Mobile Applikationen halten nun auch Einzug in die Geschäftswelt: Mitarbeiter, Geschäftspartner und Kunden können mobil in Unternehmensprozesse eingebunden werden, Kunden greifen auf Daten und Services zu, Neukunden werden durch attraktive mobile Applikationen auf das Unternehmen aufmerksam.
Darf es ein bisschen mehr sein - Konzepte und Strategien zur Bewältigung groß...
Mobile Applikationen: Apps und das Recht
1. …und es ist so einfach! Oder?
Rechtliche Fußangeln beim Vertrieb von Software, Content
und Produkten über Appstores am Beispiel Apple
2. Übersicht
Appstores – ein neues Vertriebsmodell?
Wer bestimmt die Spielregeln?
Fernabsatzrecht – von Kirschkernen und
Spielverderbern
Datenschutz oder „Privacy“?
Die Milchkuh schlägt zurück – Urheberrecht ist nicht
nur des Entwicklers Freund
3. Appstores – ein neues
Vertriebsmodell?
Was ist gleich?
Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von
Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen,
einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem
Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließ-
licher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abge-
schlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss
nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten
Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.
4. Appstores – ein neues
Vertriebsmodell?
Was ist anders?
Es ist ein Dritter im Spiel – es bestehen
verschiedene Verträge zwischen gleich drei
Personen:
Entwickler Apple
Nutzer
5. Appstores – ein neues
Vertriebsmodell?
Wirklich anders?
Auch Verkaufsplattformen wie eBay oder Amazon
unterhalten separate Verträge mit Anbietern und
Kunden.
Software zum Download ist als Rechtskauf zu
qualifizieren (so der Bundesgerichtshof bereits
1989: BGH, Urt. v. 18.10.1989, VIII ZR 325/88).
Auch andere mobile Absatzmodelle werden nach
allgemeinen Regeln behandelt, so z.B. der Vertrieb
über ein WAP-Portal (vgl. LG Köln, Urt. v. 06.08.09,
31 O 33/09 - Kirschkernkissen I; rechtskräftig).
6. Wer bestimmt die Spielregeln?
Entscheidend für die Frage des anwendbaren Rechts:
welcher Vertrag ist betroffen? Zunächst: Verhältnis
von Apple und Entwicklern
Developervertrag und iDPLA zwischen Entwickler
und Apple unterliegt kraft Rechtswahlklausel US-
amerikanischem (konkret: kalifornischem) Recht.
Gerichtsstand ist „U.S.District Court for the
Northern District of California, California Superior
Court for Santa Clara County, Santa Clara County
Municipal Court, or any other forum in Santa Clara
County“
7. Wer bestimmt die Spielregeln?
Folge: Apple ist ausgesprochen frei in der Aufnahme von
Knebelklauseln; ein AGB-Recht, das besonders kritische
Einschränkungen zum Nachteil von Entwicklern
ausnimmt, existiert nicht.
Aus den „AppStore Guidelines“ von Apple:
„We have over 250,000 apps in the App Store. We don't
need any more Fart apps. If your app doesn't do
something useful or provide some form of lasting
entertainment, it may not be accepted.“
8. Wer bestimmt die Spielregeln?
Ergo: im Verhältnis zwischen Apple und Entwickler
bestimmt allein Apple:
Es dürfte keinen Rechtsanspruch auf Aufnahme in
den AppStore geben.
Selbst wenn das nach kalifornischem Recht der Fall
wäre, käme eine Rechtsdurchsetzung wirtschaftlich
nicht in Betracht.
Amerikanische Moralvorstellungen erschließen sich
für Europäer nicht auf den ersten Blick – wie der
„Stern“ schmerzhaft erfahren musste.
9. Wer bestimmt die Spielregeln?
Das Verhältnis zwischen User und Apple
Das Verhältnis zwischen User und Apple richtet
sich nach den Lizenzbestimmungen, die die
Geltung kalifornischen Rechts vorsehen.
Ein Mindestschutz wird über das deutsche AGB-
Recht gewährleistet, das auf Verbraucherverträge
anwendbar bleibt, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Rom-I-
VO (vgl. BGH, Urt. v. 11. 02. 2010, I ZR 178/ 08 -
Half-Life 2).
10. Wer bestimmt die Spielregeln?
Das wichtigste Verhältnis: Entwickler und Nutzer
Ohne vertragliche Regelung gilt gegenüber
Verbrauchern wie Unternehmern deutsches Recht,
Art. 4, Art. 6 Rom-I-VO – jedenfalls ist nämlich das
Recht des Staates anwendbar, zu dem der Vertrag
die engste Bindung aufweist. Das ist nach den
anerkannten Kriterien (Sprache, Sitz der Parteien,
Währung etc.) regelmäßig Deutschland
Eine andere Rechtswahl grundsätzlich möglich,
aber nicht sinnvoll
11. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
Nochmals: es kommen Verträge (vor allem auch)
mit Verbrauchern zustande – und es müssen
damit ganz erhebliche Informations- und sonstige
Pflichten erfüllt werden.
Apple darf Vieles, wenn auch nicht alles: das
Unternehmen ist „too big to fail“ und wird
schlicht nicht angegriffen. Keine Verbraucher-
zentrale riskiert Schadensersatzansprüche, weil
das Deutschlandgeschäft vorübergehend lahm
gelegt wurde, etwa aus § 945 ZPO.
12. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
Ergo: deutsches Fernabsatzrecht ist anwendbar,
das wissen auch Ihre Mitbewerber (vgl. OLG
Hamm, Urt. v. 20.05.10, I-4 U 225/09 –
Kirschkernkissen IV).
Schlimmer noch: die iDPLA erlegt die vertragliche
Verpflichtung zur Einhaltung gesetzlicher
Regelungen auf. Wird Apple daher von Dritten in
Anspruch genommen, besteht unter Umständen
ein Freistellungsanspruch
13. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
Exkurs: Haftung von Apple für Rechtsverletzung
im Rahmen von Apps?
„Beauftragter“ im Sinne der §§ 100 UrhG, 14 Abs.
7 MarkenG, 8 Abs. 2 UWG etc. sind…
14. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
„…auch selbständige Unternehmer, wenn sie in die
betriebliche Organisation des Betriebinhabers in der
Weise eingegliedert sind, dass einerseits der
Betriebsinhaber auf den Beauftragten einen
bestimmenden, durchsetzbaren Einfluss hat und
andererseits die Geschäftstätigkeit des Beauftragten
dem Betriebsinhaber zugute kommt.“
Vgl. BGH, Urt. v. 07.04.05, I ZR 221/02 – Meißener Dekor II).
15. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
Der „bestimmende Einfluss“ dürfte in der Möglichkeit
liegen, die App aus dem Store zu entfernen oder den
Vertrag mit dem Entwickler zu kündigen
Die Tätigkeit von Apple kommt (selbstverständlich)
auch dem Entwickler zu Gute.
Ergo: Die zur Haftung von Merchant und Affiliate
entwickelten Grundsätze dürften auf das
Geschäftsmodell AppStore anwendbar sein. Haftet
Apple, dürfte ein Freistellungsanspruch gegen den
Entwickler im Innenverhältnis bestehen.
16. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
Welche Pflichten bestehen nun also im
Fernabsatz – mit anderen Worten: was tun?
Im Mindestmaß die Verpflichtungen aus den §§
312b ff. BGB, also insbesondere
Informationspflichten nach Art. 246 EGBGB
(Identität, ladungsfähige Anschrift, wesentliche
Merkmale der Software, Gesamtpreis der
Software, Einzelheiten zu Zahlung und Erfüllung
u.v.m.)
17. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
Es muss kein Widerrufsrecht eingeräumt werden,
da die Software nicht zur Rücksendung geeignet ist
– sie könnte zwar etwa per Mail oder auf CD
übersandt werden, das aber nicht „rückstandslos“
(so die etwas erstaunliche Gesetzesbegründung,
BT-Drs 14/2658, S. 44).
Weitere wichtige Verpflichtungen ergeben sich aus
der PAngV, TextilkennzeichnungsG,
Batterieverordnung, ElektroG… - alles abhängig
vom konkreten Geschäftsmodell
18. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
Besonderheit bei Verkauf von Content: bei
redaktionellen Inhalten sind die Vorschriften des
Rundfunkstaatsvertrags (Benennung eines
inhaltlich Verantwortlichen) vorgeschrieben.
Problematisch: die Pflichten des § 312g BGB.
Hierzu im Einzelnen:
19. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
§ 312g Abs. 1 Nr. 1 BGB: „angemessene, wirksame
und zugängliche technische Mittel“ zur Erkennung
und Korrektur von Eingabefehlern
Rückbestätigung („…wollen Sie wirklich..?“) im
AppStore vorgesehen, keine anderen Angaben
erforderlich.
Allerdings: über dieses „technische Mittel“ muss
belehrt werden, Art. 246 § 3 EGBGB. Nicht
vergessen!
20. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
§ 312g Abs. 1 Nr. 2 BGB: die Bestellbestätigung
Im Appstore nicht vorgesehen.
Möglicherweise entbehrlich, da in der Lieferung
die Bestätigung liegen kann?
21. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
§ 312g Abs. 1 Nr. 4 BGB: Möglichkeit der Speicherung
der Vertragsbedingungen und der AGB in
„wiedergabefähiger Form“
Im AppStore nicht vorgesehen
Spätestens hier droht Ungemach in Form
wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen, § 4 Nr. 11
UWG.
22. Fernabsatzrecht – von Kirschkernen
und Spielverderbern
Besonderheiten bei Finanzdienstleistungen:
erhöhte Anforderungen an Belehrungspflichten,
wobei eine Information „unmittelbar nach
Vertragsschluss“ erfolgen kann
Praktikabel: Werbung und Kreditvermittlung, da
hier der eigentliche Vertragsschluss nachgelagert
ist
Bei Verbraucherdarlehensverträgen extensive
vorvertragliche Informationspflichten; nur „in-
app“ umsetzbar
36. Datenschutz oder „Privacy“?
Deutsches Datenschutzrecht ist anwendbar; die
Sondervorschriften des Telemediengesetzes beim
Vertrieb von Content sogar dann, wenn die
Telemedien (bei Sitz des Anbieters in Deutschland)
nur in anderen Ländern der EU angeboten werden (so
genanntes Herkunftslandprinzip, § 3 TMG).
Anwendbarkeit des BDSG folgt aus § 1 BDSG;
Ausnahme allein für den Fall eines Sitzes in anderem
EU-Staat
37. Datenschutz oder „Privacy“?
Die von Apple vorgesehenen Belehrungen genügen in
aller Regel nicht den deutschen Anforderungen
Das gilt insbesondere für fingierte
Einwilligungserklärungen, die bisweilen im Fließtext
auftauchen; diese bedürfen nach § 4a BDSG
regelmäßig der Schriftform.
Etwas anderes kann gelten, wenn die App als
Telemedium zu qualifizieren ist, was etwa bei Spielen
regelmäßig nicht der Fall sein wird. Dann ist
erforderlich, dass:
38. Datenschutz oder „Privacy“?
der Nutzer seine Einwilligung bewusst und
eindeutig erteilt hat,
die Einwilligung protokolliert wird,
der Nutzer den Inhalt der Einwilligung jederzeit
abrufen kann und
der Nutzer die Einwilligung jederzeit mit Wirkung
für die Zukunft widerrufen kann, vgl. § 13 Abs. 2
TMG.
39. Datenschutz oder „Privacy“?
Folge: Apps, die - was im Zeitalter des „2.0“
regelmäßig der Fall sein wird – personenbezo-
gene Daten verwenden, verstoßen mit einiger
Wahrscheinlichkeit gegen deutsches
Datenschutzrecht
Abhilfe nur möglich durch entsprechende
Einwilligungserklärung nach dem Kauf; allerdings:
40. Datenschutz oder „Privacy“?
wohl unzulässig, soweit die Funkionalität der App
bei Verweigerung eingeschränkt ist, da darin
regelmäßig ein Sachmangel liegen wird und daher
ein Verstoß gegen das vertragliche Gebot
gegenüber Apple zur Einhaltung gesetzlicher
Vorschriften
In Betracht kommen allerdings
Ausnahmevorschriften, die eine Einwilligung
entbehrlich machen, insbesondere § 28 BDSG;
genaue Einzelfallprüfung ist allerdings
unerlässlich.
41. Urheberrecht ist nicht nur des
Entwicklers Freund
Sonderproblem: Open-Source-Bestandteile und
Open-Source-Apps
Die populärsten Lizenzen, (L)GPL und Apache,
sehen die freie Veränderbarkeit von Applikationen
vor
Dem steht möglicherweise das iDPLA entgegen,
die eine Modifikation durch Dritte gerade
ausschließt
Lösung: der Urheber bestimmt, was mit seinem
Werk geschieht – eine Doppellizenzierung (Open
Source und Closed) ist möglich
42. Urheberrecht ist nicht nur des
Entwicklers Freund
Ganze Apps können daher zur Vermarktung im
AppStore unter eine proprietäre Lizenz gestellt
werden. Soll Dritten die Weiterentwicklung
ermöglicht werden, kann im Rahmen der
Nutzungsrechtseinräumung für Drittentwickler
vorgesehen werden, dass dem ursprünglichen
Urheber das Recht vorbehalten wird, das Ergebnis
AUCH unter einer Closed-Source-Lizenz zu
veröffentlichen.
43. Urheberrecht ist nicht nur des
Entwicklers Freund
Problematisch bleiben einzelne Bestandteile einer
App – hier wird wohl ein Verstoß gegen die
jeweilige Open-Source-Lizenz zu bejahen sein.
44. Fazit
Der Samurai ist einsam wie der Tiger
im Dschungel.
Unseren Vortrag finden Sie unter iks-gmbh.com sowie zd-recht.de.