3. 4 Grusswort
Die Entwicklung lebendiger Innenstädte und
Ortszentren ist zentrales Ziel meiner Stadt- und
Raumentwicklungspolitik. Städte und Gemein-
den brauchen lebendige Zentren. Dies gilt für
unsere Ballungszentren ebenso wie für unsere
ländlichen Räume. Angesichts des demografi-
schen und strukturellen Wandels bedarf es der
gemeinsamen Anstrengung aller Partner, die
Innenstädte und Ortszentren zu erhalten und
zukunftsfähig weiter zu entwickeln.
Aus diesem Grund habe ich im Oktober
2010 einen Entwurf Weißbuch Innenstadt vor-
gelegt und zu einem breiten Diskussionsprozess
aufgerufen. Alle waren aufgefordert, sich zu be-
teiligen und Stellung zu nehmen. Ziel des Weiß-
buchs ist es, wesentliche Trends für die Innen-
städte fachlich und politisch zu bewerten und
möglichst konkrete Handlungsempfehlungen
für die nächsten Jahre zu bestimmen.
Das jetzt vorliegende Weißbuch Innen-
stadt ist das Ergebnis eines umfassenden fachli-
chen und politischen Diskurses. An dem Prozess
haben sich Kommunen, Landkreise, Länder,
Kirchen, Kammern, Verbände und Vereine,
Wissenschaftler, Firmen und Beratungsbüros,
aber auch viele kleinere Initiativen sowie Bür-
gerinnen und Bürger beteiligt. Sie haben die
fachpolitische Diskussion mit vielfältigen Anre-
gungen und auch kritischen Anmerkungen,
mit Ideen und vor allem mit konkreten Hand-
lungsvorschlägen bereichert und ein großes
Stück nach vorne gebracht.
4. Grusswort 5
Der Diskussionsprozess ist ein zentraler Bau- grafischen und wirtschaftlichen Strukturwan-
stein in der Strategie der Nationalen Stadtent- del betroffen sind. Unsere ländlichen Räume
wicklungspolitik. Mit dem Weißbuch Innen- brauchen starke Klein- und Mittelstädte –
stadt bestimmen wir gemeinsam die wichtigs- besonders um die Daseinsvorsorge für die Men-
ten Aufgaben der nächsten Jahre. Es richtet sich schen in den jeweiligen Regionen zu sichern.
an alle, die sich für eine integrierte und nach- Die Stadt-Umland-Verflechtung spielt eine
haltige, wirtschaftlich tragfähige, sozial ausge- besondere Rolle für die Zentrenentwicklung,
wogene und ökologisch orientierte Innenstadt- nicht nur in den Metropolregionen.
entwicklung einsetzen. Das Weißbuch bündelt Mit dem Weißbuch Innenstadt stärkt der
den Stand der politischen und fachlichen De- Bund das Bewusstsein für die Bedeutung leben-
batte zu unseren Innenstädten und Ortszentren. diger Innenstädte für unsere Städte und ihr Um-
Es deckt ein breites Themenspektrum ab, weil land. Damit möchte ich die Städte und Gemein-
unsere Städte und Gemeinden sehr unter- den unterstützen, die bereits die Entwicklung
schiedlichen Chancen und Problemen gegen- ihrer Zentren als besondere Aufgabe verstehen.
überstehen. Zugleich erhebt es nicht den An- Ich möchte aber auch diejenigen ermuntern,
spruch, passgenaue Lösungen für alle zu bieten. die es vorhaben. Ich würde es sehr begrüßen,
Nicht alle Vorschläge sind von Kommune zu wenn die intensive Auseinandersetzung mit
Kommune übertragbar. Dennoch bietet es eine dem eigenen Zentrum dazu führen würde, dass
breite Fülle an Empfehlungen und Orientie- Städte und Gemeinden ihre innerstädtischen
rung. Wir wollen den Diskussionsprozess in den Entwicklungskonzepte überarbeiten und aktu-
folgenden Jahren fortsetzen und weiter konkre- alisieren oder sogar ihr jeweils eigenes, „Weiß-
tisieren. buch Innenstadt“ erarbeiten. Der Bund wird
Die Bundesregierung wird heute und in hierbei gerne Unterstützung leisten.
den kommenden Jahren ihren Beitrag für die
Innenstädte und Ortszentren leisten. Dabei
haben wir sowohl die Situation unserer großen
und mittleren Städte im Blick als auch die Ent-
wicklung der Zentren kleinerer Städte und
Gemeinden sowie der Infrastruktur in unseren Dr. Peter Ramsauer, MdB
ländlichen Regionen. Größere Städte haben Bundesminister für Verkehr, Bau
neben dem Stadtkern oft mehrere Teilzentren, und Stadtentwicklung
die wichtige Funktionen für das Alltagsleben
der Bürgerinnen und Bürger leisten. Auch diese
nehmen wir in den Blick. Weiterhin unterstüt-
zen wir gezielt kleinere Städte und Gemeinden,
die von unterbliebener Erneuerung, vom demo-
6. KurzfassunG 7
Weißbuch Innenstadt – Starke Zentren
für unsere Städte und Gemeinden
„weißbuch Innenstadt“ – Innenstädte als orte des handels
ergebnis einer breiten Debatte Traditionell sind Innenstädte Orte des Handels.
Das vorliegende Weißbuch Innenstadt ist In der Regel trägt die Vielfalt an Geschäften
das Ergebnis eines umfassenden öffentlichen zur Lebendigkeit der Innenstädte und Ortszen-
Diskussionsprozesses, der im Oktober 2010 tren bei. Aktuelle Entwicklungen, wie der
durch eine Initiative des Bundesministeriums Strukturwandel im Einzelhandel, die Krise der
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Kauf- und Warenhäuser und Trends wie der
(BMVBS) gestartet wurde. Im Laufe des halbjäh- zunehmende Verlust inhabergeführter Einzel-
rigen Prozesses mit einem Auftaktkongress, handelsgeschäfte gefährden jedoch die Attrak-
Fachkonferenzen und der Möglichkeit, sich tivität und den Abwechslungsreichtum in
schriftlich zu beteiligen, haben sich zahlreiche den Stadtzentren. Eine der größten aktuellen
innerstädtische Akteure zu Wort gemeldet. Herausforderungen für die Stadtentwicklung
Kommunen, Landkreise, Länder, Kirchen, ist es, innerstädtische Einkaufszentren in die
Kammern, Verbände und Vereine, Wissen- baulich-räumliche Struktur der Städte zu inte-
schaftler, Firmen und Beratungsbüros, aber grieren. Ein Lösungsansatz, um Stadtzentren
auch viele kleinere Initiativen sowie Bürgerin- als Handelsort zu stärken, könnte zum Beispiel
nen und Bürger haben vielfältige Ideen und eine Neuausrichtung der kommunalen Flä-
Anregungen, aber auch kritische Anmerkun- chenpolitik sein. Auch Einzelhandelskonzepte
gen zum Entwurf des Weißbuches geäußert. auf regionaler Ebene sind erforderlich. Hierzu
Sie haben ihn mit konkreten Handlungsvor- kommen innovative Konzepte für eine Umnut-
schlägen bereichert und um wichtige zung oder Einbindung großer leer stehender
Aspekte ergänzt. Immobilien in die städtische Struktur.
Marktplatz in Stuttgart
7. 8 KurzfassunG
Innenstädte als wirtschaftsraum und arbeitsort Innenstädte als wohnorte
Die Innenstädte als Arbeitsorte sind durch den Immer mehr Menschen entdecken die Innen-
Wandel von der Produktions- zur Dienstleis- städte und Ortszentren als attraktive Wohnorte.
tungs- und Informationsgesellschaft starken Sie erwarten hier eine breite Infrastrukturaus-
Veränderungen unterworfen. Viele Wirt- stattung und gute Wohnbedingungen. Nach
schaftsunternehmen haben in den Stadtteilen jahrzehntelang gegenläufigem Trend verzeich-
und verkehrlich gut erschlossenen Stadtrand- nen vor allem einige Großstädte eine Renaissance
lagen neue Standorte gegründet. Andererseits des innerstädtischen Wohnens – hauptsächlich
kann heute eine gute Adresse in innerstäd- für kleine Haushalte. Familien mit Kindern
tischer Lage wieder eine wichtige Rolle für die finden dagegen oft keinen bezahlbaren Wohn-
Unternehmenskultur spielen. Die Umnutzung raum in geeigneter Größe und Qualität. Kenn-
brach gefallener Gewerbeareale oder leer ste- zeichnend für die Innenstädte ist das enge
hender historisch wertvoller Gebäude eröffnet Nebeneinander sehr unterschiedlicher Lagen:
zusätzlich neue Perspektiven für die Innenstadt Gute teure Standorte liegen oft in unmittel-
als Standort für Unternehmen jeder Größe. Für barer Nachbarschaft zu eher unattraktiven
das Handwerk bestehen insbesondere an den Lagen. Einkommensschwächere Haushalte
Innenstadtrandlagen Potenziale. Nutzungsmi- nehmen häufig unsanierte Wohnungsbestände
schung, die Stärkung der Büronutzung und in Innenstadtrandlagen in Anspruch. Darüber
Verlagerung von Standorten der öffentlichen hinaus sind nach wie vor viele Innenstädte, ins-
Hand in die Innenstadt können Strategien sein, besondere in den ostdeutschen Ländern, durch
die Zentren in ihrer Funktion als Arbeits- und eine hohe Leerstandsquote gekennzeichnet.
Wirtschaftsort zu stabilisieren. Kommunale Wohnkonzepte oder innovative
Strategien für das Wohnen im Altbaubestand
könnten hier Lösungsansätze bieten.
8. KurzfassunG 9
Stachusbrunnen am Karlsplatz
in München
Innenstädte als orte sozialer und Innenstädte und ortszentren als orte von
ethnischer Integration Kultur, Baukultur und stadtleben
Neue Lebensstile und Milieus konzentrieren Die Stadtkerne mit ihren kulturellen Anzie-
sich häufig in den innerstädtischen Quartieren. hungspunkten, ihren Plätzen, Baudenkmalen
Vielfalt stellt zum einen eine Bereicherung dar. und Theatern, aber auch mit ihren Kirchen und
Auf der anderen Seite wachsen in den Städten religiösen Einrichtungen sind für Bürgerinnen
allgemein und vor allem in den Zentren soziale und Bürger Orte der Identifikation. Gastrono-
und ethnische Polarisierungen. Die Bemü- mie, Hotellerie und Freizeiteinrichtungen sowie
hungen um Integration und gesellschaftlichen Ereignisse wie Sport-, Musik- und Kulturver-
Zusammenhalt werden in der Stadtentwick- anstaltungen beleben die Zentren. Bürgerschaft-
lung weiter an Bedeutung gewinnen. Aufgabe lich oder ehrenamtlich organisierte Kultur- und
bleibt es, besonders benachteiligte Stadtquar- Freizeitprojekte spielen neben den öffentlichen
tiere zu stärken, indem Bildungseinrichtungen und privatwirtschaftlichen Angeboten eine
ausgebaut werden und die Wirtschaft in den zunehmend wichtige Rolle. Für die Kreativwirt-
Stadtquartieren unterstützt wird. schaft ergeben sich insbesondere in den In-
nenstadtrandlagen neue Chancen. Mit mehr
Mobilität in Innenstädten kommunalen Einrichtungen von Kultur und Da-
Mobilität und gute Erreichbarkeit sind heute seinsvorsorge, Projekten der Baukultur und
bedeutende Standortfaktoren für Unternehmen innovativen Finanzierungsmodellen für Kultur-
und Haushalte. Viele Innenstädte verzeichnen projekte gewinnen Innenstädte auch als Kultur-
deshalb ein wachsendes Verkehrsaufkommen raum an Attraktivität.
insbesondere im motorisierten Verkehr mit ent-
sprechenden Folgen hinsichtlich Lärm und ausblick: Politik für Innenstädte und
Luftschadstoffen. Gleichzeitig ist die Gewähr- ortszentren
leistung von Mobilitätsvielfalt für die Stärkung Das BMVBS hat im Weißbuch Innenstadt unter
der Innenstädte ausschlaggebend. Ziel ist es Einbeziehung der Diskussionsbeiträge einer
deshalb, eine effiziente, sichere sowie sozial- breiten Öffentlichkeit eine breite Fülle an Vor-
und umweltverträgliche Mobilität von Menschen schlägen für attraktive und lebendige Innen-
und Gütern zu gewährleisten. Dabei sind alle städte formuliert. Die vorgeschlagenen Maß-
Mobilitätsformen zu berücksichtigen, auch der nahmen richten sich an den Bund selbst, an die
PKW-Verkehr, und durch intelligente Mobili- Länder, die Kommunen, aber z. B. auch an Private
tätskonzepte gut aufeinander abzustimmen. und Gewerbetreibende, Eigentümerinnen und
Gefragt sind neue Lösungen beim Ausbau einer Eigentümer sowie Bürgerinnen und Bürger.
effektiven Nahmobilität zum Beispiel durch Jetzt geht es darum, in enger Partnerschaft an
attraktive Fuß- und Radwegenetze und zuver- den Themen weiter zu arbeiten und geeignete
lässige und bezahlbare öffentliche Verkehrs- Maßnahmen umzusetzen. Nach wie vor bleiben
systeme, aber auch neue Logistikkonzepte für Fragen offen, neue Fragen treten hinzu. Deswe-
den zunehmenden Liefer- und Kurierverkehr. gen müssen wir die Diskussion fortsetzen und
in manchen Bereichen weiter konkretisieren.
10. 1
11
Starke Städte
und Gemeinden
brauchen starke
Zentren
Blick von oben auf die Innenstadt
der Stadt Lenzen (Elbe)
11. 12 1. starKe stäDte unD GeMeInDen Brauchen starKe zentren
Die Innenstadt ist ein einzigartiger und unver- aktiv in den Prozess der Weiterentwicklung der
wechselbarer Identifikationsort für die gesamte Stadtkerne einzubinden und ihre Interessen,
Bürgerschaft. In den Innenstädten ist die deut- Anliegen, Ideen und Empfindungen ernst zu
sche und europäische (Stadt-)Geschichte erleb- nehmen. Über die bestehenden Verfahren hin-
bar. Hier liegen die historischen Ursprünge, aus gilt es, neue geeignete Möglichkeiten der
häufig befinden sich hier die bedeutsamen Denk- Mitwirkung zu finden.
male und Bürgerhäuser. Das gleichermaßen Innenstädte und Ortszentren haben eine
erlebbare Engagement für gut erhaltene Stadt- tragende wirtschaftliche Bedeutung für Städte
kerne in Groß-, Mittel und Kleinstädten ist ein und Regionen. Innenstadt ist häufig auch öko-
Beleg dafür, dass dieses Kulturgut lebendig bleibt. nomisch der zentrale „Standort“, sowohl in
Im Ortskern stehen Rathaus, Kirche und großen als auch in kleinen Städten. In den Innen-
kulturelle Einrichtungen. Hier laden öffentliche städten der größeren Städte finden sich oft die
Plätze zum Begegnen und Treffen ein, hier Hauptverwaltungen großer Unternehmen,
feiert die Bürgerschaft ihre Feste. Die Stadtmitte Behörden und Universitäten. Vitale und baulich
ist Bühne, Laufsteg und Schaufenster. Vielfäl- ansprechende Innenstädte werden ein immer
tige Gastronomie und lokale Geschäftswelt wichtigerer Standortfaktor. Hochqualifizierte
laden die Stadtbevölkerung ein, „in die Stadt“ Arbeitskräfte verlangen nach guten Wohnun-
zu gehen. In den Zentren kristallisiert sich gen, zuverlässiger Infrastruktur und vielfältigen
Heimat, dorthin führen die Bürgerinnen und Kulturangeboten. Sie wollen ein lebendiges
Bürger ihren Besuch zuerst. Sie sind die Visiten- Umfeld mit eigenem, möglichst unverwechsel-
karten der Stadt und stehen für das Profil von barem Charakter. Das bieten nur solche Städte
Stadt und Region. und Gemeinden, die ihre Innenstädte pflegen
Die Innenstädte erfreuen sich starker und entwickeln.
bürgerschaftlicher Aufmerksamkeit. Das zeigt Innenstädte stellen heute beachtliche
sich unter anderem im wachsenden Interesse ökonomische Werte dar, die es zu bewahren
an städtebaulichen Projekten. Der drohende gilt. Über Jahrhunderte haben private und öf-
Abriss eines prominenten Gebäudes, die Neu- fentliche Hand umfangreiche Investitionen
bebauung einer innerstädtischen Brache, aber in Gebäude und in die private und öffentliche
auch die Umgestaltung eines Marktplatzes Infrastruktur getätigt. Sie haben damit eine
erzeugen öffentliche Diskussionen – die nicht beachtliche baukulturelle Qualität und eine
selten leidenschaftlich geführt werden. Immer sehr leistungsfähige Infrastruktur geschaffen.
mehr Bürgerinnen und Bürger engagieren sich Diese Investitionen sind in Gefahr, wenn die
ehrenamtlich für ihre Stadt. Engagement ist Innenstädte ihre wirtschaftliche Basis verlieren.
der Motor für zukunftsfähige Innenstädte. Wie Angesichts einer zwingend erforderlichen
in der Vergangenheit sind auch heute eine Haushaltskonsolidierung stellt sich die Frage
starke Selbstverantwortung und bürgerschaft- nach einer höheren Effizienz öffentlicher Infra-
liches Engagement Ausgangspunkt und Erfolgs- strukturausgaben und Förderpolitik noch
kriterium der Innenstadtentwicklung. Für die
Stadtentwicklungsplanung bedeutet dies, Bür-
gerschaft, private Eigentümerinnen und Eigen-
tümer sowie lokales Gewerbe und Investoren
12. 1. starKe stäDte unD GeMeInDen Brauchen starKe zentren 13
Königstraße in Gütersloh mit Blick
auf die Martin Luther Kirche
nachdrücklicher. Das gilt für die Bundesebene,
aber auch für Länder und Kommunen. Umso
wichtiger wird es, die knappen öffentlichen
Mittel dorthin zu lenken, wo sie den größten
gesellschaftlichen Nutzen bringen.
Wichtiges Merkmal und Gradmesser für
die Qualität der Innenstadt und des Ortszent-
rums ist der öffentliche Raum mit seinem Netz
von Straßen, Plätzen, Parks und Grünflächen.
Er ermöglicht urbanes Leben und hohe Lebens-
und Aufenthaltsqualität. Das baukulturelle
Erbe zeugt von diesem dauerhaften Anspruch.
Hier liegen unmittelbare Gestaltungs- und Ein-
griffsmöglichkeiten. Der öffentliche Raum
bildet auch zukünftig das Rückgrat der Stadt,
baukulturelle Ansprüche machen sich entschei-
dend hieran fest. Auch weiterhin sind von Bund,
Ländern und Kommunen hohe Qualitätsstan-
dards anzulegen, wenn die Städte und Gemein-
den zukunftsfähig gestaltet sein sollen.
Der Zeitpunkt, mehr für die Innenstädte Vor dem Hintergrund steigender Kosten für
zu tun, ist günstig. Die Innenstadt wird vieler- Energie und Mobilität wird die Attraktivität von
orts als bevorzugter Wohnort wieder entdeckt. Innenstädten langfristig steigen. Allerdings
Durch den Strukturwandel entstandene große wirken sich die zu erwartenden klimatischen
Brachflächen in der Innenstadt bieten die Chan- Veränderungen gerade in den Innenstädten
ce, hier Neues zu entwickeln. Die in Stadtkernen mit ihrer baulichen Dichte aus (z. B. lokale Hitze-
häufig gute infrastrukturelle Versorgung und inseln, Hochwasserereignisse). Hier besteht
die Nähe zu Dienstleistungs-, Handels- und sowohl großes Potenzial als auch eine Zukunfts-
Handwerksangeboten machen das Wohnen in aufgabe, die Innenstadt durch bauliche Anpas-
der Innenstadt zusätzlich attraktiv. Diese Vor- sungen und eine integrierte Freiraum- und
teile ziehen junge Leute an, aber auch Ältere Grünplanung attraktiv und zukunftsfähig wei-
schätzen zunehmend die wohnungsnahen terzuentwickeln. Innovative Verkehrstechnolo-
Angebote. Die „Stadt der kurzen Wege“ ist ein gien wie die Elektromobilität und die Weiter-
Ideal für alle Bevölkerungsgruppen. entwicklung des ÖPNV bieten große Chancen,
innerstädtische Mobilität leise, sauber und
klimafreundlich zu gestalten.
13. 14 1. starKe stäDte unD GeMeInDen Brauchen starKe zentren
regionalen Lage sehr unterschiedliche Entwick-
lungsvoraussetzungen haben, sind individuelle
Lösungen zu finden.
Regionale Verflechtungen spielen für
Städte als Gesamtstadt, aber auch für die Ent-
wicklung der Innenstädte eine immer stärkere
Demografische Prozesse wie Bevölkerungsrück- Rolle. Städte und ihr Umland brauchen einan-
gang, Alterung und Migration stellen zusam- der. Die Stärkung der Zentren in kleineren
men mit dem wirtschaftlichen Strukturwandel Städten ist eine ganz besondere Aufgabe. In
auch die Innenstädte vor große Herausforde- dünn besiedelten Regionen mit sinkender
rungen. Manche Zentren sind mehr durch leer Bevölkerungsdichte übernehmen die Zentren
stehende Wohnungen und Ladenzeilen ge- von Klein- und Mittelstädten Funktionen als
prägt denn durch Lebendigkeit. Entspannte Ankerpunkte der Daseinsvorsorge. Hier müssen
Wohnungsmärkte auf der einen, Verdrän- starke Zentren mit leistungsfähiger öffentlicher
gungstendenzen aufgrund hoher Mieten auf und privater Infrastruktur Mittelpunktfunktio-
der anderen Seite stellen die Kommunen vor nen für die gesamte Region übernehmen.
schwierige Steuerungsaufgaben. Mitunter
besteht eine besondere Herausforderung gerade
in der unmittelbaren Nachbarschaft von
Wachstum und Schrumpfung. Da die Städte
und Gemeinden aufgrund ihrer Größe und
Innenstädte in Deutschland: Meersburg,
Lübeck und Frankfurt
14. 15
Zum Begriff „Innenstadt“
Es gibt keine allgemeingültige, bundesweit verbind- Gleichwohl gibt es vielfältige Gemeinsamkeiten,
liche Definition von „Innenstadt“. Was als Innen- die als allgemeingültige Kriterien für das gelten
stadt verstanden wird, ist abhängig von örtlichen können, was Innenstadt als Kern der Gesamtstadt
Gegebenheiten, von sehr unterschiedlichen fach- ausmacht: hohe bauliche und soziale Dichte, Nut-
lichen Sichtweisen und vielfältigen Erwartungen zungsmischung, hohe Konzentration von Geschäf-
der Städterinnen und Städter. ten aller Art und Büros diverser Branchen, zentrale
In der Fachwelt reicht das Spektrum von dem Versorgungsfunktionen und räumlich-funktionale
engeren Begriff der Innenstadt als „Stadtzentrum“ Zentralität. Meist sind außerdem die Allgegenwart
oder „City“ mit „Cityrand“ bis hin zu dem weiter des örtlichen baukulturellen Erbes, Stadtbild prä-
gefassten Begriff der „inneren Stadt“, also dem gende und Identität stiftende Bauwerke und Plätze
Zentrum einschließlich der Innenstadtrandgebiete.1 kennzeichnend. Die ortstypische „Wirklichkeit“
In vielen Städten ist der Bereich der Innenstadt im der Innenstadt erwächst auch aus dem konkreten
engeren Sinne deckungsgleich mit dem Gebiet des baulichen Wechselverhältnis von Geschichte und
historischen Stadtkerns; hier dominiert der Handel. Gegenwart, aus der lebendigen Nachbarschaft von
Im weiteren Sinne gehören aber auch die Innen- Vertrautem und Neuem, aus der Konfrontation von
stadtrandgebiete zur Innenstadt; hier dominiert das Gewohntem und Fremdem. Nebenzentren bzw.
Wohnen, zumeist in Gebäuden aus Vorkriegszeiten. Ortsteilzentren vereinigen häufig einen Teil der ge-
Dieses idealtypische Bild von Stadt mit nannten Funktionen der Innenstadt auf sich, im
„City“, „Cityrand“, Innenstadtrand und Stadtrand Wesentlichen haben sie zentrale Versorgungsfunk-
wird in vielen Städten überlagert durch ein polyzen- tionen für die hier lebenden Menschen.
trisches System von mehreren Zentren, die vor Innenstädte sind vielfältig in ihrer Funktion,
Gebietsreformen historisch gewachsene Kerne verschieden in ihrer Dimension, individuell in ihrer
eigenständiger Gemeinden waren. Gleichwohl hat Geschichte und speziell in ihrer Eigenart. Pauscha-
sich fast überall ein Identität stiftender Stadtkern lisierungen und Durchschnittswerte verführen
herausgebildet. In der Regel markieren zentrale zu Fehlschlüssen. So liegt z. B. der Anteil der Innen-
Plätze oder prominente Bauwerke die Stadt- oder stadtbevölkerung an allen Stadtbewohnern zwischen
Ortsmitte. Schwierig ist hingegen die Abgrenzung 4 und 44 Prozent, während sich der Flächenanteil
zum Rand. Während der Stadtrand durch adminis- zwischen 1 und 16 Prozent und der Anteil der Woh-
trative Grenzen politisch deutlich definiert ist, geben nungen in der Innenstadt zwischen 4 und 47 Prozent
die innerstädtischen statistischen Bezirke großer bewegt 2. In jedem Einzelfall muss also offengelegt
Städte nicht immer die funktionalen Zusammen- werden, welcher Innenstadtbegriff zu Grunde
hänge wieder. In kleineren Städten wird meist nur gelegt wird.
von „Innenstadt“ oder vom „Zentrum“ gesprochen. Im Weißbuch ist das Kapitel „Wohnen“ eher
Immer muss auch das Wechselverhältnis der Innen- durch einen weiten Begriff von Innenstadt geprägt,
stadt zu Stadt- und Ortsteilen, zum Umland und die Kapitel „Handel“ und „Arbeit“ hingegen eher
zur Region betrachtet werden. durch einen engen. Bei „Mobilität“, „Integration“
und „Kultur“ stehen beide räumlichen Dimensionen
in einem besonderen funktionalen Wechselverhältnis.
1
Definitionen der laufenden Raumbeobachtung des
Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
2
BBSR: Daten aus der laufenden Raumbeobachtung
16. 2
17
Zur Situation
und zu den
Perspektiven der
Innenstädte
Ein Teil der Leipziger Innenstadt –
Blick vom City-Hochhaus
17. 18 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
2.1 Marktplatz Innenstadt
Innenstädte sind traditionell orte des handels. eine vielfalt an Geschäften trägt zur lebendigkeit
der zentren bei. Dabei ist das Beständigste am handel der wandel. Der strukturwandel im einzel-
handel drückt sich in einer starken unternehmens- und umsatzkonzentration sowie einer enormen
flächenexpansion aus. Der handel ist und bleibt die leitfunktion für die Innenstadt, seine Dynamik
ist deshalb auch maßgeblich für die vielen strukturellen änderungen in der Innenstadt. Die Krise
der Kauf- und warenhäuser macht den zusammenhang zwischen Innenstadt, einzelhandel und
stadtentwicklung deutlich. veränderte ökonomische rahmenbedingungen und ein zu großes flächen-
angebot im städtischen umland gefährden den innerstädtischen einzelhandel und damit die öko-
nomische Grundlage der zentren. für die Innenstadt wirkt sich positiv aus, dass sie stärker als in ver-
gangenen Jahrzehnten wieder als Investitionsstandort gesehen wird. Diese entwicklungen stehen
in enger wechselbeziehung zum Käuferverhalten.
18. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 19
zentrale trends Nebenstraßen) aufweist. In den wachsenden
Der Strukturwandel im Einzelhandel, zurück- Regionen haben sich die 1a- und 1b-Lagen stärker
gehende Umsatzrenditen pro Verkaufsflächen- voneinander abgekoppelt als in den übrigen
einheit und ein allgemein zu großes Flächen- Teilen Deutschlands. In vielen strukturschwa-
angebot wirken sich auf die Struktur der Innen- chen Regionen in West- und Ostdeutschland
stadt und der Orts- und Nebenzentren aus. Bei unterliegen dagegen selbst die 1a-Mieten eher
dem vorhandenen Flächenangebot führt weite- negativen Tendenzen. In den Nebenlagen
res Flächenwachstum zwangsläufig zur Verän- finden sich häufig unattraktive Gewerbeleer-
derung bestehender Strukturen. Pro Kopf hat stände, die sich wiederum auf das Image und
Deutschland etwa die Hälfte mehr Verkaufs- die Mieten auswirken. Auch in den kleinen und
fläche als z. B. England, Frankreich oder Italien 3. mittelgroßen Städten stehen vermehrt bisher
Zum einen besteht nach wie vor ein großes inhabergeführte Fachgeschäfte leer.
Flächenangebot auf der Grünen Wiese. Zum Vor allem in den 1a-Lagen folgen häufig
anderen ist seit Mitte der 1990er Jahre das Flä- traditionellen mittelständischen Fachgeschäften
chenangebot in der Innenstadt durch die Neu- sogenannte Franchiser und Einzelhandels-
ansiedlung innerstädtischer Einkaufszentren ketten mit höheren Flächenumsätzen. Die Ge-
kontinuierlich angewachsen. In Verbindung schäftsketten mit ihren standardisierten Sorti-
mit allgemein sinkenden Umsätzen im Einzel- menten sind bei vielen Menschen, insbesondere
handel ist die Flächenproduktivität auch in Jugendlichen, sehr beliebt. Sie bewirken jedoch
der Innenstadt rückläufig. in ihrer immer gleichen Anordnung und Wie-
Der Internethandel schafft zusätzliche Kon- derholung eine gewisse Gleichförmigkeit und
kurrenz zum Einkauf in der Innenstadt, z. B. bei Austauschbarkeit in den Innenstädten, die bis
Bekleidung und Unterhaltungselektronik oder zur Banalisierung der Orte führen kann. Der
-medien. Hier werden inzwischen doppelt so Filialisierungsgrad in den 1a-Lagen in deutschen
hohe Umsätze erzielt wie in Kauf- und Warenhäu- Städten bewegt sich im Durchschnitt um 50 %.
sern. Der Erlebniskauf wird für Innenstädte des- Die Tendenz ist insbesondere in den Mittel-
halb zunehmend bedeutend. Nur wenn die Ein- städten steigend.
kaufsatmosphäre insgesamt stimmt, laufen die Auch der Verlust von Kauf- und Waren-
Geschäfte gut. Obwohl in vielen Städten ein deut- häusern stellt die Zentren vor große Aufgaben.
lich positiver Wandel dieser Atmosphäre erkenn- Besonders Klein- und Mittelstädte sind stark
bar ist, ist die Attraktivität und Aufenthaltsqualität betroffen, wenn das einzige Kaufhaus als Anker-
vielerorts noch mit hohen Mängeln behaftet. punkt der Innenstadt geschlossen wird. Eine
Die Trends forcieren eine fortschreitende Mehrheit der Kommunen, die von der Schlie-
Polarisierung von Einkaufslagen. Die Zentren- ßung von Warenhäusern betroffen waren, ver-
struktur differenziert sich zunehmend in 1a- zeichnet einen Imageverlust der betroffenen
und 1b-Lagen – bester Indikator dafür sind die Einzelhandelslage sowie einen Bedeutungsver-
Mietpreise. Die stark frequentierten 1a-Lagen lust des Zentrums als Ganzem.
(Haupteinkaufsstraßen) haben ein überdurch-
schnittlich hohes Mietniveau, das oft ein Vier-
3
Alle zitierten Daten im Dokument stammen aus dem
bis Fünffaches der 1b-Lagen (angrenzende
Datenbestand des BBSR, sofern keine anderen Quellen
angegeben wurden.
19. 20 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
Eine aktuelle Herausforderung für die Stadt-
entwicklung ist die wachsende Anzahl inner-
städtischer Einkaufszentren. Insgesamt sind
heute über 400 Einkaufszentren in Betrieb,
davon ein Drittel innerstädtisch, weitere 80 –
meist innerstädtisch – befinden sich in Planung.
Für jedes dritte bestehende innerstädtische
Centrum Galerie in Dresden
Einkaufszentrum besteht Revitalisierungsbe-
darf. Grundsätzlich kann eine Neueröffnung
zur Stärkung der Zentren beitragen. Gleichwohl
müssen mögliche negative Auswirkungen auf
Erscheinungsbild, Einzelhandelstruktur, Mieten
und Umsätze in angrenzenden Geschäftsstra-
ßen und Fußgängerzonen sehr genau bedacht
werden. Vor allem Standorte an Innenstadt-
randlagen bedürfen einer besonderen Abwä-
gung hinsichtlich städtebaulicher Effekte. Weil
es sich meist um große nach außen geschlos-
sene Baukörper handelt, ist ihre baukulturelle
und stadtstrukturelle Verträglichkeit und ihre
Einbindung in die umgebende Stadtstruktur
besonders wichtig und schwierig zugleich. Die
Städte tun gut daran, im Rahmen ihrer Möglich-
keiten auf die Gestaltung innerstädtischer Ein-
kaufszentren Einfluss zu nehmen und ihre dies-
bezüglichen Handlungsspielräume zu nutzen.
20. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 21
schlussfolgerungen 2. Gleichermaßen geht es für die Städte darum,
Zentrale Aufgabe für eine integrierte Stadtent- Kooperationen zwischen den wichtigen Be-
wicklungspolitik ist es, ein ökonomisch trag- teiligten zu schmieden. Das sind neben dem
fähiges und vielfältiges Einzelhandelsangebot Einzelhandel und dessen Organisationen so-
in der Innenstadt zu sichern und – wo möglich – wohl Politik und Verwaltung als auch bürger-
zu stärken. Dies kann nur eine gemeinsame schaftliche Organisationen, vor allem aber
Aufgabe der Kommunen in Zusammenarbeit die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer.
mit dem Einzelhandel sein. Erfolgreiche Einzel-
handelskonzepte für die Innenstädte zielen auf 3. Im engeren stadtplanerischen Handlungs-
eine Angebots- und Erlebnisvielfalt, die durch rahmen geht es vor allem um die Konkretisie-
einen gesunden Mix aus „angesagten“ großen rung von Handlungsoptionen. Ein funktio-
Magneten als Frequenzbringern und individu- nierender Einzelhandel verlangt ein städte-
ellen, inhabergeführten Läden als Angebots- baulich ansprechendes Konzept für den
bereicherung geprägt sind. Gefordert sind privaten und für den öffentlichen Raum.
zudem neue Service-Konzepte wie z. B. Liefer- Attraktive kulturelle und gastronomische
dienste und passende Angebotsformen für alle Angebote spielen hier eine besondere Rolle.
Altersstufen und Bevölkerungsgruppen. Und: Aus Sicht des Einzelhandels bedarf es
Je nach Stadttyp bzw. -größe sind dabei einer leistungsfähigen verkehrlichen Er-
unterschiedliche Standards anzusetzen. Die schließung des Standortes Innenstadt (fließen-
Innenstädte werden sich darauf einstellen müs- der und ruhender Verkehr). Dies ist planerisch
sen, dass sich der Wandel in den Betriebsfor- sicherzustellen, sowohl für den PKW- und
men fortsetzen wird. Um die Angebotsvielfalt Lieferverkehr als auch für andere Verkehrs-
zu sichern oder aufzubauen, ergeben sich vor arten (ÖPNV, Radverkehr, Fußverkehr).
allem drei Aktionsfelder: Eine ausreichende Nahversorgung in
den Innenstädten ist ein wichtiger Eckpunkt
1. Es sind Rahmenbedingungen für einen zur Stärkung des innerstädtischen Wohnens.
attraktiven Betriebsformenmix zu schaffen. Bei der Integration von Lebensmittelmärk-
Wichtige Aufgabe dabei ist, die Integration ten in die kleinteilige innerstädtische Struk-
innerstädtischer Einkaufszentren in Bezug tur ergeben sich jedoch häufig Konflikte,
auf ihre Lage, ihre bauliche Gestalt, ihre weil die Betreiber hohe Flächenangebote
Größe und die Öffnung zum öffentlichen und Parkplätze wünschen. Hierfür müssen
Raum erkennbar zu verbessern. Gleichzeitig jeweils individuelle Lösungen gefunden
muss es darum gehen, den kleinteiligen werden. Das gilt besonders in mittleren und
inhabergeführten Einzelhandel zu stärken kleineren Städten.
und Konzepte für leer gefallene Kauf- und
Warenhäuser zu entwickeln. Dabei ist ins-
besondere auch auf eine Bereitstellung von
Nahversorgungseinrichtungen zu achten.
21. 22 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
Potenzielle Maßnahmen Innerstädtische entwicklungskonzepte: Insbe-
neuausrichtung der kommunalen flächen- sondere in größeren Städten sind innerstädtische
politik: Die Kommunen sollten bei der Steuerung Entwicklungskonzepte unverzichtbar, um Maßnah-
der Ansiedlung von großflächigen Einzelhandels- men zur Stärkung der Innenstadt räumlich, zeitlich
betrieben deren Auswirkungen auf zentrale Versor- und inhaltlich aufeinander abzustimmen. Die
gungsbereiche noch stärker beachten. Sie müssen Städte und Gemeinden sollten diese Konzepte re-
bei dieser schwierigen Aufgabe durch eine konse- gelmäßig evaluieren und fortschreiben. Die Städte-
quente Landes- und Regionalplanung unterstützt bauförderung sollte in geeigneten Fällen zur Er-
werden. Die in mehreren Ländern getroffenen arbeitung solcher Konzepte genutzt werden.
Regelungen sind richtungsweisend: Städte, die zu
Lasten ihrer Zentren und ihrer Nachbargemeinden Konzepte für die nebengeschäftslagen: Städte
Flächen auf der Grünen Wiese ausweisen, sollten müssen aktiv die Aufgabe wahrnehmen, attraktive
von der auf die Innenentwicklung ausgerichteten Innenstadtlagen durch Bebauungspläne, Gestal-
Städtebauförderung ausgeschlossen werden. Bei tungssatzungen und städtebauliche Aufwertungen
der Ausweisung von Flächen sollte die interkom- sicherzustellen. Weiterhin können begleitende
munale und länderübergreifende Zusammenarbeit Liegenschaftspolitik und Beratung z. B. durch die
gestärkt werden. Wirtschaftsförderung den Prozess unterstützen.
Die Potenziale der 1b-Lagen sind in vielen Innen-
regionale einzelhandelskonzepte: Die vielerorts städten bisher zu wenig erschlossen. Aufgrund ge-
vorhandenen Konzepte sollten – wo erforderlich – ringerer Mieten bestehen hier besondere Chancen
qualifiziert, regional abgestimmt und konsequent durch eine abwechslungsreiche Mischung aus
umgesetzt und auch bei Förderentscheidungen inhabergeführtem Einzelhandel, Gastronomie und
berücksichtigt werden. Bund und Länder sollten die Kultur. Das kann unterstützt werden durch die
Aufstellung und Fortschreibung der Konzepte in Städtebauförderung, Stadtmarketing, „Business
geeigneten Fällen fördern. Beispiele guter Praxis Improvement Districts“ (BID) oder andere private
könnten ausgezeichnet werden. Es gilt, die Qualität Initiativen und Verfügungsfonds.
derartiger Konzepte bzw. der dazu einzubringen-
den (Einzelhandels-)Gutachten zu sichern. Der Bund revitalisierung innerstädtischer flächen: Zur
ist bereit, in Zusammenarbeit mit den Ländern Förderung der Innenentwicklung und Reduzierung
einen Leitfaden zu entwickeln. des Flächenverbrauchs sollte sich die Stadtent-
wicklung auf den städtebaulichen Bestand konzent-
rieren. Dies kommt auch der Innenstadt zugute.
Hierzu sind Flächenmanagement sowie aktive und
partizipative Baulandstrategien zu aktivieren. Für
die Revitalisierung innerstädtischer Brachflächen
für Wohnen und Gewerbe kann in geeigneten Fällen
die Städtebauförderung genutzt werden.
22. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 23
Wochenmarkt vor dem historischen
Rathaus der Stadt Bocholt
umnutzung leer stehender Großimmobilien in
der Innenstadt: Für große leer stehende Kaufhäu-
ser, aber auch andere große stadtentwicklungs-
relevante Immobilien wie z. B. leer stehende Post-,
Bahn- und andere zentral gelegene Gebäude sind
vielfach neue Nutzungen zu finden. Diese sind
konzeptionell in die künftige Innenstadtentwick-
lung einzubetten. Bei der Entwicklung von Strategien
und der Umsetzung sollten Bund und Länder den
Kommunen Unterstützung leisten.
nutzungsmischung und kleine Grundstücke:
Kommunen sollten die Möglichkeiten des Baurechts
regionale und lokale netzwerke: Stadtentwick- zur Erhaltung und Stärkung kleinteiliger Nutzungs-
lung wird wesentlich durch Eigentümerinnen und mischung voll ausschöpfen. Nicht jedes Groß-
Eigentümer von Grundstücken und Immobilien projekt, das Attraktivitätssteigerung und Arbeits-
sowie von Gewerbetreibenden mitbestimmt. In plätze verspricht, ist auch richtig dimensioniert.
einer verbesserten Koordination und Kooperation Die Entscheidungsträgerinnen und -träger sollten
der privaten Interessen liegen noch erhebliche durch Auswertung vorbildlicher Beispiele guter
Potenziale. Regionale und lokale Kooperationen, Praxis unterstützt werden.
wie z. B. Eigentümerstandortgemeinschaften,
sollten inhaltlich und in Bezug auf rechtliche Rege- ausbau der nahversorgung: Kommunen sollten
lungen weiterentwickelt und in geeigneten Fällen gerade zur Stärkung des innerstädtischen Wohnens
aus der Städtebauförderung unterstützt werden. gemeinsam mit den entsprechenden Akteuren
darauf hinwirken, in den Zentren eine ausreichende
umnutzung und stadtstrukturelle einbindung Nahversorgung sicherzustellen. Dies hat insbeson-
großer (handels-)Immobilien: Für den Neu- und dere Bedeutung für ältere Bewohnerinnen und
Umbau bzw. eine gelungene städtebauliche In- Bewohner und für Familien. In diesem Zusammen-
tegration innerstädtischer Einkaufszentren ist eine hang bieten z. B. Wochenmärkte nicht nur die
Dokumentation guter Beispiele hilfreich, an der sich Möglichkeit zentrale Plätze in Städten und Ortszen-
Projektentwicklung und Kommunen orientieren tren aufzuwerten. Sie sind ein wesentlicher Beitrag
können. Vorbildliche Projekte guter Praxis könnten für lebendige Innenstädte, stärken regionale Kreis-
in einem Bundeswettbewerb ausgezeichnet werden. läufe und die Verflechtung der Städte mit ihrem
Umland.
23. 24 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
2.2 Wirtschaftsraum und
Arbeitsort Innenstadt
Innenstädte waren immer schon stätten der arbeit. historische straßennamen wie Gerbergasse,
Kannegießergasse oder Bäckergasse belegen dies noch heute. handel fand auf den städtischen
Plätzen statt, in den häusern wurde gearbeitet und gewohnt. früher gab es häufig eine engere
verknüpfung von arbeiten und wohnen, nicht nur in derselben straße, sondern auch im gleichen
Gebäude. heute existiert kaum noch produzierendes Gewerbe oder handwerk in innerstädtischen
lagen. Die urbane arbeitswelt hat sich gewandelt und dies bildet sich auch in der Innenstadt ab.
es dominieren Dienstleistungen in Bürogebäuden – öffentliche und die von großen unternehmen –
sowie in kleinen Praxen, Büros und Kanzleien.
24. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 25
zentrale trends schlussfolgerungen
Grundsätzlich können sich in innerstädtischen Eine Stadt der kurzen Wege ist durch ein räum-
Lagen günstigere Nutzungskombinationen liches Nebeneinander von Wohnen, Einkaufen,
ergeben, indem im Erdgeschoss Einzelhandels- Freizeit und durch Wirtschaft und Arbeit ge-
geschäfte und in den oberen Etagen Büros oder prägt. Dies gilt es wieder zu verstärken, denn
Wohnungen untergebracht werden. Die Sub- Arbeitsplätze sind Frequenzbringer. Das Hand-
urbanisierung der letzten Jahrzehnte betraf werk trägt ebenso wie der Einzelhandel und die
aber nicht nur den Wohnungsbau. Auch viele Gastronomie zur Lebendigkeit der Innenstädte
Wirtschaftsunternehmen haben in den Stadt- und der Nebenzentren bei. Für produzierendes
teilen und auch an verkehrlich gut erschlosse- Gewerbe sind insbesondere in den Innenstadt-
nen Stadtrandlagen neue Standorte gegründet randlagen geeignete Flächen vorzuhalten und
und konnten so ihre Erweiterung räumlich eine Verdrängung durch Wohn- und Einkaufs-
organisieren. Seit Jahren melden einerseits viele nutzung zu vermeiden.
Städte Leerstände im Bürosektor und streben Die Büronutzung erweist sich meist als
anderseits Dienstleistungsunternehmen ver- gut geeignet für verdichtete Standorte, da sie für
mehrt in verdichtete innerstädtische Lagen. jegliche Nutzungsmischung und kleinräumige
Zunehmend spielt auch eine gute Adresse in Nachbarschaft standortverträglich ist. Aller-
innerstädtischer Lage eine wichtige Rolle für dings ist zu beachten, dass Büros in Lauflagen
die Unternehmenskultur. Die Umnutzung keine Frequenzbringer sind. Aus dem Struktur-
brach gefallener Gewerbeareale und leer ste- wandel in einzelnen Branchen ergeben sich
hender historisch wertvoller Gebäude eröffnet vielerorts neue Chancen für Büronutzungen.
neue Perspektiven für die Innenstadt als Unter- Gewerbe, Industrie- oder Hafenanlagen mit
nehmensstandort. ihren beeindruckenden Industriedenkmalen
Nicht zuletzt öffentliche Einrichtungen und Altbauensembles eröffnen die Option zur
der Verwaltung, der Bildung und der Kultur Erweiterung von Zentrenflächen, aber auch
sind wichtige Arbeitgeberinnen und Arbeitge- für Zwischennutzungen durch junge Unterneh-
ber. Allerdings sind in vielen Städten zahlreiche men. Dies gibt auch den in der Kreativwirt-
öffentliche und private Standorte nach außen schaft Tätigen neue Perspektiven, wenn auch
verlagert worden: Campusuniversitäten, Kran- eher in 1b-Lagen. Öffentliche und private Groß-
kenhäuser, Post, Arbeitsämter, Konzernsitze, unternehmen können durch ihre zahlreichen
Banken, kommunale Dienststellen. Da auch Arbeitsplätze wichtige Impulse zu einer Revita-
Bürobeschäftigte, Schüler und Studenten einen lisierung unserer Stadtkerne leisten. Nicht
wichtigen Beitrag zur Belebung der Innen- zu unterschätzen ist dabei der Beitrag, den Bil-
städte erbringen, hat sich manche Verlegung dungseinrichtungen sowohl für den Arbeits-
an den Rand als Nachteil erwiesen. Dies gilt standort Innenstadt als auch für die Belebung
insbesondere für solche öffentlichen Einrich- des Umfelds leisten. Die Ansiedlung von Bildungs-
tungen, die mit Publikumsverkehr verbunden einrichtungen in der Innenstadt ist zudem ein
sind, wie z. B. Meldebehörden, Beratungsstellen wichtiger Beitrag dafür, Familien und Jugend
und Arbeitsagenturen. Auch Handel und in den Zentren zu halten.
Gastronomie beschäftigen zahlreiche Menschen
in der Stadt.
25. 26 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
Potenzielle Maßnahmen reiche sind diesbezüglich wichtige Grundlagen
ausweisung der nutzungsmischung in stadt- für die kommunale Praxis. Die derzeitige Baupla-
entwicklungskonzepten: Die standortverträgliche nungsrechtsnovelle zielt u. a. auf die Möglichkeit
Nutzungsmischung in innerstädtischen Lagen sollte zu einer maßvollen Verdichtung innerstädtischer
im Rahmen von Stadtentwicklungskonzepten ge- Bebauung unter Wahrung gesunder Wohn- und
zielt ausgewiesen werden. Arbeitsverhältnisse.
unterstützung von BID-Initiativen: Die bisher Überprüfung von rechtlichen regelungen,
erfolgreich durchgeführten BID-Projekte sollten ver- insbesondere von schutzbestimmungen: Die
stärkt ausgewertet und als Handreichung für neue nachbarschaftliche Verträglichkeit von Arbeit und
Initiativen nutzbar gemacht werden. Im Rahmen Wohnen kann durch eine großzügige Auslegung
der Städtebauförderung (z. B. Verfügungsfonds) restriktiver Schutzbestimmungen gestärkt werden.
und der Wirtschaftsförderung bestehen darüber Insbesondere solche Regelungen, die aus einem
hinaus Möglichkeiten, Handel und Gewerbe stärker fachlich begründeten Schutzinteresse resultieren –
in die Stadtentwicklung einzubeziehen. wie z. B. das Bundes-Immissionsschutzgesetz –
sollten hinsichtlich ihrer restriktiven Auswirkungen
Beratung und förderung von unternehmen auf den konkreten Standort im Einzelfall flexibel
innenstadtverträglicher Branchen: Der techno- und dennoch gerichtsfest Anwendung finden. Zur
logische Fortschritt lässt es in vielen Fällen zu, dass Vermeidung von Konflikten könnten auch eine
auch vermeintlich störende Nachbarschaften von Sammlung sowie eine praxisgerechte Aufbereitung
Produktion, Dienstleistung und Wohnen heute wie- einschlägiger Rechtsurteile dienlich sein. Gleiches
der möglich sind. Durch Einzelfall bezogene Bera- gilt für Erfahrungen aus der Praxis, die auf andere
tung können auch abgewanderte „Störer“ oder Anwendungsfälle übertragbar sind.
störungsempfindliche Betriebe für innerstädtische
Standorte zurückgewonnen werden. Bezüglich rückführung ausgelagerter arbeitsstätten
der Möglichkeiten funktionsvielfältiger Bau- und öffentlicher Dienststellen: Als Signal für eine
Umbauprojekte besteht Beratungsbedarf hinsicht- Umkehr der anhaltenden Suburbanisierung sollte
lich Investition und Nutzung. auch die öffentliche Hand wieder verstärkt Stand-
orte in der Innenstadt beziehen. Durch Revitalisie-
Konsequente anwendung geltenden Baurechts: rung von Brachen und historisch wertvollen Ge-
Wichtige Regelungen im Baugesetzbuch und in bäuden mit Leerständen können zusätzliche positive
der Baunutzungsverordnung sind bereits heute auf Anreize für private Dienstleistungsunternehmen
Nutzungsmischung ausgerichtet und sollten von bewirkt werden.
den Kommunen konsequent genutzt werden. Mit
dem Gesetz zur Erleichterung von Planungsvor-
haben für die Innenstädte wurden weitere wichtige
Regelungen für die Innenstädte und Nebenzentren
getroffen: Bebauungspläne der Innenentwicklung
und erweiterte Steuerungsinstrumente zur Erhal-
tung und Entwicklung zentraler Versorgungsbe-
26. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 27
Bildungsstandort Innenstadt: Bildungseinrich-
tungen sind wegen ihrer belebenden Ausstrahlung
und hoher Besuchsfrequenz sehr gut geeignet,
Innenstädte und Ortszentren zu beleben. Aufgrund
zurückgehender Schülerinnen- und Schülerzahlen
werden die Zentren z. B. für Schulen in Zukunft von
besonderer Bedeutung sein. Hier bedarf es deshalb
einer intensiveren Abstimmung von Bildungs- und
Stadtentwicklungspolitik.
Mobilitätsförderung zur und in der Innenstadt:
U. a. durch Job-Tickets für innerstädtische Arbeits-
plätze und sichere Nutzung von Fahrrädern kann stärkung der Innenstadt als Bürostandort:
die Innenstadt als Arbeitsort wieder attraktiv werden. Dem Wandel zur Dienstleistungs- und Wissensge-
Durch flexible Arbeitszeiten und zunehmende Tele- sellschaft kann räumlich durch ein attraktives
arbeit werden die innerstädtischen Belastungen Angebot an Büroflächen entsprochen werden.
entzerrt und in den Zeiten des Hauptberufsverkehrs Dabei gilt es, Maßstab sprengende Monostrukturen
reduziert. zu vermeiden. Zudem ist verstärkt auf kleinteilige
Mischung und Umnutzung von Bestandsgebäuden
umsetzung von zwischennutzungen: Zugunsten zu setzen, insbesondere wenn dadurch historische
von Arbeitsplätzen in der Innenstadt sollten Impulse Gebäude gesichert und attraktive Adressen
für schwer vermarktbare Standorte gegeben werden. geschaffen werden.
Durch eine Dokumentation vorbildlicher Lösungen
für Brachflächen und Gebäudeleerstände können
Chancen eröffnet werden, Kleingewerbe, Hand-
werk, Dienstleistungen – insbesondere in der Krea-
Eingangsbereich des Gewerbehofes Stromstrasse
tivwirtschaft – wieder in innerstädtische Lagen zu in Berlin (oben). Universitätsbibliothek Potsdam
integrieren. Babelsberg (unten).
27. 28 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
2.3 Wohn- und Lebensraum
Innenstadt
Mit ihrer baulichen Dichte und angebotsvielfalt, der vielfältigen Bausubstanz aus unterschiedlichen
epochen sowie einer breiten Infrastrukturausstattung verfügen viele Innenstädte heute über gute
Bedingungen für das wohnen. nach jahrzehntelangem gegenläufigem trend verzeichnen vor allem
viele Großstädte eine renaissance des innerstädtischen wohnens – allerdings hauptsächlich für
kleine haushalte. Jedoch ist die situation des umfelds in vielen fällen problematisch und das Preis-
niveau häufig vergleichsweise hoch. Das innerstädtische wohnen zeichnet sich zudem durch ein
nebeneinander sehr unterschiedlicher lagen aus. neben bevorzugten bürgerlichen wohnquartieren
gibt es ältere, oft unsanierte wohnungsbestände, auf die vielfach einkommensschwächere haus-
halte angewiesen sind – insbesondere bei einem angespannten wohnungsmarkt. familien mit Kindern
finden oft keinen bezahlbaren wohnraum in geeigneter Größe und Qualität. viele Innenstädte und
ortskerne, insbesondere in den ostdeutschen ländern und in ländlichen Gebieten, sind andererseits
durch eine hohe leerstandsquote gekennzeichnet.
28. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 29
zentrale trends Durch die Alterung wandelt sich die Bevölke-
Aktuelle demografische Trends, aber auch rungsstruktur der Innenstadt: Der Anteil der
neue und differenzierte Wohnbedürfnisse ein- über 65-Jährigen nimmt zu, gegenläufig
zelner Bevölkerungsgruppen erfordern einen schrumpft der Anteil der unter 18-Jährigen.
neuen Blick auf das zukünftige Wohnen in Schon heute wird die Innenstadt vermehrt auch
der Innenstadt. von der älteren Bevölkerung als attraktiver
Seit einigen Jahren wird vermehrt von Wohnort entdeckt, manche Städte umwerben
einer „Renaissance des Wohnens in der Innen- Ältere gezielt und erfolgreich. Besondere Erfolgs-
stadt“ gesprochen. Tatsächlich entdecken chancen haben dabei Städte mit einem attrak-
immer mehr Menschen die Vorteile eines städ- tiven historischen Wohnungsbestand.
tisch geprägten Wohnumfeldes. Kurze Wege, Bereits heute bewohnt in den Innenstäd-
die Nähe zu Infrastruktur, Praxen und Bildungs- ten der Großstädte oftmals nur eine Person
einrichtungen, aber nicht zuletzt auch das einen Haushalt. Singles produzieren eine für
innerstädtische Flair sind Gründe, warum viele die Innenstadt typische Nachfrage nach Dienst-
Menschen in der Innenstadt wohnen wollen. leistungen und kulturellem Angebot, die sich
Leicht steigende Bevölkerungszahlen in Innen- mit der Nachfrage von Stadtbesucherinnen und
städten verzeichnen viele Städte in den Wachs- -besuchern gegenseitig verstärkt. Durch die
tumsregionen, aber auch zahlreiche Städte Alterung der Gesellschaft wird sich auch die
in Ostdeutschland. Im Gegenzug verlieren die Struktur der Einpersonenhaushalte ändern. Der
Großstädte in den vom Strukturwandel negativ Anteil vor allem der Seniorinnen wird auch in
betroffenen Regionen, wie z. B. dem Ruhrge- den Innenstädten zunehmen. Angesichts ver-
biet, seit vielen Jahren an Bevölkerung, auch in änderter Ansprüche an das Wohnen wird auch
den Innenstädten. der Bedarf an gemeinschaftlichen Lebens-
Vor allem junge Erwachsene zwischen formen (z. B. generationsübergreifendes Woh-
18 und 30 Jahren bestimmen den positiven nen, Altenwohngemeinschaften) ansteigen.
Bevölkerungstrend der Innenstädte, da sie leben- Insbesondere für Familien sind die Be-
dige Innenstadtgebiete mit unverbindlicheren, dingungen des Wohnens in der Innenstadt
rasch wechselnden Nachbarschaften und häufig noch nicht zufriedenstellend. Für Fami-
einem guten Freizeitangebot bevorzugen. Sie lien bestehen die Vorteile des innerstädtischen
orientieren sich dabei räumlich an den nahen Wohnens vor allem in den kurzen Wegen,
Ausbildungs- bzw. Arbeitsstellen und fragen der Verfügbarkeit guter Infrastruktur, guten
hauptsächlich Mietwohnungen nach. Da zahl- Schulen und der besseren Vereinbarkeit von
reiche Groß- und Mittelstädte nicht nur Stand- Familie und Beruf. Doch brauchen Familien
orte für Hochschulen, sondern auch für die auch große Wohnungen mit wohnumfeld-
berufliche Ausbildung sind, wird der Zuzug jun- nahem, fußläufig erreichbarem Grün und ein
ger Erwachsener in die Innenstadt auch künftig stabiles, verlässliches und sicheres Umfeld für
anhalten – wenn auch durch die niedrigen die Kinder. Zudem besteht bei Vielen der
Geburtenzahlen der vergangenen Jahre in ge- Wunsch, im Eigentum zu wohnen. Bisher lässt
ringerem Maße. sich Wohneigentum leichter am Stadtrand oder
29. 30 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
im Umland der Stadt realisieren als in der Innen-
stadt. Viele zentral gelegene Wohnungen sind
für Familien zu klein und teurer als vergleich-
bare oder größere Wohnungen in anderen Lagen.
Innenstädte sind insbesondere für neu
Zuziehende attraktiv. Diese orientieren sich am
neuen Lebensort zunächst von der Stadtmitte
aus und suchen in der Regel eine Mietwoh-
nung. Dabei suchen Viele vor allem nicht
modernisierte Wohnungsbestände. Deshalb
zeichnet sich die Innenstadt durch ständige
Veränderung und hohe Umzugsbereitschaft
aus, so dass fast jede/r Zweite in den Innenstäd-
ten im Durchschnitt nur fünf Jahre in einer
Wohnung bleibt. Die Haushalte am Stadtrand
und in kleineren Städten und Gemeinden sind
deutlich sesshafter. Die hohe Fluktuation in schlussfolgerungen
großstädtischen Innenstädten wird durch Per- Nach jahrzehntelangem Rückgang der Bevöl-
sonen verstärkt, die sich dort nur für eine be- kerung in den Innenstädten wenden sich heute
grenzte Zeit, i. d. R. wegen Ausbildung, Studium viele Bürgerinnen und Bürger vor allem in den
oder Berufstätigkeit, aufhalten. Großstädten wieder verstärkt dem „Wohnort
In vielen ländlich geprägten Räumen Innenstadt“ zu. Dieser positive Trend ist jedoch
sind immer mehr kleinere Städte und Gemein- kein Selbstläufer und verläuft regional in unter-
den von einem starken Bevölkerungsrückgang schiedlicher Intensität. Für die Stärkung des
und Alterungsprozessen betroffen. Häufig innerstädtischen Wohnens haben die Bereit-
stehen Ladengeschäfte und Wohnungen leer, stellung wohnortnaher Bildungs-, Kultur- und
wodurch die Zentren an Lebendigkeit verlieren. sonstiger Infrastruktur und von Grünflächen
Werden öffentliche und private Infrastruktur- besondere Bedeutung.
angebote der Daseinsvorsorge wie Bildungsein- Innerstädtische Wohnungen sind in der
richtungen, soziale und kulturelle Infrastruktur Erstellung und bei der Modernisierung aufwän-
oder Dienstleistungen aus Kostengründen diger. Zudem steht das Wohnen oft im Konflikt
notgedrungen reduziert, hat dies unmittelbare mit anderen Nutzungsansprüchen (z. B. Ver-
Folgen für die Stadt- bzw. Ortsentwicklung. kehr, Gastronomie, Handel). Wenn wirtschaft-
liche Tragfähigkeit und Bezahlbarkeit in Ein-
klang gebracht werden sollen, wird häufig der
Ausbau bzw. die Stabilisierung des Wohnens
in der Innenstadt nur mit Hilfe öffentlicher För-
derung erfolgreich sein. Über den Einsatz von
Mitteln der sozialen Wohnraumförderung ent-
scheiden die Länder. Zur Unterstützung dieser
30. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 31
Maßnahmen ist es neben dem Blick auf die In- Vor allem Familien und ältere Personen wollen
nenstadt zwingend erforderlich, dass die Städte sich sicher fühlen und haben das Bedürfnis
eine restriktive Politik gegen die weitere Zer- nach einer sauberen Umgebung. Hier ist ins-
siedlung verfolgen. besondere die Organisation, Gestaltung und
Die verschiedenen Bevölkerungsgruppen Pflege des öffentlichen Raums gefragt. Zu den
stellen jeweils spezifische Ansprüche an das schwierigen Aufgaben in den Kommunen
Wohnen in der Innenstadt. Stadtentwicklungs- gehört es, den öffentlichen Raum allen Perso-
politik muss mögliche Konflikte aufzeigen und nengruppen der Stadt offen zu halten und bei
ausgewogene Angebote für alle schaffen. Ziel Konflikten ortsangepasste Lösungen zu finden.
sollte sein, jüngere Menschen auch nach der Zur Sicherheit trägt entscheidend bei, Angst-
Ausbildungszeit in der Familiengründungs- räume abzubauen. In Städten mit innerstädti-
phase in der Innenstadt zu halten und hierfür schen Brachen und Gebäudeleerständen eröff-
geeignete Angebote zu schaffen. Familien nen sich neue Perspektiven für innerstädtisches
brauchen bezahlbare Wohnungen in ausreichen- Wohnen. Dies spricht zum einen junge Familien
der Größe, attraktive Angebote, Wohneigen- an, die nach attraktiven Alternativen für das
tum zu bilden sowie kinderfreundlich gestaltete Haus am Standrand suchen, zum anderen junge
Grünflächen. Innenstädte mit hoher Dichte Menschen, die sich auch auf Übergangslösun-
können durch die Revitalisierung von Brachflä- gen oder unkonventionelle Raumangebote
chen als Grün- und Freiflächen an Aufenthalts- einlassen.
qualität gewinnen. Die so gewonnenen Flächen Aufgabe kleinerer Städte und Gemeinden
sind ein Beitrag dafür, Stadtklima und Lebens- in ländlichen Gebieten wird es künftig immer
qualität in den Innenstädten zu verbessern. mehr sein, Möglichkeiten und Strategien zu
Für die Innenstädte ist die Anzahl älterer finden, die Einrichtungen öffentlicher Daseins-
Menschen Potenzial und Chance zugleich. Das vorsorge tragfähig und bedarfsgerecht zu ge-
innerstädtische Wohnen bietet gerade für älte- stalten. Dies ist eine zentrale Voraussetzung
re Menschen durch kurze Wege, die Nähe zu für die Stärkung des Wohnens in diesen Städten
Infrastruktur, medizinischer Versorgung und und die Aufrechterhaltung der zentralen Ver-
Kulturangeboten gute Wohnbedingungen – sorgungsfunktion für die Region. Um die notwen-
insbesondere dann, wenn sie alleine leben. dige Infrastruktur bereitstellen zu können,
Sowohl Familien als auch ältere Personen benö- sind vielfach auch neue Modelle der interkom-
tigen ein barrierearmes Umfeld, und zwar munalen Kooperation gefragt.
sowohl im öffentlichen Raum, als auch in den
Wohngebäuden und Wohnungen. Dazu gehört
auch das für viele Menschen wichtiger werden-
de Bedürfnis nach Sicherheit und Sauberkeit.
31. 32 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
Potenzielle Maßnahmen Privates eigentum, gewerbliche wohnungswirt-
Kommunale Konzepte zum wohnen: Kommu- schaft und selbstnutzung: Die wichtigsten Träge-
nen sollten dort, wo dies noch nicht geschehen ist, rinnen zur Bereitstellung von Wohnungen sind nach
Handlungskonzepte für das innerstädtische Woh- den privaten Kleinanbietern die gewerblichen An-
nen erarbeiten, möglichst unter Einbeziehung der bieterinnen von Wohnraum, also Wohnungsbauge-
wichtigsten Eigentümerinnen und Eigentümer. sellschaften bzw. -genossenschaften. Beide Gruppen
Die Wohnkonzepte sind einzubetten in kommunale können wesentlich dazu beitragen, dass der inner-
Stadtentwicklungskonzepte. Ziel ist dabei – neben städtische Wohnungsbestand an Attraktivität ge-
der Ermittlung von Angebot und Nachfrage – winnt. Eigentümerstandortgemeinschaften zur Ein-
Planungssicherheit für Mieterinnen und Mieter, beziehung von privaten Eigentümern sollten weiter
Immobilienbesitzerinnen und -besitzer sowie Woh- gestärkt werden. Der Umgang mit verwahrlosten
nungswirtschaft zu schaffen. Im Hinblick auf eine Immobilien („Schrottimmobilien“) soll im Rahmen
ressourcenorientierte Infrastrukturplanung und Flä- der Bauplanungsrechtsnovelle geprüft werden.
cheneinsparung sollte dabei das innerstädtische
Wohnen Vorrang haben. selbstnutzerprojekte und Baugruppen: Wo
möglich, sollten die Kommunen Selbstnutzerpro-
Kommunale flächenpolitik: Städte und Gemein- jekte – vor allem auch im innerstädtischen Bestand
den sollten in der Innenstadt und im Ortszentrum – unterstützen. Für die Bildung von Baugruppen
eine strategische Bodenvorratspolitik für alle Bevöl- könnten zentrale Beratungs- und Moderationsstel-
kerungsgruppen betreiben. Dabei ist auch auf die len eingerichtet werden.
interkommunale Zusammenarbeit bei der Bevor-
ratung und Bereitstellung von Flächen („Flächen- energetische stadtsanierung: Die Bundesrepublik
pooling“) zu setzen. Innerstädtische Brachflächen hat mit dem Energiekonzept die Auflage eines För-
sind für das Wohnen zu erschließen, insbesondere derprogramms zur energetischen Stadtsanierung
für junge Familien und für neue Wohnformen (z. B. (KfW-Programm) beschlossen. Mit dem Programm
Mehrgenerationenwohnen, Wohngemeinschaften sollen im Quartier umfassende Maßnahmen in die
älterer Menschen, Baugruppen). Wo möglich, soll- Energieeffizienz der Gebäude und der Infrastruktur
ten solche Brachflächen von den Kommunen erwor- angestoßen werden, insbesondere auch in den inner-
ben und z. B. in Erbpacht oder für Wohnungsgenos- städtischen Altbauquartieren. Es gilt, dafür neben
senschaften zur Verfügung gestellt werden. Die den Kommunen gerade auch die gewerbliche Woh-
Flächenaufbereitung sollte in geeigneten Fällen ge- nungswirtschaft und private Einzeleigentümerin-
fördert werden. nen und -eigentümer einzubeziehen.
32. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 33
wohnumfeldverbesserung: Städte und Gemein-
den sollten das innerstädtische und innerörtliche
Wohnumfeld für alle Bevölkerungsgruppen attrakti-
ver machen. Gehwege, Plätze und Straßen sollten –
soweit möglich – barrierearm, kindergerecht und
sicher gestaltet und modernisiert werden. Die Nutz-
barkeit für mobilitätseingeschränkte Bevölkerungs-
gruppen ist dabei zu gewährleisten. Der öffentliche
Raum sollte unter Einbeziehung denkmalpflegeri-
scher Traditionen und baukultureller Anforderun-
gen (Stichwort Bordsteinkanten, Kopfsteinpflaster)
weiterentwickelt werden. Ein wesentliches Instru-
ment hierfür ist die Städtebauförderung.
energetische sanierung unter Berücksichtigung wohnen in kleineren städten und Gemeinden
baukultureller aspekte: Zur Stärkung der örtlichen im ländlichen raum: Die Erhaltung und Entwick-
Identität ist eine behutsame Abwägung von ener- lung der Zentren von Kleinstädten in ländlichen
giesparenden Maßnahmen und baukulturellen Be- Gebieten als lebendige Standorte des Wohnens und
langen (einschließlich Denkmalschutz) notwendig. Lebens erfordert neue integrierte Strategien. Dabei
Die Förderungskriterien und baulichen Auflagen geht es häufig darum, das Wohnen wieder in die
sind im Einzelfall so abzustimmen, dass das örtliche Orte zurückzuholen und hierfür die notwendigen
Stadtbild erhalten bleibt, die Belange des Klima- wohnungsnahen Versorgungsstrukturen aufrecht
schutzes berücksichtigt werden und der Wohnwert zu erhalten. Zur Erstellung von Strategien und zur
zu angemessenen Kosten verbessert wird. Hierzu Umsetzung von Maßnahmen kann die Städtebau-
sind gute Beispiele zu dokumentieren und als vor- förderung beitragen.
bildliche Lösungen zu publizieren.
ausrichtung der städtebauförderung: Die Pro-
abbau von Barrieren im wohnungsbestand: gramme der Städtebauförderung haben bereits ei-
Ältere Menschen stellen aufgrund von Mobilitätsein- nen starken Bezug zu den Innenstädten und
schränkungen oder Pflegebedarf besondere Anfor- Ortszentren. Sie sollten künftig noch mehr auf die
derungen an die Gestaltung ihrer Wohnung. Die Innenentwicklung und die Stärkung langfristig trag-
Eigentümerinnen und Eigentümer von vermietetem fähiger Standorte ausgerichtet werden, z. B. durch
wie selbstgenutztem Wohnraum sollten durch Be- entsprechende Förderpräferenzen.
ratungs- und Fördermaßnahmen motiviert werden,
entsprechende funktionale Anpassungen der Woh-
nungen für das Alter rechtzeitig zu veranlassen.
Barrierereduzierende Anpassungen erhöhen zugleich
auch die Wohnqualität für Familien mit Kindern.
33. 34 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
2.4 Innenstadt als Ort
der Integration
Innenstädte sind orte der Begegnung und verfügen damit über erhebliches gesellschaftliches
Integrationspotenzial. Dies betrifft insbesondere den öffentlichen raum als Platz des aufeinander-
treffens von Menschen verschiedener lebenssituationen, lebensstile und herkunft. Gleiches gilt
für öffentliche einrichtungen als orte der versorgung mit Dienstleistungen und der sicherung der
Daseinsvorsorge, die Bildungs- und arbeitsstätten als orte des gemeinsamen lernens und arbeitens
sowie die innerstädtischen wohnquartiere als orte des zusammenlebens.
Die zunehmend vielfältige stadtgesellschaft mit neuen und unterschiedlichsten lebensstilen
nutzt bevorzugt räume in der Innenstadt. hier finden sich unterschiedliche Milieus oft in unmittel-
barer nachbarschaft zueinander. Beispielsweise liegt neben dem vollsanierten Gründerzeitquartier
– als bevorzugter wohnort gut verdienender haushalte ohne Kinder – ein unsaniertes altbau- oder
nachkriegsquartier, in dem häufig familien mit geringerem einkommensniveau, oft mit Migrations-
hintergrund, und junge Menschen in der ausbildung leben. Die entwicklung der gesellschaftlichen
vielfalt bedeutet Bereicherung. allerdings sind soziale und/oder ethnische Polarisierungen auch
eine zentrale herausforderung für die stadtentwicklungsplanung.
34. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 35
Karneval der Kulturen, Berlin
zentrale trends
In Städten vollziehen sich soziale und ethnische
Trennungsprozesse sehr unterschiedlicher
Bevölkerungsgruppen (Segregationsprozesse).
Innerstädtische Bereiche sind davon in besonde-
rem Maß betroffen. Die Verschiedenheit der
sozialen Lage führt zu einer deutlichen Konzen-
tration höherer Einkommen in bevorzugten
und damit eher statushohen Stadtgebieten und
einer Konzentration niedrigerer Einkommen
in Stadtgebieten mit Menschen in eher schwie-
riger sozialer Situation. In den Städten und
Gemeinden bedarf es eines besonderen Augen-
merks, wenn sich diese Prozesse verstärken,
Quartiere sich aufgrund konzentrierter Pro-
blemlagen von der übrigen Stadtentwicklung
abkoppeln und immer mehr Menschen, vor
allem aus der Mittelschicht fortziehen. Dann ist Dagegen haben Innenstadtquartiere mit hohen
die soziale Stabilität im Stadtteil in Gefahr. Anteilen gut integrierter Zuwanderer häufig
In den Innenstädten liegt der Anteil der den Vorzug einer besonderen Lebendigkeit, der
Personen mit Migrationshintergrund im Durch- sich wiederum positiv auf die lokale Ökonomie
schnitt durchweg höher als in den städtischen im Quartier auswirkt. Diese Gruppen bilden
Randbereichen. In den Großstädten ist er höher eine wichtige Säule im Produktions- und Dienst-
als in Klein- und Mittelstädten, aber auch hier leistungssektor, bilden wirtschaftliche Brücken
nimmt der Anteil an Zuwanderung zu. Fast ein zu ihren Herkunftsländern und fördern damit
Fünftel der Innenstadtbevölkerung von Groß- den Im- und Export.
städten hat keinen deutschen Pass. In Stadt- Die flächendeckende Aufwertung inner-
randgebieten liegt dieser Anteil mit ca. einem städtischer Quartiere mit der bewussten Ziel-
Zehntel deutlich niedriger. Mietpreisgünstige ansprache zahlungskräftiger Personengruppen
innerstädtische Altbauviertel mit geringerem birgt häufig die Gefahr, dass ein Teil der hier
Ausstattungs- und Sanierungsstandard sind lebenden Bevölkerung die Mietpreissteigerun-
typische Wohn- und Anlaufquartiere für Men- gen nicht mehr tragen kann. Hier müssen
schen mit Migrationshintergrund, aber auch seitens der lokalen Planung entsprechende
für andere Personengruppen, die auf günstigen Steuerungsmechanismen gefunden werden,
Wohnraum angewiesen sind. Zum Teil handelt um die Bewohnerinnen und Bewohner vor
es sich auch um benachteiligte Wohnlagen, Verdrängung zu schützen und so eine urbane
z. B. an stark befahrenen Hauptstraßen, von Mischung in der Innenstadt zu erhalten.
denen zahlungskräftigere Gruppen sobald als
möglich wegziehen.
35. 36 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
schlussfolgerungen
Bereits in der „Leipzig Charta zur nach-
haltigen Europäischen Stadt“ hat sich die
Bundesregierung dazu bekannt, benachteilig-
ten Quartieren besondere Aufmerksamkeit
zu widmen. In der Innenstadt leben unter-
schiedliche soziale und ethnische Gruppen auf
engstem Raum zusammen. Die Mischung an
Personengruppen und die Dichte an Lebens-
stilen machen eine der zentralen Qualitäten des
innerstädtischen Lebens aus.
Innenstadtentwicklung der Zukunft be-
deutet auch die Stärkung des gesellschaftlichen
Zusammenhalts und die Bewältigung sozialer
Polarisierung. Für die älteren preisgünstigen
Mietwohnungsbestände in der Innenstadt, in
denen eher sozial benachteiligte Bevölkerungs-
gruppen wohnen, sollte die Wohnungs- und
Stadtentwicklungspolitik die Erhaltung eines
angemessenen Bestandes an bezahlbarem
Wohnraum im Blick behalten. Diese Aufgabe ist
für Städte mit einem angespannten Wohnungs-
markt besonders schwer zu lösen.
Zuwanderinnen und Zuwanderer müssen Potenzielle Maßnahmen:
als Teil der Gesellschaft und Potenzial für die erhaltung preiswerten wohnraums: Gerade
Stadtentwicklung anerkannt und unterstützt in hoch verdichteten innerstädtischen Quartieren
werden. Lokale Ökonomien von zugewan- vollziehen sich nicht selten zu schnelle und zu
derten Menschen, z. B. in den Bereichen Hand- grundlegende Aufwertungsprozesse, die zu einer
werk, Gastronomie und Versorgung mit Waren Verdrängung der Ursprungsbevölkerung führt
des täglichen Bedarfs, haben eine beachtliche („Gentrifizierung“). Für sozial benachteiligte Bevöl-
volkswirtschaftliche Bedeutung und unterstüt- kerungsgruppen mit geringem Einkommensniveau
zen die Vielfalt in den Innenstädten. Die Ver- findet sich häufig nur außerhalb des Zentrums in
knüpfung von Stadtentwicklungspolitik und ausreichendem Maße Ersatz für diese Stadtquartiere.
Bildungsangeboten hat hier höchste Priorität. Stadtteilbezogene Aufwertungsstrategien müssen
Denn Bildungseinrichtungen sind diejenigen zu gravierende Entwicklungssprünge (flächenhafte
Orte, in denen die Grundlagen für eine erfolg- „Luxusmodernisierungen“) vermeiden. Wo erfor-
reiche Teilhabe am gesellschaftlichen Leben derlich können Schutzregelungen wie z. B. Milieu-
gelegt werden. schutzsatzungen angewendet werden.
36. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 37
Bildungseinrichtungen in der Innenstadt: Kinder-
tagesstätten, Schulen und Hochschulen sind Orte,
die Bildungs- und Integrationschancen schaffen.
Um die Funktion Bildung in der Innenstadt zu fördern,
ist eine strategische Verknüpfung von Stadtent-
wicklungs-, Bildungs- und Integrationspolitik erfor-
derlich. Der Erhalt und der qualitative Ausbau dieser
Einrichtungen nahe am Wohnstandort Innenstadt
sollte gezielt gefördert werden.
lokale Ökonomie: Zugewanderte können wesent-
liche Impulse bei der Entwicklung des Einzelhan-
dels, der Gastronomie und handwerklich orientier-
ter Dienstleistungen geben. Anlaufstellen wie z. B.
das Quartiersmanagement oder Büros für Wirt-
schaftsentwicklung sollten in geeigneten Fällen
gefördert werden. Geprüft werden sollten auch
Mikrodarlehen als Instrument der Förderung lokaler
Ökonomien.
stärkung des gesellschaftlichen zusammen-
halts: Eine der Zukunftsaufgaben der Stadtentwick-
lungspolitik ist die Stärkung des gesellschaftlichen
Bildung von eigentum: Eigentumsbildung hat für Zusammenhalts in den Städten und Gemeinden.
alle Bürgerinnen und Bürger einen hohen Stellen- Angesichts der demografischen Entwicklung bedarf
wert. Gut integrierte Haushalte haben Vorbildfunk- es dazu einer generationengerechten, familien-
tion und stabilisierende Wirkung im Quartier. Dies freundlichen und altersgerechten Infrastruktur in
erfordert entsprechende Strategien vor Ort in Zu- den Kommunen. Die Städtebauförderung leistet
sammenarbeit der Kommunen mit bisherigen und hierzu einen wesentlichen Beitrag. Es ist jedoch
zukünftigen Eigentümerinnen und Eigentümern erforderlich, dieses Instrument im Hinblick auf die
von Wohnraum. Insbesondere in einigen Klein- und Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts zu
Mittelstädten besteht die Chance, Innenstädte mit optimieren und alle gesellschaftlichen Gruppen
leer stehendem Bestand zu stabilisieren. Der Bund einzubinden. Dazu muss die ressortübergreifende
ist bereit, diese mit entsprechenden Handlungs- Partnerschaft wirksam gestärkt und ausgebaut
empfehlungen zu unterstützen. werden. Und es sollten Konzepte entwickelt und
erprobt werden, in die vor Ort weitere Partnerinnen
und Partner wie Stiftungen, Wirtschaft und ehren-
amtliche Akteure in eine nachhaltige Stadtentwick-
lung einbezogen werden.
37. 38 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
2.5 Mobilität in Innenstädten
Mobilität und verkehr sind bedeutende standortfaktoren für unternehmen und haushalte. Die kon-
krete ausgestaltung ist entscheidend für die umwelt- und wohnumfeldqualität in den Innenstädten.
ziel ist deshalb die sicherung und nachhaltige entwicklung des siedlungs- und verkehrssystems,
um eine effiziente, sichere sowie sozial- und umweltverträgliche Mobilität von Menschen und Gütern
zu gewährleisten. Die sicherung von Mobilitätsvielfalt ist dabei ein zentrales thema für die stärkung
der Innenstädte. wichtige Bausteine hierfür sind attraktive fuß- und radwegenetze und zuverlässige
und bezahlbare öffentliche verkehrssysteme. zugleich gilt es, dem PKw-verkehr einen seiner Bedeu-
tung angemessenen raum zu sichern und dabei künftige Mobilitätskonzepte wie elektromobilität
und zunehmendes „car-sharing“ zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind lieferverkehre intelligent
zu organisieren, um die erforderliche Güterverfügbarkeit und zugleich möglichst klima- und umwelt-
freundliche wirtschaftsverkehre zu ermöglichen. Der aspekt der verkehrssicherheit ist in Innenstädten
besonders zu berücksichtigen, da hier viele verkehrsarten auf engem raum zusammentreffen.
38. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 39
zentrale trends In den meisten Städten hat die öffentliche Hand
Mit Blick auf die Alltagsmobilität liegt das in den vergangenen Jahrzehnten viel in den
Potenzial der Innenstadt in der Verknüpfung Ausbau der Verkehrsinfrastruktur und in Ver-
kurzer Wege, die die unterschiedlichen Orte kehrs- bzw. Parkleitsysteme investiert. Aktuell
des Lebensalltags – Wohnung, Arbeitsplatz, besteht vielerorts eine gute Angebotssituation
Geschäfte, Schule, Sport – zusammenführen. für den fließenden und ruhenden motorisierten
Die hohe Dichte und Nutzungsmischung im Individualverkehr. Dadurch wird zwar einer-
Stadtkern ermöglicht seinen Bewohnerinnen seits der Verkehr in den Innenstädten häufig
und Bewohnern, eine Vielzahl ihrer Ziele zu gut abgewickelt, andererseits werden das städ-
Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV zu er- tische Umfeld und das Stadtbild durch breite
reichen. Dies wirkt sich auch finanziell aus: Straßenräume z. T. negativ beeinflusst. Zudem
Menschen, die zentrennahe Wohnungen be- kann in Stoßzeiten eine hohe Verkehrsdichte
wohnen, haben geringere Verkehrskosten zu zur Minderung der Luftqualität und Erhöhung
tragen als solche, die am Stadtrand oder im des Verkehrslärms in den Innenstädten führen.
suburbanen Umland leben und können damit Zentrale Zukunftsaufgabe wird die Orga-
höhere Kosten für Wohnraum in innerstäd- nisation eines stadtverträglichen Verkehrs sein,
tischen Lagen zum Teil kompensieren. Leichte der den unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnis-
Trendverschiebungen hin zur umweltverträg- sen der Bewohnerinnen und Bewohner Rech-
lichen Verkehrsmittelwahl deuten darauf hin, nung trägt. Dies erfordert zunehmend flexible
dass Fuß und Fahrrad immer mehr zum „Nah- Lösungen, um die Erreichbarkeit der Innenstäd-
verkehrsmittel“ Nummer 1 für kurze Strecken te zu verbessern. In diesem Zusammenhang
werden. Insbesondere die jüngere Bevölkerung sind sogenannte „dynamische Parkleitsysteme“,
in urbanen Räumen nutzt heute den ÖPNV und die Nutzung von Pendlerparkplätzen („Park
das eigene Fahrrad stärker als früher.4 Mit Blick and Ride“) und nicht zuletzt das Gemeinschafts-
auf eine insgesamt älter werdende Bevölkerung auto („Car-Sharing“) von zunehmender Bedeu-
in der Innenstadt wird künftig die Bedeutung tung. Eine weitere wichtige Zukunftsaufgabe
des sicheren Fußverkehrs und eines attraktiven besteht in der Verbesserung der Luftqualität
und zuverlässigen ÖPNV deutlich ansteigen. und in der Lärmminderung. Lärm und Luftschad-
Insgesamt geht es nicht um einen generellen stoffe beeinflussen die Lebens- und Aufenthalts-
Verzicht auf das Auto, sondern vielmehr um qualität negativ und können die Gesundheit
eine intelligente Nutzung des PKW in Kombi- der Bevölkerung erheblich beeinträchtigen. Ein
nation mit anderen Verkehrsmitteln. Großteil der innerstädtischen Verkehre wird
Der ÖPNV ist Garant für die Sicherung durch aus dem Umland einpendelnde Personen
einer nachhaltigen und modernen Mobilität in verursacht, die die Innenstadt als Geschäfts- und
urbanen wie in ländlichen Räumen, weil damit Bürostandort oder zum Erleben und Erholen
ein wichtiger Beitrag zur Entlastung der Um- aufsuchen. Im Umland der großen Städte nutzen
welt geleistet wird. So hat eine Reduzierung des derzeit etwa dreiviertel der Berufstätigen regel-
PKW-Verkehrs unmittelbar positive Auswir- mäßig den PKW für den Weg zur Arbeit – mit
kungen auf die Lebens- und Aufenthaltsquali- negativen Auswirkungen auf die Innenstadt.
tät, insbesondere in den Innenstädten. 4
BMVBS (Hrsg.): Mobilität in Deutschland (MID 2008) –
Kurzbericht, Bonn, Berlin 2010
39. 40 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte
Es ist zu erwarten, dass der Güterverkehr erheb- Hinsichtlich der Verbesserung der Luftqualität
lich wachsen wird. Dies betrifft nicht nur den in den Innenstädten sollen Umweltzonen dazu
Fernverkehr, sondern auch den Lieferverkehr beitragen, die europarechtlich vorgegebenen
von Waren in die Innenstadt. Die Anlieferung Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxide
von Waren ist notwendig, kann jedoch zu er- einzuhalten. Ihre Wirksamkeit muss jedoch
heblichen Störungen und Nutzungseinschrän- überprüft werden. Bislang haben 44 Städte Um-
kungen führen, insbesondere in Fußgänger- weltzonen eingerichtet – weitere Städte haben
zonen, wenn zu bestimmten Zeiten die Anliefe- dies auf der Agenda. Fahrzeuge mit besonders
rung zulässig ist. Trotz des technologischen schlechten Abgaswerten dürfen dann nicht
Fortschritts im Fahrzeugbau werden die Belas- mehr in den Umweltzonen fahren. Der lärm-
tungen durch Lärm und Erschütterungen, und schadstoffemissionsarmen Elektromobilität
besonders entlang der Zufahrtsstraßen, von kommt daher in Zukunft für die Innenstädte
den Betroffenen immer stärker wahrgenommen. eine große Bedeutung zu, vor allem für diejeni-
Die verkehrlichen Belastungen konzentrie- gen Wege, die innerstädtisch nicht zu Fuß, mit
ren sich vor allem entlang der großen Verkehrs- dem Rad oder dem ÖPNV zurückgelegt werden
achsen an den Rändern der „City“ und der können. Gleiches gilt für den innerstädtischen
weiteren Innenstadt. In diesen benachteiligten Lieferverkehr.
Wohnlagen sind davon insbesondere einkom-
mensschwächere Bevölkerungsgruppen betrof-
fen. Zur Verringerung von Belastungen durch
Luftschadstoffe und Lärm stellen viele Städte
bereits Luftreinhalte- und Lärmaktionspläne
auf und intensivieren ihre Lärmminderungspla-
nungen. Das BMVBS setzt mit dem Nationalen
Verkehrslärmschutzpaket II einen wichtigen
Akzent für einen wirksameren Verkehrslärm-
schutz und nachhaltige Mobilität. Es strebt damit
die Entlastung von Lärmbrennpunkten und die
Reduzierung der Verkehrslärmbelastung trotz
steigenden Verkehrsaufkommens an. Ferner
stellt der Bund seit Jahrzehnten Mittel für eine
Verbesserung der städtebaulichen Situation zur
Verfügung, die auch zu Zwecken der Lärmmin-
derung eingesetzt werden können.
Berufsverkehr in der
Kölner Innenstadt
40. 2. zur sItuatIon unD zu Den PersPeK tIven Der InnenstäDte 41
schlussfolgerungen Nutzung und intelligente Kombination aller
Der Verkehrsdruck auf die Innenstädte und Verkehrsmittel weiter reduziert werden. Mobi-
damit auch die Gefahr einer weiteren Verschär- litätskonzepte und Mobilitätsmanagement
fung der Lärm- und Schadstoffbelastung sind konsequent auf dieses Ziel auszurichten.
wächst. Hinzu kommen steigende Mobilitäts- Zukunftsthemen innerstädtischer Mobili-
kosten. Gleichzeitig ist die Gewährleistung von tät sind die Qualifizierung und Finanzierung
Mobilität zentrale Voraussetzung für die gesell- eines adäquaten ÖPNV, die Stärkung des Fuß-
schaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung und Radverkehrs sowie die stadtverträgliche
der Stadtzentren. In diesem Spannungsfeld Organisation von Mobilität durch die Reduzie-
besteht die Gestaltungsaufgabe darin, Mobilität rung von Lärm und Luftschadstoffen. In der
zu sichern und zu fördern, gleichzeitig verkehrs- Stärkung des ÖPNV und des Fuß- und Radver-
bedingte Belastungen abzubauen und den kehrs bestehen große Potenziale, um einen
motorisierten Verkehr zu vermindern. Der mo- messbaren Beitrag zur Verbesserung der Lebens-
torisierte Individualverkehr hat seine Berechti- qualität in den Innenstädten zu leisten. Ziel ist
gung und Bedeutung. Jedoch müssen die daher, mehr Verkehrsteilnehmerinnen und
hieraus resultierenden Belastungen für Men- -teilnehmer dazu zu bewegen, insbesondere im
schen und Umwelt durch stadtverträgliche Stadtverkehr auf stadtverträglichere Verkehrs-
mittel umzusteigen. Die kurzen Strecken in
der Innenstadt sind zu Fuß und mit dem Fahrrad
schnell und flexibel zu bewältigen. Deshalb
sollten entsprechende Infrastrukturen ausge-
baut und gleichzeitig die Belange der Verkehrs-
sicherheit berücksichtigt werden. Auch die
Verbreitung von Elektromobilität kann einen
signifikanten Beitrag zur Verringerung von
Lärm und Luftschadstoffen in den Städten leisten.
Die künftige Ausgestaltung des ÖPNV
steht vor schwierigen Aufgaben. Zum einen
geht es darum, ein attraktives, kundenfreund-
liches und bezahlbares Angebot bereitzustellen,
zum anderen müssen hierfür langfristige
Finanzierungsmöglichkeiten gefunden werden.
Bei der Planung, Ausgestaltung und Finanzie-
rung des ÖPNV sind vor allem die Länder ge-
fragt. Der Bund gestaltet den Ordnungsrahmen
und fördert innovative Technologien und Hand-
lungsansätze. Er stellt den Ländern umfang-
reiche Mittel zur Finanzierung des ÖPNV zur
Verfügung. Die Zuweisungen an die Länder zur
Verbesserung der Verkehrsverhältnisse sind