1. Pressemitteilung HAUSANSCHRIFT
Dorotheenstr. 84
10117 Berlin
Berlin, 29. Oktober 2009
Seite 1 von 5 POSTANSCHRIFT
11044 Berlin
Bitte Sendesperrfrist beachten: 29.10.2009, 19.30 Uhr TEL + 49 (0)3018 272-3281
FAX + 49 (0)3018 272-3259
Deutscher Kurzfilmpreis 2009 verliehen pressestelle-bkm@bpa.bund.de
www.kulturstaatsminister.de
Am (heutigen) Donnerstag wurde auf einer Festveranstaltung im Reithaus www.bundesregierung.de
Ludwigsburg der Deutsche Kurzfilmpreis vergeben. Die bedeutendste und
am höchsten dotierte Auszeichnung für den Kurzfilm in Deutschland ist in
Kooperation mit der Filmakademie Baden-Württemberg verliehen worden.
Anlässlich dieser Verleihung erklärte der Staatsminister für Kultur und
Medien, Bernd Neumann: „Der deutsche Kurzfilm ist nicht nur eine eigene
Kunstform, sondern auch ein außerordentlich gutes Experimentierfeld für
junge Filmschaffende. Deutsche Kurzfilme werden seit Jahren weltweit für
ihre Kreativität geschätzt und prämiert. Man kann von einer Erfolgsserie
sprechen: 2005, 2007 und 2008 gewannen Filme von Absolventen
deutscher Filmhochschulen Studenten-Oscars. Und in diesem Jahr holte
Thomas Freydank darüber hinaus sogar den Kurzfilm-Oscar für ‚Spiel-
zeugland‘.
Unser Ziel ist es, den Kurzfilm wieder mehr ins Kino zu bringen. Dafür tut
die Bundesregierung einiges. Allein im Bereich der Kinoprogrammpreise
zeichnen wir gute Kurzfilmprogramme mit insgesamt 110.000 € aus. Ganz
neue Wege beschreiten wir mit dem in diesem Jahr verabschiedeten
Filmförderungsgesetz. Im Wege einer neuen Fördermaßnahme werden
Kinos dabei unterstützt, Kurzfilme regulär als Vorfilme ins Programm
aufzunehmen. Diese Fördermöglichkeit wird von den Kinos bereits rege
genutzt. Seit der Einführung im Januar dieses Jahres wurden schon 76
Kinos mit insgesamt fast 80.000 Euro gefördert. Ich bin zuversichtlich,
dass eine Renaissance des Kurzfilms als Vorfilm möglich ist.“
Mit dem Kurzfilmpreis in Gold für Spielfilme mit einer Laufzeit bis
sieben Minuten wurde der Film „Kokon“, Hersteller: Deutsche Film- und
Fernsehakademie Berlin in Koproduktion mit ARTE, Regie: Till Kleinert,
ausgezeichnet.
Den Kurzfilmpreis in Gold für Spielfilme mit einer Laufzeit von mehr als
sieben bis 30 Minuten erhielt der Film „Polar“. Hersteller:
Kunsthochschule für Medien Köln in Koproduktion mit Kinomaton
München und Dschoint Ventschr Zürich, Regie: Michael Koch.
Der Kurzfilmpreis in Gold für Dokumentarfilme ging an den Film
„Wagah“, hergestellt von Detailfilm Gasmia & Kamm GbR, Hamburg in
Koproduktion mit Perspective SPC, Kalkutta. Die Regie führte Supriyo
Sen.
Den Kurzfilmpreis in Gold für Animations-/Experimentalfilme gewann
der Film „Please say something“, Hersteller: David O’Reilly Animation,
Berlin, Regie: David O‘Reilly.
2. Seite 2 von 5
Die Begründungen der Jury sind als Anlage beigefügt.
Für den Deutschen Kurzfilmpreis 2009 wurden insgesamt zehn Filme
nominiert. Mit der Nominierung ist eine Prämie von 15.000 Euro
verbunden, für den Filmpreis in Gold erhält der Hersteller eine Prämie von
30.000 Euro. Die Nominierungsprämie wird auf den Filmpreis in Gold
angerechnet. Die Prämie ist für die Herstellung eines neuen Kurzfilms
oder Films mit künstlerischem Rang oder seiner Projektvorbereitung
verbunden.
Nominiert waren zusätzlich die Kurzfilme:
• „Antje und wir“ (Spielfilm mit einer Laufzeit von mehr als sieben bis
30 Minuten), Hersteller und Regisseur: Felix Stienz, Berlin.
• „Birthday“ (Spielfilm mit einer Laufzeit von mehr als sieben bis 30
Minuten), Hersteller: Fachhochschule Dortmund in Koproduktion mit
Andrzej Król (Regie: Andrzej Król).
• „Fliegen“ (Spielfilm mit einer Laufzeit von mehr als sieben bis 30
Minuten), Hersteller: Carsten Strauch Filmproduktion, Offenbach
(Regie: Piotr J. Lewandowski).
• „Wüste/Außen/Tag“ (Spielfilm mit einer Laufzeit von mehr als sieben
bis 30 Minuten), Hersteller: Hochschule für Film und Fernsehen
„Konrad Wolf“, Potsdam in Koproduktion mit dem RBB (Regie: Mia
Grau).
• „Radfahrer“ (Dokumentarfilm), Hersteller und Regisseur: Marc
Thümmler, Zeuthen.
• „Der Conny ihr Pony“ (Animations-/Experimentalfilm), Hersteller
und Regisseur: Robert Pohle, Halle.
Mit dem Sonderpreis für Filme mit einer Laufzeit von mehr als 30 bis 78
Minuten wurde der Dokumentarfilm „Die Haushaltshilfe“, Hersteller:
Filmakademie Baden-Württemberg in Koproduktion mit dem SWR
(Regie: Anna Hoffmann) ausgezeichnet. Dieser Preis ist mit einer Prämie
von 20.000 Euro verbunden.
Durch die Preisverleihung führte der Moderator und Schauspieler Dieter
Moor.
Informationen zum Deutschen Kurzfilmpreis 2009 finden Sie unter
www.deutscherkurzfilmpreis.de.
Als „Deutscher Kurzfilmpreis unterwegs 2009“ gehen alle
ausgezeichneten Filme im kommenden Jahr wieder auf eine bundesweite
Tournee (www.kurzfilmpreisunterwegs.org).
3. Seite 3 von 5
Anlage zur Pressemitteilung vom 29.10.2009
Begründungen der Jury Deutscher Kurzfilmpreis
„Kokon“
Ein Oberstufenschüler lässt sich seine schulterlange Haarpracht auf Na-
ckenlänge stutzen. Er überrascht damit seine Mitschüler. – Anhand dieser
geradezu banalen Handlung entfaltet „Kokon“ mit großem Gespür für
menschliche Innenwelten seine bemerkenswerte Poesie.
Der dialogfreie Film ist so komponiert, dass die titelgebende Gemütslage
des Protagonisten für den Zuschauer erfahrbar wird, ohne dass sie auser-
zählt werden muss. Die Macher erzeugen mit einfachen filmischen Mitteln
gewinnbringend ein Gefühl, das sich irgendwo, irgendwann zwischen Pu-
bertät und Adoleszenz verorten lässt, und das eigentlich jeder so oder an-
ders mal erlebt hat. Lesbar als ‚coming of age’ Geschichte aber auch als
‚coming out’, konzentriert sich der Film auf die subjektive Innenwelt sei-
ner Hauptfigur, um diese sichtbar sowie hörbar aufzubrechen und aus ihr
herauszutreten. Eine Genese, mit der filmisches Handwerk sehenswert
unter Beweis gestellt wird, und ein zartes Erlebnis, das sich mit anderen
teilen lässt. Bravo!
„Polar“
Diese Familiengeschichte hat uns von der ersten bis zur letzten Minute
gefesselt. Ein erwachsener Sohn, der sich nach längerer Trennung vom
Vater unverhofft in dessen neuer Familie wiederfindet und verzweifelt um
seine Aufmerksamkeit kämpft. Ein Vater, der ihn immer wieder ins Leere
laufen lässt und sich der Situation mit versteinerter Miene zu entziehen
versucht. Das Ganze in einer einsamen Berglandschaft, in der es keinen
Himmel zu geben scheint und die mit ihren steilen Hängen und Nebelwän-
den seltsam klaustrophobisch anmutet.
An dem leisen Film über die Sehnsucht nach Nähe und die Schwierigkeit,
sie zu erlangen, hat uns alles überzeugt: die sparsamen Dialoge – kein
Wort zu viel –, die subtile Schauspielführung – keine überflüssige Geste –
und eine insgesamt reduzierte Erzählweise, die vieles aus- und offenlässt,
damit aber umso mehr Raum für feine und mehrdeutige Zwischentöne
schafft. Die souveräne Kamera bleibt konsequent bei den Figuren und setzt
die karge Landschaft so ins Bild, dass sie deren Seelenzustände zu
reflektieren scheint. Reduktion auf allen Ebenen also. Herausgekommen
ist ein Film von großer atmosphärischer Dichte, der tief berührt, ohne im
Geringsten sentimental zu sein.
„Wagah“
‚Wagah’ ist der einzige Grenzübergang zwischen Pakistan und Indien. Die
Schließung der Grenztore durch Soldaten beider Länder ist ein allabendli-
4. Seite 4 von 5
ches Spektakel. Die martialische Choreographie dieses simplen Vorganges
lockt täglich Tausende von Zuschauern an die Grenze. Singend und tan-
zend wird von beiden Seiten der bis ins kleinste Detail inszenierte Auf-
marsch der eigenen Soldaten angefeuert. Der Regisseur erzählt dieses
Schauspiel über den auf indischer Seite lebenden Jungen Manpreet Singh,
der durch den Verkauf von DVDs dieses Ereignisses seine Familie unter-
stützt.
Die große Leistung des Dokumentarfilmes ‚Wagah’ ist es, den politischen
Konflikt zwischen Indien und Pakistan an diesem Ort ohne große Erklä-
rungen facettenreich darzustellen. Die kluge Montage des Filmes führt den
Betrachter langsam von Drachen spielenden Kindern an der Grenze über
die volksfestartige Stimmung der Zuschauer zu der absurd anmutenden
Vorstellung der Soldaten. Der Rhythmus der Drohgebärden der Soldaten
verbindet sich mit dem nationalen Enthusiasmus der Zuschauer – auf pa-
kistanischer Seite ebenso wie auf indischer. Wenn die Fahne eingezogen
ist, ist das Spektakel vorbei und es herrscht langsam wieder Ruhe. Eine
gefährliche Ruhe, die die Bedrohung im Zusammenhang mit dieser seit
1947 existierende Grenze spürbar macht, obwohl oder gerade weil die Be-
völkerung auf beiden Seiten oft eng miteinander verbunden ist.
„Please say something“
„Please say something“ von David O’Reilley ist eine universelle Parabel
über Liebe, Einsamkeit und Verlust, die in ihrer originellen Bildgestaltung
den Zuschauer in ein einzigartiges Universum und eine dennoch nachvoll-
ziehbare moderne Lebenswelt hineinzieht. Trotz der reduzierten grafischen
Gestaltung, die in ihrer Flächigkeit an frühe Computerspiele erinnert, und
den Brüchen einer optionalen Erzählweise entfaltet die Animation eine
emotionale Intensität und eine glaubwürdige Humanität. Die Computer-
animation, die bewusst auf fotorealistische Effekte verzichtet, verkommt
nie zum Selbstzweck, sondern ermöglicht die Verdichtung einer komple-
xen Handlung, wie man es sich von einem Kurzfilm wünscht. Die Zei-
chenhaftigkeit der Animation und die perspektivische Verfremdung des
Stadt- und Wohnraums wirken zunächst kühl und abstrahiert wie ein Ed-
ward Hopper-Gemälde, schaffen jedoch den idealen Rahmen einer leiden-
schaftlichen Liebesromanze. Auch die Tonebene erscheint zunächst mit
ihrem niedlich-minimalistischen Duktus absolut inadäquat, dieses anrüh-
rende Beziehungsdrama zu transportieren. Aber auch hier stellt sich
schnell der gegenteilige Effekt ein. So lässt einen diese eigentümliche
kleine Pixel-Lovestory zwischen Katze und Maus weit aus berührter
zurück als manch eine hochkarätig besetzte Großproduktion.
„Die Haushaltshilfe“
Drei Menschen in einer Zwangsgemeinschaft: Die 29jährige Martina aus
der Slowakei hat - auf Wunsch ihrer Mutter - einen Pflegejob bei einem
sehr gebrechlichen alten Ehepaar am Bodensee angenommen. Während
Martina sich fremd fühlt und Heimweh hat, ist die Hausherrin Lore (75)
5. Seite 5 von 5
zunehmend unzufrieden mit der teuer bezahlten Arbeitsleistung. Nur Max
(87) freut sich die junge Frau zu sehen.
In beklemmenden Bildern – aus erstaunlicher Nähe gedreht – tritt die Un-
vereinbarkeit der Erwartungen und Vorstellungen beider Seiten zu Tage.
Die genaue Beobachtung zeigt wie unter einer Lupe die Mechanismen der
wechselseitigen Abhängigkeiten. Die Montage enthält sich dabei einer
Wertung, überlässt es vielmehr dem Betrachter, seine Gefühle in das Ge-
schehen hinein zu projizieren. In der Konzentration auf das Kammerspiel-
artige liegt die Stärke dieses unprätentiösen Dokumentarfilmes, der einen
klugen Beitrag zur Demografiedebatte in Deutschland leistet.