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»Identität« statt »Rasse«?

Vortrag und Diskussion am 09. April 2013


  Simone Borgstede und Sabine Ritter
»Identität« statt »Rasse«?


1. Einleitung: Zum Identitätsbegriff

2. Die Wiege der Demokratie und die Barbaren

3. Das Licht der Aufklärung und der
Farbrassismus

4. Schluss, Diskussion
»Identität« statt »Rasse«?
»Identität« statt »Rasse«?

    1. Einleitung: Zum Identitätsbegriff
●   Dimensionen von »Identität«:
●   Philosophisch
●   Psychologisch
●   Emotional
●   Geographisch
●   Kulturell
●   Historisch-Politisch
»Identität« statt »Rasse«?

  Begriffsbestimmung:
● Verbundenheit des Individuums mit

  einem Kollektiv/ mit einer größeren
  Bezugseinheit
● Abgrenzung von anderen

  Bezugseinheiten
»Identität« statt »Rasse«?

→ Identitätsstiftung zwischen
Individuum und größerer
Bezugseinheit funktioniert nur über
gemeinsames Außen, das immer erst
hergestellt werden muss.
»Identität« statt »Rasse«?

  Entstehung von politischer Identität
  nach Richard Münch (1993):
● Homogenisierung nach innen


● Abgrenzung nach außen


● Inklusion der Peripherie ins Zentrum


● Ausgleich innerer Spannungen
»Identität« statt »Rasse«?


               Ikonographische
               Anleihe mit
               völkischen
               Konnotationen und
               zugleich
               Anspielungen an die
               Jugendkultur
»Identität« statt »Rasse«?


                Jason mit dem
                goldenen Vlies -
                Anspielung auf die
                griechische
                Mythologie als Wiege
                Europas und der
                Demokratie
»Identität« statt »Rasse«?


               »ex oriente lux« - aus
               dem Osten kommt
               das Licht der
               Aufklärung!
»Identität« statt »Rasse«?

2. Die Wiege der Demokratie und die Barbaren
●   Zeitreise: Rassismus ohne ‚Rasse’ als
    Herrschaftsideologie bei Platon: Griechen contra
    Barbaren; Aristoteles: Sklaven = Barbaren

●   Zugehörigkeit zur hierarchisch organisierten
    Volksgemeinschaft über Konstruktion derjenigen, die nicht
    dazugehören, als Untermenschen oder Unmenschen

●   These: dieses ist Hintergrund der Parole 0 % Rassismus –
    100 % Identität
»Identität« statt »Rasse«?

●   Athens Demokratie: Ausschluss des größeren Teils der Bevölkerung
    und große soziale Ungleichheit. Zugelassen: freie griechische
    Männer, die ständig in Athen lebten, über 30 Jahre alt waren, und
    Grundbesitz hatten. Keine Frauen. Keine ‚Unfreien’. Keine Nicht-
    Griechen. Keine Sklaven.

●   5. Jahrhundert v. C. in Athen: Freie Bürger 6-10 % der Bevölkerung,
    ca. 30 % Sklaven, 8 % Metöken (freie Fremde)

●   Platon (428/7-348/7): Aufgabe der Philosophie Legitimation von
    Ständegesellschaft/sozialer Ungleichheit
»Identität« statt »Rasse«?
„Wie aber ... können wir ... Rat schaffen für die untadeligen
und heilsamen Täuschungen, von denen wir vorher sagten,
es sei löblich, durch sie zu überreden die Befehlshaber
selbst, wo aber nicht, doch die übrige Stadt? ... Ihr seid nun
also freilich, werden wir ... zu ihnen sagen, alle, die ihr in der
Stadt seid, Brüder; der bildende Gott aber hat denen von
euch, welche geschickt sind zu herrschen, Gold bei ihrer
Geburt beigemischt, weshalb sie denn auch die Köstlichsten
sind, den Gehilfen aber Silber, Eisen hingegen und Erz den
Ackerbauern und übrigen Arbeitern.“ [Platon, Politeia 414b-
415a]
»Identität« statt »Rasse«?

In Kriegen gegen die Perser kämpfen überwiegend
Athener aus den Unterklassen; Gefahr: Verbündung mit
den Sklaven, Rebellion; deshalb: Einbeziehung in
Demokratie; Platon verstärkt Abgrenzung zu ‚den
anderen’/Barbaren über ‚wir Hellenen/Griechen’.
»Identität« statt »Rasse«?

„So edel und frei ist der Sinn dieser Stadt und so kräftig
und gesund und von Natur aus die Barbaren hassend,
weil wir ganz rein hellenisch sind und unvermischt mit
Barbaren. ... (A)ls reine Hellenen und nicht als
Mischlinge wohnen wir hier. Daher ist der Stadt ein ganz
reiner Haß eingegossen gegen fremde Natur.“ [Platon,
Menexenos 245 c, d]
»Identität« statt »Rasse«?

Aristoteles (384-22) legitimiert Ständegesellschaft und Sklaverei; arbeitet
weiter an Abgrenzung des Handwerkers vom Sklaven:

 „… wenn so die Weberschiffe selber webten und die
 Zitherschlägel von selber die Zither schlügen, dann
 freilich bedürfte es für die Meister nicht der Gehilfen und
 für die Herren nicht der Sklaven.“ [Aristoteles, Politik
 1245 a]


 „Die Stellung eines Handwerkers nämlich ist die einer
 begrenzten Sklaverei ..., aber Sklave ist einer von Natur,
 Schuster oder irgendein sonstiger Handwerker aber
 nicht.“ [Aristoteles, Politik 1260 b]
»Identität« statt »Rasse«?
Aristoteles fasst die für ihn wesentlichen Formen sozialer Ungleichheit in einer einzigen
Argumentationslinie anhand angeblicher Komplementarität zusammen zur Definition des
Sklaven von Natur als Barbaren:

„Vor allem ist es eine Notwendigkeit, daß, was nicht ohne einander
bestehen kann, sich paarweise miteinander vereint, einerseits das
Weibliche und Männliche um der Fortpflanzung willen ... andererseits
das von Natur Regierte ... um der Lebenserhaltung willen; denn wer
vermöge seines Verstandes ... vorauszuschauen vermag, ist von Natur
aus das Regierende und Herrschende ..., wer aber nur vermöge seiner
körperlichen Kräfte das Vorgesehene auszurichten imstande ist, ist von
Natur das Regierte und Dienende ..., daher denn auch Herr ... und
Sklave ... das nämliche Interesse haben. Von Natur nun ferner sind Weib
und Sklave geschieden ... [Die Natur schüfe für jeden Zweck auch
immer das geeignete Werkzeug.] Wenn aber bei den Barbaren Weib und
Sklave dieselbe Stellung haben, so liegt der Grund hiervon darin, daß
ihnen überhaupt dasjenige fehlt, was von Natur zum Regieren bestimmt
ist ... Daher sagen denn auch unsere Dichter: „Ja, mit Fug den Griechen
sind die anderenuntertan“, um damit auszudrücken, daß der Barbar und
der Sklave von Natur dasselbe sind.“ [Aristoteles, Politik 1252 b]
»Identität« statt »Rasse«?
●   Griechen=Gemeinschaft der Ungleichen, aber etwas ganz anderes als
    Barbaren; deren Versklavung: natürlich, vernünftig, rechtens

●   Barbaren auch wegen ihrer Strukturierung der Geschlechterverhältnisse
    minderwertig – barbarisch = kulturlos – eine Operation, die heute gegenüber
    Muslim_innen weit verbreitet ist, s. Kopftuchdebatte

●   Philosophisches Erbe der Antike, auf das sich die Aufklärung bezieht, ohne
    ‚die anderen’ – die Muslime z.B. – nicht denkbar: in arabischen Zentren
    wurden antike Schriften bewahrt und studiert, die in Europa als ketzerisch
    galten

●   Aktuelles Türkenbild/ Orientalismus – abgesehen von christlichen
    Denunziationen im Rahmen der Kreuzzüge – aus dem 19. Jahrhundert, der
    Zeit des Zerfalls des Osmanischen Reiches
»Identität« statt »Rasse«?

3. Das Licht der Aufklärung und der Farbrassismus
●   Aufklärung: Aufbruch aus der Unmündigkeit durch Adel und Kirche

●   Französische Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit:

●   Bürger forderten Beteiligung an der Macht, untere Klassen das Lebensnotwendige –
    auch Frauen und Haitis Sklaven forderten Rechte: dagegen: neue Ein- und
    Ausschließungskriterien

●   Kant (1724-1804), maßgeblicher deutscher Vertreter der Aufklärung:

    Entwickelt eine Geschichte des Fortschritts basierend auf Arbeit und Triebverzicht;
    hetzt gegen diejenigen, die sich daran nicht beteiligen: ‚die Wilden’ der Südseeinseln,
    oder die ‚Arbeitsscheuen’ –vgl. heute in Europa Rassismus gegen Roma und Sinti
»Identität« statt »Rasse«?

 Immanuel Kant: Mutmasslicher Anfang der Menschengeschichte

 „Die leere Sehnsucht des von den Dichtern gepriesenen goldenen
 Zeitalters ... eine Sehnsucht, die die Robinsone und die Reisen nach
 den Südseeinseln so reizend macht.“ [S. 100-01]

„Zufriedenheit mit der Vorsehung und dem Gange menschlicher Dinge
im ganzen, der nicht vom Guten anhebend zum Bösen fortgeht, sondern
sich vom Schlechtern zum Besseren allmählich entwickelt; zu welchem
Fortschritte denn ein jeder an seinem Teile, so viel in seinen Kräften
steht, beizutragen durch die Natur selbst berufen ist.“ [S. 102]
»Identität« statt »Rasse«?
    Kant verbindet zugeschriebene ‚Zivilisationsfähigkeit’ mit angeblichen Hautfarben;
    systematischer Entwickler eines Modells des Farbrassismus: europäische
    Identitätskonstruktion als Konstruktion der Weißen als ‚Rasse’, 3 weitere ‚Menschenrassen’
    als ihr – abgestuft – unterlegen:
●   „Americaner unempfindlich. Ohne affect und Leidenschaft als blos vor Rache.
    Freyheitsliebe ist hier bloße faule Unabhängigkeit. Sprechen nicht, lieben nichts,
    sorgen vor nichts ... nehmen gar keine Cultur an.
●   Neger. Gerade das Gegentheil: sind lebhaft, voller affect und Leidenschaft.
    Schwatzhaft, eitel, den Vergnügen ergeben. Nehmen die Cultur der Knechte an ...
    und sind unfähig sich selbst zu führen. Kinder.
●   Indianer. Sind gelassen, gleichsam selbstbeherrschend, nehmen die Cultur der
    Kunst an, aber nicht der Wissenschaft und Aufklärung. Sind immer Schüler, gut zu
    Bürgern und geduldig (emsig), aber nicht zu magistraten; denn sie kennen nur den
    Zwang...
●   (Weisse:) Enthalten alle Triebfedern der Natur in affecten und Leidenschaften, alle
    Talente, alle Anlagen zur Cultur und Civilisierung und können sowohl gehorchen als
    herrschen. Sie sind die einzige, welche immer in Vollkommenheit fortschreiten... .“
    (Kant, Anthropologische Notizen)
»Identität« statt »Rasse«?
Kant verbindet negative Charaktereigenschaften wie ‚unzivilisiert’ und ‚dumm’ insbesondere mit der
Hautfarbe ‚schwarz’ und grenzt weiße Unterklassen von Afrikaner_innen ab:

„Die Negers von Afrika haben von der Natur kein Gefühl, welches
über das Läppische stiege. Herr Hume fordert jedermann auf, ein
einziges Beispiel anzuführen, da ein Neger Talente gewiesen
habe, und behauptet: daß unter den hunderttausenden von
Schwarzen, die aus ihren Ländern anderwärts verführt werden,
obgleich deren sehr viele auch in Freiheit gesetzt werden, dennoch
nicht ein einziger jemals gefunden worden, der entweder in Kunst
oder Wissenschaft, oder irgend einer andern rühmlichen
Eigenschaft etwas Großes vorgestellt habe, obgleich unter den
Weißen sich beständig welche aus dem niedrigsten Pöbel empor
schwingen und durch vorzügliche Gaben in der Welt ein Ansehen
erwerben. So wesentlich ist der Unterschied zwischen diesen zwei
Menschengeschlechtern, und er scheint eben so groß in Ansehung
der Gemütsfähigkeiten, als der Farbe nach zu sein.“
[Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, S.
253]
»Identität« statt »Rasse«?
●   Für Kant muss es „von Europa kommen“ – nur Europäer = Weiße Träger des
    Fortschritts
●   Identitätsbildung durch Ein- wie Ausgrenzung: einzelne Menschen aus Unterklassen
    tun sich hervor, Afrikaner_innen nicht (aber: der schwarze Philosoph und
    Rechtsgelehrte Anton Wilhelm Amo aus Ghana lehrte 1736-8 an den Universitäten
    Halle und Wittenberg, 1739 in Jena)
●   Othering nötig um Unterklassen hierarchisch in Gemeinschaft einzugliedern – ‚die
    anderen’ werden zu Untermenschen
●   Weiß = ideale Norm. Schwarze/ People of Colour gelten als nicht vollwertig, nicht zu
    allem fähig
●   Diese Identitätsentwicklung lief nicht ohne Brüche und Widerspruch – aber sie ist die
    der hegemonialen Identität, der Identität, die sich durchgesetzt hat und beginnt in der
    Antike ohne Hautfarben
●   ‚Mensch’ der Aufklärung = weißer europäischer Mann, Mittelklasse
●   Identität nicht positiv, sondern über Ausschluss und Denunziation des ‚Rests der
    Welt’ als faul, von Trieben gesteuert und deshalb geschichts- und kulturlos; kindisch,
    unmündig, knechtisch und nicht zu Selbstregierung geeignet

→ Diese europäische Identität/ weiße Vorherrschaft: zu 100 % rassistisch
»Identität« statt »Rasse«?

    4. Schluss:
    »Europäische Identität« doppelt problematisch:
●   Konzept: funktioniert nur über Ausschluss und
    »Othering«
●   Europäische Identität: historisch problematisch

●   Und außerdem nicht denkbar ohne islamische
    Philosophie, arabische Kultur, afrikanische
    Bibliotheken ...
»Identität« statt »Rasse«?

    Diskussion:
●   Warum ist »Identität« für die europäische neue
    Rechte so interessant? Und was macht
    »Identität« zu einem geeigneten rechten
    Konzept?
●   Wieso bleibt es unhinterfragt?
●   Wie können wir uns zu »Identität« und der
    identitären Bewegung verhalten?

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  • 1. »Identität« statt »Rasse«? Vortrag und Diskussion am 09. April 2013 Simone Borgstede und Sabine Ritter
  • 2. »Identität« statt »Rasse«? 1. Einleitung: Zum Identitätsbegriff 2. Die Wiege der Demokratie und die Barbaren 3. Das Licht der Aufklärung und der Farbrassismus 4. Schluss, Diskussion
  • 4. »Identität« statt »Rasse«? 1. Einleitung: Zum Identitätsbegriff ● Dimensionen von »Identität«: ● Philosophisch ● Psychologisch ● Emotional ● Geographisch ● Kulturell ● Historisch-Politisch
  • 5. »Identität« statt »Rasse«? Begriffsbestimmung: ● Verbundenheit des Individuums mit einem Kollektiv/ mit einer größeren Bezugseinheit ● Abgrenzung von anderen Bezugseinheiten
  • 6. »Identität« statt »Rasse«? → Identitätsstiftung zwischen Individuum und größerer Bezugseinheit funktioniert nur über gemeinsames Außen, das immer erst hergestellt werden muss.
  • 7. »Identität« statt »Rasse«? Entstehung von politischer Identität nach Richard Münch (1993): ● Homogenisierung nach innen ● Abgrenzung nach außen ● Inklusion der Peripherie ins Zentrum ● Ausgleich innerer Spannungen
  • 8. »Identität« statt »Rasse«? Ikonographische Anleihe mit völkischen Konnotationen und zugleich Anspielungen an die Jugendkultur
  • 9. »Identität« statt »Rasse«? Jason mit dem goldenen Vlies - Anspielung auf die griechische Mythologie als Wiege Europas und der Demokratie
  • 10. »Identität« statt »Rasse«? »ex oriente lux« - aus dem Osten kommt das Licht der Aufklärung!
  • 11. »Identität« statt »Rasse«? 2. Die Wiege der Demokratie und die Barbaren ● Zeitreise: Rassismus ohne ‚Rasse’ als Herrschaftsideologie bei Platon: Griechen contra Barbaren; Aristoteles: Sklaven = Barbaren ● Zugehörigkeit zur hierarchisch organisierten Volksgemeinschaft über Konstruktion derjenigen, die nicht dazugehören, als Untermenschen oder Unmenschen ● These: dieses ist Hintergrund der Parole 0 % Rassismus – 100 % Identität
  • 12. »Identität« statt »Rasse«? ● Athens Demokratie: Ausschluss des größeren Teils der Bevölkerung und große soziale Ungleichheit. Zugelassen: freie griechische Männer, die ständig in Athen lebten, über 30 Jahre alt waren, und Grundbesitz hatten. Keine Frauen. Keine ‚Unfreien’. Keine Nicht- Griechen. Keine Sklaven. ● 5. Jahrhundert v. C. in Athen: Freie Bürger 6-10 % der Bevölkerung, ca. 30 % Sklaven, 8 % Metöken (freie Fremde) ● Platon (428/7-348/7): Aufgabe der Philosophie Legitimation von Ständegesellschaft/sozialer Ungleichheit
  • 13. »Identität« statt »Rasse«? „Wie aber ... können wir ... Rat schaffen für die untadeligen und heilsamen Täuschungen, von denen wir vorher sagten, es sei löblich, durch sie zu überreden die Befehlshaber selbst, wo aber nicht, doch die übrige Stadt? ... Ihr seid nun also freilich, werden wir ... zu ihnen sagen, alle, die ihr in der Stadt seid, Brüder; der bildende Gott aber hat denen von euch, welche geschickt sind zu herrschen, Gold bei ihrer Geburt beigemischt, weshalb sie denn auch die Köstlichsten sind, den Gehilfen aber Silber, Eisen hingegen und Erz den Ackerbauern und übrigen Arbeitern.“ [Platon, Politeia 414b- 415a]
  • 14. »Identität« statt »Rasse«? In Kriegen gegen die Perser kämpfen überwiegend Athener aus den Unterklassen; Gefahr: Verbündung mit den Sklaven, Rebellion; deshalb: Einbeziehung in Demokratie; Platon verstärkt Abgrenzung zu ‚den anderen’/Barbaren über ‚wir Hellenen/Griechen’.
  • 15. »Identität« statt »Rasse«? „So edel und frei ist der Sinn dieser Stadt und so kräftig und gesund und von Natur aus die Barbaren hassend, weil wir ganz rein hellenisch sind und unvermischt mit Barbaren. ... (A)ls reine Hellenen und nicht als Mischlinge wohnen wir hier. Daher ist der Stadt ein ganz reiner Haß eingegossen gegen fremde Natur.“ [Platon, Menexenos 245 c, d]
  • 16. »Identität« statt »Rasse«? Aristoteles (384-22) legitimiert Ständegesellschaft und Sklaverei; arbeitet weiter an Abgrenzung des Handwerkers vom Sklaven: „… wenn so die Weberschiffe selber webten und die Zitherschlägel von selber die Zither schlügen, dann freilich bedürfte es für die Meister nicht der Gehilfen und für die Herren nicht der Sklaven.“ [Aristoteles, Politik 1245 a] „Die Stellung eines Handwerkers nämlich ist die einer begrenzten Sklaverei ..., aber Sklave ist einer von Natur, Schuster oder irgendein sonstiger Handwerker aber nicht.“ [Aristoteles, Politik 1260 b]
  • 17. »Identität« statt »Rasse«? Aristoteles fasst die für ihn wesentlichen Formen sozialer Ungleichheit in einer einzigen Argumentationslinie anhand angeblicher Komplementarität zusammen zur Definition des Sklaven von Natur als Barbaren: „Vor allem ist es eine Notwendigkeit, daß, was nicht ohne einander bestehen kann, sich paarweise miteinander vereint, einerseits das Weibliche und Männliche um der Fortpflanzung willen ... andererseits das von Natur Regierte ... um der Lebenserhaltung willen; denn wer vermöge seines Verstandes ... vorauszuschauen vermag, ist von Natur aus das Regierende und Herrschende ..., wer aber nur vermöge seiner körperlichen Kräfte das Vorgesehene auszurichten imstande ist, ist von Natur das Regierte und Dienende ..., daher denn auch Herr ... und Sklave ... das nämliche Interesse haben. Von Natur nun ferner sind Weib und Sklave geschieden ... [Die Natur schüfe für jeden Zweck auch immer das geeignete Werkzeug.] Wenn aber bei den Barbaren Weib und Sklave dieselbe Stellung haben, so liegt der Grund hiervon darin, daß ihnen überhaupt dasjenige fehlt, was von Natur zum Regieren bestimmt ist ... Daher sagen denn auch unsere Dichter: „Ja, mit Fug den Griechen sind die anderenuntertan“, um damit auszudrücken, daß der Barbar und der Sklave von Natur dasselbe sind.“ [Aristoteles, Politik 1252 b]
  • 18. »Identität« statt »Rasse«? ● Griechen=Gemeinschaft der Ungleichen, aber etwas ganz anderes als Barbaren; deren Versklavung: natürlich, vernünftig, rechtens ● Barbaren auch wegen ihrer Strukturierung der Geschlechterverhältnisse minderwertig – barbarisch = kulturlos – eine Operation, die heute gegenüber Muslim_innen weit verbreitet ist, s. Kopftuchdebatte ● Philosophisches Erbe der Antike, auf das sich die Aufklärung bezieht, ohne ‚die anderen’ – die Muslime z.B. – nicht denkbar: in arabischen Zentren wurden antike Schriften bewahrt und studiert, die in Europa als ketzerisch galten ● Aktuelles Türkenbild/ Orientalismus – abgesehen von christlichen Denunziationen im Rahmen der Kreuzzüge – aus dem 19. Jahrhundert, der Zeit des Zerfalls des Osmanischen Reiches
  • 19. »Identität« statt »Rasse«? 3. Das Licht der Aufklärung und der Farbrassismus ● Aufklärung: Aufbruch aus der Unmündigkeit durch Adel und Kirche ● Französische Revolution: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: ● Bürger forderten Beteiligung an der Macht, untere Klassen das Lebensnotwendige – auch Frauen und Haitis Sklaven forderten Rechte: dagegen: neue Ein- und Ausschließungskriterien ● Kant (1724-1804), maßgeblicher deutscher Vertreter der Aufklärung: Entwickelt eine Geschichte des Fortschritts basierend auf Arbeit und Triebverzicht; hetzt gegen diejenigen, die sich daran nicht beteiligen: ‚die Wilden’ der Südseeinseln, oder die ‚Arbeitsscheuen’ –vgl. heute in Europa Rassismus gegen Roma und Sinti
  • 20. »Identität« statt »Rasse«? Immanuel Kant: Mutmasslicher Anfang der Menschengeschichte „Die leere Sehnsucht des von den Dichtern gepriesenen goldenen Zeitalters ... eine Sehnsucht, die die Robinsone und die Reisen nach den Südseeinseln so reizend macht.“ [S. 100-01] „Zufriedenheit mit der Vorsehung und dem Gange menschlicher Dinge im ganzen, der nicht vom Guten anhebend zum Bösen fortgeht, sondern sich vom Schlechtern zum Besseren allmählich entwickelt; zu welchem Fortschritte denn ein jeder an seinem Teile, so viel in seinen Kräften steht, beizutragen durch die Natur selbst berufen ist.“ [S. 102]
  • 21. »Identität« statt »Rasse«? Kant verbindet zugeschriebene ‚Zivilisationsfähigkeit’ mit angeblichen Hautfarben; systematischer Entwickler eines Modells des Farbrassismus: europäische Identitätskonstruktion als Konstruktion der Weißen als ‚Rasse’, 3 weitere ‚Menschenrassen’ als ihr – abgestuft – unterlegen: ● „Americaner unempfindlich. Ohne affect und Leidenschaft als blos vor Rache. Freyheitsliebe ist hier bloße faule Unabhängigkeit. Sprechen nicht, lieben nichts, sorgen vor nichts ... nehmen gar keine Cultur an. ● Neger. Gerade das Gegentheil: sind lebhaft, voller affect und Leidenschaft. Schwatzhaft, eitel, den Vergnügen ergeben. Nehmen die Cultur der Knechte an ... und sind unfähig sich selbst zu führen. Kinder. ● Indianer. Sind gelassen, gleichsam selbstbeherrschend, nehmen die Cultur der Kunst an, aber nicht der Wissenschaft und Aufklärung. Sind immer Schüler, gut zu Bürgern und geduldig (emsig), aber nicht zu magistraten; denn sie kennen nur den Zwang... ● (Weisse:) Enthalten alle Triebfedern der Natur in affecten und Leidenschaften, alle Talente, alle Anlagen zur Cultur und Civilisierung und können sowohl gehorchen als herrschen. Sie sind die einzige, welche immer in Vollkommenheit fortschreiten... .“ (Kant, Anthropologische Notizen)
  • 22. »Identität« statt »Rasse«? Kant verbindet negative Charaktereigenschaften wie ‚unzivilisiert’ und ‚dumm’ insbesondere mit der Hautfarbe ‚schwarz’ und grenzt weiße Unterklassen von Afrikaner_innen ab: „Die Negers von Afrika haben von der Natur kein Gefühl, welches über das Läppische stiege. Herr Hume fordert jedermann auf, ein einziges Beispiel anzuführen, da ein Neger Talente gewiesen habe, und behauptet: daß unter den hunderttausenden von Schwarzen, die aus ihren Ländern anderwärts verführt werden, obgleich deren sehr viele auch in Freiheit gesetzt werden, dennoch nicht ein einziger jemals gefunden worden, der entweder in Kunst oder Wissenschaft, oder irgend einer andern rühmlichen Eigenschaft etwas Großes vorgestellt habe, obgleich unter den Weißen sich beständig welche aus dem niedrigsten Pöbel empor schwingen und durch vorzügliche Gaben in der Welt ein Ansehen erwerben. So wesentlich ist der Unterschied zwischen diesen zwei Menschengeschlechtern, und er scheint eben so groß in Ansehung der Gemütsfähigkeiten, als der Farbe nach zu sein.“ [Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen, S. 253]
  • 23. »Identität« statt »Rasse«? ● Für Kant muss es „von Europa kommen“ – nur Europäer = Weiße Träger des Fortschritts ● Identitätsbildung durch Ein- wie Ausgrenzung: einzelne Menschen aus Unterklassen tun sich hervor, Afrikaner_innen nicht (aber: der schwarze Philosoph und Rechtsgelehrte Anton Wilhelm Amo aus Ghana lehrte 1736-8 an den Universitäten Halle und Wittenberg, 1739 in Jena) ● Othering nötig um Unterklassen hierarchisch in Gemeinschaft einzugliedern – ‚die anderen’ werden zu Untermenschen ● Weiß = ideale Norm. Schwarze/ People of Colour gelten als nicht vollwertig, nicht zu allem fähig ● Diese Identitätsentwicklung lief nicht ohne Brüche und Widerspruch – aber sie ist die der hegemonialen Identität, der Identität, die sich durchgesetzt hat und beginnt in der Antike ohne Hautfarben ● ‚Mensch’ der Aufklärung = weißer europäischer Mann, Mittelklasse ● Identität nicht positiv, sondern über Ausschluss und Denunziation des ‚Rests der Welt’ als faul, von Trieben gesteuert und deshalb geschichts- und kulturlos; kindisch, unmündig, knechtisch und nicht zu Selbstregierung geeignet → Diese europäische Identität/ weiße Vorherrschaft: zu 100 % rassistisch
  • 24. »Identität« statt »Rasse«? 4. Schluss: »Europäische Identität« doppelt problematisch: ● Konzept: funktioniert nur über Ausschluss und »Othering« ● Europäische Identität: historisch problematisch ● Und außerdem nicht denkbar ohne islamische Philosophie, arabische Kultur, afrikanische Bibliotheken ...
  • 25. »Identität« statt »Rasse«? Diskussion: ● Warum ist »Identität« für die europäische neue Rechte so interessant? Und was macht »Identität« zu einem geeigneten rechten Konzept? ● Wieso bleibt es unhinterfragt? ● Wie können wir uns zu »Identität« und der identitären Bewegung verhalten?