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Modelle guter Praxis 
Ein Plädoyer für integrierte Palliative Care im Pflegeheim. 
Mit Palliative Care die Organisation entwickeln 
Pflegeheime „ticken“ anders 
Palliative Care im Pflegeheim eignet sich sehr dafür, eigene Organisationsstrukturen 
zu entwickeln und einen ethischen Diskurs zu fördern. Denn in weiten Teilen decken 
sich die Zielsetzungen von Palliative Care mit den generellen Zielsetzungen der 
Langzeitpflege. Notwenig sind die Unterstützung von Träger und Leitung und die 
Anpassung des Projekts an die jeweiligen besonderen Bedingungen der Organisation. 
Im Vordergrund sollte der Diskurs selbst und weniger seine Sichtbarmachung durch die 
Einführung vieler Dokumente stehen. 
Michael Rogner | Martin Wanger 
Das Pflegeheim ist ein Ort voller He-rausforderungen, 
Ansprüche, Wider-sprüche 
sowie Ökonomisierungs- und 
Qualitätszwänge, aber vor allem auch 
ein Ort, wo in hoher Intensität gelebt, 
gestorben und gearbeitet wird. Das, was 
vor vielen Jahren im Krankenhaus als 
Qualitätsentwicklung startete, überträgt 
sich zum Teil sehr unreflektiert auf die 
Pflegeheime. Aber Pflegeheime ticken 
anders und haben ihre eigene Logik. 
Palliative Care im Pflegeheim eignet sich 
perfekt dafür, eine Organisationskultur 
zu entwickeln, Partizipation zu ermögli-chen, 
Verbindungsstellen herzustellen, 
die Kommunikation zu fördern, Prozesse 
besser zu beschreiben, den ethischen 
Diskurs anzukurbeln, Reflexionsräume 
zu schaffen und die Organisation zu 
entwickeln. 
Palliative Care im Pflegeheim 
In der schweizerischen nationalen Stra-tegie 
Palliative Care ist einer der Haupt-punkte 
die Förderung der Palliative Care 
in der Grundversorgung. Es wird mehr-fach 
empfohlen, diese als integratives 
Angebot zu sehen und zu definieren und 
nicht als etwas, „was auch noch zusätz-lich 
gemacht wird“. Heute sind Pflege-situationen 
meist sehr komplex in ihrer 
Ausprägung und bedürfen daher spezi-eller 
Kompetenzen im interdisziplinären 
Team. Die Zielsetzungen von Palliative 
Care decken sich über weite Strecken 
mit den generellen Zielsetzungen der 
Langzeitpflege. Die Abgrenzung ist des-halb 
nicht einfach. Palliative Care in der 
Praxis PalliativeCare | 20 · 2013 23
Langzeitpflege nimmt jedoch die Anlie-gen 
bewusster und expliziter auf. Sie 
wendet neues Fachwissen, zum Beispiel 
zur Linderung von Krankheitssympto-men, 
gezielter an (Curaviva 2009). 
Voraussetzungen für 
das Gelingen von 
Palliative-Care-Prozessen 
Qualität ist weder Zufall noch die Sum-me 
aller definierten Strukturen und 
Prozesse innerhalb einer Organisa-tion. 
Katharina Heimerl (2008) prägt 
die Bezeichnung „Erfahrung mit Pal-liative- 
Care-Prozessen“ und definierte 
acht zentrale Voraussetzungen für die 
Organisationsentwicklung in Palliative 
Care. Sie ist der Meinung, dass kom-plexe 
Probleme komplexe Lösungen 
erfordern. 
Wer die Organisation mit Palliative 
Care entwickeln möchte, hat zuallererst 
mehr Herausforderungen als Lösungen. 
Hier wäre es nicht förderlich, auf „Quick 
Fix“-Lösungen zu setzen, da die Frage 
der Nachhaltigkeit schon hier beantwor-tet 
werden kann: Sie wird nicht stattfin-den. 
Vielmehr ist es entscheidend, einen 
Auftrag zu haben, die Unterstützung des 
Trägers und der Leitung zu sichern, das 
Projektdesign an die Organisation zu 
adaptieren, ethische Reflexionsräume zu 
schaffen, Partizipation und Entlastung 
der Mitarbeitenden zu ermöglichen und 
die Sicht der Betroffenen einzubezie-hen. 
Wer Palliative Care im Pflegeheim 
einführen möchte, sollte zuerst den Dis-kurs 
starten und nicht der Verlockung 
erliegen, viele Dokumente einzuführen, 
um Palliative Care sofort sichtbar zu ma-chen. 
Es ist vor allem auch die Arbeit 
an der Organisationskultur, die oft auch 
mit Haltung verglichen wird. Und diese 
Haltung unterscheidet sich vielfach von 
der gängigen Haltung im Krankenhaus 
oder im Pflegeheim (Heller, Knipping, 2007). 
In Palliative-Care-Prozessen müssen die-se 
unausgesprochenen und somit auch 
nicht verhandelbaren Haltungen ausge-sprochen, 
thematisiert und (den Netz-werkpartnerInnen) 
vermittelt werden. 
Qualitätszertifizierung 
und Palliative Care – 
kein Widerspruch 
Das LAK-Haus St. Laurentius in Scha-an, 
Liechtenstein (LAK = Stiftung Liech-tensteinische 
Alters- und Krankenhilfe), 
verfügt als zweite Langzeitpflegeein-richtung 
über das Label „Qualität in 
Palliative Care“. Dieses Label verleiht 
der Schweizerische Verein für Quali-tät 
in Palliative Care (palliative.ch). Für 
die Durchführung des Audits zeichnet 
sanaCERT suisse, die Schweizerische 
Stiftung für Qualitätssicherung im 
Gesundheitswesen, verantwortlich. 
Mit dem Label erbringt das Haus den 
Nachweis, 65 Qualitätskriterien im spe-zifischen 
Bereich von Palliative Care in 
der Langzeitpflege zu erreichen. Das 
Auditteam führte ein – für diesen Be-reich 
meines Erachtens sehr sinnvolles 
– Peer-Review-Verfahren durch, das 
heißt, gleichgestellte FachexpertInnen 
(ÄrztInnen, Pflegefachpersonen, Seel-sorgerInnen, 
TherapeutInnen) beurtei-len, 
wieweit die Vorgaben erfüllt sind. 
Als besondere Stärken wurden die 
hohe individuelle Lebensqualität für die 
Bewohner, das Konzept der Bezugspfle-ge 
sowie der hohe Grad an interprofes-sioneller 
Zusammenarbeit mit Ärzten 
und Ärztinnen, Hospizmitarbeitenden, 
TherapeutInnen, Freiwilligen, Seelsorge-rInnen 
sowie weiteren PartnerInnen her-vorgehoben. 
Im Zeitraum von drei Jah-ren 
wurde Palliative Care implementiert 
und das Zertifikat erreicht. Es galt dabei 
stets, Palliative Care integrativ in das 
24 Praxis PalliativeCare | 20 · 2013
Modelle guter Praxis 
Pflegerische Bezugspersonen müssen 
immer die Schlüsselfiguren sein. 
Gesamtkonzept einzubetten und nicht 
etwa auf „End-of-Life-Care-Angebote“ 
zu reduzieren. Entscheidend von Anfang 
an waren die Öffnung und das Abbauen 
von Grenzen innerhalb der Denk- und 
Handlungsmuster und das Vermeiden 
von Kategorisierungen („Ist das jetzt 
Palliative Care oder Pflege?“). Der Pal-liative- 
Care-Diskurs und die reflektier-te 
Auseinandersetzung waren für die 
Mitarbeitenden sehr gewinnbringend. 
„Thinking together“ – 
Reflexionsräume schaffen 
Durch Inhouse-Fortbildungen und ver-schiedene 
Gesprächsformate (Bespre-chung 
nach einem Todesfall, ethische 
Fallbesprechungen, Pflegebesprechun­gen 
et cetera) entstanden viele unter-schiedliche 
Reflexionsräume für die 
Mitarbeitenden. In Evaluierungen 
zeig­te 
sich klar, dass organisierte Re-flexionsräume 
eine wichtige Plattform 
darstellen. Gemeinsam zu überlegen, 
gemeinsam zu denken, gemeinsam 
nicht weiter zu wissen und gemeinsam 
nach Möglichkeiten zu suchen, stellt 
eine Verbindung her, die eine große 
Ressource für die Organisation und die 
Entwicklung der Palliative-Care-Kultur 
darstellt. Durch die Sichtbarmachung 
von Palliative-Care-Kompetenz gibt es 
in der Praxis Unterstützung und Refle-xionsmöglichkeiten. 
Bezugspflege – mehr als 
Beziehung und Organisation 
Eine Schlüsselfigur ist die pflegerische 
Bezugsperson. Durch die Kontinuität 
der Betreuung kann eine Beziehung 
aufgebaut werden, die auf Vertrauen 
und Fachlichkeit beruht. So können 
Belastungsfaktoren wie Angst oder 
Beunruhigung frühzeitig erkannt und 
gemildert werden. Zudem ist die Pfle-geperson 
durch die kontinuierliche Be- 
Care einen wichtigen Beitrag leisten. 
Die besondere Kultur und Logik der 
Einrichtung gilt es dabei zu berücksich-tigen. 
Das betrifft vor allem Bereiche 
wie die Qualitätsentwicklung, ethische 
Entscheidungsfindungsprozesse, die Re-duktion 
von Palliative Care auf Betten 
oder Konsiliardienste („Outsourcing“ 
von Palliative Care) sowie die reine 
Schwerpunktlegung auf „End-of-Life- 
Care“. Palliative Care im Pflegeheim bie-tet 
die Möglichkeit, sich mit der Plurali-sierung 
der Lebenswelten, der ethisch 
reflektierten Auseinandersetzung von 
Widersprüchen, der interdisziplinären 
und partizipativen Herangehensweise 
an Fragen der Lebensqualität organi-sational 
auseinanderzusetzen.  
Literatur 
Bundesamt für Gesundheit (2012): Nationale Stra-tegie 
Palliative Care 2013-2015. http://www. 
bag.admin.ch/themen/medizin/06082/10907/ 
(23. Februar 2013) 
Curaviva Schweiz (2009): Palliative Care in der stati-onären 
Langzeitpflege. http://upload.sitesystem. 
ch/131D5358A8/4BFEA0B204/ACFBE9F81A. 
pdf (17. Juli 2013) 
Heimerl K (2008): Orte zum Leben – Orte zum Ster-ben: 
Palliative Care in Organisationen umsetzen. 
Lambertus Verlag, Freiburg. 
Heller A, Knipping, C (2007): Palliative Care – 
Haltungen und Orientierungen. In: Knipping 
C (Hg.): Lehrbuch Palliative Care. Bern: Hans 
Huber, 39 – 48. 
Wegleitner K, Heimerl K, Heller A (Hrsg.) (2012). 
Zu Hause sterben – der Tod hält sich nicht an 
Dienstpläne. Der Hospiz Verlag, Ludwigsburg. 
Michael Rogner arbeitet als Pflegeexperte 
und Stationsleiter bei der Liechtensteinischen 
Alters- und Krankenhilfe (LAK). Studium der 
Pflegewissenschaft. Derzeit Absolvent des Uni-versitätslehrgangs 
Organisationsethik an der 
IFF-Fakultät der Universität Klagenfurt in Wien. 
E-Mail: michael.rogner@lak.li 
Martin Wanger arbeitet als Leiter des Pflege-dienstes 
in der stationären Langzeitpflege bei 
der Liechtensteinischen Alters- und Kranken-hilfe 
(LAK). Nachdiplomstudium Management 
in Gesundheitsorganisationen. 
E-Mail: martin.wanger@lak.li 
treuung besser in der Lage, die Wirkung 
der Interventionen zu überprüfen. Dies 
hat einen günstigen Effekt, da Verän-derungen 
schneller und besser erkannt 
werden können. Wissen und Information 
sind demnach gebündelt. Dies ist vor 
allem im Bereich der Kommunikation 
an den Nahtstellen sehr wichtig. 
Projekt gelungen – was nun? 
Ein interdisziplinärer 
Qualitätszirkel als Antwort 
Der Qualitätszirkel Palliative Care hat 
zum Ziel, Themen des eigenen Arbeits-bereiches 
zu bearbeiten (PDCA-Zyklus = 
plan, do, check, act), Lösungsvorschläge 
zu erarbeiten sowie durch Coaching die 
Mitarbeitenden zu unterstützen. Darü-ber 
hinaus hat er eine beratende Funkti-on 
für das Management und fördert die 
Nachhaltigkeit in der Organisation. Im 
Haus St. Laurentius ist für die Leitung 
der Pflegeexperte verantwortlich. Er ko-ordiniert 
dabei ein Kernteam mit Ver-tretern 
des Hauses und zusätzlich das 
erweiterte Team mit Netzwerkpartnern 
(Heimärztin, Hospizbewegung) und wei-teren 
Vertretern des Hauses (Manage-ment, 
Freiwilligenkoordination). Diese 
Plattform hat sich sehr bewährt, da hier 
viel Know-how und Projekterfahrung 
zur Verfügung steht und die Entschei-dungen 
kollektiv getragen werden. Der 
Qualitätszirkel ist sozusagen der „Think 
Tank“ für Palliative-Care-Prozesse. 
Zukünftige Entwicklungs­potenziale 
Häuser zum Leben sind auch zwangsläu-fig 
Häuser zum Sterben und man kann 
nur dort gut sterben, wo man auch gut 
gelebt hat (Heimerl 2008). Diese unauflös-lichen 
Widersprüche in der stationären 
Langzeitpflege gilt es auszubalancie-ren, 
und hier kann die Entwicklung der 
Organisation(-skultur) mit Palliative 
Praxis PalliativeCare | 20 · 2013 25

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Pflegeheime "ticken" anders.

  • 1. Modelle guter Praxis Ein Plädoyer für integrierte Palliative Care im Pflegeheim. Mit Palliative Care die Organisation entwickeln Pflegeheime „ticken“ anders Palliative Care im Pflegeheim eignet sich sehr dafür, eigene Organisationsstrukturen zu entwickeln und einen ethischen Diskurs zu fördern. Denn in weiten Teilen decken sich die Zielsetzungen von Palliative Care mit den generellen Zielsetzungen der Langzeitpflege. Notwenig sind die Unterstützung von Träger und Leitung und die Anpassung des Projekts an die jeweiligen besonderen Bedingungen der Organisation. Im Vordergrund sollte der Diskurs selbst und weniger seine Sichtbarmachung durch die Einführung vieler Dokumente stehen. Michael Rogner | Martin Wanger Das Pflegeheim ist ein Ort voller He-rausforderungen, Ansprüche, Wider-sprüche sowie Ökonomisierungs- und Qualitätszwänge, aber vor allem auch ein Ort, wo in hoher Intensität gelebt, gestorben und gearbeitet wird. Das, was vor vielen Jahren im Krankenhaus als Qualitätsentwicklung startete, überträgt sich zum Teil sehr unreflektiert auf die Pflegeheime. Aber Pflegeheime ticken anders und haben ihre eigene Logik. Palliative Care im Pflegeheim eignet sich perfekt dafür, eine Organisationskultur zu entwickeln, Partizipation zu ermögli-chen, Verbindungsstellen herzustellen, die Kommunikation zu fördern, Prozesse besser zu beschreiben, den ethischen Diskurs anzukurbeln, Reflexionsräume zu schaffen und die Organisation zu entwickeln. Palliative Care im Pflegeheim In der schweizerischen nationalen Stra-tegie Palliative Care ist einer der Haupt-punkte die Förderung der Palliative Care in der Grundversorgung. Es wird mehr-fach empfohlen, diese als integratives Angebot zu sehen und zu definieren und nicht als etwas, „was auch noch zusätz-lich gemacht wird“. Heute sind Pflege-situationen meist sehr komplex in ihrer Ausprägung und bedürfen daher spezi-eller Kompetenzen im interdisziplinären Team. Die Zielsetzungen von Palliative Care decken sich über weite Strecken mit den generellen Zielsetzungen der Langzeitpflege. Die Abgrenzung ist des-halb nicht einfach. Palliative Care in der Praxis PalliativeCare | 20 · 2013 23
  • 2. Langzeitpflege nimmt jedoch die Anlie-gen bewusster und expliziter auf. Sie wendet neues Fachwissen, zum Beispiel zur Linderung von Krankheitssympto-men, gezielter an (Curaviva 2009). Voraussetzungen für das Gelingen von Palliative-Care-Prozessen Qualität ist weder Zufall noch die Sum-me aller definierten Strukturen und Prozesse innerhalb einer Organisa-tion. Katharina Heimerl (2008) prägt die Bezeichnung „Erfahrung mit Pal-liative- Care-Prozessen“ und definierte acht zentrale Voraussetzungen für die Organisationsentwicklung in Palliative Care. Sie ist der Meinung, dass kom-plexe Probleme komplexe Lösungen erfordern. Wer die Organisation mit Palliative Care entwickeln möchte, hat zuallererst mehr Herausforderungen als Lösungen. Hier wäre es nicht förderlich, auf „Quick Fix“-Lösungen zu setzen, da die Frage der Nachhaltigkeit schon hier beantwor-tet werden kann: Sie wird nicht stattfin-den. Vielmehr ist es entscheidend, einen Auftrag zu haben, die Unterstützung des Trägers und der Leitung zu sichern, das Projektdesign an die Organisation zu adaptieren, ethische Reflexionsräume zu schaffen, Partizipation und Entlastung der Mitarbeitenden zu ermöglichen und die Sicht der Betroffenen einzubezie-hen. Wer Palliative Care im Pflegeheim einführen möchte, sollte zuerst den Dis-kurs starten und nicht der Verlockung erliegen, viele Dokumente einzuführen, um Palliative Care sofort sichtbar zu ma-chen. Es ist vor allem auch die Arbeit an der Organisationskultur, die oft auch mit Haltung verglichen wird. Und diese Haltung unterscheidet sich vielfach von der gängigen Haltung im Krankenhaus oder im Pflegeheim (Heller, Knipping, 2007). In Palliative-Care-Prozessen müssen die-se unausgesprochenen und somit auch nicht verhandelbaren Haltungen ausge-sprochen, thematisiert und (den Netz-werkpartnerInnen) vermittelt werden. Qualitätszertifizierung und Palliative Care – kein Widerspruch Das LAK-Haus St. Laurentius in Scha-an, Liechtenstein (LAK = Stiftung Liech-tensteinische Alters- und Krankenhilfe), verfügt als zweite Langzeitpflegeein-richtung über das Label „Qualität in Palliative Care“. Dieses Label verleiht der Schweizerische Verein für Quali-tät in Palliative Care (palliative.ch). Für die Durchführung des Audits zeichnet sanaCERT suisse, die Schweizerische Stiftung für Qualitätssicherung im Gesundheitswesen, verantwortlich. Mit dem Label erbringt das Haus den Nachweis, 65 Qualitätskriterien im spe-zifischen Bereich von Palliative Care in der Langzeitpflege zu erreichen. Das Auditteam führte ein – für diesen Be-reich meines Erachtens sehr sinnvolles – Peer-Review-Verfahren durch, das heißt, gleichgestellte FachexpertInnen (ÄrztInnen, Pflegefachpersonen, Seel-sorgerInnen, TherapeutInnen) beurtei-len, wieweit die Vorgaben erfüllt sind. Als besondere Stärken wurden die hohe individuelle Lebensqualität für die Bewohner, das Konzept der Bezugspfle-ge sowie der hohe Grad an interprofes-sioneller Zusammenarbeit mit Ärzten und Ärztinnen, Hospizmitarbeitenden, TherapeutInnen, Freiwilligen, Seelsorge-rInnen sowie weiteren PartnerInnen her-vorgehoben. Im Zeitraum von drei Jah-ren wurde Palliative Care implementiert und das Zertifikat erreicht. Es galt dabei stets, Palliative Care integrativ in das 24 Praxis PalliativeCare | 20 · 2013
  • 3. Modelle guter Praxis Pflegerische Bezugspersonen müssen immer die Schlüsselfiguren sein. Gesamtkonzept einzubetten und nicht etwa auf „End-of-Life-Care-Angebote“ zu reduzieren. Entscheidend von Anfang an waren die Öffnung und das Abbauen von Grenzen innerhalb der Denk- und Handlungsmuster und das Vermeiden von Kategorisierungen („Ist das jetzt Palliative Care oder Pflege?“). Der Pal-liative- Care-Diskurs und die reflektier-te Auseinandersetzung waren für die Mitarbeitenden sehr gewinnbringend. „Thinking together“ – Reflexionsräume schaffen Durch Inhouse-Fortbildungen und ver-schiedene Gesprächsformate (Bespre-chung nach einem Todesfall, ethische Fallbesprechungen, Pflegebesprechun­gen et cetera) entstanden viele unter-schiedliche Reflexionsräume für die Mitarbeitenden. In Evaluierungen zeig­te sich klar, dass organisierte Re-flexionsräume eine wichtige Plattform darstellen. Gemeinsam zu überlegen, gemeinsam zu denken, gemeinsam nicht weiter zu wissen und gemeinsam nach Möglichkeiten zu suchen, stellt eine Verbindung her, die eine große Ressource für die Organisation und die Entwicklung der Palliative-Care-Kultur darstellt. Durch die Sichtbarmachung von Palliative-Care-Kompetenz gibt es in der Praxis Unterstützung und Refle-xionsmöglichkeiten. Bezugspflege – mehr als Beziehung und Organisation Eine Schlüsselfigur ist die pflegerische Bezugsperson. Durch die Kontinuität der Betreuung kann eine Beziehung aufgebaut werden, die auf Vertrauen und Fachlichkeit beruht. So können Belastungsfaktoren wie Angst oder Beunruhigung frühzeitig erkannt und gemildert werden. Zudem ist die Pfle-geperson durch die kontinuierliche Be- Care einen wichtigen Beitrag leisten. Die besondere Kultur und Logik der Einrichtung gilt es dabei zu berücksich-tigen. Das betrifft vor allem Bereiche wie die Qualitätsentwicklung, ethische Entscheidungsfindungsprozesse, die Re-duktion von Palliative Care auf Betten oder Konsiliardienste („Outsourcing“ von Palliative Care) sowie die reine Schwerpunktlegung auf „End-of-Life- Care“. Palliative Care im Pflegeheim bie-tet die Möglichkeit, sich mit der Plurali-sierung der Lebenswelten, der ethisch reflektierten Auseinandersetzung von Widersprüchen, der interdisziplinären und partizipativen Herangehensweise an Fragen der Lebensqualität organi-sational auseinanderzusetzen.  Literatur Bundesamt für Gesundheit (2012): Nationale Stra-tegie Palliative Care 2013-2015. http://www. bag.admin.ch/themen/medizin/06082/10907/ (23. Februar 2013) Curaviva Schweiz (2009): Palliative Care in der stati-onären Langzeitpflege. http://upload.sitesystem. ch/131D5358A8/4BFEA0B204/ACFBE9F81A. pdf (17. Juli 2013) Heimerl K (2008): Orte zum Leben – Orte zum Ster-ben: Palliative Care in Organisationen umsetzen. Lambertus Verlag, Freiburg. Heller A, Knipping, C (2007): Palliative Care – Haltungen und Orientierungen. In: Knipping C (Hg.): Lehrbuch Palliative Care. Bern: Hans Huber, 39 – 48. Wegleitner K, Heimerl K, Heller A (Hrsg.) (2012). Zu Hause sterben – der Tod hält sich nicht an Dienstpläne. Der Hospiz Verlag, Ludwigsburg. Michael Rogner arbeitet als Pflegeexperte und Stationsleiter bei der Liechtensteinischen Alters- und Krankenhilfe (LAK). Studium der Pflegewissenschaft. Derzeit Absolvent des Uni-versitätslehrgangs Organisationsethik an der IFF-Fakultät der Universität Klagenfurt in Wien. E-Mail: michael.rogner@lak.li Martin Wanger arbeitet als Leiter des Pflege-dienstes in der stationären Langzeitpflege bei der Liechtensteinischen Alters- und Kranken-hilfe (LAK). Nachdiplomstudium Management in Gesundheitsorganisationen. E-Mail: martin.wanger@lak.li treuung besser in der Lage, die Wirkung der Interventionen zu überprüfen. Dies hat einen günstigen Effekt, da Verän-derungen schneller und besser erkannt werden können. Wissen und Information sind demnach gebündelt. Dies ist vor allem im Bereich der Kommunikation an den Nahtstellen sehr wichtig. Projekt gelungen – was nun? Ein interdisziplinärer Qualitätszirkel als Antwort Der Qualitätszirkel Palliative Care hat zum Ziel, Themen des eigenen Arbeits-bereiches zu bearbeiten (PDCA-Zyklus = plan, do, check, act), Lösungsvorschläge zu erarbeiten sowie durch Coaching die Mitarbeitenden zu unterstützen. Darü-ber hinaus hat er eine beratende Funkti-on für das Management und fördert die Nachhaltigkeit in der Organisation. Im Haus St. Laurentius ist für die Leitung der Pflegeexperte verantwortlich. Er ko-ordiniert dabei ein Kernteam mit Ver-tretern des Hauses und zusätzlich das erweiterte Team mit Netzwerkpartnern (Heimärztin, Hospizbewegung) und wei-teren Vertretern des Hauses (Manage-ment, Freiwilligenkoordination). Diese Plattform hat sich sehr bewährt, da hier viel Know-how und Projekterfahrung zur Verfügung steht und die Entschei-dungen kollektiv getragen werden. Der Qualitätszirkel ist sozusagen der „Think Tank“ für Palliative-Care-Prozesse. Zukünftige Entwicklungs­potenziale Häuser zum Leben sind auch zwangsläu-fig Häuser zum Sterben und man kann nur dort gut sterben, wo man auch gut gelebt hat (Heimerl 2008). Diese unauflös-lichen Widersprüche in der stationären Langzeitpflege gilt es auszubalancie-ren, und hier kann die Entwicklung der Organisation(-skultur) mit Palliative Praxis PalliativeCare | 20 · 2013 25