2. Die Anforderungen an das Hochschulsystem sind
gestiegen:
Hochschulen sollen sich internationalisieren,
zugleich als zentrale Akteure regionale Entwicklungen voranbringen,
für die Sicherung des gesellschaftlichen Wohlstands sorgen und
auf Spitzenniveau lehren.
Insbesondere vor dem Hintergrund knapper
finanzieller Ressourcen sind diese Aufgaben
kaum noch zu bewältigen.
3. Aktuelles Problemfeld
Die Abhängigkeit der Hochschulen von Drittmitteln steigt, während die
Grundfinanzierung – also der Finanzierungsanteil der Länder – sinkt.
Erwartet wird, dass sich die Finanzsituation verschärfen wird:
insbesondere durch das Auslaufen der Exzellenzinitiative ab 2017,
aber auch das Auslaufen weiterer Förderprogramme wie dem
Hochschulpakt 2015,
dem Pakt für Forschung und Innovation ab 2015,
dem Auslaufen der Bundesfinanzierung bei Hochschulbauten ab
2013
sowie der Schuldenbremse, die ab 2020 dazu führen wird, dass die
öffentlichen Etats weiter zurückgefahren werden und die
Hochschulbildung mit anderen Politikfeldern um finanzielle
Ressourcen stärker konkurrieren muss.
4. Die Kernfragen:
Wie kann die
Finanzierung des
Hochschulsystems
langfristig gesichert
werden?
Welche neuen
Finanzierungsmodelle
könnten nachhaltig
wirken?
5. Dr. Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Prof. Dr. Hans N. Weiler (Stanford University),
Dr. Arend Oetker (Stifterverband) und Prof. Dr. Andreas Schlüter (Stifterverband) (v.li.)
6. Themenblock 1
Zwischen Bildungsauftrag und
Exzellenzanspruch
Wie haben die Förderprogramme der
letzten Jahre das Hochschulsystem verändert,
und was folgt daraus?
7. Die Tagungsteilnehmer waren sich einig, dass insbesondere die vom
Bund initiierte Exzellenzinitiative zu zahlreichen Vorteilen geführt habe:
Differenzierung im deutschen Hochschulsystem: Einerseits haben
sich unterschiedliche Hochschultypen und Forschungsschwerpunkte
herausgebildet. Aber auch eine stärkerer Binnendifferenzierung jenseits
der Fakultäten hat stattgefunden.
Kooperationen mit externen Akteuren haben deutlich zugenommen.
Hochschulen arbeiten stärker als zuvor mit Partnern aus der Wirtschaft
oder der außeruniversitären Forschung zusammen. Dabei wurden neue
Kooperationsformen geschaffen, die bis zur Fusion von universitären und
außeruniversitären Institutionen geht, wie das Beispiel des KIT zeigte.
Die Autonomie der Hochschulen hat zugenommen. Interdisziplinarität
ist an den Universitäten gewachsen. Es wurden neue Stellen im
Wissenschaftssystem geschaffen und die Attraktivität der deutschen
Hochschulen für ausländische Forscher ist gestiegen.
8. Nachteile der Exzellenzinitiative
Als Negativeffekte benannten Hochschulvertreter:
Gefahr der Kurzatmigkeit von Förderprogrammen, die häufig
auf einen Zeitraum von 3 (bzw. 5-6 Jahre) beschränkt sind.
Für nachhaltige Strukturveränderungen seien längere
Förderzeiträume nötig.
Gefahr einer zu starken Verschiebung hin zu mehr Forschung
zu Lasten der Lehre an den Hochschulen
Gefahr der Mainstream-Orientierung in der Forschung
Die Fachhochschulen konnten von der Exzellenzinitiative nur wenig
profitieren. Sie müssen künftig stärker mit in den Fokus genommen werden.
9. Wirtschaftsvertreter betonten, dass:
eine gute Grundlagenforschung an den Hochschulen unerlässlich
sei für den langfristigen Erfolg der Industrie.
In Hinblick auf die demografische Entwicklung (Fachkräftemangel)
eine hohe Qualität der Hochschulbildung immer essentieller werde.
Bei deutschen Professoren müsse die Bereitschaft steigen,
stärker die industrielle Verwertbarkeit von Wissen zu identifizieren.
Als kritisch bewertet wurde zudem, dass mit den bisherigen
Förderprogrammen in Deutschland der internationale Trend zur
Diversifizierung nur unzureichend berücksichtigt wurde.
Hier bestehe Nachholbedarf.
10. Prof. Dr. Horst Hippler (Hochschulrektorenkonferenz, li.) und
Prof. Dr. Michael Hüther (Institut der deutschen Wirtschaft, Köln)
11. Impulse für künftige Finanzierungsmodelle des
Hochschulsystems
Oppositionspolitiker im Bund drängen auf:
eine Verstetigung der Grundfinanzierung des Hochschulsystems an.
Ziel sei mehr Nachhaltigkeit.
Zudem müsste die Personalstruktur an Hochschulen geändert werden.
Andernfalls würden sich die Chancen verschlechtern, die besten Köpfe
im deutschen Wissenschaftssystem zu halten. Es sei absehbar, dass vom
Bund initiierte Förderimpulse von den Ländern künftig nicht mehr einfach
kofinanziert werden können (Schuldenbremse).
12. Prof. Dr. Andreas Barner (Boehringer Ingelheim), Dr. Kurt Bock (BASF), Prof. Dr. Bruno O. Braun (Verein Deutscher
Ingenieure) und Dr. Jörg Dräger (CHE Centrum für Hochschulentwicklung) (v.li.)
13. Hochschulen und Wissenschaftsorganisationen drängen auf:
einen Abbau bürokratischer Hürden bei Kooperationen zwischen
Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Konkret
müsste das Haushalts- und Steuerrecht der Hochschulen mit dem der
außeruniversitären Forschung harmonisiert werden.
Nötig sei noch mehr Autonomie der Hochschulen und mehr Deregulierung.
Auch der Föderalismus wird als Hürde für eine Infrastruktur für
Kooperationen angesehen.
Leistungsstarke Universitäten brauchen langfristig eine Mitfinanzierung
des Bundes. Auch kleinere und mittlere Universitäten müssen von Bund-
Förderprogrammen stärker als bislang partizipieren können.
Betont werden müsse zudem, dass Wissenschaftsförderung sich von
anderen Politikfeldern abhebt, weil sie eine gesamtgesellschaftliche
Bedeutung hat.
15. Die Bundesregierung betont:
dass der Bund aktuell mehr als je zuvor in Wissenschaft und Bildung
investiert.
Langfristig könnten Hochschulen aber nur substanziell unterstützt werden,
wenn Grundgesetzartikel 91b geändert wird, also das Kooperationsverbot
von Bund und Ländern im Wissenschaftsbereich fiele. Ziel sei, dass
Bundesgeld nicht nur befristet an die Hochschulen fließen kann.
Dadurch könnten zum Beispiel auch Forschungszentren und Cluster
(die durch die Exzellenzinitiative entstanden sind) verstetigt werden.
Durch eine Grundgesetzänderung ermöglichte Bundesförderung müsse
aber eine Förderung mit Profil bzw. Schwerpunktorientierung nach
wettbewerblichen Gesichtspunkten sein.
16. Vertreter der Bundesländer plädieren für:
Umsatzsteuerneuverteilung zwischen Bund und Ländern. Diese solle
zweckgebunden sein (was bislang nicht möglich ist) an die Erhöhung der
Grundfinanzierung der Hochschulen. Damit verbunden wären auch Ziel- und
Leistungsvereinbarung zwischen den Ländern und dem Bund.
Die Mobilität der Studierenden müsse berücksichtigt werden und
Förderprogramme bzw. Finanzausgleichsmechanismen etwa nach dem
Grundsatz „Geld folgt Studierenden“ erfolgen.
Die bisherigen Förderprogramme des Bundes müssten überführt werden in
eine nationale Hochschulstrategie.
Grenzüberschreitende Hochschulkooperationen müssen gestärkt
werden.
17. Prof. Dr. Bernhard Kempen (Deutscher Hochschulverband, li.) und
Annegret Kramp-Karrenbauer (Ministerpräsidentin des Saarlandes)
18. Ein Vertreter der Wirtschaftsforschung betont, dass
eine durch die Schuldenbremse angestrebte Haushaltskonsolidierung nicht
unbedingt die Handlungsfähigkeit der Hochschulen einschränken muss. Das
Problem sei eher ein Verteilungsproblem. Effizienzreserven müssten daher
in den Blick genommen werden.
Nötig sei auch eine steuerliche FuE-Förderung, ebenso sollte die Idee der
Forschungsprämie weiter entwickelt werden.
Die Frage nach Studiengebühren müsse dringend wieder aufgegriffen
werden. Bei 500 Euro pro Student und Semester würden allein jährlich zwei
Milliarden Euro Mehreinnahmen für die Hochschulen generiert werden.
19. Vertreter von Stiftungen weisen darauf hin:
dass es unausgeschöpfte Potenziale bei privaten Wissenschafts-
förderern gebe. So sei davon auszugehen, dass der aktuelle Stiftungsboom
anhalten werde (pro Jahr entstünden derzeit 800 bis 1.000 neue Stiftungen).
Die Entwicklung sei bislang aber am Wissenschaftsbereich vorbei gegangen.
Zudem böten unbefristete Stiftungsprofessuren ausbaufähige Förder-
möglichkeiten.
Nach Meinung von Vertretern der Wissenschaftsorganisationen:
Braucht das deutsche Wissenschaftssystem mehr Tenure-Track-Systeme,
Verstetigung von Exzellenzclustern und mehr Kooperationsmöglichkeiten
zwischen Universitäten und außeruniversitärer Forschung.
20. Dr. Wilhelm Krull (VolkswagenStiftung, li.) und
Prof. Dr. Antonio Loprieno (Universität Basel)
21. Fazit und Ausblick
Die Tagungsteilnehmer waren sich einig,
dass eine weitere Differenzierung
des Hochschulsystems angestrebt wird.
22. Bei künftigen vom Bund initiierten Förderprogrammen bzw. Finan-
zierungsmodellen müssten folgende Aspekte Berücksichtigung finden:
Längere Förderzeiträume: externe Stimulationen im Zeitraum von 3 Jahren
führen nicht zu Nachhaltigkeit.
Die Vergabeverfahren für Bund-Fördermittel müssten sich dem
differenzierten Hochschulsystem anpassen.
Wettbewerbsprinzip als Vergabekriterium soll grundsätzlich weiter
Anwendung finden, insbesondere im Forschungsbereich. In der Lehre
sei dagegen auch Stabilität und Strukturkontinuität nötig.
Neue Förderprogramme sollten ausgerichtet sein auf Schwerpunktbildung,
Forschung und Lehre.
Neue Förderprogramme oder Finanzierungsmodelle müssten gründlich
evaluiert werden.
Finanzierung von Wissenschaft ist nur als Gemeinschaftsaufgabe möglich.
23. Es müssen zudem neue Finanzquellen erschlossen werden:
Einerseits kann mehr Effizienz durch Harmonisierung von Steuer- und
Haushaltsrecht erreicht werden.
Private Mittel durch Studiengebühren zu generieren wurde von zahlreichen
Tagungsteilnehmern als unerlässlich bewertet. Ein Vorschlag war,
Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer zu erheben. Zudem könnten
Studiengebühren durch ein Stipendiensystem abgefedert werden.
Private Mittel bei der Wirtschaft und bei Stiftungen generieren
Die Idee zur Gründung einer Nationalstiftung für wissenschaftliche
Exzellenz wurde angeregt.
24. Prof. Dr. Karl Ulrich Mayer (Leibniz Gemeinschaft) (Mi.) und
Achim Meyer auf der Heyde (Deutsches Studentenwerk, re.)
25. Mehr Info & Podcast zur Veranstaltung auf
www.stifterverband.de/vhg2012
26. Die Teilnehmer des
Villa-Hügel-Gesprächs 2012 Krull, Dr. Wilhelm, Generalsekretär
VolkswagenStiftung, Hannover
Barner, Professor Dr. Dr. Andreas, Vorsitzender der Unternehmensleitung Loprieno, Professor Dr. Antonio, Präsident der Rektorenkonferenz der
Boehringer Ingelheim GmbH, Ingelheim am Rhein Schweizer Universitäten (CRUS), Rektor der Universität Basel
Bock, Dr. Kurt, Vorsitzender des Vorstandes Mayer, Professor Dr. Karl Ulrich, Präsident
BASF SE, Ludwigshafen Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V., Berlin
Braun, Professor Dr.-Ing. habil. Bruno O., Präsident Meyer auf der Heyde, Dipl. Volksw., Dipl.-Kfm., Dipl.-Hdl. Achim,
Verein Deutscher Ingenieure e.V., Düsseldorf Generalsekretär
Deutsches Studentenwerk, Berlin
Dräger, Dr. Jörg, Geschäftsführer
CHE Centrum für Hochschulentwicklung gGmbH, Gütersloh Meyer-Guckel, Dr. Volker, stellv. Generalsekretär und Mitglied der
Geschäftsleitung
Dzwonnek, Dorothee, Generalsekretärin Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen
Deutsche Forschungsgemeinschaft e.V., Bonn
Oetker, Dr. rer. pol. Arend, Präsident
Eitel, Professor Dr. rer. nat. habil. Bernhard, Rektor Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Quennet-Thielen, Staatssekretärin Cornelia
Frankenberg, Professor Dr. Dr. h.c. mult. Peter, Vorstand Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berlin
Heinrich-Vetter-Stiftung, Ilvesheim
Sager, Krista, MdB
Hippler, Professor Dr. sc. tech. Horst, Präsident Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied des Ausschusses für Bildung,
Hochschulrektorenkonferenz, Bonn Forschung und Technikfolgenabschätzung, Deutscher Bundestag, Berlin
Hüther, Professor Dr. Michael, Direktor und Mitglied des Präsidiums Schiewer, Professor Dr. Dr. h.c. Hans-Jochen, Rektor
Institut der deutschen Wirtschaft, Köln Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Husung, MinDirig. Dr. Hans-Gerhard, Generalsekretär Schlüter, Professor Dr. Andreas, Generalsekretär
Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, Bonn Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Essen
Kempen, Professor Dr. Bernhard, Präsident Simon, Professor Dr. Babette, Präsidentin
Deutscher Hochschulverband, Bonn Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Kramp-Karrenbauer, Ministerpräsidentin Annegret Strohschneider, Professor Dr. phil. Peter
Ministerium des Saarlandes, Saarbrücken Institut für deutsche Philologie, Ludwig-Maximilians-Universität München
Kronthaler, Dr. jur. Ludwig, Generalsekretär Weiler, Prof. Dr. Hans N.
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V., München School of Education, Stanford University, United States of America
27. Ansprechpartner für inhaltliche Fragen zum Villa-Hügel-Gespräch 2012:
Dr. Volker Meyer-Guckel
stellvertretender Generalsekretär
Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft
Tel.: (030) 32 29 82-500
Fax: (030) 32 29 82-515
E-Mail: volker.guckel@stifterverband.de
Die Villa-Hügel-Gespräche des Stifterverbandes bringen Entscheidungsträger aus
Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zu wissenschaftspolitischen Themen zusammen.
Eine hochkarätige Expertenrunde beleuchtet alle zwei Jahre ein zukunftsrelevantes
wissenschaftspolitisches Thema. Viele dieser Gespräche haben Wirkungen in politische
Entscheidungsprozesse hinein erzielt und Anregungen für Förderprogramme des
Stifterverbandes gegeben.