstruktion als gängige
größeren Modernisierungsmaßnahmen ge- antike. Diese unterschiedlichen räumlichen Gipskartonkonstruktion auszuführen.
geben, und so gab es dringenden Bedarf, Qualitäten nutzt das Haus heutzutage und notwendige sanierungs-Maßnahmen an
die Bühnentechnik wie die Haustechnik zu bespielt einzelne Bereiche als separate Ver- der Gebäudehülle – vor allem in energeti-
modernisieren und das Gebäude in teilbe- anstaltungsorte – das rangfoyer, die Kas- scher Hinsicht – wurden in der Vorplanung
reichen zu sanieren, um es als zeitgemäße senhalle, die seitenbühne. so galten einige untersucht, konnten jedoch nicht ausgeführt
Festspielstätte nutzen zu können. der Maßnahmen der ertüchtigung dieser werden, da die „Berliner Festspiele“ nicht
Orte, indem sie durch entsprechende ein- eigentümerin des Hauses und mithin für das
bauten wie arbeitsgalerien, Beleuchtungs- Gebäude selbst nicht verantwortlich sind.
Das Haus und seine Struktur
logen oder den einbau eines Vordachs am
Das theater zeichnet sich durch seine klare, seitenbühneneingang strukturell verbessert
Die Baumaßnahmen
reduzierte und offene architektur mit einer und mit ausreichender Veranstaltungstech-
fein abgestimmten Materialität aus; Wasch- nik und notwendiger Haus- und sicherheits- Die arbeiten – eingepackt in zwei Bauan-
betonfassaden im Wechsel mit stahl-Glas- technik ausgestattet und akustisch optimiert träge – wurden in vier Bauphasen (mini-
Fassaden für lichte Foyers, die warmtönige wurden. mal zwei Monate, maximal sechs Monate)
einfassung des saals mit Holzpaneelen, die Das Gebäude war in konstruktiver und stati- durchgeführt. Dazwischen fand voller spiel-
vorgelagerte, verglaste Kassenhalle mit ei- scher Hinsicht sehr einfach und auf das not- betrieb an allen spielorten statt. Die Bau-
nem Quarzschieferboden, das Ganze einge- wendigste reduziert gebaut worden. Was maßnahmen mussten so getaktet sein, dass
bettet in eine parkähnliche umgebung. Das damals häufig kostengünstig mit einfachen sie sich jeweils in der zur Verfügung stehen-
Gebäude steht wie der größere theater- Materialien, aber größerem Zeitaufwand, den Zeit ausführen ließen und das Haus da-
bau Bornemanns in Berlin – die „Deutsche hergestellt wurde, bedeutet heutzutage eine nach wieder funktional und sicherheitstech-
Oper“ – unter Denkmalschutz. Bornemann teure Wiederherstellung oder ersatz mit an- nisch voll einsatzfähig war. Die planungszeit
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2. Links: Erwartet großes Publi-
kum zur Jubiläumsfeier:
Fotos: Kordula rüter; Foto Mitte: Frederic lezmi
Das Haus der Festspiele.
Rechts: Saalrenovierung zum
Theatertreffen
Links: Der Saal mit Decken-
öffnungen für erweiterte
Ton- und Lichteinrichtungen
Rechts: Die Kassenhalle.
Provisorische Technik wurde
fest installiert und integriert.
war extrem kurz, gerade auch für die Berei- farbenem polsterstoff bezogen und die
pR oj e k TD aTen
che, in denen diverse Gewerke aufeinander Wände mit esche furnierten Wandpaneelen
trafen und zu koordinieren waren. Dies ließ verkleidet. Die Wandpaneele wurden über- Bauherr: Kulturveranstaltungen des Bundes
sich alles nur in diesem Zeitrahmen ausfüh- arbeitet, da sie gerade im laufbereich star- in Berlin GmbH (nutzer: Berliner Festspiele)
ren, weil der Bauherr mit genauen Vorstel- ke nutzungsspuren aufwiesen. Der tischler planung, Koordination + Bauleitung:
lungen sehr entscheidungsfreudig war und es musste dabei sehr behutsam vorgehen, da eller + eller architekten mit flasche ocker
einen engen austausch mit den Fachplanern die paneele aus einem nur 8 mm furnierten architekten
gab. Der größte anteil der Baumaßnahmen sperrholz auf einer lattenkonstruktion be-
betraf die erneuerung der Bühnentechnik – standen. Fachplaner:
die Bühnenmaschinerie, der Bühnenboden, es fanden diverse eingriffe bezüglich der Haustechnik pin planende ingenieure
die Beleuchtungsanlagen sowie die audio-/ Bühnenbeleuchtungs- sowie audio-/Vi- statik Kunkel + partner
Video- und Kommunikationsanlagen (siehe deo-/Kommunikationsanlagen statt, die raumakustik rahe-Kraft
artikel von Gerbrand Borgdorff). Die kom- sehr sensibel in den raum integriert werden
plette erneuerung der Bühnemaschinerie mussten. Die hintere Z-Brücke wurde für die ausführende Firmen (nur die größeren)
und des Bühnenstahlbaus bedeuteten einige Beleuchtung verbreitert, was sich trotz vor- Bestuhlung Fa. Mester & siekmann
größere eingriffe in die Gebäudestruktur, die heriger Bedenken mit eingriffen in die ra- tischler Fa. Weisse
sich im Verlauf der planung teilweise als sehr bitzdecke als leichter herstellbar erwies. Der
kompliziert herausstellten. Dies bezieht sich Brüstung des rangs wurde eine durchlaufen- Projektdaten:
unter anderem auf die flexible Vorbühnenge- de scheinwerferkonsole vorgehängt, die bis planungszeit sept. 2009 – Okt. 2010
staltung sowie die erhöhung der tragslasten dato nur aus provisorischen einzelelementen Bauzeit Jan. 2010 – aug. 2011
des Bühnenbodens. bestanden hatte, sodass die Verkabelung in (4 Bauphasen)
der regel sichtbar über die Brüstung verlegt
Baukosten (netto) 11,2 Mio €
wurde. sämtliche Versätze für Beleuchtung,
Der Saal davon Bühnentech. 6,3 Mio €
audio und Video wurden nun in die Brüs-
Der saal besteht aus radialen sitzreihen mit tung integriert. Für die Bass-lautsprecher nF 8.500 m²
717 plätzen in einem ansteigenden parkett im portalbereich mussten Öffnungen er- BGF 11.050 m²
und 282 plätzen im stufenförmigen rang. stellt werden. Dafür musste saalseitig in die Bri 50.680 m³
Der Boden ist mit anthrazitfarbenem lino- Wandpaneele eingegriffen und bühnenseitig
leum belegt, die sitze sind mit einem senf- eine erweiterung der Brandwand geschaffen
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3. 3D Rendering vom Saal mit Akustikaushang und Die Bühne nahe am Zuschauerraum.
Projektionskabine für die Kinonutzung Blick auf die flexible Vorbühnenzone
werden, die auch noch die Beleuchterbühne narien zu reagieren. Der stuhl wurde unter xen Bauteilen: Die Decke unter dem rang
eingrenzten – beides nicht einfach. Zum saal dieser Maßgabe nur leicht hinsichtlich der musste abgesehen von ihrer dichten ausbil-
hin wurden dafür neue paneele mit schlitzen traverse verändert und mit einer geschick- dung als Druckboden mit Zuluftöffnungen
erstellt, zur Bühne wurde eine Mischkonst- ten Fixierungsvorrichtung, sonst aber inklu- in den rang zusätzliche diverse Funktionen
ruktion aus stahlbetondecke und trocken- sive nachwebung des polsterstoffs original- vereinen: Verankerung der scheinwerfer-
bau gebaut. getreu hergestellt. konsolen mit integration aller notwendi-
Die raumakustik sollte verbessert werden, Weiterhin sollte der saal für die temporäre gen Verkabelungen und Versätze, saalbe-
da der saal in bestimmten Bereichen eine Verwandlung zum Kino für die „Berlinale“, leuchtung mit integrierter notbeleuchtung,
schlechte sprachverständlichkeit aufwies. die Berliner Filmfestspiele, ausgerüstet wer- Delay-lautsprecher (zur akustischen unter-
Dafür wurde ein Deckenfeld stärker ge- den. Dies bedeutete akustisch die komplette stützung der sitzreihen unter dem rang)
neigt, und die rangbrüstung wurde eben- Verhängung der für das theater notwendig mit revisionierbaren, durchlässigen Feldern,
falls mittels eines integrierten, vorgehängten reflektierenden Wandpaneele mit einem gleichzeitig aber auch Deckenabsorber für
Brüstungselementes stärker geneigt. in der akustisch wirksamen Vorhang und die Vor- die saalakustik, Vorrüstung Kinotechnik in
Decke unter dem rang im vorderen Bereich richtung für eine projektionskabine im saal Form von temporären Vorhangschienen und
wurde ein absorberstreifen erstellt. für projektoren (analog und digital), da die integration des surround-systems.
Die saalbestuhlung wurde im parkett kom- rückseitige ton- und lichtregie nicht ausrei-
plett erneuert. im Bestand als sitze mit Zu- chend raum dafür bot. Für das surround-
Die Foyers
luftöffnung im Fuß auf einer durchlaufen- sound-system wurden zur temporären
den traverse montiert, sollte der stuhl jetzt einrichtung anschlüsse und Halterungen Die Foyers wurden generell hinsichtlich der
einfach einzeln herausnehmbar sein, um vorgesehen. Die summe der anforderungen Haus- und sicherheitstechnik saniert und
flexibel auf unterschiedliche Bespielungssze- führte so in teilbereichen zu sehr komple- modernisiert, der Bestand zum teil erneuert:
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4. Grundriss (rechts) und
Längsschnitt (unten)
Fotos: Kordula rüter
pläne und rendering links: eller + eller architekten / flasche ocker architekten
Blick von der Bühne in den Saal
lüftungs-, sprinkler- und Brandmeldeanlage
sowie elektrotechnik. sichtbare einbauten
wie Garderobentheken und leuchten wur-
den den Originalen nachgebaut.
Das rangfoyer als separater Veranstaltungs-
ort sollte entsprechend ertüchtigt werden.
auch hier muss die Decke diverse Funktio-
nen integrieren und wurde entsprechend
eingerichtet: Hängepunkte für Bühnenein-
richtungen, Versätze Beleuchtung/audio/
Video, lüftungskanäle, Brandmelder in
Form eines rauchansaugsystems, sprinkler,
raumbeleuchtung mit integrierter notbe-
leuchtung. Die abgehängte Decke hatte
Bornemann materiell sehr einfach erstellt:
Der gängige putzträger der rabitzdecken –
das rippenstreckmetall – hatte er zweilagig geschlossene Bühnennische in dem sonst of- höht durch die zusätzlichen anforderungen
(2. lage 90° verdreht) und mit oben auflie- fenen, verglasten raum geschaffen werden für die weiteren Veranstaltungsorte, bilde-
genden Heraklitplatten für die akustik abge- sowie eine temporäre Verdunklung. Dies ten eine Herausforderung für den statiker,
hängt. Die Wiederherstellung mit allen not- sollte nun alles inklusive aller zu erneuern- große Durchbrüche in dem statisch recht
wendigen ausschnitten für einbauten war den Haustechnik gut in den raum integriert ausgereizten tragwerk nachzuweisen und
vor allem zeitintensiv und verlangte große werden. in die Decke wurde ein Hängeras- konstruktiv auszubilden. im Bestand waren
sensibilität im Detail. ter mit diversen Versätzen für die Beleuch- fast sämtliche lüftungskanäle als rabitzkon-
Zur barrierefreien erschließung des rang- tungs-, audio- und Videoanlagen eingefügt. struktion erstellt. teilweise ließen sie sich ab-
foyers sollte ein aufzug eingebaut werden. Weiterhin wurde die Decke akustisch wirk- brechen und durch neue Blechkanäle erset-
Da aus der struktur des Gebäudes ein frei sam mittels einer GK-lochdecke ausgeführt. zen, teilweise wie in der saaldecke, wo sie in
in das Foyer gestellter aufzug nicht akzepta- Die Bestandsdecke – eine stahlbetonkasset- direktem Verbund standen, musste eine an-
bel erschien, wurde alternativ der aufzug im tendecke – ließ allerdings an den engstellen dere lösung gefunden werden. Die Kanäle
Übergang zum Bühnenhaus integriert. Die nur geringe aufbauhöhen von ca. 3 cm zu, und schächte wurden dort speziell gereinigt
dort befindlichen sanitären anlagen wurden durch die sämtliche anschlüsse und unter- und konnten dann in das ergänzende netz
umstrukturiert und in diesem Zuge erneuert. konstruktionen geführt werden mussten. ein eingebunden werden.
Hier wurde gestalterisch an die 1960er-Jahre Bestandsbodenkanal wurde mit dem Zuluft- nach Beendigung der dritten Bauphase im
angeknüpft. kanal belegt und gleichzeitig mit diversen Mai waren die größten Baumaßnahmen
anderen anschlüssen ausgereizt. durchgeführt und das diesjährige theater-
treffen bot einen ersten Belastungstest, der
Die kassenhalle
größtenteils zufriedenstellend durchgeführt
Die Technische
Die Kassenhalle ist zugleich entrée des wurde. nicht fertiggestellte Decken in den
Hauses wie auch eigene spielstätte. Der im
Gebäudeausstattung (TGa) Foyers regten zwar gleich die Fantasie an,
Vergleich zu den Foyers kleine raum ist prä- Die Haus- und sicherheitstechnik wurde diese in beliebter industriehallenästhetik zu
destiniert für kleinere lesungen oder Kon- fast komplett erneuert. neben den schon belassen. unfraglich wird die ursprüngliche
zerte. Die raumakustik war wegen der stark beschriebenen schwierigkeiten, diese in die und eigene charakteristik des Hauses in
reflektierenden Oberflächen – Quarzschie- öffentlichen und sichtbaren Bereiche einzu- Gänze zur Jubiläumsfeier wieder hergestellt.
ferboden, stahl-Glas-Fassade, putzwände – fügen, galt es auch grundsätzlich, die heut-
nicht nur für Veranstaltungen schlecht. auch zutage sehr viel größere und umfangreiche- Die Autorin: Karin Ocker ist Architektin
hatte sich im lauf der Zeit ein Konstrukt aus re technik durch das Gebäude zu führen. und Co-Geschäftsführerin des Büros flasche
Kabelkanälen und Hilfskonstruktionen ge- Gerade die raumlufttechnischen anlagen ocker Architekten und hat die Baumaßnah-
bildet. Für die Veranstaltungen sollte eine mit ihren großen Querschnitten, zumal er- men als Projektleiterin betreut.
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