2. Ägyptische Ärzte und ägyptische Medizin waren
im Alten Orient hoch angesehen.
Fürsten und Könige erbaten sich vom Pharao
ägyptische Ärzte.
Ramses II. sandte dem Hethiterkönig Ärzte; viele
Herrscher — darunter die Achämeniden-Könige
Persiens — bedienten sich ägyptischer Ärzte.
3. Ebenso bei den Griechen:
Odyssee, IV. Buch, 220–30.
Siehe so heilsam war die künstlich bereitete Würze,
Welche Helenen einst die Gemahlin Thons Polydamna
In Aigyptos geschenkt. Dort bringt die fruchtbare Erde
Mancherlei Säfte hervor, zu guter und schädlicher
Mischung;
Dort ist jeder ein Arzt, und übertrifft an Erfahrung
Alle Menschen; denn wahrlich sie sind vom Geschlechte
Päeons.
[Παιήων, Παιάν: Arzt der Götter; ein Gott der Medizin.
Mit dem ägyptischen Thoth gleichgesetzt]
4. Über Ägypten:
Die Heilkunst ist so verteilt, dass
jeder Arzt nicht mehr als nur je eine
Krankheit zu heilen versteht. Daher
ist alles voll von Ärzten. Da gibt es
besondere Ärzte für die Augen, für
den Kopf, für die Zähne, für den
Bauch und für die inneren Krankheiten.
Herodot, Neun Bücher der Geschichte.
II. Buch, § 84. (Besuchte Ägypten
ca. 440 v. Chr.)
5. Charakteristisch für Hochkultur: Arbeitsteiligkeit und
Spezialisierung.
Ursprung im Schamanentum (“Medizinmann“).
Auch in Ägypten:
• enge Verbindung zw. Priester und Arzt;
• enge Verbindung zw. Medizin und Magie.
Verbindung des Arztberufes mit dem Priesterstand —
Hofarzt und Priester” und Hofarzt und Oberpriester”
aus dem Alten Reich, am Hofe Amenophis IV.: ein
Oberarzt, der zugleich erster Diener des Aton war,
also Hoherpriester des neuen Sonnengottes.
6. Aus einer Grabinschrift— Scheintür Wien 8009 (Altes
Reich):
... Iren-achti, sein schöner Name ist Ni-anch-Pepi.
• Der Leibarzt des Palastes, Proktologe und Oberarzt
des Palastes Iri.
• Der Arzt am Palast, Magier der Selkis und Oberarzt
Iri.
• Der Hüter des Geheimnisses der Gottesworte Iri.
• Der Augenarzt Iri.
7. Aus einer Grabinschrift:
“Ich bin Vorsteher der Priester der Sachmet,
Vorsteher der Zauberer (ḥk3.w), Oberarzt des
Königs, der täglich das Buch liest, der [jemanden
behandelt] der krank ist, der seine Hand auf den
Patienten legt, indem er ihn kennenlernt, geschickt
im Untersuchen mit der Hand (?), der Priester der
Sachmet N. N.“.
8.
9. Und
der
HERR
sprach
zu
Mose
und
Aaron:
Wenn
Pharao
zu
euch
sagen
wird:
Beweist
eure
Wunder,
so
sollst
du
zu
Aaron
sagen:
Nimm
deinen
Stab
und
wirf
ihn
vor
Pharao,
daß
er
zur
Schlange
werde.
Da
gingen
Mose
und
Aaron
hinein
zu
Pharao
und
taten,
wie
ihnen
der
HERR
geboten
hatte.
Und
Aaron
warf
seinen
Stab
vor
Pharao
und
vor
seinen
Knechten,
und
er
ward
zur
Schlange.
10. Da
forderte
Pharao
die
Weisen
und
Zauberer;
und
die
ägyptischen
Zauberer
taten
auch
also
mit
ihrem
Beschwören:
ein
jeglicher
warf
seinen
Stab
von
sich,
da
wurden
Schlangen
daraus;
aber
Aarons
Stab
verschlang
ihre
Stäbe.
Also
ward
das
Herz
Pharaos
verstockt,
und
er
hörte
sie
nicht,
wie
denn
der
HERR
geredet
hatte.
(Exodus
7:8-‐12)
11. ÄGYPTISCHE MAGIE galt als besonders potent.
Zauber ist eine dynamische Kraft, die eng mit der
Religion verbunden ist — kein Gegensatz zwischen
Religion u. Magie.
Der „Vorlesepriester“ des Tempels — der die
liturgischen Texte rezitiert — ist professioneller
Magier ersten Ranges.
Ägypten galt offenbar seit jeher als Land der
Magie — afrikanische Komponente?
12. Ägyptische Medizin ist
rational und methodisch:
Diagnose nach klar definierten Kriterien
Behandlung „nach Lehrbuch“
Behandlung gleichzeitig durch Medikamente,
Massagen etc.,
und durch magische Handlungen.
13. Verletzungen durch Unfälle oder Kämpfe (wurden vom
zwnw behandelt) waren von klarer Ursache, ebenso
Skorpionstiche und Schlangenbisse (für deren
Behandlung der xrp srqt, der Exorzist der Serqet oder
Selkis, den entsprechenden Zauber und Heilmittel
wusste). Krankheiten und deren Ursachen waren
jedoch mysteriös. Die Ägypter erklärt sie als Werk der
Götter, oder hervorgerufen durch böse Geister, und der
Weg, den Körper von ihrem Einfluss zu befreien, war
die Reinigung des Körpers. Einerseits Beschwörungen,
Gebete zu den Göttern — vor allem Sachmet, Göttin
der Heilung —, Flüche und Drohungen; andererseits
die Einnahme von Medikamenten verschiedener Art.
14. Ein Kasten mit chirurgischen Instrumenten wird dem Gott dargebracht.
Tempel von Kom Ombo.
15. Gesundheit bedeutete für die Ägypter Ganzheit,
Vollständigkeit und Unversehrtheit.
Heilung war für sie die Suche nach Ganzheit,
nicht nur für den Körper, sondern auch für die Seele,
die Gedanken, die Stimmung, das Umfeld.
Zentralbegriff „Unversehrtheit“ —
stark geprägt vom Horus-Auge
und vom Osiris-Mythos
16. Seth tötet Osiris. Er zerstückelt seinen Leichnam.
Isis und Anubis fügen ihn wieder zusammen und beleben ihn.
17. (Plutarch, c. 46 – 120 n. Chr.
Über Isis und Osiris)
(Seth) erkannte den Leichnam, zerriss ihn in vierzehn Stücke
und streute sie umher. Als Isis das vernahm, fuhr sie in einem
Papyrusboote durch die Sümpfe und suchte die Stücke wieder
zusammen (...). Aus diesem Grunde spricht man auch von
vielen Gräbern des Osiris in Aegypten, da Isis für jedes
einzelne Glied dort, wo sie es fand, ein Grab errichtete....
Isis suchte und fand die Leichenteile des Osiris. Daraufhin
setzte sie Osiris mit Hilfe von Anubis wieder zusammen, um
ihn wiederzubeleben. Nachdem Anubis die Organe in die
Kanopen verstaut hatte, benutzte Isis ihre Magie und
versuchte, mit Flügeln dem Toten das Leben einzuhauchen.
Sie verwandelte sich zum Milan und konnte so Horus
empfangen.
19. Osiris blieb in der Duat (Unterwelt) und
wurde durch das Totengericht zum
Herrscher über das Totenreich erklärt
20. „Alleinerzieherin“:
Isis zieht Horus im Verbor-
genen im Schilfdickicht
von Chemmis (Ach-bit) auf.
Isis lactans
Gottesmutter mit dem
göttlichen Kind
21. Horus auf den Krokodilen
schützt vor Schlangen Skorpionen
Budapest,
Szépművészeti Múzeum
33. Zeugung Pharaos durch Gott Amun
Gott Chnum bildet das Königskind
und die Königin
auf der Töpferscheibe
Aus dem Geburtshaus des Dendera-Tempels.
34. Wichtigste Quelle der Erkenntnis:
die erhaltenen medizinischen Papyri.
Pap. med. Kahun: 17 Diagnosen über
Frauenkrankheiten, 17 Geburtsprognosen u.ä.
12. Dynastie, um 1850 v. Chr. geschrieben.
32 x 100 cm.
Pap. Edwin Smith: Buch über Wundbehandlung,
mit 48 Diagnosen, auf der Rückseite weitere Texte
medizinischen Inhalts.
Um 1550 v. Chr. geschrieben. 32 x 4,70 cm
36. 1862 von Edwin Smith erworben.
Der Papyrus ist mit 4,7 m Länge der zweitlängste
medizinische Papyrus aus dem Alten Ägypten. Es
handelt sich um eine mittelägyptische Abschrift, die
ungefähr in die Zeit 1550 v. Chr. zu datieren ist. Das
Original stammt vermutlich aus dem Alten Reich.
Die Vorderseite umfasst siebzehn Kolumnen und listet 48
chirurgische Fälle (Wundenbuch) auf, die systematisch
vom Kopf über die Schultern bis zum Oberkörper
reichen. Beim 48. Fall bricht der Text ab, theoretisch
hätten noch andere Körperpartien wie das Leibesinnere
oder die Organe folgen müssen.
37. Das Wundenbuch ist gemäß einem klassischen
Lehrtextes aufgebaut. Jeder Fall enthält jeweils eine
Überschrift, Anweisungen für die Untersuchung, eine
Diagnose, eine Prognose und eine mögliche Therapie.
Einige Fälle sind auch komplizierter aufgebaut und
enthalten mehrere Untersuchungen und Diagnosen.
Zahlreiche Glossen am Ende eines jeden Falls dienten
dazu, die veralteten Wörter und Ausdrücke näher zu
erläutern und den damaligen Lesern verständlich zu
machen.
39. P. Ebers: wichtigste Quelle.
Vollständig, ohne
Beschädigung.
Vs. 100 Kolumnen, Rs. 8
Kolumnen. Sammelwerk: sehr
zahlreiche Diagnosen und
Rezepte. Am Ende: über das
Herz, über das Gefäßsystem;
Diagnosen über Geschwülste.
Um 1550 v. Chr. geschrieben.
30 cm x 20 m.
40. Papyrus Hearst:
Sammelwerk. Anfang verloren, 16 Kolumnen und
Schluss erhalten.
Um 1550 v. Chr. 3,50 m lang.
Pap. med. Berlin:
Sammelhandschrift mit Rezepten, Diagnosen,
Sprüchen usw.
Um 1300 v. Chr. geschrieben. 20 x 520 cm (urspr.
länger).
41. Pap. Chester Beatty VI:
Rezepte für Erkrankungen des Afters. Rs. magische
Besprechungen und sonstige Rezepte.
Um 1300 v. Chr. geschrieben. 21 x 135 cm (urspr.
länger).
P. med. London:
Wenige Rezepte, viele Zaubersprüche.
Um 1350 v. Chr. geschrieben. 17 x 210 cm.
Pap. Carlsberg VIII:
Fragmente; Augenkrankheiten, Geburtsprognosen.
Um 1200 v. Chr. geschrieben.
42. Für die Prognose wurde eine von drei Floskeln
verwendet, die die Krankheit klassifizierten und die
weitere Behandlung bestimmten:
•„Eine Krankheit, die ich behandeln werde.“
•„Eine Krankheit, mit der ich kämpfen werde.“
•„Eine Krankheit, die nicht behandelt wird.“
62. Medizinische Betreuung durch ausgebildete Fachärzte
war zumindest für die Oberschicht eine
Selbstverständlichkeit.
Die ärmeren Schichten hatte wohl ihre eigenen Heiler,
„Kräuterdokter“ und Bader.
Aus einem Liebeslied des Neuen Reiches:
63. Sieben Tage bis gestern habe ich meine ,Schwester‘ nicht
gesehen,
so dass Krankheit mich befällt.
All mein Leib ist schwer,
mein Körper hat mich im Stich gelassen.
Wenn die Ärzte zu mir kommen,
weist mein Herz ihre Arzneien zurück.
Die Magier-Priester wissen keinen Ausweg.
Meine Krankheit ist nicht zu bestimmen.
64. Nur eine Meldung „Sie ist hier!“ würde mich beleben,
nur ihr Name ließe mich aufstehen!
Nur wenn ihre Botschaften hin- und hergingen,
würde das mein Herz wieder leben machen!
Meine ,Schwester‘ tut mir besser als alle Rezepte,
sie ist mir wichtiger als die gesamte Medizin.
Wenn sie von draußen herein kommt, das ist mein
Amulett,
ihr Anblick lässt mich genesen!
65. Ausblick
Aus unvoreingenommener heutiger Sicht ist man geneigt
anzunehmen, dass vieles von den alten ägyptischen Arzneien und
medizinischen Praktiken unwirksam, wenn nicht gar schädlich war:
z.B. wird sich Kot, in der Medizin verwendet, nur in den seltensten
Fällen als gesund erweisen, und wenn als Wundverband angewendet
kann er sehr wohl zu Tetanus-Vergiftung führen, allerdings wurde
Dung in Europa bis ins Mittelalter verwendet.
Man könnte annehmen, dass die Abhängigkeit von Magie und
Religion die Entwicklung rationaler Ansichten über die Ursachen von
Krankheiten und deren Heilung verzögert hat. Auf der anderen Seite
hat sicherlich die starke Überzeugung des Patienten vom göttlichen
Ursprung der Krankheit wie der Kur auch eine große Rolle in ihrer
Wirksamkeit gespielt. Offensichtlich hat man großes Gewicht auf die
Selbstheilung des Organismus gelegt und sie möglichst kräftig
unterstützt; wobei Magie und Glaube durchaus förderlich waren.
66. Im römischen Imperium spielten griechische Ärzte eine große
Rolle; ihre Kunst war vermutlich weitgehend von der
ägyptischen Medizin beeinflusst. Einerseits über sie,
andererseits über die arabisch-islamische Kultur ist schließlich
vieles ins europäische Mittelalter gelangt.
Eine Anzahl von Wörtern für Drogen u. Ähnliches ist so vom
Alten Ägypten auf uns gekommen. Z.B.
Natron, Nitrat
Gummi (arabicum)
Stibium
Chemie