1. Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Ergebnisse einer Befragung von Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern in fünf Unternehmen
des Chemiestandortes Bitterfeld-Wolfen
Bettina Wiener
Christina Buchwald
QFC Beiträge 2/2008
3. Vorwort
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen,
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist an Rah- Ich freue mich, dass mit der vorliegenden Auswer-
menbedingungen geknüpft, die vor allem in den Be- tung der Erhebung am Chemiestandort Bitterfeld-
trieben geschaffen werden müssen. Wo die Arbeits- Wolfen dieser Erfahrung Rechnung getragen wurde.
zeiten zu lang und die Leistungsanforderungen zu Die Ergebnisse liefern wichtige Informationen für
hoch sind, da fällt es den Beschäftigten außerordent- zielgenaue und betriebsspezifische Maßnahmen.
lich schwer, Beruf- und Privatleben in eine vernünfti- So können die Wünsche der Beschäftigten punkt-
ge und zufriedenstellende Balance zu bringen. genau umgesetzt und betriebliche Notwendigkeiten
berücksichtigt werden. Wichtig ist aber auch, Ver-
Vor diesem Hintergrund hat die IG BCE bereits vor bündete und Unterstützer in der Politik zu finden und
zwei Jahren die Kampagne „Familienbewusste Per- – dort wo es Sinn macht – Synergien zu bilden. Ins-
sonalpolitik – Eltern sind Leistungsträger“ gestartet. besondere Kommunen und öffentliche Träger haben
Im Rahmen dieser Aktivitäten haben wir eine Viel- z. B. in Sachen flexibler Kinderbetreuung erheblichen
zahl von neuen Betriebsvereinbarungen abschlie- Nachholbedarf. Der erforderliche Dreiklang aus Zeit,
ßen können, die ganz unterschiedliche Antworten Geld und Infrastruktur ist noch längst nicht erreicht.
auf die jeweiligen Vereinbarkeitsprobleme geben.
Das Spektrum reicht von der familiengerechten Fle- Ich danke dem Qualifizierungsförderwerk Chemie
xibilisierung von Arbeitszeiten bis zur Weiterbildung für diese Aktivitäten und wünsche viel Erfolg bei der
während der Elternzeit und bis zur Kinderbetreuung betrieblichen Realisierung der anstehenden Maß-
im Betrieb. Zunehmende Bedeutung erfährt auch nahmen.
das Thema Pflege von Angehörigen.
Eine wichtige Erkenntnis aus unserer Kampagne ist: Edeltraud Glänzer
Es helfen keine pauschalen, sondern nur passge- Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstands
naue Lösungsangebote. Und es ist unerlässlich, die der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie,
Beschäftigten zu befragen und einzubinden. Energie (IG BCE)
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5. Vereinbarkeit von Familie und Beruf
Zur betrieblichen Unterstützung der Standortverbes- ser Stelle noch einmal bei allen Interviewpartnern für
serung am Chemiepark Wolfen-Bitterfeld ließ das die Teilnahme und die aufgewendete Zeit bedanken.
Qualifizierungsförderwerk Chemie (QFC) eine Mit- Durch die rege Beteiligung sind wir in der Lage, eine
arbeiterbefragung, die vom zsh vorbereitet und aus- Situationsbeschreibung zum Thema „Vereinbarkeit
gewertet wurde, durchführen. von Familie und Beruf“ für die Mitarbeiter/innen der
Chemieunternehmen im Chemiepark zu geben. Wir
An der Befragung beteiligten sich 5 Unternehmen verbinden unseren Dank mit einem Überblick über
mit 189 Mitarbeiter/innen. Wir möchten uns an die- die Ergebnisse dieser Untersuchung.
Von wem wird das Thema
„Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ diskutiert?
Anders als traditionell oft vermutet, beschäftigt die streute die Beteiligungsquote ziemlich stark zwi-
Diskussion zum Thema „Vereinbarkeit von Familie schen 4 und 46 Prozent, was eher darauf hinweist,
und Beruf“ nicht nur Frauen, wenn sie auch nach dass die Problematik in den Betrieben unterschied-
wie vor bei diesem Thema den Ausschlag geben, lich intensiv thematisiert wird. Im Durchschnitt aller
was letztendlich sicherlich mit ihrer häufig höheren Betriebe haben rund 20 Prozent (also jede/r fünfte
Doppelbelastung zu tun hat. Mit der zunehmenden Mitarbeiter/in) an der Befragung teilgenommen.
Übernahme familiärer Verpflichtungen durch die
Männer bringen sich auch diese immer mehr in die Am Antwortverhalten wird deutlich, wen das Thema
Diskussion mit ein. im Besonderen interessiert: Es sind vor allem Mitar-
beiter/innen in Schichtarbeit, besonders Alleinerzie-
So haben sich an unserer Befragung etwas mehr hende (Frauen und Männer), Familien mit Kindern
Frauen (54 Prozent) als Männer (46 Prozent) be- im betreuungspflichtigen Alter und Familien mit Pfle-
teiligt, obwohl in den befragten Betrieben das Ge- gefällen.
schlechterverhältnis zwischen Männern (53 Prozent)
und Frauen (47 Prozent) umgekehrt ist. Im Weiteren soll darauf eingegangen werden, wie
die Mitarbeiter/innen in den Chemiebetrieben,
Die Beteiligungsquote an der Befragung war zudem die zumeist vollbeschäftigt sind und vorrangig im
unabhängig von der Frauenerwerbsquote in den je- Schichtdienst arbeiten, ihren Arbeitsalltag zwischen
weiligen Betrieben. Auch die Betriebsgröße hatte beruflichen Herausforderungen und familiären An-
keinen Einfluss auf die Zahl der Mitarbeiter/innen, sprüchen und Verpflichtungen meistern.
die sich an der Befragung beteiligten. Insgesamt
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6. Schichtarbeit hat in der Chemie den Vorrang
Fast alle Mitarbeiter/innen (93 Prozent) der befrag- Teilzeitbeschäftigung wurde ausschließlich von Frau-
ten Unternehmen arbeiten Vollzeit und die Mehrheit en benannt. Dabei gibt nur eine der Teilzeitbeschäf-
von ihnen (61 Prozent) sichert diese Arbeitszeiten tigten an, geringfügig zu arbeiten.
im Schichtdienst ab.
Tabelle 1: Beschäftigungsform nach Geschlecht
Geschlecht
Beschäftigungsform Gesamt
Männlich Weiblich
Vollzeit 100% 86% 93%
Teilzeit 0% 14% 7%
Gesamt 100% 100% 100%
Es ist bekannt, dass Schichtdienst an die Mitarbei- die sich an der Befragung beteiligt haben, arbeitet in
ter/innen besondere Herausforderungen in der Koor- Schichten. Bemerkenswert ist, dass dies von Frauen
dination von beruflichen und familiären Verpflichtun- mit 67 Prozent sogar deutlich häufiger angegeben
gen stellt. Knapp zwei Drittel der Mitarbeiter/innen, wurde als von Männern (55 Prozent)1.
Tabelle 2: Art des Schichtdienstes nach Geschlecht
Geschlecht
Art des Schichtdienstes Gesamt
Männlich Weiblich
Zweischicht 22% 8% 14%
Dreischicht 22% 39% 31%
Vollkontinuierliches Schichtsystem 46% 49% 48%
Anderes Schichtsystem 10% 4% 7%
Gesamt 100% 100% 100%
Von den Mitarbeiter/innen, die im Schichtdienst ar- geringere Teil (14 Prozent) ist im Zweischichtsystem
beiten, sind die meisten (48 Prozent) in einem voll- oder in einer anderen Schichtform, wie zum Beispiel
kontinuierlichen Schichtsystem beschäftigt, das in einem geringfügig wechselnden oder teilkontinu-
betrifft Frauen, wie Männern gleichermaßen. 31 ierlichen Schichtsystem (7 Prozent) beschäftigt. Die
Prozent der Befragten arbeiten im Dreischichtsys- beiden letztgenannten Schichtformen werden fast
tem, das trifft für Frauen deutlich häufiger zu. Der ausschließlich von Männern angegeben.
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Dies ist ein Indiz für das höhere Interesse am Befragungsthema gerade von Frauen im Schichtdienst.
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7. Fragt man die Mitarbeiter/innen, ob sie mit ihren jet- Teilzeit arbeiten würden. Bei diesen Frauen scheint
zigen Arbeitszeiten zufrieden sind, dann zeigt sich, die Grenze der Doppelbelastung erreicht oder über-
dass bei einem Großteil, wenn auch nicht bei allen, schritten. Sie wünschen sich „vernünftige Arbeitszei-
die tatsächliche Arbeitszeit der Wunscharbeitszeit ten für junge Mütter“ und Teilzeitarbeit, damit mehr
entspricht.2 Zeit für das Kind bleibt. Junge Mütter sprachen auch
an, möglichst nur in Tagschicht arbeiten zu wollen.
Bei den Männern, die ja ausschließlich Vollbeschäf-
tigung angaben, sind alle, bis auf drei Nennungen, In der kleineren Gruppe (5,5 Prozent) befinden sich
mit ihrer Vollbeschäftigung einverstanden. Bei den Frauen, die derzeit Teilzeit arbeiten, aber gern in ein
Frauen sieht es etwas anders aus: bei 14 Prozent Vollzeitarbeitsverhältnis wechseln würden. In die-
stimmt die Wunscharbeitszeit nicht mit der realen sem Fall fehlt es meistens an Einsatzmöglichkeiten
Arbeitszeit überein. Hier gibt es zwei Gruppen mit im Unternehmen. Hier ist ein, wenn auch nicht all
unterschiedlichen Arbeitszeitwünschen: zu großes, aber dennoch bereitstehendes Arbeits-
kräftepotential für zukünftig anstehende Aufgaben
Zu der größeren Gruppe (8,5 Prozent) gehören zu erkennen.
Frauen, die derzeit vollbeschäftigt sind und lieber
Wie werden die beruflichen Herausforderungen in
Verbindung mit den familiären Verpflichtungen gemeistert?
Die meisten Mitarbeiter/innen haben sich mit ihren gewisse zeitliche Aufwendung für den Arbeitsweg.
Arbeitszeiten arrangiert und organisieren danach Die durchschnittliche Entfernung des Wohnortes
ihren Alltag. Durch die Arbeit im Schichtsystem ist zum Arbeitsplatz beträgt allerdings nur 8 Kilometer.
der Organisationsaufwand jedoch relativ hoch und Die Breite der Angaben spreizt von Wegen unter ei-
die Koordination von Arbeit und Familie nicht immer nem Kilometer bis zu Wegen in der weitesten Entfer-
einfach zu bewältigen. nung von 85 Kilometern.
Dabei kommt für einige Mitarbeiter/innen zu den be- Bei den familiären Verpflichtungen wurde vor allem
trieblichen und familiären Verpflichtungen noch eine nach Kinderbetreuung und Pflegeaufgaben gefragt.
2
Fast ein Drittel (30 Prozent) hat zu dieser Frage keine Angabe gemacht. Es ist zu befürchten, dass in dieser Gruppe einige un-
zufriedene Mitarbeiter/innen enthalten sind, die sich aber nicht zu diesem Thema äußern wollten. Allerdings lassen sich dazu nur
Vermutungen anstellen.
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8. Betreuung der im Haushalt lebenden Kinder
Knapp die Hälfte der befragten Mitarbeiter/innen (47 Männer mit Kindern in dieser Altersgruppe auch
Prozent) haben Kinder, die in ihrem Haushalt leben. häufiger durch die Themen in der Befragung ange-
Das gaben Frauen wie Männer gleichermaßen an. sprochen gefühlt zu haben. Der überwiegende Teil
Von diesen Personen haben die meisten ein Kind der Befragten hat bereits ältere Kinder (10 Jahre und
(66 Prozent) oder zwei Kinder (28 Prozent), 6 Pro- älter), d. h. jenseits des Grundschulalters.
zent haben drei Kinder.
Bei den Kindern unter 6 Jahren erfolgt die Betreu-
15 Prozent der Befragten mit Kindern gab an, allein- ung häufig in einer Kombination von öffentlichen
erziehend zu sein, Frauen (22 Prozent) fast viermal Einrichtungen und Familienangehörigen der Eltern-
so häufig wie Männer (6 Prozent). Hier zeigt sich und Großelterngeneration. So gaben 21 Prozent der
wiederum, dass man nicht ausschließlich von einer Befragten mit Kindern im betreuungspflichtigen Alter
Doppelbelastung bei den Frauen ausgehen sollte, an, dass ihre Kinder während der Betreuungszeit
sondern dass dieses Thema ebenfalls Männer be- Kindertagesstätten besuchen. Nur 6 Prozent der be-
trifft. fragten Personen nannten die Krippe als derzeitige
Form der Kinderbetreuung. Bei 26 Prozent der inter-
Wenn Kinder in jüngerem Alter (bis zu 9 Jahren) im viewten Mitarbeiter/innen werden die Kinder durch
Haushalt leben, antworteten Männer häufiger. Dies ihre Eltern – Mutter oder Vater – betreut. Auf eine
wird zum einen damit zusammenhängen, dass Frau- Betreuung durch die Großeltern (Oma und Opa)
en – gerade mit Kindern in der Vorschulzeit – häu- greifen 20 Prozent zurück. Lediglich in einem Fall
figer zu Hause bleiben. Zum anderen scheinen sich wird eine Tagesmutter zur Betreuung eingesetzt.
Tabelle 3: Formen der Kinderbetreuung (Mehrfachangaben aller Befragten mit Kind)
derzeitige Kinderbetreuung Prozent
Mutter/Vater 26%
Oma/Opa 20%
Krippe 6%
Tagesmutter 1%
Kindertagesstätte 21%
Grundschule 17%
Nachmittagsbetreuung 6%
Weiterführende Schule 14%
Für einige Altersgruppen wurde noch einmal getrennt öffentlichen Betreuungseinrichtungen und familiären
geprüft, welche Betreuungsform die vorrangige ist. Hilfen weiterhin eine entscheidende Rolle. Die fami-
Mehr als drei Viertel der Befragten (77 Prozent) hat liäre Unterstützung ist vor allem in den Randbetreu-
derzeit ein oder mehrere Kinder in der Schule. Die ungszeiten zu Arbeitsbeginn und Arbeitsende wich-
größte Teil dieser Kinder ist 10 Jahre und älter und tig, wenn die Kindereinrichtungen noch nicht oder
besucht somit weiterführende Schulen. Von den 6 nicht mehr geöffnet haben. Außerdem wird für die
bis 9-Jährigen gehen 86 Prozent in die Grundschule. Kinder dieser Altersgruppe öfter eine Nachmittags-
In dieser Altersgruppe spielen die oben genannten betreuung als Unterstützung genannt (36 Prozent).
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9. Die weiterführende Schule wurde als Form der Kin- Als zusätzliche Betreuungsformen wurden verein-
derbetreuung nur noch von 21 Prozent genannt (also zelt eine Offene Ganztagsschule, der Hort und die
deutlich weniger, als Kinder dieser Altersgruppe in Diakonie als Betreuungseinrichtung angegeben.
den Familien zu finden sind), da im Alter ab etwa
10 Jahren eine nachmittägliche Betreuung über den
Schulunterricht hinaus immer seltener wird.
Tabelle 4: Formen der Kinderbetreuung (Mehrfachangaben der Beschäftigten mit Kindern in der
entsprechenden Altersgruppe)
0 bis 6 bis Ab
derzeitige
unter 6 Jahre unter 10 Jahre 10 Jahre
Kinderbetreuung
(21 Fälle) (14 Fälle) (56 Fälle)
Krippe 24%
Tagesmutter 5%
Kindertagesstätte 24% 7%
Grundschule 86%
Nachmittagsbetreuung 36%
Weiterführende Schule 21%
Knapp drei Viertel der Befragten (74 Prozent) sind In Einzelfällen wird eine Nachmittagsbetreuung für
mit der Kinderbetreuung zufrieden, das verbleiben- Kinder im Alter von einem bis drei Jahren gewünscht.
de Viertel ist es allerdings nicht. Verbesserungen bei Die Betreuungszeit, die sich diese Betroffenen für
der Betreuung der Kinder wünscht sich jeder Zehnte ihre Kinder wünschen, liegt im Bereich von 5.00 Uhr
bezüglich der Öffnungszeiten der Kindertagesein- bis 18.00 Uhr. Angesprochen wird ebenfalls im Rah-
richtung. Außerdem wurde von mehreren Mitarbei- men der Nachmittagsbetreuung ein Fahrdienst für
ter/innen eine Nachmittagsbetreuung und verstärkt Kinder, der von Firmen übernommen werden könn-
Angebote in den Ferienzeiten gewünscht. te. Somit wäre ein sicherer Transport der Kinder zu
Nachmittagsveranstaltungen – wie z. B. Sportge-
Die derzeitigen Öffnungszeiten der Kindertagesein- meinschaften oder Musikschule – gewährleistet,
richtungen sind von 6.00 Uhr bzw. 7.00 Uhr morgens wenn die Eltern arbeiten müssen.
bis 16.00 Uhr bzw. 17.00 Uhr am Nachmittag. Fle-
xiblere Öffnungszeiten wurden speziell für die Kin- Des Weiteren wünschen sich einige Befragte ein
dertageseinrichtungen in Bitterfeld, Sandersdorf und erweitertes Angebot für Kinder in den Ferienzeiten,
Wolfen angesprochen. speziell auch für ältere Kinder ab 10 Jahre. Die Be-
treuung sollte im optimalen Fall von 6.00 Uhr bis
18.00 Uhr gewährleistet sein.
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10. Die Betreuung von pflegebedürftigen Angehörigen
Schon jetzt gibt jeder zehnte Befragte an, pflege- zum Teil widersprüchlichen Anforderungen schlagen
bedürftige Angehörige zu betreuen. Es sind mehr sich nicht selten auch in physischen, psychischen
Frauen (13) als Männer (6) die davon sprechen. Das und psychosozialen Beanspruchungen nieder.
entspricht auch anderen Befunden, aus denen zu er-
sehen ist, dass die Pflegeleistungen zwar zwischen Von den Befragten, die bereits jetzt pflegedürftige
Männern und Frauen geteilt werden, aber dass Frau- Angehörige haben, gab jeder Fünfte an, dass es
en stundenmäßig deutlich stärker involviert sind und Schwierigkeiten bei der Versorgung dieser Ange-
andere Aufgaben übernehmen als Männer. Frauen hörigen gibt. Dies äußert sich vor allem darin, dass
führen meistens die eigentlichen Betreuungsleis- kein Betreuungsplatz sowie keine Hilfe bei der Be-
tungen durch, während sich Männer eher um die treuung der pflegebedürftigen Angehörigen zu Hau-
administrativen Fragen (wie die Beantragung des se vorhanden sind und dass sie keine Unterstützung
Pflegegeldes) und die Organisation der Pflegezeiten während der Urlaubszeit erhalten. Es sollte geprüft
kümmern. Somit fühlen sich Männer häufig, trotzt ei- werden, ob den Mitarbeiter/innen der gesetzliche
ner ebenfalls vorhandenen zusätzlichen Belastung, Anspruch von 4 Wochen Unterstützung für die häus-
beim Pflegethema nicht ebenso stark angesprochen liche Pflege bei Verhinderung der Pflegeperson be-
wie Frauen. kannt ist (§39 SGB XI) und warum diese Hilfe in ein-
zelnen Fällen noch nicht genutzt wird.
Die Anforderungen, die an die pflegenden Ange-
hörigen gestellt werden, kollidieren nicht selten mit Weitere Probleme im Rahmen der Betreuung pfle-
ihrer Belastungsfähigkeit und den Ansprüchen, die gebedürftiger Angehöriger werden in der Investition
an eine qualitativ hochwertige Pflege gestellt wer- von viel Zeit erstens bei Besuchen des Angehörigen
den müssen. Vor allem bei Erwerbstätigkeit entste- im Pflegeheim sowie zweitens durch Wege, die zu-
hen zahlreiche Belastungen aus dem Pflegeprozess rückgelegt werden müssen, da die pflegebedürftige
selbst sowie aus möglichen Unvereinbarkeiten zwi- Person nicht mit der betreuenden Person zusammen
schen den Anforderungen der Pflege und der beruf- wohnt, genannt.
lichen Umwelt der pflegenden Angehörigen. Diese
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11. Verbesserung bei der Unterstützung in Notsituationen
Neben der alltäglichen Doppelbelastung wird es mehrtägige Dienstreise zusätzlich eintreten. Um al-
für betreuungspflichtige Erwerbstätige besonders len Anforderungen gerecht werden zu können, wur-
schwierig, mit der Zusatzbelastung fertig zu werden, de nach den hauptsächlichen Problemen bei der Or-
wenn Notsituationen wie Erkrankung der Hauptbe- ganisation von Familien- und Erwerbsanforderungen
treuungsperson, kurzfristiger Schichtwechsel oder sowie nach Unterstützungswünschen gefragt.
Unterstützung durch den Betrieb
Nach Ansicht der befragten Mitarbeiter/innen kann • stärkere Berücksichtigung von Familien mit
der Betrieb verschiedene Unterstützungsleistungen schulpflichtigen Kindern zur Urlaubsplanung
erbringen. Bezüglich der Kinderbetreuung wurden in Ferienzeiten;
von den Befragten Belegrechte in Kinderbetreu- • Unterstützung der Firmen durch Fahrdienste
ungseinrichtungen (in der Nähe des Arbeitsplatzes) für Kinder am Nachmittag;
angesprochen, für die sich der Betrieb einsetzen • Sicherung der Kinderbetreuung am Standort
könnte. bei längeren Arbeitswegen;
• finanzielle Unterstützung durch den Betrieb
Fast jeder Zehnte (9 Prozent) antwortete, dass er (z. B. Zuschuss zu Betreuungskosten);
von einem geförderten Angebot zur Kinderbetreu- • Ermöglichen einer kurzfristigen Urlaubnahme;
ung am Chemiestandort Gebrauch machen würde. • Erleichterung des Tausches von Schichten;
Außerdem wurde der Wunsch geäußert, dass die • großzügigere Nutzung von Zeitguthaben für
Betriebe durch eine Kooperation mit Tagesmüttern Hilfe bei Arztbesuchen Angehöriger;
den Mitarbeiter/innen helfen könnten. • Einsatz für bessere Versorgung durch Ärzte
Folgende Anregungen zur Unterstützung der Mitar- in der Region;
beiter/innen durch den Betrieb wurden von einzel- • Kooperation mit anderen Betrieben,
nen Befragten zusätzlich gegeben: um diesbezüglich voneinander zu lernen.
• gerechtere Arbeitszeiten für junge Mütter; Vor allem eine höhere Flexibilität der Unternehmen
• Haushaltshilfen, damit mehr Zeit für Kinder hinsichtlich der Arbeitszeit zur Vereinbarkeit mit Kin-
bleibt; derbetreuung und Pflegeverpflichtungen bei Ange-
• Betreuung am Wochenende (Sa. bis 16 Uhr); hörigen wurde immer wieder angesprochen.
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12. Anstöße für die kommunale und Landespolitik
Viele der angesprochenen Vorschläge durch die Mit- kommen, wünscht man sich die Schaffung von ex-
arbeiter/innen lassen sich nicht allein im Einverneh- ternen Hilfen für ältere Angehörige zur Bewältigung
men mit den Unternehmen lösen. So werden auch des Alltags.
Anregungen aufgenommen, um über Verbesserun-
gen in der Kommunal- und Landespolitik nachzu- Neben allen vorher genannten Problemen bei der
denken. Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind dies wei-
tere Beispiele, die sich um viele weitere Unterstüt-
Höhere Flexibilität der Kinderbetreuungsein- zungswünsche fortsetzen ließen. In einer zentralen
richtung Servicestelle am Standort könnte man sich den An-
liegen und Problemen der Mitarbeiter widmen und
Immer wieder angesprochen wurde die Schaffung mit ihnen gemeinsam nach Lösungen suchen.
einer KITA für die Kinder von Schichtarbeitern. Ge-
wünscht werden Öffnungszeiten bereits ab 5.00 Uhr. Politische Forderungen
Die üblichen Öffnungszeiten ab 5.30 Uhr oder 6.00
Uhr sind für die Frühschichtarbeiter/innen ein gro- Es gibt natürlich auch Forderungen, die nicht von
ßes Problem. Einige sprachen von Öffnungszeiten, Unternehmen oder im kommunalen Rahmen gelöst
die idealerweise 24 Stunden – also rund um die Uhr werden können, für die man sich aber politisch ein-
– gehen. Die genaue quantitative und auch zeitliche setzen kann, um auch hieraus Unterstützung für die
Nachfrage solcher Kinderbetreuungszeiten sollte Beschäftigten zu erreichen. Die von den Befragten
(möglichst) in allen Unternehmen am Standort er- genannten Forderungen sollen an dieser Stelle kurz
fasst werden, um dann einen kommunalen oder pri- aufgezählt werden:
vaten Anbieter zu gewinnen, mit dem gemeinsam
dieser Anspruch erfüllt werden kann. • Änderung des Kinderförderungsgesetzes
(KiFöG) in Sachsen-Anhalt (bezüglich Halb-
Weitere Anliegen bei der Vereinbarkeit von tagsplatz),
Erwerb und Familie • finanzielle Unterstützung für Eltern, die ihre
Kinder betreuen,
Zu den regelmäßigen Problemen gehört auch die • längere Krankschreibung der Eltern bei
Absicherung aller notwendigen Krankenbesuche Krankheit des Kindes.
mit Angehörigen. Hier wird eine Verbesserung der
Öffnungszeiten und Versorgung in den Arztpraxen Besonders häufig erwähnt wurde von den Befragten
gewünscht. der Wunsch nach Änderung des KiFöG in Sachsen-
Anhalt, um flexiblere Betreuungszeiten für die Kinder
Bei Familienmitgliedern, die zwar noch nicht pfle- in Kindertagesstätten zu erhalten.
gebedürftig sind, aber nicht mehr allein zurecht-
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13. Wünsche und Vorstellungen sowie Bemerkungen der Befragten
Zum Ende des Berichtes soll noch auf individuel- Die Gründe für eine familienfreundliche Personal-
le und besondere Wünsche und Vorstellungen der politik können vielfältig sein: dazu gehören ethisch-
Befragten eingegangen werden, die diese zum Ab- moralische Aspekte und soziales Engagement, es
schluss der Befragung äußerten. Folgende Anre- geht in den Unternehmen um Personalkostenopti-
gungen wurden gegeben: mierung bis hin zu einer langfristigen Sicherung ih-
rer wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Ein weite-
Das hauptsächliche Problem zeigt sich in der Ver- rer Grund wird zunehmend wichtiger werden: Zurzeit
einbarkeit von Schichtzeiten mit dem Familienleben. ändert sich die Situation von ehemals fehlenden Ar-
Davon sind Frauen und Männer gleichermaßen be- beitsplätzen für qualifizierte Arbeitslose zu zukünf-
troffen. So bleibt durch die Schichten zu wenig Zeit tig fehlenden Fachkräften für die Unternehmen. Wer
für die Familie. Die Samstagsarbeit kam in die Kritik sich auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen ein-
und besonders häufig kamen die Klagen von Mit- lässt, kann sich somit für die Zukunft einen deutli-
arbeiter/innen des vollkontinuierlichen Schichtsys- chen Wettbewerbsvorteil sichern.
tems.
In der Studie wurden einige Probleme bei der Ver-
Bei der Schichtarbeit wurde darüber hinaus auch einbarkeit von Familie und Beruf angesprochen.
beklagt, dass diese sehr auf Kosten der Gesundheit Zeit wird oft zu einem besonders wertvollen Gut.
ginge. So kamen beispielsweise auch Wünsche zur Viele der vorgeschlagenen Anregungen und Ände-
Sprache, für chronisch Kranke durch gesetzliche Re- rungswünsche betreffen nicht nur Einzelne, sondern
gelung Erleichterungen im Arbeitsprozess zu schaf- einen Großteil der Mitarbeiter/innen in den Betrie-
fen (z. B. Reduzierung der Wochenarbeitszeit oder ben am Chemiepark Wolfen-Bitterfeld. So macht
Unterstützung bei Übergang in Altersteilzeit). es Sinn, über gemeinsame Lösungen am Standort
nachzudenken. Organisiert werden können die Hil-
Bei manchen Anliegen sollten Betriebe und Kom- fen beispielsweise in einem „Familie & Job Center“
mune zusammen nach Lösungen suchen, um Er- wie in Brandenburg oder in einem „Servicebüro“ für
leichterungen für die Arbeitnehmer zu schaffen, wie Fragen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie wie
abschließend folgendes Zitat einer befragten Per- in Leuna. Anregungen für die Umsetzung lassen
son verdeutlichen soll: „Ich wünsche mir, dass die sich also aus bereits erfolgreich laufenden Modellen
Pforte Griesheimstr/Cl.-Winkler-Str. geöffnet wird. übernehmen.
Dies würde enorm viel Zeit ersparen und zudem ist
der Weg erheblich sicherer. Es gibt außerdem keine
sicheren Radwege zur Kindertagesstätte.“
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