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Warum denken wir nach?
Jakob Nikolas Kather, 2013
Lebenswissenschaftliches Wochenendseminar der
Studienstiftung des deutschen Volkes
Bild: http://dict.leo.org
Quelle: Mercier, Hugo, and Dan Sperber. 'Why Do Humans Reason? Arguments For
An Argumentative Theory'. Behavioral and Brain Sciences 34.02 (2011): 57-74.
I. Unser Verstand versagt.
„Wenn auf der einen Seite der Karte ein Vokal ist,
dann ist auf der anderen Seite eine gerade Zahl.“
Welche Karten muss die Testperson umdrehen,
um die Regel zu überprüfen?
9
Modus ponens: wenn p, dann q; p⇒ q
Modus tollens: wenn p, dann q; nicht q⇒ nicht p
Menschen können simple logische Aufgaben schlecht lösen
Wason selection task
Wason rule discovery task
Versuchsleiter Testperson
„drei beliebige Zahlen
in aufsteigender
Reihenfolge“
„gerade Zahlen in
aufsteigender
Reihenfolge“
2-4-6
8-10-12
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18-20-22
Menschen versuchen nicht, ihre Intuitionen zu falsifizieren
-> Bestätitungsbias

Wason rule discovery task
Versuchsleiter Testperson
2-4-6
8-10-13
Menschen versuchen, fremde Hypothesen widerlegen –
im argumentativen Setting – bei persönlicher Motivation
Komplize
„gerade Zahlen in
aufsteigender
Reihenfolge“
Zusammenfassung Logisches Denken
Bisher: Durch Nachdenken kann man logische Probleme löen
Neu: Der Mensch versagt bei logischen Problemen.
Ausnahme: Diskussionen
Vorgefertigte Meinungen / Bestätigungsbias
Menschen benutzen ihren Verstand, um bestehende Ansichten zu bestätigen
Contra
Todesstrafe
Pro
Todesstrafe
Contra Todesstrafe
Fehler in der Studie A
Pro Todesstrafe
Fehler in der Studie B
Studie B:
Todesstrafe
wirkt nicht
abschreckend
Studie A:
Todesstrafe
wirkt
abschreckend
Intraindividuelle Meinungspolarisierung I
Jochen
Horst
Intraindividuelle Meinungspolarisierung II
Nachdenken verstärkt vorgegebene Hypothesen / Meinungen
Menschen denken nicht über Sachverhalte nach,
sondern über ihre Meinungen
Jochen
Horst
Zusammenfassung Meinungen
Bisher: Nachdenken führt zu vernünftigenMeinungen
Neu: Menschen haben bestehende Meinungen und
suchen sich passende Argumente dafür
Unmoralisches Handeln I
Kurzer, lustiger Test / langer, anstrengender Test
Zuweisen oder Zufallsgenerator?
Wie moralisch war das?
Maß der Scheinheiligkeit: Differenz der Bewertungen = 3
gut 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 schlecht
Unmoralisches Handeln II
Kurzer, lustiger Test / langer, anstrengender Test
Zuweisen oder Zufallsgenerator?
Wie moralisch von 1 (gut)
bis 10 (schlecht) war das?
Maß der Scheinheiligkeit: Differenz der Bewertungen = 0
Nachdenken führt zu Scheinheiligkeit (durch Rechtfertigung)
A²+B² = ???
A > B ?
C + B = D ?
Zusammenfassung Moral
Bisher: Nachdenken ist die Grundlage moralischer Handlungen
Neu: Denken macht uns nicht zu besseren Menschen.
Disjunktionseffekt I
50%
200 € gewonnen
50%
100 € verloren
Noch einmal spielen?
Ja, weil Verlust
wäre gering
Ja, weil Verlust
wieder gutmachen
Alle spielen noch einmal
The sure-thing principle:
when someone favors A over B if event E happens
and keeps the same preference ordering if E does not happen,
then her choices shoud not be influenced by any
uncertainty about the occurrence of E.
Münze
werfen
Disjunktionseffekt II
Menschen treffen nicht die objektiv beste Entscheidung,
sondern die, die sie am besten rechtfertigen können
Noch einmal spielen?
Die Mehrheit spielt nicht noch
einmal, weil keine Argumente
Attraktionseffekt
Menschen treffen die Entscheidung,
die sie am besten rechtfertigen können
Lecker
Teuer
Nicht lecker
Billig
Nicht lecker
Teuer
50% 50%
30% 70% 0%
Leichter argumentativ zu rechtfertigen!
Produkt 1 Produkt 2 Produkt 3
Zusammenfassung Entscheidungen fällen
Bisher: Menschen treffen bewusst gute Entscheidungen,
Durch Nachdenken findet man zur optimalen Entscheidung
Neu: Menschen treffen nicht die optimale Entscheidung,
sondern die, die sie am besten rechtfertigen können.
II. Unser Verstand ist erfolgreich.
Argumente produzieren und evaluieren
• sinnvolle Argumente produzieren
• Beweise, sofern diese vorhanden sind.
• What are the causes of school failure? (Kuhn 1991)
• Would restoring the military draft significantly increase
America‘s ability to influence world events? (Perkins 1985)
• Gute / schlechte Argumente erkennen
• Gegenargumente produzieren
Gruppendiskussionen
Wahrheit gewinnt (Wason selection task: 80%)
Die Gruppe ist besser als ihr bestes Mitglied
III. Warum denken wir nach?
Fuß: Gehen > Rennen > Stehen
Verstand: ???
Welche Funktion haben menschliche Organe?
Bisher: Die Funktion des Verstands ist das Schlussfolgern.
Neu: Die Funktion des Verstands ist das Argumentieren
IV. Warum argumentieren wir?
Evolutionäre Perspektive – wozu argumentieren?
Vernunft ist ein Lügendetektor
Die Vernunft hat sich entwickelt, um öffentlich zu argumentieren.
Sprache ist nutzlos, wenn Inhalte nicht überprüft werden können

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Warum denken wir nach?

  • 1. Warum denken wir nach? Jakob Nikolas Kather, 2013 Lebenswissenschaftliches Wochenendseminar der Studienstiftung des deutschen Volkes
  • 2. Bild: http://dict.leo.org Quelle: Mercier, Hugo, and Dan Sperber. 'Why Do Humans Reason? Arguments For An Argumentative Theory'. Behavioral and Brain Sciences 34.02 (2011): 57-74.
  • 3. I. Unser Verstand versagt.
  • 4. „Wenn auf der einen Seite der Karte ein Vokal ist, dann ist auf der anderen Seite eine gerade Zahl.“ Welche Karten muss die Testperson umdrehen, um die Regel zu überprüfen? 9 Modus ponens: wenn p, dann q; p⇒ q Modus tollens: wenn p, dann q; nicht q⇒ nicht p Menschen können simple logische Aufgaben schlecht lösen Wason selection task
  • 5. Wason rule discovery task Versuchsleiter Testperson „drei beliebige Zahlen in aufsteigender Reihenfolge“ „gerade Zahlen in aufsteigender Reihenfolge“ 2-4-6 8-10-12 14-16-18 18-20-22 Menschen versuchen nicht, ihre Intuitionen zu falsifizieren -> Bestätitungsbias 
  • 6. Wason rule discovery task Versuchsleiter Testperson 2-4-6 8-10-13 Menschen versuchen, fremde Hypothesen widerlegen – im argumentativen Setting – bei persönlicher Motivation Komplize „gerade Zahlen in aufsteigender Reihenfolge“
  • 7. Zusammenfassung Logisches Denken Bisher: Durch Nachdenken kann man logische Probleme löen Neu: Der Mensch versagt bei logischen Problemen. Ausnahme: Diskussionen
  • 8. Vorgefertigte Meinungen / Bestätigungsbias Menschen benutzen ihren Verstand, um bestehende Ansichten zu bestätigen Contra Todesstrafe Pro Todesstrafe Contra Todesstrafe Fehler in der Studie A Pro Todesstrafe Fehler in der Studie B Studie B: Todesstrafe wirkt nicht abschreckend Studie A: Todesstrafe wirkt abschreckend
  • 10. Intraindividuelle Meinungspolarisierung II Nachdenken verstärkt vorgegebene Hypothesen / Meinungen Menschen denken nicht über Sachverhalte nach, sondern über ihre Meinungen Jochen Horst
  • 11. Zusammenfassung Meinungen Bisher: Nachdenken führt zu vernünftigenMeinungen Neu: Menschen haben bestehende Meinungen und suchen sich passende Argumente dafür
  • 12. Unmoralisches Handeln I Kurzer, lustiger Test / langer, anstrengender Test Zuweisen oder Zufallsgenerator? Wie moralisch war das? Maß der Scheinheiligkeit: Differenz der Bewertungen = 3 gut 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 schlecht
  • 13. Unmoralisches Handeln II Kurzer, lustiger Test / langer, anstrengender Test Zuweisen oder Zufallsgenerator? Wie moralisch von 1 (gut) bis 10 (schlecht) war das? Maß der Scheinheiligkeit: Differenz der Bewertungen = 0 Nachdenken führt zu Scheinheiligkeit (durch Rechtfertigung) A²+B² = ??? A > B ? C + B = D ?
  • 14. Zusammenfassung Moral Bisher: Nachdenken ist die Grundlage moralischer Handlungen Neu: Denken macht uns nicht zu besseren Menschen.
  • 15. Disjunktionseffekt I 50% 200 € gewonnen 50% 100 € verloren Noch einmal spielen? Ja, weil Verlust wäre gering Ja, weil Verlust wieder gutmachen Alle spielen noch einmal The sure-thing principle: when someone favors A over B if event E happens and keeps the same preference ordering if E does not happen, then her choices shoud not be influenced by any uncertainty about the occurrence of E. Münze werfen
  • 16. Disjunktionseffekt II Menschen treffen nicht die objektiv beste Entscheidung, sondern die, die sie am besten rechtfertigen können Noch einmal spielen? Die Mehrheit spielt nicht noch einmal, weil keine Argumente
  • 17. Attraktionseffekt Menschen treffen die Entscheidung, die sie am besten rechtfertigen können Lecker Teuer Nicht lecker Billig Nicht lecker Teuer 50% 50% 30% 70% 0% Leichter argumentativ zu rechtfertigen! Produkt 1 Produkt 2 Produkt 3
  • 18. Zusammenfassung Entscheidungen fällen Bisher: Menschen treffen bewusst gute Entscheidungen, Durch Nachdenken findet man zur optimalen Entscheidung Neu: Menschen treffen nicht die optimale Entscheidung, sondern die, die sie am besten rechtfertigen können.
  • 19. II. Unser Verstand ist erfolgreich.
  • 20. Argumente produzieren und evaluieren • sinnvolle Argumente produzieren • Beweise, sofern diese vorhanden sind. • What are the causes of school failure? (Kuhn 1991) • Would restoring the military draft significantly increase America‘s ability to influence world events? (Perkins 1985) • Gute / schlechte Argumente erkennen • Gegenargumente produzieren
  • 21. Gruppendiskussionen Wahrheit gewinnt (Wason selection task: 80%) Die Gruppe ist besser als ihr bestes Mitglied
  • 22. III. Warum denken wir nach?
  • 23. Fuß: Gehen > Rennen > Stehen Verstand: ??? Welche Funktion haben menschliche Organe?
  • 24. Bisher: Die Funktion des Verstands ist das Schlussfolgern. Neu: Die Funktion des Verstands ist das Argumentieren
  • 26. Evolutionäre Perspektive – wozu argumentieren? Vernunft ist ein Lügendetektor Die Vernunft hat sich entwickelt, um öffentlich zu argumentieren. Sprache ist nutzlos, wenn Inhalte nicht überprüft werden können

Notas do Editor

  1. Nicht „trivial“, nicht gestikulieren
  2. Ich möchte euch in der nächsten halben Stunde etwas über das Denken erzählen Beginnen möchte ich dafür mit einigen Beispielen, die zeigen, dass wir unseren Verstand ziemlich falsch einschätzen.
  3. 90% wählen die falschen aus – 10% wählen die korrekten aus
  4. Menschen verfolgen positive Teststrategien Auswirkungen auf Forscher? -> Armutszeugnis $$$ hat keinen Einfluss auf den Erfolg Argumentativer Rahmen hat Einfluss auf Erfolg
  5. Menschen verfolgen positive Teststrategien Auswirkungen auf Forscher? -> Armutszeugnis $$$ hat keinen Einfluss auf den Erfolg Argumentativer Rahmen hat Einfluss auf Erfolg ! Persönliche motivation verdeutlichen
  6. ! Format übertragen
  7. Menschen benutzen den Verstand, um inituitive oder vorgegebene Meinungen argumentativ zu rechtfertigen. Damit werden diese intuitiven oder vorgefertigten Meinungen verstärkt.
  8. Auf Ebene des Individuums: Auf Gruppenebene
  9. ! Auf zwei Folien
  10. (74) ( 38) ! nachlesen Wahrheit gewinnt: Wenn ein Teilnehmer die Wahrheit erkannt hat, kann er die anderen davon überzeugen (z.B. Wason selection task) Aber: Auch wenn a priori kein Teilnehmer den WST lösen kann, kann die Gruppe das
  11. Auf Ebene des Individuums: Auf Gruppenebene
  12. Auf Ebene des Individuums: Auf Gruppenebene