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Die Balkanhalbinsel – die zweite Heimat der Zigeuner 
Dr. Evgenia I. Ivanova, Velcho Krastev 
Dieser Teil Europas, Anfang des 19. Jahrhunderts „Balkanhalbinsel“ genannt, 
von vielen Völkern besiedelt, zieht auch die Zigeuner an. Es gibt verschiedene 
Hypothesen über ihre Ankunft auf der Balkanhalbinsel – sie variieren zwischen dem 
9. und dem 12. Jahrhundert. Ihre Ansiedlung in Westeuropa beginnt im 15. Jh., 
nachdem sich die Zigeuner bereits einige Jahrhunderte lang auf der Balkanhalbinsel 
aufgehalten haben. Dieser Zeitraum, wie auch die nachfolgenden Jahrhunderte, in 
denen die Zigeuner im Rahmen des Osmanischen Reichs und in den 
Donaufürstentümern Walachei und Moldau, und danach auch in den im ehemaligen 
Gebiet des Reiches neuentstandenen Staaten leben, übt einen starken Einfluss auf 
ihr ganzes historisches Schicksal aus. Deshalb wird heute die Balkanhalbinsel 
mehrfach „die zweite Heimat“ der Zigeuner genannt. 
Wenn man über die Zigeuner und ihr historisches Schicksal spricht, muss man 
berücksichtigen, dass sie eine spezifische Gemeinschaftsart sind, das sogenannte 
„ethnische Intergruppengebilde“ (MEGREO). Diese Gemeinschaft teilt sich in 
einzelne Gruppen, die ihre spezifischen ethnosozialen und ethnokulturellen 
Charakteristiken und Selbstbenennungen haben. Und obwohl sie die anderen sehr 
oft als „Zigeuner“ bestimmen, abgesehen davon, wie sie sich selbst benennen, sind 
sie eine klar abgesonderte ethnische Gemeinschaft. 
Es gibt viele offene Fragen über die Geschichte der Zigeunerwanderung auf der 
Welt. Die verschiedenen Autoren bestimmen sehr breite zeitliche Grenzen für den 
Anfang der Wanderungsprozesse der Zigeuner aus Altindien – sie beginnen im 5. Jh. 
und reichen bis zum 15. Jh. Die Ursachen für diese massenhafte Wanderung werden 
in der Invasion der Hunnen aus Mittelasien im 4.-5. Jh. und in den Einfällen der 
Araber in Indien im 7.-8. Jh.gesucht, die zu ernsten sozialökonomischen 
Veränderungen führen. 
Die Wanderungsprozesse bei den Zigeunern teilen sich in drei Hauptzweige 
aufgrund der Ergebnisse linguistischer Forschungen. Der erste richtet sich nach 
Südwesten und siedelt sich im Gebiet von Syrien und Palästina an, und von dort aus 
wandern einzelne Gruppen nach Ägypten und Nordafrika weiter. Der zweite orientiert 
sich nach Norden und lässt sich im Transkaukasus nieder.Der dritte zieht nach 
Westen, nach Kleinasien und der Balkanhalbinsel, und von dort aus – nach Mittel – 
und Westeuropa1. 
Mit dem Einzug ins Gebiet des Byzantinischen Reichs, das zu dieser Zeit 
große Teile von Kleinasien und der Balkanhalbinsel umfasst, lassen sich die 
Zigeuner im Laufe einiger Jahrhunderte hier beständig nieder. In den byzantinischen 
Quellen werden die Zigeuner mit dem Terminus „Antizigeuner“ bezeichnet. In der 
Chronographie von Theophan Homologeth wird eingehend beschrieben, wie der 
byzantinische Kaiser Nikiphor І Genik (802-811) die „Atzingani“ (“Atzigeuner“) frei 
durch die Territorien des ganzen Reichs verkehren lässt und ein Teil von ihnen 
1 Maruschiakova, Elena/ Popov, Vesselin. Die Zigeuner im Osmanischen Reich.Sofia, 2000, 
S. 12-13.
siedeln sich in Thrakien an2. Auch in den späteren historischen Angaben über den 
Zeitraum 12.-14. Jh. vom Byzantinischen Reich und den daran angeschlossenen 
Balkanstaaten werden mit diesem Namen die Ahnen der heutigen Zigeuner genannt. 
Im 13.-14. Jh. entsteht die zwiespältige Bezeichnung für die Zigeuner – 
„Zigeuner“ und „Ägypter“, dabei kommt die Bezeichnung „Ägypter“ besonders oft im 
14.-15. Jh. vor. Aus diesem Zeitraum sind die Angaben über den Einzug der 
Zigeuner in die anderen Balkangebiete und -staaten. 1348 bestimmt der serbische 
König Stephan Duschan durch eine Sonderurkunde die Steuern, die die 
sogenannten „Zingarie“ zahlen sollten. 1362 werden in den Stadtregistern von 
Raguza (heute Dubrovnik) beide Brüder „Ägypter“ erwähnt. Die massenhafte 
Ansiedlung von „Azigeunern“ in Walachei und in Moldau ist mit ihrer 1371-1377 unter 
Vladislav „Woiwode und Herrscher der ganzen Ugro-Walachei“3 begonnene 
Schenkung an Klöster als Sklaven. 
Durch die Bezeichnungen „Zigeuner“ und „Ägypter“ werden in den 
historischen Quellen zwei Zigeunergemeinschaften differenziert. So zum Beispiel 
werden in der Dokumentation des Patriarchen von Konstantinopel Grigorius ІІ 
Cyprios (1283-1289) die Sondersteuern, die von den sogenannten „Ägyptern und 
Zigeunern“ gesammelt werden sollten, und die bestehende Praxis des Freikaufens 
dieser Steuern erwähnt. Es besteht die Hypothese, dass man in der Differenzierung 
der beiden Bezeichnungen in den verschiedenen historischen Quellen eine 
Differenzierung der Wellen der Zigeunermigrationen auf der Balkanhalbinsel suchen 
kann. Eine frühere Welle – die sogenannten „Zigeuner“ wandern in die Territorien 
von Bulgarien, Serbien, Walachei und Moldau und eine spätere Welle – sie wandern 
durch das „Kleinägypten“ – wahrscheinlich die Halbinsel Pelopones – und sie 
kommen relativ später auf der Balkanhalbinsel an. 
Die Ahnen dieser späteren Welle sind die heute verschiedene Varianten der 
Bennenung „Ägypter“ – Agupter (Agupti) in Bulgarien, Ägypter (Egypzi) in 
Makedonien, Gyfter (Gifti) in Griechenland oder Jevger (Jevgi) in Albanien tragende 
Gemeinschaften4. 
Mit der osmanischen Offensive auf der Balkanhalbinsel im 14.-15. Jh. 
kommen auch nicht wenige Zigeuner an. Einige von ihnen nehmen direkt daran teil – 
sie bedienen die Armee hauptsächlich als Handwerker, Tross, Musiker. Ein Teil von 
ihnen fahren mit der osmanischen Armee auch weiter nach Europa. 
2 
2 Deutsche und österreichische Reisebeschreibungen über die Baluanhalbinsel. 11.-16. 
Jh..Sofia, 1979; Sheytanov, N. Die Zigeuner.-Z. Mir, N.10142 (1934). 
3 Maruschiakova, E.,V. Popov. Die Sklaverei der Zigeuner in der Walachei und in der 
Moldau.-In Studii Romani, Sofia, 2007, Heft VІІ, S. 26. 
4 Maruschiakova, Popov. Die Zigeuner im Osmanischen...., S. 16-20.
3 
Zigeuner Militärmusiker 
Andere bleiben auf der Balkanhalbinsel, wo sie sich beständig niederlassen 
und finden ihren Platz im osmanischen gesellschaftlich-politischen und 
wirtschaftlichen System. In verschiedenen offiziellen Dokumenten des Osmanischen 
Reichs finden sie sich unter den Bezeichnungen „Lingene“, „Tschengjane“, 
„Tschigan“ oder „Kaptian“. Zur Garnison in Nikopol, im gleichnamigen Bezirk werden 
nach dem osmanischen Register aus 1479-1480 17 Schlosser und Schmiede – 
Zigeuner, 6 Seiler und 54 Grenzhüter, „die die Festung bedienen und bei 
Gelegenheit schickt der Bezirksverwalter sie “5. Ahnen dieser ersten 
Zigeuneransiedlungen sind die zu der sogenannten Balkandialektgemeinschaft der 
Zigeunersprache „Romanes“ gehörenden Gruppen. Einige der Zigeunerforscher 
beschreiben und klassifizieren sie als eine „alkanisierte indische Sprache“. 
Das ist die erste Migrationswelle der Zigeuner, die Europa von Osten nach 
Westen entdeckt. Aber die Territorien der Balkanhalbinsel, wo das Verhältnis zu 
ihnen bedeutend toleranter ist, bleiben günstiger zum Leben auch für die 
Nomadengruppen der Zigeuner, die an die mittel- und westeuropäischen Territorien 
gelangten.Große Gruppen von Zigeunern, Vertreter der sogenannten 
altwalachischen (oder südwalachischen) Dialektengemeinschaft von Romanes (die 
sogenannten Wlachitschki, Wlacholja, Lacho) nutzen die Kriege zwischen Österreich 
und dem Osmanischen Reich und die zeitweiliche österreichische Okkupation eines 
Teiles von Nordostserbien, Nordwestbulgarien und Walachei (Ostbanat) im 17. und 
18. Jh., dringen ins Osmanische Reich ein und siedeln sich darin an.Das ist die 
sogenannte zweite Migrationswelle der Zigeuner auf der Balkanhalbinsel6. 
1829 werden die Fürstentümer die Walachei und die Moldau von Russland im 
Laufe dessen Krieges mit dem Osmanischen Reich besetzt. Das macht den Anfang 
mit dem Befreiungsprozess der Zigeuner von der Sklaverei in den Fürstentümern, 
5 Türkische Quellen über die bulgarische Geschichte. Sofia, 1966, B. ІІ, S. 299-315. 
6 Liejoa, J.-P. Roma, Zigeuner, Nomaden. Sofia, 1999, S. 21-26, 117-122; Cenrick, D. Die 
Zigeuner: von Indien bis zum Mittelmeer. Sofia, 1998.
der einige Jahrhunderte lang dauert (1829-1864). Die offizielle Aufhebung der 
Knechtschaft in den Donaufürstentümern Walachei und Moldau im Jahre 1856 führt 
zu wesentlichen Veränderungen in der Lage der Nomadenzigeuner. In der zweiten 
Hälfte des 19. Jhs. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jhs. erfolgen die 
massenhaften Ansiedlungen der aus Rumänien und den zugehörigen Gebieten von 
Österreich-Ungarn (Transilvanien und Banat) stammenden Nomadenzigeuner. 
Das ist die dritte Migrationswelle, „die große kelderarische Invasion“ genannt. 
Eine der Haupttriebkräfte sind die sogenannten „Kardaraschi“, die der sogenannten 
neuwalachischen Dialektengemeinschaft von Romanes zugehören. Ein Teil von 
ihnen lässt sich auch in den ethnischen bulgarischen Territorien nieder.Die Zeit und 
die Ansiedlungswege sind verschieden und das ergibt auch die unterschiedlichen 
Bezeichnungen der Untergruppen der Kardaraschi-Grastari (oder serbische 
Zigeuner), Laeschi/ Lajaschi (die ihre Herkunft mit Serbien und Rumänien 
verbinden), Njamzurja (die ihre Herkunft mit den ehemaligen österreichisch-ungarischen 
Territorien verbinden, oder deutsche, österreichische, ungarische 
4 
Zigeuner). 
Eine andere Triebkraft sind die rumänischsprachigen Bergleute/ Ludari, die 
sich in verschiedenen Orten auf der ganzen Balkanhalbinsel, außer Albanien, 
Kosovo und der Türkei ansiedeln. Bei den Bergleuten in Bulgarien sind die inneren 
Gliederungen erhalten, die aufgrund der Berufsspezialisierung entstanden sind, wie 
Lingurari/ Kopanari (Holzschüsselmeister) und Ursari (Metschkadari/ Bärenführer, 
Majmunari/Affenführer) oder aufgrund der regionalen Gliederung (Kamchieni, 
Dobruzheni, Monteni und andere). 
Mit dem allmählichen Zerfall des Osmanischen Reichs entstehen selbständige 
Balkanstaaten-Serbien, Griechenland, Montenegro, Rumänien, Bulgarien. Die sich 
beständig in den Grenzen dieser ethnonationalen Staaten niedergelassenen 
Zigeuner verbinden mit ihnen ihr weiteres historisches Schicksal und ihre 
Entwicklung als Gemeinschaft. Die einzelnen Staaten nehmen ihre ziemlich 
verschiedenen Entwicklungswege auf. Die Kriege, die häufigen Änderungen der 
Grenzen und die inneren Migrationprozesse beeinflussen auch das Schicksal der 
Zigeuner.
Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kommt ein Teil der in Ostthrakien 
lebenden Zigeuner nach dem benachbarten Bulgarien und lässt sich beständig in 
seine Territorien nieder. Bei der Volkszählung im Königsreich Bulgarien im Jahre 
1920 sind von allen 10 128 Zigeunern im Bezirk Stara Zagora 2,5 % im Gebiet von 
Odrin, in Makedonien und in der Europäischen Türkei geboren. 
Der griechisch-türkische Krieg 1921-1922 und der nachfolgende 
Friedensvertrag von Lausanne rufen einen Austausch der Bevölkerung zwischen 
Griechenland und der Türkei hervor und in diesem Prozess werden in den beiden 
Richtungen auch viele Zigeuner gezogen. 
1924 wird eine massenhafte Bewegung von bulgarischen Familien aus Westthrakien 
nach Bulgarien beobachtet. Unter ihnen sind auch Umsiedler der Zigeunergruppe der 
sogenannten „thrakischen“ Verzinner von Kupfergefäßen. Auch heute sagt man, 
dass die „Verzinner in Griechenland, südlich von Athen zu den unsrigen gehören, 
aber sie haben den Beruf verloren“7. 
Während der Auswanderungsabkommen, die von Bulgarien im 20. Jh. 
abgeschlossen wurden, migrieren zusammen mit der türkischen Bevölkerung auch 
nicht wenige Vertreter verschiedener Zigeunergruppen. 
Infolge der Bevölkerungsaustauschabkommen zwischen Rumänien und der 
Türkei in den dreißiger Jahren des 20. Jhs. wandern zusammen mit den 
einheimischen Türken und Tataren auch türkisch – und tatarischsprachige Zigeuner 
Muslimen mit der entsprechenden selbstbestimmten Identität in die Türkie aus. 
Die Ansiedlung an verschiedene Orte und die Bewegung der Zigeuner von 
und auf die Balkanhalbinsel fährt auch in der neueren Zeit fort – die Migrationswellen 
aus Ex-Jugoslawien in den sechziger- achtziger Jahren des 20. Jhs., die Migration 
der Zigeuner aus Rumänien nach dem politischen Wandel in Osteuropa im Jahre 
1989 oder die letzten Flüchtlingswellen von Zigeunern aus Bosnien und Kosovo. Bei 
all diesen Ansiedlungen tragen die Zigeuner klare Spuren von kulturellen und 
sprachlichen Wechselwirkungen mit, die unter den Bedingungen des kultur-historischen 
5 
Balkanregions geschaffen worden sind. 
Während des Osmanischen Reichs wohnen die in den Städten ansässigen 
Zigeuner auf der Balkanhalbinsel in abgesonderten Mahali/ Stadtvierteln, laut der 
7 Ivanova, E.I , V. Krastev. Auf dem langen Weg ...Ein Leben mit den anderen. Stara Zagora, 
2006, S. 97.
osmanischen städtebaulichen Konzeption. „Jede unterworfene Nationalität, unter 
dem Namen Rajah bekannt,wohnt in einzelnen abgesonderten Orten oder 
Stadtvierteln [....] Wie auch (im) ganzen Osten [...] die sogenannten „Tschingjanet“ 
(Wanderzigeuner), die durch die moslemischen Provinzen wandern [....] hat man 
ihnen trotzdem, wie auch in den anderen Städten, ein Grundstück?. das ein 
gesondertes Stadtviertel bildet [...] Shumla. Tschingjane mahalesi – das 
Zigrunerviertel ist unweit“8. 
Andere führen ein Halbnomadenleben.”Obwohl sie (die Zigeuner-Anm.Vf.) in 
allen Provinzen von Rumelien zahlreich sind, kann man behaupten, dass sie im 
antiken Thrakien am meisten sind. Es ist zum Erstaunen, wenn man in der warmen 
Periode des Jahres ihre schwarzen Zelte sieht, die unweit der Großstädte, wie auch 
von armen Dörfern und Ortschaften aufgeschlagen sind. Man trifft sie überall, mit 
ihren Zelten, auch mit ihrem Hab und Gut, mit ihren Kindern, begleitet von ihren 
Eseln oder Pferden, von Ort zu Ort wandern. Manchmal sind sie nur eine Familie, 
manchmal mehr [....] In türkischen Dörfern, wo sie weniger beleidigt werden, kann 
man ihre öfters in der Mitte des Dorfes aufgeschlagenen Zelte sehen [....] Die 
Zigeuner verlassen ihre Winterwohnungen, Kischla genannt, gegen Mitte April“9. 
Im wiedergegründeten bulgarischen Staat, trotz den dynamisch wechselnden 
Bedingungen, erhalten die ansässigen Zigeuner ihre Traditionen, in kompakten 
Gruppen außerhalb oder öfter innerhalb der Siedlungen zu leben. Um sich neue 
Steuerzahler zu sichern, bemüht sich der Staat, eine beständige Niederlassung der 
Nomadenzigeuner durchzusetzen, durch einen Nomadenverbot, der infolge des 
Stadtgemeinde10 und des Dorfgemeindegesetzes11 eingeführt wurde. 
8 Französische Reisebeschreibungen über die Balkanhalbinsel im 19. Jahrhundert. 
Zusammeng. Bistra Zwetkova, Sofia, 1981. 
9 Maruschiakova, Popov. Die Zigeuner im Osmanischen.., S. 73-74 – Dr. Alexander Paspati. 
10 Staatszeitung №69,19 Juli 1886. 
11 Staatszeitung, №70, 20 Juli 1886. 
6
Mit ihrer beständigen Niederlassung beginnen die Zigeuner in den Dörfern 
sich mit Ackerbau zu beschäftigen.Bereits 1818 bemerkt der englische Reisende 
William Mikemichel, dass im Unterlauf von Yantra „ein paar kleine Dörfer, 
ausschließlich mit dunklen, gebräunten Zigeunern besiedelt [....] Hier sahen wir sie 
sich mit Ackerbau beschäftigen und ansässig leben“12. In den osmanischen 
Registern für Kaza (Kreis) Silistra Anfang der siebziger Jahre des 19. Jhs. kann 
gegen 30% von dieser eingeschriebenen Zigeunerbevölkerung als besitzende Klasse 
angenommen werden.Im Durchschnitt entfallen auf einen „hane“ (Haushalt) hier je 39 
„ dönüm“ (Dekar) Ackerland13. 
Sowohl in den 60-er und 70-er Jahren des 19. Jhs. als auch in den ersten 
Jahrzehnten nach der Befreiung werden in Bulgarien einige der sich beständig 
niedergelassenen Zigeuner Landbesitzer. Sie kaufen es (das Land) von den 
auswandernden Türken auf14. 
Anfang der 20-er Jahren des 20. Jhs. bekommen ansässige und besitzlose Zigeuner 
Land von der Regierung des Bulgarischen Volksbauernbundes.Wegen ihrer 
Standesideologie und – politik im Interesse der Bauernbevölkerung genießt sie eine 
Popularität unter den Agrarminderheiten in Bulgarien15. 
7 
12 Englische Reisebeschreibungen über die Balkanhalbinsel.Ende des 16.-die 30-er Jahre 
des 19. Jhs. Sofia, 1987, S. 552. 
13 Draganova, Sl. Statistische Angaben über den Besitz und die Besteuerung der Zigeuner 
(Roma) bevölkerung im „Tunavilâyet“ (Großgebiet Donau).- In: Integration der Roma in der 
bulgarischen Gesellschaft. Sofia, 2007, S. 16. 
14 Marinov, V. Betrachtungen über die Lebensweise der Zigeuner in Bulgarien. - In: 
Mitteilungen des Ethnographischen Instituts mit Museum. Sofia, 1962, Heft V, S. 225. 
15 Njagulov, Bl. Über die Geschichte der Zigeuner/ Roma in Lulgarien. -In: Integration der 
Roma in der bulgarischen Gesellschaft. Sofia, 2007, S. 28.
Die reichen serbischen Nomadenzigeuner besitzen eigenes Anbauland und 
wandern durch das Land mit ihren Zelten, haben oft je drei Frauen. Ein Zigeuner von 
40 Jahren besitzt 3 ha Anbauland, 3 Pferde, Hühner, Truthennen und hat 3 Frauen – 
von 40, von 35 und von 28 Jahren. Jede Frau bleibt 8 Tage lang im Zelt, sie kocht, 
macht sauber, schläft mit ihrem Gatten und sorgt für die Kinder, und die beiden 
anderen gehen betteln16. 
Von einer Zigeunerfamilie, die Gemüseanbau treibt, erzählt ein „türkischer“ 
Zigeuner aus Stara Zagora.Er ist ein Alteingesessener, sein Großvater ist 
Hufschmied, und sein Vater- Verzinner.In den 30-er Jahren und bis Ende der 40-er 
Jahre des 20. Jhs. ist die Familie Besitzer von 20 Dekar Gemüsegärten in der 
Gegend „Rajtscho Petkovi orechi“ („Rajtscho Petkovi Nussbäume“), südlich der 
Stadt17. 
Bei ihrer Ansiedlung auf die Balkanhalbinsel treffen hier die Zigeuner das 
Christentum als offizielle Religion an und viele von ihnen nehmen es an. ”Es scheint 
mir ganz wahrscheinlich, dass die mit irgendeinen antikem Glauben nach Thrakien 
kommenden Zigeuner, falls sie überhaupt irgendwelchen gehabt haben, alle zum 
Christentum bekehten und den christlichen Glauben annahmen, der damals der 
einzige in diesen Provinzen war [...] Nach der Eroberung des Reichs (des 
Osmanischen Reichs – Anm. Vf.) folgten die meisten dem Beispiel einer großen 
Anzahl von Christen und nahmen aus verschiedenen Motiven den Islam an.Die 
Zigeuner bekannten sich zu keinen anderen Religionen als zur christlichen und zur 
moslemischen“18. 
Im veränderten Kräfteverhältnis auf der Balkanhalbinsel ist der Islam die 
Religion der herrschenden Klasse. Seine Annahme kann einen freieren und 
sichereren Status in der osmanischen Feudalgesellschaft einbringen. Sowohl den 
übrigen Nationalitäten als auch den Zigeunern gegenüber wird eine organisierte und 
zielgerichtete Islamisierungspolitik geführt. So kann man die Anwesenheit von nicht 
wenigen Derwischen (mohammedanischen Mönchen) aus ihren Kreisen erklären, 
von denen man weiß, dass sie in diesen Jahren eine bedeutende Rolle in der 
8 
16 Petrovic, A. Contribution to the Study of the Serbian Gypsis. –Journal of the Gypsy Lore 
Society, (1935) Ser. 3, p. 182. 
17 Ivanova, E. I., V. Krastev. Die Romafrau – Freiheiten und Grenzen in ihrem Leben. Stara 
Zagora, 2008, S. 198. 
18 Paspati, Al. Etudes sur les Tchinghianés eu Bohémiens de l `empire ottoman. 
Konstantinopol, 1870, c. 26.
Verbreitung des Islams unter der christlichen Balkanbevölkerung spielen. Der 
Osmanische Staat merkt die religiöse Labilität der Zigeuner und nutzt seine 
Steuerpolitik zu ihrer Bekehrung zum Islam aus. Das Ziel ist, unter den Zigeunern 
eine Unterstützung und eine Basis in den eroberten Territorien der Balkanhalbinsel 
zu schaffen und eine bessere Ordnung und einen Gehorsam unter ihnen 
einzuführen.Im Gesetz – und anordnungskorps, das die Bevölkerung im Rumelien- 
Vilâyet aus 1475 betrifft, wird verlangt ”Ein Zigeuner darf nicht unter ungläubigen 
Zigeunern leben.Er muss mit Muslims leben“19. 
1530 erlässt Sultan Sjuleiman der Großartige ein „Gesetz über die Zigeuner 
im Rumelien-Vilâyet“, dessen Hauptziel die volle Steuerzahlung, einschließlich auch 
von den Nomadenzigeunern ist. Die Höhe der gezahlten Steuer ist in Abhängigkeit 
von der religiösen Zugehörigkeit – sie ist niedriger für die Muslimzigeuner und höher 
für die Christzigeuner. Beide Kategorien zahlen eine Heiratsabgabe, Verbrechens – 
und Missetatstrafen wie „der übrige Rajah“. Und die osmanische Staatsmacht zieht 
es vor, „die vom Gesetz unerlaubten Taten“, die von den Frauen der Zigeuner 
begangen werden, in eine Einkommensquelle für die Staatskasse zu verwandeln. 
Diese Besteuerung wird im Steuerregister aus 1523 „Prostitutionssteuer“ genannt. 
Und nach dem „Gesetz für die Zigeuner im „Rumelien“ –Vilâyet aus 1530 zahlen „die 
Frauen der Zigeuner in Istanbul, Edirne (heute Odrin – Anm. Vf.), Philibe (heute 
Plovdiv) und Sofia, die vom Gesetz unerlaubte Taten begangen haben, jeden Monat 
je hundert Akçe/eine alte türkische Silbermünze/Steuer, genannt „Kesim“20. 
Das gesetzgebende System des Osmanischen Reichs regelt immer mehr 
seine Steuerwechselbeziehungen zu den Zigeunern. Im Ferman (Herrschererlass) 
über die Erhebung der Ciziyesteuer (eine Steuer für alle volljährigen Männer im 
Osmanischen Reich) von den Muslimzigeunern in Rumelien wird angegeben, dass 
örtliche Steuerämter für die Zigeuner geöffnet sind. Die Zigeuner haben einen 
Aufseher, der für das Steuersammeln im Vilâyet verantwortlich ist. Die 
Zigeunergemeinschaft wird als freie Bevölkerung behandelt, aber ihr wird nicht 
gestattet, sich zu widersetzen oder die Steuerzahlung zu verweigern.Es werden 
keine „abgewetzte, abgenutzte, falsche oder gebrochene Münzen”angenommen21. 
„Die Steuer,Haraç genannt, (eine Steuer für alle Männer- Unmohammedaner, 
die sie den Mohammedanern zahlen), die die Türken von ihnen sammeln, ist hoch. 
Die Männer zahlen je sieben Reichsdukat (eine Goldmünze) pro Person, die 
Burschen je fünf Dukat, und den Frauen wird die Steuer erlassen. Die Quittung, die 
sie gegen die Steuerzahlung bekommen, bewahren sie ganz sorgfältig auf, indem sie 
die laut dem bulgarischen Brauch in ihr Haus hängen. Auf diese Weise lassen sie 
ihre Herkunft erfahren”22. 
Mit der Gründung von Serbien 1812 wird eine „Personensteuer von den 
Zigeunern weiter eingenommen. Mehr noch, laut einem Fürstenerlass aus 1819 wird 
der Steuersammler der Zigeunersteuer „haraç/araç“ (Zigeunerpersonensteuer) als 
Oberverwalter aller Zigeuner eingestellt. Er vertritt die Zigeuner für alles und niemand 
darf sich in seine Angelegenheiten einmischen. 
19 Quellen über die Geschichte des bulgarischen Rechts.Vf. Georgi Georgiev. Sofia, 1961, 
S.303. 
20 Ivanova, Krastev. Die Romafrau.... , S. 160. 
21 Türkische Quellen über die bulgarische Geschichte.Die Archive sprechen.Sofia, 2001, Heft 
XIII, S. 251-252. 
22 Deutsche und österreichische Reisebeschreibungen über die Balkanhalbinsel.17.Jh.-Mitte 
des 18. Jhs.Auswahl Jono Mitev. Sofia, 1986, S. 302 - Kempelen, 1740. 
9
In der Walachei und in der Moldau ist die Nomadensaison der Zigeuner nicht 
genau bestimmt, wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach von den Zahlungstagen der 
Jahressteuer beeinflusst, was zweimal im Jahre vor sich geht23. 
10 
Nomadischen Zigeuner im Osmanischen Reich 
Das Sammeln der Jahressteuer von den Nomadenzigeunern in Thrakien geht 
einmal im Jahre vor sich.: “In den Frühlingsmonaten, wenn die Zigeuner schon ihre 
Winterviertel verlassen haben, begegnet man ihnen in den grünen Feldern, nahe an 
einer Quelle. Dort feiern sie ein Fest, einzigartig für ihre Rasse, weit von den 
Griechen und den Türken, ihr Fest „kakkavá oder ein Fest des Kleinkupferkessels. 
An drei aufeinanderfolgenden Tagen geben sich diese Nomaden in ihren 
Zelten einem Schmaus, einer Freude,Tänzen und Liedern hin [....] Am Ende dieser 
drei Tage zahlen sie ihre Jahressteuer dem Tcheribachi, schlichten ihre 
Streitangelegenheiten und gehen mit den Zelten und den Tieren in ihre Länder 
auseinander [....] Viele Leute erheben sogar Anspruch darauf, die Feier kakkavá 
werde vom Tcheribachi veranstaltet,damit er die Gebühren besser sammle.... 
Oft endet kakkavá für viele Zigeuner mit Jammer und Schluchzen wegen des 
beleidigenden Steuersammeln vom Tcheribachi.Man rief den Vorgesetzten, der 
zwangsweise die Steuer einnahm, und öfters wurden sie Opfer seiner Habgier. 
Anlässlich dieser wiederholten Beleidigungen wiederholten sie das Sprichwort: ”Ich 
lasse Wasser gegen die Sonne“, um ihren Misserfolg vor dem Vorgesetzten 
auszudrücken“24. 
Für das osmanische Verwaltungssystem sind die Zigeuner nicht nur eine 
Quelle von Steuereinnahmen, sondern auch eine Bevölkerung, die zur regulären 
Armee herangezogen wird. “Der Militärdienst in Zheravna dauerte fast bis zur 
Befreiung, wurde jedoch nicht mehr von Bulgaren, sondern von Zigeunern 
abgeleistet. Jährlich gingen sie auf dem Weg nach Tsarigrad durch Sliven [....] Mit 
dem Woiwoden an der Spitze, später Tcheribachi genannt, trat die Soldatenschar 
unter dem wehenden Banner, unter Musik und Spielen auf, nahm Geschenke von 
Bulgaren und Türken entgegen und zog um Georgstag nach Tsarigrad. Die Zigeuner 
23 Maruschiakova, Popov. Die Sklaverei der Zigeuner...., S. 37-38. 
24 Paspati. Études sur…., p. 26.
ersetzten die bulgarischen Soldaten auch anderorts, besonders nach dem Tanzimat 
(die Periode der bürgerlichen Reformen) (1839)“25. 
Jahrzehnte später sind sie auch in den Armeen der neugegründeten 
Balkanstaaten.“Der Krieg war zu Ende gewesen, aber Ende Mai 1913 war die 
erwartete Friedensverkündigung immer noch nicht nach Bulgarien gelangt [....] 
Männer über 45, die schon dachten, sie hätten sich für immer von der Armee 
verabschiedet, wurden erneut einberufen [....], ja sogar die Zigeuner, die bis dann nur 
als Stadtwerktätige ausgenutzt wurden, sind Soldaten geworden26. 
In der Walachei und in der Moldau fertigen die Zigeuner als Schmiede und 
Schlosser verschiedenartige Eisenerzeugnisse an und reparieren sie nicht nur für die 
Bauern und die Bojaren, sondern auch für die Fürstenarmeen. 
Bei Konflikten zwischen den Zigeunern und der anderen Bevölkerung der 
Fürstentümer mischt sich der Staat ein.Die Mordfälle werden streng (mit Todesurteil) 
bestraft, hart sind die Strafen auch für einige spezifische Verbrechen (zum Beispiel 
Falschgeldproduktion). Die Gesetzessammlung „Rumänisches Buch zur Belehrung“ 
aus 1646 von Vassile Lupu sieht vor: ”[...] Der Zigeuner oder die Zigeunerin, oder ihr 
Kind sollen freigesprochen werden, wenn sie einmal, zweimal oder dreimal eine 
Henne, eine Gans oder eine andere Kleinigkeit gestohlen haben; wenn sie etwas 
Größeres stehlen, sollen sie wegen dieses Diebstahls gescholten werden“27. 
Bei einer Krise, während der Kriege und nach den Kriegen wird eine scharfe 
Steigerung der Kriminalität, der Bettelei und der Landstreicherei beobachtet. So zum 
Beispiel hat nach den Kriegen, im zweiten Jahrzehnt des 20. Jhs. in Bulgarien die 
Kriminalität bei den Zigeunern um ein Drittel, bei den Armeniern fast zweimal, und bei 
25 Tabakov, S. Ein Versuch über die Geschichte der Stadt Sliven. Sofia, 1911, Bd. I, S. 357. 
26 Macfie, R.A. Scott. Unter den Zigeunern in Bulgarien. Tagebuch einer Reise im Jahre 
1913. Sofia, 2007, S. 62. 
27 Maruschiakova, Popov. Die Sklaverei der Zigeuner..., S. 36, 41. 
11
den Bulgaren um ein Achtel.Bei den Zigeunern macht auch die höhere Relativquote 
der beurteilten Frauen Eindruck28. 
Im Osmanischen Reich nehmen die Zigeuner eine besondere Lage in der 
sozial- administrativen Gesamtsystem des Staates ein. Sie gehören nicht zu den 
Grundklassen der Bevölkerung („Rechtgläubige“ und „ Rajah“), und sind auf 
ethnischem Prinzip abgesondert. Sie sind ein Objekt einer selbständigen 
Registrierung, und das bedeutet gewöhnlich das Vorhandensein eines spezifischen 
Steuerstatuts wegen ihres besonderen wirtschaftlichen und militärischen 
Engageménts.“In Pazardzhik (heute Dobrich – Anm. Vf.), im Sitz der gleichnamigen 
Kaza (Kreis) [.…] zogen die in der Stadt ansässigen Zigeuner unsere besondere 
Aufmerksamkeit auf sie. Sie sind Christen, sprechen Türkisch, sind gut angezogen 
und sind sauber und wohlhabend.Aus dem Gesichtspunkt der Moral gewinnen sie 
mehr als die vorherrschende Rasse. Wir stiegen in der Kneipe eines Zigeuners 
namens Marin ab [...] Da wir den heruntergekommenen Zustand erwarteten, in dem 
sich die Zigeuner anderorts befinden, wunderten uns die Maniere von Marin [.…] er 
hat das Verlangen nach einem besseren Leben, wonach jedermann strebt, und eben 
in der Türkei fand er es, trotz allen Verleumdungen gegen dieses Land. Darin 
genießt auch der Zigeuner eine große Freiheit als Bürger, für die die Christen 
kämpfen und gekämpft haben“29. 
Im bulgarischen Staat trifft der Verfall der Handwerke Ende des 19.-Anfang 
des 20. Jhs. auch die Zigeuner-Handwerker. Die zur Zeit der osmanischen 
Herrschaft entstandenen Zunftvereinigungen der Zigeuner erhalten sich zum Teil und 
es werden einige neue Fachvereinigungen der Zigeuner wie die Schmiede – und die 
Verzinnervereinigung geschaffen. Im Jahre 1938 wird in Sofia auch die Erste 
mohammedanische Korbmacherhilfsvereinigung gegründet30. 
12 
28 Njagulov,Bl. Über die Geschichte...., S. 29. 
29 Ivanova, Krastev. Die Romafrau..., S. 113. 
30 Njagulov, Bl. Über die Geschichte..., S. 27-28.
13 
Portier 
„Wir, die Last/träger feierten an einem Brunnen bei Stanke„ (sie feiern nach 
Georgstag, am 7. Mai – Anm. Vf.) [....] Wo die Trommler spielen, dort reihen sich die 
Jugentlichen zum Lauf an – sie sind die Läufer [.…] sie lassen das Essen beim 
Träger (sie haben ein Banner und ein Band). Diejenige, die gelaufen sind, lassen 
Geld, Getränke und Nahrung. Man sammelt Geld für die Kasse, Nahrung für die 
armen Frauen (alleinstehenden Frauen, Witwen), jeder spendet, was übrigbleibt“31. 
In der ersten Hälfte des 20. Jhs. entstehen auf der Balkanhalbinsel auch die 
ersten zigeunerischen Organisationen. Sie werden unabhängig von den Staaten 
gegründet und werden von ihnen nicht unterstützt.Ihr Hauptziel ist, dass sich die 
Zigeuner als gleichberechtigte Bürger in die neuen gesellschaftlichen Realitäten 
integrieren, ohne als eine Gemeinschaft der Individualität beraubt zu werden. 
Die ersten Initiativen einer organisierten zigeunerischen Bewegung in 
Bulgarien.1902 wird in Sofia die erste Kulturorganisation der Roma gegründet – das 
ist das Kunsttheater der Roma. In Rumänien wird zum ersten Mal 1926 eine 
zigeunerische Organisation im Gebiet Fagarash (Transilvanien) gegründet.In 
Jugoslavien besteht seit 1927 die Erste serbisch-zigeunerische Vereinigung für 
gegenseitige Hilfe bei Krankheiten und Tod. 1939 wird in Griechenland (in Athen) 
eine Pan-Hellenische Kulturassoziation der griechischen Zigeuner gegründet32. 
Für die beständige und frühe Ansiedlung der Zigeuner auf der Balkanhalbinsel 
zeugen auch die Angaben der historischen Geschichte. Die lokalen Bezeichnungen 
(Namen) machen uns vielleicht am genauesten und fehlerlos damit bekannt, in 
31 Ivanova, Krastev. Die Romafrau..., S. 93. 
32 Maruschiakova, E., V. Popov. Roma – eine Nation ohne Staat? Historische Wurzeln und 
moderne Tendenzen.- In: Studii Romani. Sofia, 2007, Heft VII, S. 151-152; Njagulov, Bl. 
Über die Geschichte..., S. 28, 33, 36.
welchen Gebieten welche Völker in Kompaktmassen gelebt haben, sowie mit deren 
Wanderungswegen. Toponyme, die mit der materiellen Kultur der einheimischen 
Zigeunerbevölkerung verbunden sind (zum Biespiel „Der Chengelikladenez“ (“Der 
Zigeunerbrunnen“), “Zigeunerbölük“ ("Zigeunermenge“), „Zigeuneregrek“ 
(“Zigeunerschafpferch, -sommerschafstall“), „Zigeunerkaba“ (“Zigeunerebene“). 
Einige Toponyme weisen sakrale heilige/ Stätten (die Gegend „Tsigansko grobishte“ 
(“Zigeunerfriedhof“); „Tsigansko grobe“ (“Zigeunerfriedhof“), andere beziechnen 
geographische Gegebenheiten und Naturgegebenheiten (zum Beispiel die Gegend 
„Chingene bair“ („Zigeunerhügel“); „Tsiganski geren“ („Zigeunerau“); „Tsiganska 
ratlina“ (“Zigeunerkleinhügel“); „Tsiganski dol“ (“Zigeunertal“); „Tsiganska mogila“ 
(“Zigeunerhügel“); „Tsiganska niva“ (“Zigeuneracker“). Aber andere sind mit einem 
bestimmten Vorfall oder Ereignis („Chengene konak“ (“Zigeunerkonak“); „Umreliat 
Tsiganin“ (“Der gestorbene Zigeuner“); „ Tsigankata“ („Die Zigeunerin“). 
Die archäologischen Spuren, die unberührt im Erdschoss Jahrhunderte lang 
erhalten sind, ergänzen auf ihrer charakteristischen Weise die Erzählung über die 
Vergangenheit. In der Gegend „Sinanskite (Karasinanskite) grobishta“ (“Der Sinan 
(Karasinan) friedhof“) beim Dorf Rupkite, Kreis Chirpan bestätigen die 
archäologischen Grabungen das Vorhandensein einer Nekropole. Die Artefakten 
geben ihren Forschern Anlass zu denken, dass im Zeitraum 16.- 17. Jh. sie 
periodisch von einer unmoslemischen Nomaden – oder Halbnomadenbevölkerung, 
wahrscheinlich von Christen, benutzt worden ist.In diesen Jahrhunderten zeigen die 
schriftlichen Quellen, dass dies die Zigeuner sind, und auch die Bezeichnung „Sinan 
(Karasinan) friedhof “ verknüpft die einheimische Bevölkerung mit ihnen. Es gibt 
keine Spuren von moslemischen Bräuchen – es fehlen vor allem die für diese 
Religion charakteristischen Nischengräber.Bei den Gräbern sind in vieler Hinsicht 
Abweichungen vom Kanon, der für andere christliche Nekropolen aus derselben 
Periode charakteristisch ist – sie haben keine bestimmte Anordnung, sondern sind 
wahllos verstreut; sind von drinnen nicht mit Steinen errichtet;es fehlen 
Grabesgegenstände und Spuren von Gedenkfeierritualen33. 
Die Ansiedlung der Zigeuner auf der Balkanhalbinsel ist ein langer und 
andauernder Prozess, der seit der Zeit des Byzantinischen Reichs und den damit in 
einem gemeinsamen kulturhistorischen Bereich verbundenen Staaten beginnt. Die 
ersten historischen Quellen aus der Zeit von Byzanz, wenn auch sie fragmentarisch 
sind, zeigen keine Verfolgung der Zigeuner von der weltlichen und kirchlichen Macht. 
Unter den Bedingungen des Osmanischen Reichs, trotz dem verächtlichen 
Verhältnis zu ihnen (sowohl von den Osmanen als auch von der hiesigen 
Bevölkerung) haben die Zigeuner die Möglichkeit, eine Reihe von ihren 
ethnokulturellen Charakteristiken zu erhalten und sich als eine abgesonderte 
ethnische Gemeinschaft aufzubewahren. Im Ganzen ist ihre gesellschaftliche 
Stellung im Osmanischen Reich viel günstiger als die ihrer Mitbrüder in Westeuropa. 
Und daher ist die Zahl der Zigeuner auf der Balkanhalbinsel beim Anbruch der neuen 
Zeit viel größer. Also mit der Verknüpfung ihres historischen Schicksals mit diesem 
Teil von Europa wird es zu ihrer zweiten Heimat. 
33 Ivanova, E.I., V. Krustev. On the long road...life with the others. Germany, LINCOM, 2008, 
р. 36-38. 
14
Das Papier wurde auf der internationalen Konferenz "Geschichte eines Konzepts 
15 
Balkan (1808-2008) in der Universität Sofia" St. Kliment Ohridski" im Jahr 2008 
Материалът е представен на Международната конференция “Двувековния път 
на едно понятие „Балканския полуостров” (1808-2008), проведена в Софийски 
университет „Св. Климент Охридски“ през 2008 г.

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Die Balkanhalbinsel – die zweite Heimat der Zigeuner

  • 1. 1 Die Balkanhalbinsel – die zweite Heimat der Zigeuner Dr. Evgenia I. Ivanova, Velcho Krastev Dieser Teil Europas, Anfang des 19. Jahrhunderts „Balkanhalbinsel“ genannt, von vielen Völkern besiedelt, zieht auch die Zigeuner an. Es gibt verschiedene Hypothesen über ihre Ankunft auf der Balkanhalbinsel – sie variieren zwischen dem 9. und dem 12. Jahrhundert. Ihre Ansiedlung in Westeuropa beginnt im 15. Jh., nachdem sich die Zigeuner bereits einige Jahrhunderte lang auf der Balkanhalbinsel aufgehalten haben. Dieser Zeitraum, wie auch die nachfolgenden Jahrhunderte, in denen die Zigeuner im Rahmen des Osmanischen Reichs und in den Donaufürstentümern Walachei und Moldau, und danach auch in den im ehemaligen Gebiet des Reiches neuentstandenen Staaten leben, übt einen starken Einfluss auf ihr ganzes historisches Schicksal aus. Deshalb wird heute die Balkanhalbinsel mehrfach „die zweite Heimat“ der Zigeuner genannt. Wenn man über die Zigeuner und ihr historisches Schicksal spricht, muss man berücksichtigen, dass sie eine spezifische Gemeinschaftsart sind, das sogenannte „ethnische Intergruppengebilde“ (MEGREO). Diese Gemeinschaft teilt sich in einzelne Gruppen, die ihre spezifischen ethnosozialen und ethnokulturellen Charakteristiken und Selbstbenennungen haben. Und obwohl sie die anderen sehr oft als „Zigeuner“ bestimmen, abgesehen davon, wie sie sich selbst benennen, sind sie eine klar abgesonderte ethnische Gemeinschaft. Es gibt viele offene Fragen über die Geschichte der Zigeunerwanderung auf der Welt. Die verschiedenen Autoren bestimmen sehr breite zeitliche Grenzen für den Anfang der Wanderungsprozesse der Zigeuner aus Altindien – sie beginnen im 5. Jh. und reichen bis zum 15. Jh. Die Ursachen für diese massenhafte Wanderung werden in der Invasion der Hunnen aus Mittelasien im 4.-5. Jh. und in den Einfällen der Araber in Indien im 7.-8. Jh.gesucht, die zu ernsten sozialökonomischen Veränderungen führen. Die Wanderungsprozesse bei den Zigeunern teilen sich in drei Hauptzweige aufgrund der Ergebnisse linguistischer Forschungen. Der erste richtet sich nach Südwesten und siedelt sich im Gebiet von Syrien und Palästina an, und von dort aus wandern einzelne Gruppen nach Ägypten und Nordafrika weiter. Der zweite orientiert sich nach Norden und lässt sich im Transkaukasus nieder.Der dritte zieht nach Westen, nach Kleinasien und der Balkanhalbinsel, und von dort aus – nach Mittel – und Westeuropa1. Mit dem Einzug ins Gebiet des Byzantinischen Reichs, das zu dieser Zeit große Teile von Kleinasien und der Balkanhalbinsel umfasst, lassen sich die Zigeuner im Laufe einiger Jahrhunderte hier beständig nieder. In den byzantinischen Quellen werden die Zigeuner mit dem Terminus „Antizigeuner“ bezeichnet. In der Chronographie von Theophan Homologeth wird eingehend beschrieben, wie der byzantinische Kaiser Nikiphor І Genik (802-811) die „Atzingani“ (“Atzigeuner“) frei durch die Territorien des ganzen Reichs verkehren lässt und ein Teil von ihnen 1 Maruschiakova, Elena/ Popov, Vesselin. Die Zigeuner im Osmanischen Reich.Sofia, 2000, S. 12-13.
  • 2. siedeln sich in Thrakien an2. Auch in den späteren historischen Angaben über den Zeitraum 12.-14. Jh. vom Byzantinischen Reich und den daran angeschlossenen Balkanstaaten werden mit diesem Namen die Ahnen der heutigen Zigeuner genannt. Im 13.-14. Jh. entsteht die zwiespältige Bezeichnung für die Zigeuner – „Zigeuner“ und „Ägypter“, dabei kommt die Bezeichnung „Ägypter“ besonders oft im 14.-15. Jh. vor. Aus diesem Zeitraum sind die Angaben über den Einzug der Zigeuner in die anderen Balkangebiete und -staaten. 1348 bestimmt der serbische König Stephan Duschan durch eine Sonderurkunde die Steuern, die die sogenannten „Zingarie“ zahlen sollten. 1362 werden in den Stadtregistern von Raguza (heute Dubrovnik) beide Brüder „Ägypter“ erwähnt. Die massenhafte Ansiedlung von „Azigeunern“ in Walachei und in Moldau ist mit ihrer 1371-1377 unter Vladislav „Woiwode und Herrscher der ganzen Ugro-Walachei“3 begonnene Schenkung an Klöster als Sklaven. Durch die Bezeichnungen „Zigeuner“ und „Ägypter“ werden in den historischen Quellen zwei Zigeunergemeinschaften differenziert. So zum Beispiel werden in der Dokumentation des Patriarchen von Konstantinopel Grigorius ІІ Cyprios (1283-1289) die Sondersteuern, die von den sogenannten „Ägyptern und Zigeunern“ gesammelt werden sollten, und die bestehende Praxis des Freikaufens dieser Steuern erwähnt. Es besteht die Hypothese, dass man in der Differenzierung der beiden Bezeichnungen in den verschiedenen historischen Quellen eine Differenzierung der Wellen der Zigeunermigrationen auf der Balkanhalbinsel suchen kann. Eine frühere Welle – die sogenannten „Zigeuner“ wandern in die Territorien von Bulgarien, Serbien, Walachei und Moldau und eine spätere Welle – sie wandern durch das „Kleinägypten“ – wahrscheinlich die Halbinsel Pelopones – und sie kommen relativ später auf der Balkanhalbinsel an. Die Ahnen dieser späteren Welle sind die heute verschiedene Varianten der Bennenung „Ägypter“ – Agupter (Agupti) in Bulgarien, Ägypter (Egypzi) in Makedonien, Gyfter (Gifti) in Griechenland oder Jevger (Jevgi) in Albanien tragende Gemeinschaften4. Mit der osmanischen Offensive auf der Balkanhalbinsel im 14.-15. Jh. kommen auch nicht wenige Zigeuner an. Einige von ihnen nehmen direkt daran teil – sie bedienen die Armee hauptsächlich als Handwerker, Tross, Musiker. Ein Teil von ihnen fahren mit der osmanischen Armee auch weiter nach Europa. 2 2 Deutsche und österreichische Reisebeschreibungen über die Baluanhalbinsel. 11.-16. Jh..Sofia, 1979; Sheytanov, N. Die Zigeuner.-Z. Mir, N.10142 (1934). 3 Maruschiakova, E.,V. Popov. Die Sklaverei der Zigeuner in der Walachei und in der Moldau.-In Studii Romani, Sofia, 2007, Heft VІІ, S. 26. 4 Maruschiakova, Popov. Die Zigeuner im Osmanischen...., S. 16-20.
  • 3. 3 Zigeuner Militärmusiker Andere bleiben auf der Balkanhalbinsel, wo sie sich beständig niederlassen und finden ihren Platz im osmanischen gesellschaftlich-politischen und wirtschaftlichen System. In verschiedenen offiziellen Dokumenten des Osmanischen Reichs finden sie sich unter den Bezeichnungen „Lingene“, „Tschengjane“, „Tschigan“ oder „Kaptian“. Zur Garnison in Nikopol, im gleichnamigen Bezirk werden nach dem osmanischen Register aus 1479-1480 17 Schlosser und Schmiede – Zigeuner, 6 Seiler und 54 Grenzhüter, „die die Festung bedienen und bei Gelegenheit schickt der Bezirksverwalter sie “5. Ahnen dieser ersten Zigeuneransiedlungen sind die zu der sogenannten Balkandialektgemeinschaft der Zigeunersprache „Romanes“ gehörenden Gruppen. Einige der Zigeunerforscher beschreiben und klassifizieren sie als eine „alkanisierte indische Sprache“. Das ist die erste Migrationswelle der Zigeuner, die Europa von Osten nach Westen entdeckt. Aber die Territorien der Balkanhalbinsel, wo das Verhältnis zu ihnen bedeutend toleranter ist, bleiben günstiger zum Leben auch für die Nomadengruppen der Zigeuner, die an die mittel- und westeuropäischen Territorien gelangten.Große Gruppen von Zigeunern, Vertreter der sogenannten altwalachischen (oder südwalachischen) Dialektengemeinschaft von Romanes (die sogenannten Wlachitschki, Wlacholja, Lacho) nutzen die Kriege zwischen Österreich und dem Osmanischen Reich und die zeitweiliche österreichische Okkupation eines Teiles von Nordostserbien, Nordwestbulgarien und Walachei (Ostbanat) im 17. und 18. Jh., dringen ins Osmanische Reich ein und siedeln sich darin an.Das ist die sogenannte zweite Migrationswelle der Zigeuner auf der Balkanhalbinsel6. 1829 werden die Fürstentümer die Walachei und die Moldau von Russland im Laufe dessen Krieges mit dem Osmanischen Reich besetzt. Das macht den Anfang mit dem Befreiungsprozess der Zigeuner von der Sklaverei in den Fürstentümern, 5 Türkische Quellen über die bulgarische Geschichte. Sofia, 1966, B. ІІ, S. 299-315. 6 Liejoa, J.-P. Roma, Zigeuner, Nomaden. Sofia, 1999, S. 21-26, 117-122; Cenrick, D. Die Zigeuner: von Indien bis zum Mittelmeer. Sofia, 1998.
  • 4. der einige Jahrhunderte lang dauert (1829-1864). Die offizielle Aufhebung der Knechtschaft in den Donaufürstentümern Walachei und Moldau im Jahre 1856 führt zu wesentlichen Veränderungen in der Lage der Nomadenzigeuner. In der zweiten Hälfte des 19. Jhs. und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jhs. erfolgen die massenhaften Ansiedlungen der aus Rumänien und den zugehörigen Gebieten von Österreich-Ungarn (Transilvanien und Banat) stammenden Nomadenzigeuner. Das ist die dritte Migrationswelle, „die große kelderarische Invasion“ genannt. Eine der Haupttriebkräfte sind die sogenannten „Kardaraschi“, die der sogenannten neuwalachischen Dialektengemeinschaft von Romanes zugehören. Ein Teil von ihnen lässt sich auch in den ethnischen bulgarischen Territorien nieder.Die Zeit und die Ansiedlungswege sind verschieden und das ergibt auch die unterschiedlichen Bezeichnungen der Untergruppen der Kardaraschi-Grastari (oder serbische Zigeuner), Laeschi/ Lajaschi (die ihre Herkunft mit Serbien und Rumänien verbinden), Njamzurja (die ihre Herkunft mit den ehemaligen österreichisch-ungarischen Territorien verbinden, oder deutsche, österreichische, ungarische 4 Zigeuner). Eine andere Triebkraft sind die rumänischsprachigen Bergleute/ Ludari, die sich in verschiedenen Orten auf der ganzen Balkanhalbinsel, außer Albanien, Kosovo und der Türkei ansiedeln. Bei den Bergleuten in Bulgarien sind die inneren Gliederungen erhalten, die aufgrund der Berufsspezialisierung entstanden sind, wie Lingurari/ Kopanari (Holzschüsselmeister) und Ursari (Metschkadari/ Bärenführer, Majmunari/Affenführer) oder aufgrund der regionalen Gliederung (Kamchieni, Dobruzheni, Monteni und andere). Mit dem allmählichen Zerfall des Osmanischen Reichs entstehen selbständige Balkanstaaten-Serbien, Griechenland, Montenegro, Rumänien, Bulgarien. Die sich beständig in den Grenzen dieser ethnonationalen Staaten niedergelassenen Zigeuner verbinden mit ihnen ihr weiteres historisches Schicksal und ihre Entwicklung als Gemeinschaft. Die einzelnen Staaten nehmen ihre ziemlich verschiedenen Entwicklungswege auf. Die Kriege, die häufigen Änderungen der Grenzen und die inneren Migrationprozesse beeinflussen auch das Schicksal der Zigeuner.
  • 5. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges kommt ein Teil der in Ostthrakien lebenden Zigeuner nach dem benachbarten Bulgarien und lässt sich beständig in seine Territorien nieder. Bei der Volkszählung im Königsreich Bulgarien im Jahre 1920 sind von allen 10 128 Zigeunern im Bezirk Stara Zagora 2,5 % im Gebiet von Odrin, in Makedonien und in der Europäischen Türkei geboren. Der griechisch-türkische Krieg 1921-1922 und der nachfolgende Friedensvertrag von Lausanne rufen einen Austausch der Bevölkerung zwischen Griechenland und der Türkei hervor und in diesem Prozess werden in den beiden Richtungen auch viele Zigeuner gezogen. 1924 wird eine massenhafte Bewegung von bulgarischen Familien aus Westthrakien nach Bulgarien beobachtet. Unter ihnen sind auch Umsiedler der Zigeunergruppe der sogenannten „thrakischen“ Verzinner von Kupfergefäßen. Auch heute sagt man, dass die „Verzinner in Griechenland, südlich von Athen zu den unsrigen gehören, aber sie haben den Beruf verloren“7. Während der Auswanderungsabkommen, die von Bulgarien im 20. Jh. abgeschlossen wurden, migrieren zusammen mit der türkischen Bevölkerung auch nicht wenige Vertreter verschiedener Zigeunergruppen. Infolge der Bevölkerungsaustauschabkommen zwischen Rumänien und der Türkei in den dreißiger Jahren des 20. Jhs. wandern zusammen mit den einheimischen Türken und Tataren auch türkisch – und tatarischsprachige Zigeuner Muslimen mit der entsprechenden selbstbestimmten Identität in die Türkie aus. Die Ansiedlung an verschiedene Orte und die Bewegung der Zigeuner von und auf die Balkanhalbinsel fährt auch in der neueren Zeit fort – die Migrationswellen aus Ex-Jugoslawien in den sechziger- achtziger Jahren des 20. Jhs., die Migration der Zigeuner aus Rumänien nach dem politischen Wandel in Osteuropa im Jahre 1989 oder die letzten Flüchtlingswellen von Zigeunern aus Bosnien und Kosovo. Bei all diesen Ansiedlungen tragen die Zigeuner klare Spuren von kulturellen und sprachlichen Wechselwirkungen mit, die unter den Bedingungen des kultur-historischen 5 Balkanregions geschaffen worden sind. Während des Osmanischen Reichs wohnen die in den Städten ansässigen Zigeuner auf der Balkanhalbinsel in abgesonderten Mahali/ Stadtvierteln, laut der 7 Ivanova, E.I , V. Krastev. Auf dem langen Weg ...Ein Leben mit den anderen. Stara Zagora, 2006, S. 97.
  • 6. osmanischen städtebaulichen Konzeption. „Jede unterworfene Nationalität, unter dem Namen Rajah bekannt,wohnt in einzelnen abgesonderten Orten oder Stadtvierteln [....] Wie auch (im) ganzen Osten [...] die sogenannten „Tschingjanet“ (Wanderzigeuner), die durch die moslemischen Provinzen wandern [....] hat man ihnen trotzdem, wie auch in den anderen Städten, ein Grundstück?. das ein gesondertes Stadtviertel bildet [...] Shumla. Tschingjane mahalesi – das Zigrunerviertel ist unweit“8. Andere führen ein Halbnomadenleben.”Obwohl sie (die Zigeuner-Anm.Vf.) in allen Provinzen von Rumelien zahlreich sind, kann man behaupten, dass sie im antiken Thrakien am meisten sind. Es ist zum Erstaunen, wenn man in der warmen Periode des Jahres ihre schwarzen Zelte sieht, die unweit der Großstädte, wie auch von armen Dörfern und Ortschaften aufgeschlagen sind. Man trifft sie überall, mit ihren Zelten, auch mit ihrem Hab und Gut, mit ihren Kindern, begleitet von ihren Eseln oder Pferden, von Ort zu Ort wandern. Manchmal sind sie nur eine Familie, manchmal mehr [....] In türkischen Dörfern, wo sie weniger beleidigt werden, kann man ihre öfters in der Mitte des Dorfes aufgeschlagenen Zelte sehen [....] Die Zigeuner verlassen ihre Winterwohnungen, Kischla genannt, gegen Mitte April“9. Im wiedergegründeten bulgarischen Staat, trotz den dynamisch wechselnden Bedingungen, erhalten die ansässigen Zigeuner ihre Traditionen, in kompakten Gruppen außerhalb oder öfter innerhalb der Siedlungen zu leben. Um sich neue Steuerzahler zu sichern, bemüht sich der Staat, eine beständige Niederlassung der Nomadenzigeuner durchzusetzen, durch einen Nomadenverbot, der infolge des Stadtgemeinde10 und des Dorfgemeindegesetzes11 eingeführt wurde. 8 Französische Reisebeschreibungen über die Balkanhalbinsel im 19. Jahrhundert. Zusammeng. Bistra Zwetkova, Sofia, 1981. 9 Maruschiakova, Popov. Die Zigeuner im Osmanischen.., S. 73-74 – Dr. Alexander Paspati. 10 Staatszeitung №69,19 Juli 1886. 11 Staatszeitung, №70, 20 Juli 1886. 6
  • 7. Mit ihrer beständigen Niederlassung beginnen die Zigeuner in den Dörfern sich mit Ackerbau zu beschäftigen.Bereits 1818 bemerkt der englische Reisende William Mikemichel, dass im Unterlauf von Yantra „ein paar kleine Dörfer, ausschließlich mit dunklen, gebräunten Zigeunern besiedelt [....] Hier sahen wir sie sich mit Ackerbau beschäftigen und ansässig leben“12. In den osmanischen Registern für Kaza (Kreis) Silistra Anfang der siebziger Jahre des 19. Jhs. kann gegen 30% von dieser eingeschriebenen Zigeunerbevölkerung als besitzende Klasse angenommen werden.Im Durchschnitt entfallen auf einen „hane“ (Haushalt) hier je 39 „ dönüm“ (Dekar) Ackerland13. Sowohl in den 60-er und 70-er Jahren des 19. Jhs. als auch in den ersten Jahrzehnten nach der Befreiung werden in Bulgarien einige der sich beständig niedergelassenen Zigeuner Landbesitzer. Sie kaufen es (das Land) von den auswandernden Türken auf14. Anfang der 20-er Jahren des 20. Jhs. bekommen ansässige und besitzlose Zigeuner Land von der Regierung des Bulgarischen Volksbauernbundes.Wegen ihrer Standesideologie und – politik im Interesse der Bauernbevölkerung genießt sie eine Popularität unter den Agrarminderheiten in Bulgarien15. 7 12 Englische Reisebeschreibungen über die Balkanhalbinsel.Ende des 16.-die 30-er Jahre des 19. Jhs. Sofia, 1987, S. 552. 13 Draganova, Sl. Statistische Angaben über den Besitz und die Besteuerung der Zigeuner (Roma) bevölkerung im „Tunavilâyet“ (Großgebiet Donau).- In: Integration der Roma in der bulgarischen Gesellschaft. Sofia, 2007, S. 16. 14 Marinov, V. Betrachtungen über die Lebensweise der Zigeuner in Bulgarien. - In: Mitteilungen des Ethnographischen Instituts mit Museum. Sofia, 1962, Heft V, S. 225. 15 Njagulov, Bl. Über die Geschichte der Zigeuner/ Roma in Lulgarien. -In: Integration der Roma in der bulgarischen Gesellschaft. Sofia, 2007, S. 28.
  • 8. Die reichen serbischen Nomadenzigeuner besitzen eigenes Anbauland und wandern durch das Land mit ihren Zelten, haben oft je drei Frauen. Ein Zigeuner von 40 Jahren besitzt 3 ha Anbauland, 3 Pferde, Hühner, Truthennen und hat 3 Frauen – von 40, von 35 und von 28 Jahren. Jede Frau bleibt 8 Tage lang im Zelt, sie kocht, macht sauber, schläft mit ihrem Gatten und sorgt für die Kinder, und die beiden anderen gehen betteln16. Von einer Zigeunerfamilie, die Gemüseanbau treibt, erzählt ein „türkischer“ Zigeuner aus Stara Zagora.Er ist ein Alteingesessener, sein Großvater ist Hufschmied, und sein Vater- Verzinner.In den 30-er Jahren und bis Ende der 40-er Jahre des 20. Jhs. ist die Familie Besitzer von 20 Dekar Gemüsegärten in der Gegend „Rajtscho Petkovi orechi“ („Rajtscho Petkovi Nussbäume“), südlich der Stadt17. Bei ihrer Ansiedlung auf die Balkanhalbinsel treffen hier die Zigeuner das Christentum als offizielle Religion an und viele von ihnen nehmen es an. ”Es scheint mir ganz wahrscheinlich, dass die mit irgendeinen antikem Glauben nach Thrakien kommenden Zigeuner, falls sie überhaupt irgendwelchen gehabt haben, alle zum Christentum bekehten und den christlichen Glauben annahmen, der damals der einzige in diesen Provinzen war [...] Nach der Eroberung des Reichs (des Osmanischen Reichs – Anm. Vf.) folgten die meisten dem Beispiel einer großen Anzahl von Christen und nahmen aus verschiedenen Motiven den Islam an.Die Zigeuner bekannten sich zu keinen anderen Religionen als zur christlichen und zur moslemischen“18. Im veränderten Kräfteverhältnis auf der Balkanhalbinsel ist der Islam die Religion der herrschenden Klasse. Seine Annahme kann einen freieren und sichereren Status in der osmanischen Feudalgesellschaft einbringen. Sowohl den übrigen Nationalitäten als auch den Zigeunern gegenüber wird eine organisierte und zielgerichtete Islamisierungspolitik geführt. So kann man die Anwesenheit von nicht wenigen Derwischen (mohammedanischen Mönchen) aus ihren Kreisen erklären, von denen man weiß, dass sie in diesen Jahren eine bedeutende Rolle in der 8 16 Petrovic, A. Contribution to the Study of the Serbian Gypsis. –Journal of the Gypsy Lore Society, (1935) Ser. 3, p. 182. 17 Ivanova, E. I., V. Krastev. Die Romafrau – Freiheiten und Grenzen in ihrem Leben. Stara Zagora, 2008, S. 198. 18 Paspati, Al. Etudes sur les Tchinghianés eu Bohémiens de l `empire ottoman. Konstantinopol, 1870, c. 26.
  • 9. Verbreitung des Islams unter der christlichen Balkanbevölkerung spielen. Der Osmanische Staat merkt die religiöse Labilität der Zigeuner und nutzt seine Steuerpolitik zu ihrer Bekehrung zum Islam aus. Das Ziel ist, unter den Zigeunern eine Unterstützung und eine Basis in den eroberten Territorien der Balkanhalbinsel zu schaffen und eine bessere Ordnung und einen Gehorsam unter ihnen einzuführen.Im Gesetz – und anordnungskorps, das die Bevölkerung im Rumelien- Vilâyet aus 1475 betrifft, wird verlangt ”Ein Zigeuner darf nicht unter ungläubigen Zigeunern leben.Er muss mit Muslims leben“19. 1530 erlässt Sultan Sjuleiman der Großartige ein „Gesetz über die Zigeuner im Rumelien-Vilâyet“, dessen Hauptziel die volle Steuerzahlung, einschließlich auch von den Nomadenzigeunern ist. Die Höhe der gezahlten Steuer ist in Abhängigkeit von der religiösen Zugehörigkeit – sie ist niedriger für die Muslimzigeuner und höher für die Christzigeuner. Beide Kategorien zahlen eine Heiratsabgabe, Verbrechens – und Missetatstrafen wie „der übrige Rajah“. Und die osmanische Staatsmacht zieht es vor, „die vom Gesetz unerlaubten Taten“, die von den Frauen der Zigeuner begangen werden, in eine Einkommensquelle für die Staatskasse zu verwandeln. Diese Besteuerung wird im Steuerregister aus 1523 „Prostitutionssteuer“ genannt. Und nach dem „Gesetz für die Zigeuner im „Rumelien“ –Vilâyet aus 1530 zahlen „die Frauen der Zigeuner in Istanbul, Edirne (heute Odrin – Anm. Vf.), Philibe (heute Plovdiv) und Sofia, die vom Gesetz unerlaubte Taten begangen haben, jeden Monat je hundert Akçe/eine alte türkische Silbermünze/Steuer, genannt „Kesim“20. Das gesetzgebende System des Osmanischen Reichs regelt immer mehr seine Steuerwechselbeziehungen zu den Zigeunern. Im Ferman (Herrschererlass) über die Erhebung der Ciziyesteuer (eine Steuer für alle volljährigen Männer im Osmanischen Reich) von den Muslimzigeunern in Rumelien wird angegeben, dass örtliche Steuerämter für die Zigeuner geöffnet sind. Die Zigeuner haben einen Aufseher, der für das Steuersammeln im Vilâyet verantwortlich ist. Die Zigeunergemeinschaft wird als freie Bevölkerung behandelt, aber ihr wird nicht gestattet, sich zu widersetzen oder die Steuerzahlung zu verweigern.Es werden keine „abgewetzte, abgenutzte, falsche oder gebrochene Münzen”angenommen21. „Die Steuer,Haraç genannt, (eine Steuer für alle Männer- Unmohammedaner, die sie den Mohammedanern zahlen), die die Türken von ihnen sammeln, ist hoch. Die Männer zahlen je sieben Reichsdukat (eine Goldmünze) pro Person, die Burschen je fünf Dukat, und den Frauen wird die Steuer erlassen. Die Quittung, die sie gegen die Steuerzahlung bekommen, bewahren sie ganz sorgfältig auf, indem sie die laut dem bulgarischen Brauch in ihr Haus hängen. Auf diese Weise lassen sie ihre Herkunft erfahren”22. Mit der Gründung von Serbien 1812 wird eine „Personensteuer von den Zigeunern weiter eingenommen. Mehr noch, laut einem Fürstenerlass aus 1819 wird der Steuersammler der Zigeunersteuer „haraç/araç“ (Zigeunerpersonensteuer) als Oberverwalter aller Zigeuner eingestellt. Er vertritt die Zigeuner für alles und niemand darf sich in seine Angelegenheiten einmischen. 19 Quellen über die Geschichte des bulgarischen Rechts.Vf. Georgi Georgiev. Sofia, 1961, S.303. 20 Ivanova, Krastev. Die Romafrau.... , S. 160. 21 Türkische Quellen über die bulgarische Geschichte.Die Archive sprechen.Sofia, 2001, Heft XIII, S. 251-252. 22 Deutsche und österreichische Reisebeschreibungen über die Balkanhalbinsel.17.Jh.-Mitte des 18. Jhs.Auswahl Jono Mitev. Sofia, 1986, S. 302 - Kempelen, 1740. 9
  • 10. In der Walachei und in der Moldau ist die Nomadensaison der Zigeuner nicht genau bestimmt, wird aber aller Wahrscheinlichkeit nach von den Zahlungstagen der Jahressteuer beeinflusst, was zweimal im Jahre vor sich geht23. 10 Nomadischen Zigeuner im Osmanischen Reich Das Sammeln der Jahressteuer von den Nomadenzigeunern in Thrakien geht einmal im Jahre vor sich.: “In den Frühlingsmonaten, wenn die Zigeuner schon ihre Winterviertel verlassen haben, begegnet man ihnen in den grünen Feldern, nahe an einer Quelle. Dort feiern sie ein Fest, einzigartig für ihre Rasse, weit von den Griechen und den Türken, ihr Fest „kakkavá oder ein Fest des Kleinkupferkessels. An drei aufeinanderfolgenden Tagen geben sich diese Nomaden in ihren Zelten einem Schmaus, einer Freude,Tänzen und Liedern hin [....] Am Ende dieser drei Tage zahlen sie ihre Jahressteuer dem Tcheribachi, schlichten ihre Streitangelegenheiten und gehen mit den Zelten und den Tieren in ihre Länder auseinander [....] Viele Leute erheben sogar Anspruch darauf, die Feier kakkavá werde vom Tcheribachi veranstaltet,damit er die Gebühren besser sammle.... Oft endet kakkavá für viele Zigeuner mit Jammer und Schluchzen wegen des beleidigenden Steuersammeln vom Tcheribachi.Man rief den Vorgesetzten, der zwangsweise die Steuer einnahm, und öfters wurden sie Opfer seiner Habgier. Anlässlich dieser wiederholten Beleidigungen wiederholten sie das Sprichwort: ”Ich lasse Wasser gegen die Sonne“, um ihren Misserfolg vor dem Vorgesetzten auszudrücken“24. Für das osmanische Verwaltungssystem sind die Zigeuner nicht nur eine Quelle von Steuereinnahmen, sondern auch eine Bevölkerung, die zur regulären Armee herangezogen wird. “Der Militärdienst in Zheravna dauerte fast bis zur Befreiung, wurde jedoch nicht mehr von Bulgaren, sondern von Zigeunern abgeleistet. Jährlich gingen sie auf dem Weg nach Tsarigrad durch Sliven [....] Mit dem Woiwoden an der Spitze, später Tcheribachi genannt, trat die Soldatenschar unter dem wehenden Banner, unter Musik und Spielen auf, nahm Geschenke von Bulgaren und Türken entgegen und zog um Georgstag nach Tsarigrad. Die Zigeuner 23 Maruschiakova, Popov. Die Sklaverei der Zigeuner...., S. 37-38. 24 Paspati. Études sur…., p. 26.
  • 11. ersetzten die bulgarischen Soldaten auch anderorts, besonders nach dem Tanzimat (die Periode der bürgerlichen Reformen) (1839)“25. Jahrzehnte später sind sie auch in den Armeen der neugegründeten Balkanstaaten.“Der Krieg war zu Ende gewesen, aber Ende Mai 1913 war die erwartete Friedensverkündigung immer noch nicht nach Bulgarien gelangt [....] Männer über 45, die schon dachten, sie hätten sich für immer von der Armee verabschiedet, wurden erneut einberufen [....], ja sogar die Zigeuner, die bis dann nur als Stadtwerktätige ausgenutzt wurden, sind Soldaten geworden26. In der Walachei und in der Moldau fertigen die Zigeuner als Schmiede und Schlosser verschiedenartige Eisenerzeugnisse an und reparieren sie nicht nur für die Bauern und die Bojaren, sondern auch für die Fürstenarmeen. Bei Konflikten zwischen den Zigeunern und der anderen Bevölkerung der Fürstentümer mischt sich der Staat ein.Die Mordfälle werden streng (mit Todesurteil) bestraft, hart sind die Strafen auch für einige spezifische Verbrechen (zum Beispiel Falschgeldproduktion). Die Gesetzessammlung „Rumänisches Buch zur Belehrung“ aus 1646 von Vassile Lupu sieht vor: ”[...] Der Zigeuner oder die Zigeunerin, oder ihr Kind sollen freigesprochen werden, wenn sie einmal, zweimal oder dreimal eine Henne, eine Gans oder eine andere Kleinigkeit gestohlen haben; wenn sie etwas Größeres stehlen, sollen sie wegen dieses Diebstahls gescholten werden“27. Bei einer Krise, während der Kriege und nach den Kriegen wird eine scharfe Steigerung der Kriminalität, der Bettelei und der Landstreicherei beobachtet. So zum Beispiel hat nach den Kriegen, im zweiten Jahrzehnt des 20. Jhs. in Bulgarien die Kriminalität bei den Zigeunern um ein Drittel, bei den Armeniern fast zweimal, und bei 25 Tabakov, S. Ein Versuch über die Geschichte der Stadt Sliven. Sofia, 1911, Bd. I, S. 357. 26 Macfie, R.A. Scott. Unter den Zigeunern in Bulgarien. Tagebuch einer Reise im Jahre 1913. Sofia, 2007, S. 62. 27 Maruschiakova, Popov. Die Sklaverei der Zigeuner..., S. 36, 41. 11
  • 12. den Bulgaren um ein Achtel.Bei den Zigeunern macht auch die höhere Relativquote der beurteilten Frauen Eindruck28. Im Osmanischen Reich nehmen die Zigeuner eine besondere Lage in der sozial- administrativen Gesamtsystem des Staates ein. Sie gehören nicht zu den Grundklassen der Bevölkerung („Rechtgläubige“ und „ Rajah“), und sind auf ethnischem Prinzip abgesondert. Sie sind ein Objekt einer selbständigen Registrierung, und das bedeutet gewöhnlich das Vorhandensein eines spezifischen Steuerstatuts wegen ihres besonderen wirtschaftlichen und militärischen Engageménts.“In Pazardzhik (heute Dobrich – Anm. Vf.), im Sitz der gleichnamigen Kaza (Kreis) [.…] zogen die in der Stadt ansässigen Zigeuner unsere besondere Aufmerksamkeit auf sie. Sie sind Christen, sprechen Türkisch, sind gut angezogen und sind sauber und wohlhabend.Aus dem Gesichtspunkt der Moral gewinnen sie mehr als die vorherrschende Rasse. Wir stiegen in der Kneipe eines Zigeuners namens Marin ab [...] Da wir den heruntergekommenen Zustand erwarteten, in dem sich die Zigeuner anderorts befinden, wunderten uns die Maniere von Marin [.…] er hat das Verlangen nach einem besseren Leben, wonach jedermann strebt, und eben in der Türkei fand er es, trotz allen Verleumdungen gegen dieses Land. Darin genießt auch der Zigeuner eine große Freiheit als Bürger, für die die Christen kämpfen und gekämpft haben“29. Im bulgarischen Staat trifft der Verfall der Handwerke Ende des 19.-Anfang des 20. Jhs. auch die Zigeuner-Handwerker. Die zur Zeit der osmanischen Herrschaft entstandenen Zunftvereinigungen der Zigeuner erhalten sich zum Teil und es werden einige neue Fachvereinigungen der Zigeuner wie die Schmiede – und die Verzinnervereinigung geschaffen. Im Jahre 1938 wird in Sofia auch die Erste mohammedanische Korbmacherhilfsvereinigung gegründet30. 12 28 Njagulov,Bl. Über die Geschichte...., S. 29. 29 Ivanova, Krastev. Die Romafrau..., S. 113. 30 Njagulov, Bl. Über die Geschichte..., S. 27-28.
  • 13. 13 Portier „Wir, die Last/träger feierten an einem Brunnen bei Stanke„ (sie feiern nach Georgstag, am 7. Mai – Anm. Vf.) [....] Wo die Trommler spielen, dort reihen sich die Jugentlichen zum Lauf an – sie sind die Läufer [.…] sie lassen das Essen beim Träger (sie haben ein Banner und ein Band). Diejenige, die gelaufen sind, lassen Geld, Getränke und Nahrung. Man sammelt Geld für die Kasse, Nahrung für die armen Frauen (alleinstehenden Frauen, Witwen), jeder spendet, was übrigbleibt“31. In der ersten Hälfte des 20. Jhs. entstehen auf der Balkanhalbinsel auch die ersten zigeunerischen Organisationen. Sie werden unabhängig von den Staaten gegründet und werden von ihnen nicht unterstützt.Ihr Hauptziel ist, dass sich die Zigeuner als gleichberechtigte Bürger in die neuen gesellschaftlichen Realitäten integrieren, ohne als eine Gemeinschaft der Individualität beraubt zu werden. Die ersten Initiativen einer organisierten zigeunerischen Bewegung in Bulgarien.1902 wird in Sofia die erste Kulturorganisation der Roma gegründet – das ist das Kunsttheater der Roma. In Rumänien wird zum ersten Mal 1926 eine zigeunerische Organisation im Gebiet Fagarash (Transilvanien) gegründet.In Jugoslavien besteht seit 1927 die Erste serbisch-zigeunerische Vereinigung für gegenseitige Hilfe bei Krankheiten und Tod. 1939 wird in Griechenland (in Athen) eine Pan-Hellenische Kulturassoziation der griechischen Zigeuner gegründet32. Für die beständige und frühe Ansiedlung der Zigeuner auf der Balkanhalbinsel zeugen auch die Angaben der historischen Geschichte. Die lokalen Bezeichnungen (Namen) machen uns vielleicht am genauesten und fehlerlos damit bekannt, in 31 Ivanova, Krastev. Die Romafrau..., S. 93. 32 Maruschiakova, E., V. Popov. Roma – eine Nation ohne Staat? Historische Wurzeln und moderne Tendenzen.- In: Studii Romani. Sofia, 2007, Heft VII, S. 151-152; Njagulov, Bl. Über die Geschichte..., S. 28, 33, 36.
  • 14. welchen Gebieten welche Völker in Kompaktmassen gelebt haben, sowie mit deren Wanderungswegen. Toponyme, die mit der materiellen Kultur der einheimischen Zigeunerbevölkerung verbunden sind (zum Biespiel „Der Chengelikladenez“ (“Der Zigeunerbrunnen“), “Zigeunerbölük“ ("Zigeunermenge“), „Zigeuneregrek“ (“Zigeunerschafpferch, -sommerschafstall“), „Zigeunerkaba“ (“Zigeunerebene“). Einige Toponyme weisen sakrale heilige/ Stätten (die Gegend „Tsigansko grobishte“ (“Zigeunerfriedhof“); „Tsigansko grobe“ (“Zigeunerfriedhof“), andere beziechnen geographische Gegebenheiten und Naturgegebenheiten (zum Beispiel die Gegend „Chingene bair“ („Zigeunerhügel“); „Tsiganski geren“ („Zigeunerau“); „Tsiganska ratlina“ (“Zigeunerkleinhügel“); „Tsiganski dol“ (“Zigeunertal“); „Tsiganska mogila“ (“Zigeunerhügel“); „Tsiganska niva“ (“Zigeuneracker“). Aber andere sind mit einem bestimmten Vorfall oder Ereignis („Chengene konak“ (“Zigeunerkonak“); „Umreliat Tsiganin“ (“Der gestorbene Zigeuner“); „ Tsigankata“ („Die Zigeunerin“). Die archäologischen Spuren, die unberührt im Erdschoss Jahrhunderte lang erhalten sind, ergänzen auf ihrer charakteristischen Weise die Erzählung über die Vergangenheit. In der Gegend „Sinanskite (Karasinanskite) grobishta“ (“Der Sinan (Karasinan) friedhof“) beim Dorf Rupkite, Kreis Chirpan bestätigen die archäologischen Grabungen das Vorhandensein einer Nekropole. Die Artefakten geben ihren Forschern Anlass zu denken, dass im Zeitraum 16.- 17. Jh. sie periodisch von einer unmoslemischen Nomaden – oder Halbnomadenbevölkerung, wahrscheinlich von Christen, benutzt worden ist.In diesen Jahrhunderten zeigen die schriftlichen Quellen, dass dies die Zigeuner sind, und auch die Bezeichnung „Sinan (Karasinan) friedhof “ verknüpft die einheimische Bevölkerung mit ihnen. Es gibt keine Spuren von moslemischen Bräuchen – es fehlen vor allem die für diese Religion charakteristischen Nischengräber.Bei den Gräbern sind in vieler Hinsicht Abweichungen vom Kanon, der für andere christliche Nekropolen aus derselben Periode charakteristisch ist – sie haben keine bestimmte Anordnung, sondern sind wahllos verstreut; sind von drinnen nicht mit Steinen errichtet;es fehlen Grabesgegenstände und Spuren von Gedenkfeierritualen33. Die Ansiedlung der Zigeuner auf der Balkanhalbinsel ist ein langer und andauernder Prozess, der seit der Zeit des Byzantinischen Reichs und den damit in einem gemeinsamen kulturhistorischen Bereich verbundenen Staaten beginnt. Die ersten historischen Quellen aus der Zeit von Byzanz, wenn auch sie fragmentarisch sind, zeigen keine Verfolgung der Zigeuner von der weltlichen und kirchlichen Macht. Unter den Bedingungen des Osmanischen Reichs, trotz dem verächtlichen Verhältnis zu ihnen (sowohl von den Osmanen als auch von der hiesigen Bevölkerung) haben die Zigeuner die Möglichkeit, eine Reihe von ihren ethnokulturellen Charakteristiken zu erhalten und sich als eine abgesonderte ethnische Gemeinschaft aufzubewahren. Im Ganzen ist ihre gesellschaftliche Stellung im Osmanischen Reich viel günstiger als die ihrer Mitbrüder in Westeuropa. Und daher ist die Zahl der Zigeuner auf der Balkanhalbinsel beim Anbruch der neuen Zeit viel größer. Also mit der Verknüpfung ihres historischen Schicksals mit diesem Teil von Europa wird es zu ihrer zweiten Heimat. 33 Ivanova, E.I., V. Krustev. On the long road...life with the others. Germany, LINCOM, 2008, р. 36-38. 14
  • 15. Das Papier wurde auf der internationalen Konferenz "Geschichte eines Konzepts 15 Balkan (1808-2008) in der Universität Sofia" St. Kliment Ohridski" im Jahr 2008 Материалът е представен на Международната конференция “Двувековния път на едно понятие „Балканския полуостров” (1808-2008), проведена в Софийски университет „Св. Климент Охридски“ през 2008 г.