SlideShare uma empresa Scribd logo
1 de 7
Baixar para ler offline
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013



Anleitung zum Scheitern –
Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern
lassen können
Anke Knopp

Wer hätte schon etwas gegen Demokratie? Die Zustimmung der bundesdeutschen Bevölkerung zur Staatsform
der Demokratie liegt bei rund 95 Prozent. (vgl. FES-Studie, 2012) Bürgerbeteiligung in Form von Bürgerbegehren
und Volksentscheidungen etwa wünschen sich 67 Prozent der Bundesbürger (vgl. Umfrage BST, 2011). Welcher
Politiker also würde »die« Demokratie in Frage stellen oder lauthals gegen Bürgerbeteiligung wettern wollen?

Bürgerbeteiligung ist demnach groß in Mode. Kaum ein gewählter Volksvertreter kommt ohne diese Begriff-
lichkeit aus. Dem reinen Lippenbekenntnis zur Beteiligungskultur stehen viele konkrete Formate der Beteili-
gung gegenüber. Einiges davon ist neu, vieles erst durch das Internet ermöglicht. Ein solches Format ist etwa
der Bürgerhaushalt. Dieses Online-Bürgerbeteiligungsverfahren an der Aufstellung eines kommunalen Haus-
haltes ist gleichzeitig ein schöner Lackmustest, wie ernst es der kommunalen Politik mit der Beteiligung denn
nun wirklich ist.

An einem Ort etwa gelingen Bürgerhaushalte – an einem anderen aber nicht. Dass sie teilweise misslingen,
liegt nicht zwingend am Format oder an der mangelnden Teilnahme der Bürgerschaft, wie gerne behauptet
wird. Sind Politik und Verwaltungen nicht mit ganzem Herzen dabei, können sie einen Bürgerhaushalt sehr
leicht zum Scheitern bringen, wenn etwa folgende kleine Tricks dazu ineinandergreifen. Am Ende gelten dann
sogar nicht Politik und Verwaltung als die Verursacher des Scheiterns - sondern der Bürger war´s. Und kaum
jemand hat das Tricksen bemerkt: Eine passende Gelegenheit für die Politik, dieses unliebsame Format frei von
Gesichtsverlust im Nichts wieder versinken zu lassen. Ohne dabei ein Wort gegen Bürgerbeteiligung oder De-
mokratie verloren zu haben.

Hier die Anleitung zum Scheitern mit 15 bereits erprobten und wirksamen Tricks:

1. Ja! - Aber...
Ein Bürgerhaushalt fällt nicht vom Himmel: Ohne den erklärten politischen Willen, einen Bürgerhaushalt
durchzuführen, geht es nicht. Erst ein Ratsbeschluss ermöglicht in der Regel die Einrichtung eines solchen Ver-
fahrens in einer Kommune. Dazu braucht es eine Ratsmehrheit. Die ist oft schnell gefunden, denn der Wunsch
nach mehr Bürgerbeteiligung findet sich in fast jedem Wahlprogramm der Parteien. Ein Bürgerhaushalt könnte
diese Versprechen einlösen, er steht für Transparenz, Konsultation mit den Bürgern und anschließend für Re-
chenschaft und Stärkung der Legitimation bekräftigen, warum welche Vorschläge erfolgreich waren oder
nicht. Ein Bürgerhaushalt bringt Modernität, Innovation und verbindet digitale Massenkommunikation mit



Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013

                                                                                                                              Seite 1
tradierten Formen der politischen Kommunikation. Grundsätzlich können im besten Fall die Akzeptanz von
Ratsentscheidungen und das Gefühl der Loyalität zur eigenen Stadt bestärkt werden.

Das Bekenntnis zur Beteiligung ist also schnell gesprochen - und ergibt einen parteipolitischen Pluspunkt in der
öffentlichen Wahrnehmung. Hier kann also manch ein Kommunalpolitiker getrost die Hand für ein »Ja« zum
Bürgerhaushalt heben – und schon die Faust der Formaljuristerei in der Tasche ballen, um das Verfahren real
nur halbherzig oder konterkarierend durch strategische Winkelzüge zu unterlaufen. Beteiliger ist man gern -
Deutungshoheit und Macht abgeben aber schmerzt. Um das zu verhindern, ist ein wenig Sand im Getriebe
eines Bürgerhaushaltes ganz brauchbar. So sind Zweifel und Skepsis – trotz der ersten Zustimmung - dezent
öffentlich gesät gute Grundlagen für ein späteres Scheitern.

2. Un-verbindlich bleiben
Die Bürger dürfen gerne ihre Vorschläge zum Sparen einbringen. Sie dürfen gerne auch kommentieren und
bisherige Ausgaben und Einnahmen bewerten. Die letzte Entscheidung über den Haushalt hat jedoch die Poli-
tik. Das ist repräsentative Demokratie. Ist ein Bürgerhaushalt eingeführt, heißt das nicht, dass am Ende auch
umgesetzt wird, was darin steht. Die Gewählten brauchen zu Beginn nur völlig unverbindlich zu bleiben, keine
Aussage zu formulieren, wie sie etwa mit den Ergebnissen am Ende umgehen möchten. An die Verbindlichkeit
am Ende eines Bürgerhaushaltes denken viele Bürger am Anfang eines solchen Verfahrens nicht unmittelbar –
und warum dann frühzeitig schlafende Hunde wecken?

3. Begleitgremium mit Funktionären besetzen
Oft wird ein begleitender Beirat für die Dauer des Bürgerhaushaltes eingerichtet. Selbstverständlich ist dieser
zur Hälfte mit Vertretern aus der Politik zu besetzen, dies analog der jeweiligen Fraktionsstärke. So sind der
informelle Informationsfluss und auch die Steuerung durch die Politik gewährleistet. Sind auch ausreichend
Verwaltungskollegen an Bord, erhält ein solches Gremium noch deutlicher die Aura der Ernsthaftigkeit. Gut ist,
hierzu lediglich eine Handvoll Bürger zu laden, diese sollen stellvertretend für die Bevölkerung stehen und sind
zahlenmäßig im Gremium in der Minderheit. Zudem müssen bekannte Funktionäre in das Gremium »berufen«
werden. Verwaltung und Politik können hierzu gemeinsam eine Liste mit Personen vorschlagen. Die Personen
bilden einen Querschnitt der Aktiven und Institutionen einer Stadt, die möglichst bereits zahlreiche Posten und
Mandate ausüben – deshalb leider oftmals zeitlich verhindert sind, wenn das Gremium in Fragen des Bürger-
haushaltes natürlich unverbindlich tagt. Üblicherweise ist die Besetzung vollzählig, wenn die Presse am Anfang
über das Gremium berichtet. Im Laufe des Verfahrens erodiert das Gremium. Am Ende kann dann argumentiert
werden, das Gremium sei inhaltlich nicht wirklich handlungsfähig gewesen. Es ist später leicht, glaubhaft zu
bedauern, das Interesse am Bürgerhaushalt sei offensichtlich wenig ausgeprägt gewesen, denn auch die Funk-
tionäre wären - das Scheitern vorausahnend weil erfahren – schnell fern geblieben. So stehen Politik und Ver-
waltung, umgeben von einer Restschar an betroffenen Bürgern, als alleinige Streiter für die Sache da und voll-
kommen unschuldig am Scheitern.




Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013

                                                                                                                              Seite 2
4. Kriterium des Gelingens: Die Quote der Beteiligung
Grundsätzlich ist der Bürgerhaushalt nur an ein einziges Kriterium des Gelingens zu koppeln: dem Kriterium
der Quote. Die Beteiligungsquoten der bisher erfolgreichen Bürgerhaushalte liegt zwischen 1,7 und 2 Prozent. Es
kann durchaus sein, dass eine Kommune in der ersten Durchführung etwas unterhalb dieser Prozentpunkt
liegt, da ein solches Verfahren zunächst eingeübt werden muss, bevor breite Teile der Bevölkerung mitmachen.
Geringe Quoten allerdings lassen sich umgehend schnell »schlecht« rechnen. Die Quote der Beteiligung in Be-
zug auf die Wahlberechtigten etwa ergibt einen negativen Minimalcharakter - der bereits postulierte Eindruck
des »Kein Interesse in der Bürgerschaft am Bürgerhaushalt« lässt sich so sehr einfach öffentlich artikulieren.
Den Vergleich in realen Zahlen der Nutzer auszudrücken, gilt es dabei zu vermeiden, denn er zeigt in der Regel
eine andere Relation: haben sich etwa 2.000 Menschen angemeldet, spricht das schon eine andere Sprache in
Relation zu denen, die sonst Zugang zu einem Haushalt erlangen. Wird das angestrebte Quorum also nicht
erreicht, spielt das in die Hände derer, die ein solches Verfahren nicht wiederholen wollen.

5. Terminstrategie und 2-Phasen-Modell
Eine besondere Note bekommt ein Bürgerhaushalt, wenn bereits weit im Vorfeld seitens Verwaltung ein Ter-
minplan erarbeitet wurde, der zwar in den Ausschüssen abgestimmt und allen bekannt ist, aber in seiner Wir-
kung unterschätzt wird. Etwa, wenn das Beteiligungsverfahren bereits im Spätsommer des Jahres durchgeführt
wird – die Eckdaten für den Haushalt sowie die Finanzdaten aus dem jeweiligen Bundesland aber erst im
Herbst eingebracht werden. Die Frage, ob es sich dabei um einen Bürgerhaushalt handelt, ist als nebensächlich
erklärbar - die fehlenden Grunddaten könne man bis dahin online und nachträglich vorlegen, reicht als Erklä-
rung. Schlüsselzuweisungen etwa reichen als reine Prognose, da die Handlungsspanne durch die hohe Ver-
schuldung vieler Kommunen eh deutlich gering ist - und es dies auch im Vorlauf eines Bürgerhaushaltes zu
kommunizieren gilt.

Eine weitere Variante ist auch, die Termine des Bürgerhaushaltes so zu planen, dass nur ein Termin zur Bera-
tung im jeweiligen Fachausschuss übrigbleibt, der Hauptausschuss gänzlich als Beratungsgremium außen vor
bleibt und dann sofort der Rat entscheidet.

Eine Alternative dazu stellt auch die dar, das Verfahren zweistufig zu gestalten: nach der Vorschlagphase durch
die Bürger folgt die politische Beratung und Sichtung der Vorschläge im Hauptausschuss. Hier wird nach Vorla-
ge der Verwaltung entschieden, welche Vorschläge schließlich in die sogenannte »Votingphase« durch die Bür-
ger gelangen. Für die Auswahl der Vorschläge sollten möglichst keine Kriterien benannt werden, das erhöht die
Intransparenz und die Frustration der Beteiligten.

6. Kosten in den Fokus stellen
Bereits in der Diskussionsphase, ob ein Bürgerhaushalt durchgeführt werden soll oder nicht, muss deutlich
herausgestellt werden, dass ein Bürgerhaushalt auch Kosten verursacht. Diese fallen für das Internet-Tool so-
wie für eine sinnvolle Moderation und auch für verwaltungsinterne Aufwände an. Es muss der nachhaltige
Eindruck entstehen, eine Kommune mit Schulden könne sich nicht auch noch eine teure Bürgerbeteiligung




Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013

                                                                                                                              Seite 3
leisten, bei der am Ende zweifelhaft ist, ob sich diese riskante Innovation rentiert oder nicht. Besonders gelun-
gen ist die Diskussion dann, wenn deutlich wird, dass der Rat doch bereits aus »Bürgern« besteht, so dass nicht
weitere Bürger kostenintensiv bemüht werden müssten.

7. Nur Sparvorschläge zulassen
Der Bürgerhaushalt sollte gleich zu Beginn nur eine sehr schlanke Beteiligung ermöglichen: also möglichst auf
Sparvorschläge beschränkt. Die Kommentarfunktion ist kaum einzuschränken, gehört sie doch zum Wesen
eines Bürgerhaushaltes. Einschränken lässt sich wohl aber die Möglichkeit, Alternativen oder Priorisierungen
bestehender Ausgaben oder die Nennung anderer Einnahmequellen als bisher einzubringen. Gleichzeitig ist zu
kommunizieren, dass ein bestehendes Haushaltsloch sehr groß ist und daher durch »ein paar gut gemeinte«
Bürgervorschläge kaum zu stopfen sein wird. Die Budgetplanung muss deutlich kompliziert erklärt werden und
der Eindruck muss sich verfestigen, dass Politik und Verwaltung bereits den Großteil an Sparmöglichkeiten
ausgeschöpft haben. So weiß der Bürger von Anfang an, dass er sich sehr anstrengen muss, mühsam Expertise
aufbringen muss, um überhaupt einen sinnvollen Beitrag leisten zu können. Die Hemmschwelle der Beteili-
gung liegt so unterschwellig schon sehr hoch.

8. Anonymisierung diskreditieren – den Internet-Unerfahrenen erschrecken
Zu vermeiden gilt es unter allen Umständen, dass ein Bürgerhaushaltsverfahren anonym, also ohne direkte
Namensnennung der Nutzer, durchgeführt werden kann. Die Anmeldung sollte unbedingt unter Angabe des
Geburtsortes, des Geburtsdatums, der E-mail-Anschrift sowie möglicherweise der Passnummer erfolgen, damit
ein Missbrauch durch Ortsfremde ausgeschlossen werden kann. Gerne kann der zuständige Datenschutzbeauf-
tragte eine Kommune auch nachträglich dafür rügen, dass diese Anmeldezwänge nach dem Telemediengesetz
nicht zulässig sind - dann ist der Bürgerhaushalt aber bereits in Misskredit gebracht und die Bürger, vor allem
die internetunerfahrenen, sind verunsichert genug, um auf eine zweite Beteiligungswelle zu verzichten.

Sinnvoll ist es zudem, beim Start eines Bürgerhaushaltsverfahrens, der die volle Namensnennung erfordert, zu
kommunizieren, dass Bürger möglicherweise keine ausreichenden Kenntnisse im komplizierten Haushaltsrecht
hätten, um qualifizierte Beiträge leisten zu können. Das Mitmachen unter einem vollen Namen erhöht die Ge-
fahr für die Nutzer, sich in aller Öffentlichkeit zu blamieren.

9. Beteiligte in Frage stellen
Zum Scheitern trägt besonders bei, wenn die Nutzer möglichst ausgegrenzt und »etikettiert« sind. Hier helfen
Vokabeln wie: nur Wenige überhaupt, die üblichen Verdächtigen, radikal, links, nur Wenige machen viele Vor-
schläge, usw. .

Ist bereits im Verlauf des Verfahrens ablesbar, dass sich die Bürger nur spärlich und zögerlich beteiligen, ist es
hilfreich zu kommunizieren, dass sich nur die »üblichen Verdächtigen« beteiligen. Diese dann öffentlich dem
eher linken Spektrum zuzuordnen sowie möglichen Randgruppen einer Kommune, erhöht die Chance der Ab-
senz der breiteren Masse. Eine besondere Wirkung erzielt auch die frühzeitige Beobachtung, dass nur wenige




Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013

                                                                                                                              Seite 4
Nutzer ganz viele Vorschläge einreichen würden. Es verfestigt sich rasch der Eindruck, eine Minderheit wolle die
Mehrheit überstimmen und der Bürgerhaushalt fördere nur Partikularinteressen fernab des Gemeinwohls.

Zum Scheitern beiträgt auch das Einflechten der latent bestehenden Angst und Ablehnung gegeünber dem
Internet. Diese Befürchtungen gilt es möglichst frühzeitig aufzugreifen und mit der öffentlichen Debatte um
Datenschutz, Internetkriminalität und Jugendgefährdung zu vermischen.

10. Bedienerfreundlichkeit ist Nebensache
Die Nutzerfreundlichkeit der Seite des Bürgerhaushaltes sollte zwar gut gestaltet sein, aber vielleicht eher von
Insidern vorbereitet werden, damit der Online-ungewohnte Nutzer sich erst durch viele Klicks durcharbeiten
muss, um zum Ziel der Teilhabe zu gelangen. Schön ist auch das gelegentliche Nichterreichen der Seite im Blick
zu behalten. Das Vertrauen in die eigenen Nutzerfähigkeit schwindet von selbst und lässt das Interesse wirk-
sam erlahmen.

11. Werbung nur mit »Bordmitteln« betreiben
Ein Bürgerhaushalt in der Anfangsphase muss beworben werden. Dies möglichst auf allen Kommunikationska-
nälen, nicht nur online. Diese Phase der Bewerbung sollte sich deutlich in Grenzen halten. Gut kommunizieren
lässt sich der Anspruch, diese Aufgabe mit »Bordmitteln« bestreiten zu wollen, durch den ausdrücklichen
Wunsch nach Sparsamkeit und Nutzung der hauseigenen Kompetenz. Auch die Stellungnahmen und Veröf-
fentlichungen der Verwaltung und Politik dürfen eher spärlich ausfallen, also wenig bis gar nichts auf den ein-
schlägigen Homepages veröffentlichen. So wird das Format sicher nicht ganz so gut oder nur am Rande in der
Bevölkerung aufgenommen.

Aktive Unterstützer eines Bürgerhaushaltes wie etwa Bürgerinitiativen oder ähnliches sollten auch mit Infor-
mationsmaterial nur zögerlich beliefert werden. Möglich ist auch die Verweigerung eines öffentlichen Info-
Standes in der Innenstadt durch das verwaltungseigene Ordnungsamt, wenn etwa zeitgleich ein Stadtfest
stattfindet und die Bürger an diesen Tagen »nicht gestört« werden sollen.

12. Die Medienlandschaft nutzen
Eine ergebnisoffene Berichterstattung ist langweilig. Bad news are good news. Das gilt auch für einen Bürger-
haushalt. Zwietracht und Zweifel erringen der Erfahrung nach mehr Aufmerksamkeit als Hintergrundinforma-
tionen oder ein sachorientiertes Verfahren. Den empfindsamen Nerv der gedruckten Medienlandschaft trifft
man zudem sehr direkt, wenn die Gefahren des Internet im Laufe des Onlineverfahrens herausgestellt werden,
etwa, wenn deutlich wird, wie wenig Menschen sich handschriftlich mit Vorschlägen auf realen Zetteln ein-
bringen. Diese durch die Medien transportierte Botschaft spaltet die Bevölkerung recht schnell und hilft Vorur-
teile der Beteiligungsfähigkeit zu manifestieren. Viele Lokalblätter machen diese Sache gerne auch zu ihrer
eigenen Kampagne, weil sie sich selbst durch das Internet bedroht fühlen.




Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013

                                                                                                                              Seite 5
13. Politische Beratung im alten Format
Gehen die Vorschläge dann aus der Online-Phase in die Beratungen der politischen Fachgremien, bietet sich
das tradierte Format der Diskussion geradezu an, aus dem anfänglich sehr transparenten Format wieder eine
Politik mit wenig Zuschauern auf der Tribüne zu gestalten. Politik kann hier weitestgehend wieder in Ruhe al-
lein beraten. Daher sollte der Rückfluss der Diskussion und Entscheidung so spät wie möglich in das Onlinetool
zurück praktiziert werden. Vorlagen und Protokolle dürfen einen Augenblick länger auf die Veröffentlichung
warten als sie eh schon an Zeit benötigen.

Hilfreich sind zudem Vorlagen, in denen die Verwaltung die Vorschläge »bündelt« und dann sogleich »en bloc«
abstimmen lässt. Dieses Vorgehen minimiert die Notwendigkeit, die Vorschläge im Einzelnen zu durchdringen
oder in ihrer Auswirkung zu diskutieren. Vieles von dem, was dort eingereicht wurde, wird auch »schon ge-
macht« oder ist bereits »laufendes Geschäft der Verwaltung«.

Die Rechenschaftsberichte brauchen am Ende etwas länger, bevor sie veröffentlicht werden. Es ist dabei beson-
ders sinnvoll, diese verstreut in den jeweiligen Protokollen zu belassen, so dass der interessierte Nutzer mög-
lichst viel klicken und suchen muss. Auf dem Weg zu den Ergebnissen verliert sich so manches Interesse von
alleine.

14. Evaluation nur durch Politik
Die Politik hat nicht nur die Entscheidung über die Ergebnisse am Ende. Sondern Politik und Verwaltung bewer-
ten auch ganz allein, ob der Bürgerhaushalt ein Erfolg war oder nicht. Die negativen Zwischenergebnisse und
Klippen bei der Durchführung haben bis hierher bereits ausreichend Argumentationsmasse entstehen lassen,
dass beide mit ruhigem Gewissen von einem Scheitern des Bürgerhaushaltes sprechen können. Das bedeutet in
der Regel, dass ein solches Verfahren nur einmal getestet wurde, für nicht gut erachtet wird und damit in der
Mottenkiste der Beteiligungsverfahren verschwinden kann. Ohne große Proteste, die Bürgerschaft fühlt sich
schuldig, weil sie nicht ausreichend mitgemacht hat. Die Bürgerschaft sollte hier zudem auch nicht zu Wort
kommen, sie hat ihre Chance zur Teilhabe gehabt und verspielt. Weil sie nicht ausreichend mitgemacht haben,
wird ihnen auch hier kein Gehör geschenkt.

15. Summe gering - kaum gespart
Die Krönung des Scheiterns aber ist die finale Aussage, dass unterm Strich kaum Sparvolumen zusammen ge-
kommen sind, die den Aufwand in irgend einer Weise rechtfertigen könnten. Dieses Argument zieht am deut-
lichsten, es erhöht die Scham der Nutzer, dass sie nichts Besseres haben beitragen können. Es unterstreicht die
Aussage, dass ein städtischer Haushalt zu komplex ist, um Bürger verantwortlich mitgestalten zu lassen. Es
macht deutlich, besser den gewählten Volksvertretern sowie den Fachleuten aus der Verwaltung das Feld (bes-
ser) wieder zu überlassen.




Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013

                                                                                                                              Seite 6
Quellenverzeichnis

Bertelsmann Stiftung (2011): »Bürger fordern direkte Beteiligung - Umfrage bestätigt Wunsch nach Volks- und
Bürgerentscheiden«, durchgeführt durch TNS-Emnid, Gütersloh.

Decker, Oliver/Kiess, Johannes/Brähler, Elmar (2012): Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in
Deutschland 2012 (PDF)




Autorin

Dr. Anke Knopp, Jahrgang 1965, Politikwissenschaftlerin, Promotion über Bürgerbeteiligungselemente in der
Gemeindeordnung NRW. Arbeit im Programm »Zukunft der Integration« der Bertelsmann Stiftung, u.a. social
media manager für »Zukunft der Integration« auf Twitter, Facebook und Xing. Sie ist Mitglied der Bürgerinitia-
tive »Demokratie wagen! - für einen demokratischen Bürgerhaushalt« in Gütersloh. Sie kämpfte für die Einrich-
tung eines Bürgerhaushaltes in ihrer Stadt durch ein Bürgerbegehren und begleitete diesen drei Jahre lang in
seinem Bestehen. Publizistin und Bloggerin »Blickpunkt aus Gütersloh«.

Kontakt:
E-Mail: ekna.knopp@gmx.net
www.demokratie-wagen.org




Redaktion

Stiftung MITARBEIT
Redaktion eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft
Eva-Maria Antz, Ulrich Rüttgers
Ellerstr. 67
53119 Bonn
E-Mail: newsletter@wegweiser-buergergesellschaft.de




Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können
eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013

                                                                                                                              Seite 7

Mais conteúdo relacionado

Destaque

Blogs in der internen Kommunikation Vortrag auf dem FokusTag Intranetmacher S...
Blogs in der internen Kommunikation Vortrag auf dem FokusTag Intranetmacher S...Blogs in der internen Kommunikation Vortrag auf dem FokusTag Intranetmacher S...
Blogs in der internen Kommunikation Vortrag auf dem FokusTag Intranetmacher S...Sympra GmbH (GPRA)
 
Tutorenfortbildung EPG
Tutorenfortbildung EPGTutorenfortbildung EPG
Tutorenfortbildung EPGEva Birger
 
Jobsuche als Community Manager/Social Media Manager
Jobsuche als Community Manager/Social Media Manager Jobsuche als Community Manager/Social Media Manager
Jobsuche als Community Manager/Social Media Manager Jasmin Jodlauk
 
Studentische Zusammenfassung: Was ist Facebook für Generation Y?
Studentische Zusammenfassung: Was ist Facebook für Generation Y?Studentische Zusammenfassung: Was ist Facebook für Generation Y?
Studentische Zusammenfassung: Was ist Facebook für Generation Y?C H
 
Schilder Berlin 2007
Schilder Berlin 2007Schilder Berlin 2007
Schilder Berlin 2007isalegui
 

Destaque (6)

Blogs in der internen Kommunikation Vortrag auf dem FokusTag Intranetmacher S...
Blogs in der internen Kommunikation Vortrag auf dem FokusTag Intranetmacher S...Blogs in der internen Kommunikation Vortrag auf dem FokusTag Intranetmacher S...
Blogs in der internen Kommunikation Vortrag auf dem FokusTag Intranetmacher S...
 
Tutorenfortbildung EPG
Tutorenfortbildung EPGTutorenfortbildung EPG
Tutorenfortbildung EPG
 
Hermanos Jiménez Gómez
Hermanos Jiménez GómezHermanos Jiménez Gómez
Hermanos Jiménez Gómez
 
Jobsuche als Community Manager/Social Media Manager
Jobsuche als Community Manager/Social Media Manager Jobsuche als Community Manager/Social Media Manager
Jobsuche als Community Manager/Social Media Manager
 
Studentische Zusammenfassung: Was ist Facebook für Generation Y?
Studentische Zusammenfassung: Was ist Facebook für Generation Y?Studentische Zusammenfassung: Was ist Facebook für Generation Y?
Studentische Zusammenfassung: Was ist Facebook für Generation Y?
 
Schilder Berlin 2007
Schilder Berlin 2007Schilder Berlin 2007
Schilder Berlin 2007
 

Semelhante a Gastbeitrag knopp 130118

Bürgerhaushalt - ein Rundblick
Bürgerhaushalt - ein RundblickBürgerhaushalt - ein Rundblick
Bürgerhaushalt - ein RundblickPeter Kühnberger
 
Auswertung kommunalpolitikerbefragung gt
Auswertung kommunalpolitikerbefragung gtAuswertung kommunalpolitikerbefragung gt
Auswertung kommunalpolitikerbefragung gteknaponk
 
Smart Government: Digitalisierung darf nicht zu Vertrauensbruch führen!
Smart Government: Digitalisierung darf nicht zu Vertrauensbruch führen!Smart Government: Digitalisierung darf nicht zu Vertrauensbruch führen!
Smart Government: Digitalisierung darf nicht zu Vertrauensbruch führen!Roland Schegg
 
131122 thesenpapier lokale_demokratie
131122 thesenpapier lokale_demokratie131122 thesenpapier lokale_demokratie
131122 thesenpapier lokale_demokratieJenapolis
 
Bürgerhaushalte in europa
Bürgerhaushalte in europaBürgerhaushalte in europa
Bürgerhaushalte in europaSlidingSue
 
Piraten programm (1)
Piraten programm (1)Piraten programm (1)
Piraten programm (1)annettjuenger
 
Muchtar Al Ghusain: Lobbying für die Kultur. Einfluss nehmen, gestalten und a...
Muchtar Al Ghusain: Lobbying für die Kultur. Einfluss nehmen, gestalten und a...Muchtar Al Ghusain: Lobbying für die Kultur. Einfluss nehmen, gestalten und a...
Muchtar Al Ghusain: Lobbying für die Kultur. Einfluss nehmen, gestalten und a...Raabe Verlag
 
EINWURF 2/2014 - Partizipation im Wandel
EINWURF 2/2014 - Partizipation im WandelEINWURF 2/2014 - Partizipation im Wandel
EINWURF 2/2014 - Partizipation im WandelBertelsmann Stiftung
 
Eine Stadt 2 Millionen Chancen - Diskurs zu Kapitel 11 am #govcamp 2015
Eine Stadt 2 Millionen Chancen - Diskurs zu Kapitel 11 am #govcamp 2015Eine Stadt 2 Millionen Chancen - Diskurs zu Kapitel 11 am #govcamp 2015
Eine Stadt 2 Millionen Chancen - Diskurs zu Kapitel 11 am #govcamp 2015Peter Kühnberger
 
Vortrag Open Government NRW
Vortrag Open Government NRWVortrag Open Government NRW
Vortrag Open Government NRWChristian Scholz
 
Public Affairs Barometer 2019
Public Affairs Barometer 2019Public Affairs Barometer 2019
Public Affairs Barometer 2019Stefan Friedl
 
160909 Kurz Politische Denkwege2.0
160909 Kurz Politische Denkwege2.0160909 Kurz Politische Denkwege2.0
160909 Kurz Politische Denkwege2.0Florian Semle
 
Studie zum Wahlverhalten: Gespaltene Demokratie
Studie zum Wahlverhalten: Gespaltene DemokratieStudie zum Wahlverhalten: Gespaltene Demokratie
Studie zum Wahlverhalten: Gespaltene DemokratieBertelsmann Stiftung
 
Ein stück des weges gemeinsam
Ein stück des weges gemeinsamEin stück des weges gemeinsam
Ein stück des weges gemeinsamSektion8
 
Einstckdeswegesgemeinsam 120410061248-phpapp02 kopie
Einstckdeswegesgemeinsam 120410061248-phpapp02 kopie Einstckdeswegesgemeinsam 120410061248-phpapp02 kopie
Einstckdeswegesgemeinsam 120410061248-phpapp02 kopie FESD GKr
 

Semelhante a Gastbeitrag knopp 130118 (20)

Bürgerhaushalt - ein Rundblick
Bürgerhaushalt - ein RundblickBürgerhaushalt - ein Rundblick
Bürgerhaushalt - ein Rundblick
 
Auswertung kommunalpolitikerbefragung gt
Auswertung kommunalpolitikerbefragung gtAuswertung kommunalpolitikerbefragung gt
Auswertung kommunalpolitikerbefragung gt
 
Smart Government: Digitalisierung darf nicht zu Vertrauensbruch führen!
Smart Government: Digitalisierung darf nicht zu Vertrauensbruch führen!Smart Government: Digitalisierung darf nicht zu Vertrauensbruch führen!
Smart Government: Digitalisierung darf nicht zu Vertrauensbruch führen!
 
131122 thesenpapier lokale_demokratie
131122 thesenpapier lokale_demokratie131122 thesenpapier lokale_demokratie
131122 thesenpapier lokale_demokratie
 
Bürgerhaushalte in europa
Bürgerhaushalte in europaBürgerhaushalte in europa
Bürgerhaushalte in europa
 
Piraten programm (1)
Piraten programm (1)Piraten programm (1)
Piraten programm (1)
 
Der Politiker wird zur Marke
Der Politiker wird zur MarkeDer Politiker wird zur Marke
Der Politiker wird zur Marke
 
Muchtar Al Ghusain: Lobbying für die Kultur. Einfluss nehmen, gestalten und a...
Muchtar Al Ghusain: Lobbying für die Kultur. Einfluss nehmen, gestalten und a...Muchtar Al Ghusain: Lobbying für die Kultur. Einfluss nehmen, gestalten und a...
Muchtar Al Ghusain: Lobbying für die Kultur. Einfluss nehmen, gestalten und a...
 
EINWURF 2/2014 - Partizipation im Wandel
EINWURF 2/2014 - Partizipation im WandelEINWURF 2/2014 - Partizipation im Wandel
EINWURF 2/2014 - Partizipation im Wandel
 
Eine Stadt 2 Millionen Chancen - Diskurs zu Kapitel 11 am #govcamp 2015
Eine Stadt 2 Millionen Chancen - Diskurs zu Kapitel 11 am #govcamp 2015Eine Stadt 2 Millionen Chancen - Diskurs zu Kapitel 11 am #govcamp 2015
Eine Stadt 2 Millionen Chancen - Diskurs zu Kapitel 11 am #govcamp 2015
 
Vortrag Open Government NRW
Vortrag Open Government NRWVortrag Open Government NRW
Vortrag Open Government NRW
 
Participation on Demand
Participation on Demand Participation on Demand
Participation on Demand
 
Public Affairs Barometer 2019
Public Affairs Barometer 2019Public Affairs Barometer 2019
Public Affairs Barometer 2019
 
Erfolgreich Einfluss nehmen
Erfolgreich Einfluss nehmenErfolgreich Einfluss nehmen
Erfolgreich Einfluss nehmen
 
160909 Kurz Politische Denkwege2.0
160909 Kurz Politische Denkwege2.0160909 Kurz Politische Denkwege2.0
160909 Kurz Politische Denkwege2.0
 
Studie zum Wahlverhalten: Gespaltene Demokratie
Studie zum Wahlverhalten: Gespaltene DemokratieStudie zum Wahlverhalten: Gespaltene Demokratie
Studie zum Wahlverhalten: Gespaltene Demokratie
 
Mediation+buergerbeteiligung neu
Mediation+buergerbeteiligung neuMediation+buergerbeteiligung neu
Mediation+buergerbeteiligung neu
 
Ein stück des weges gemeinsam
Ein stück des weges gemeinsamEin stück des weges gemeinsam
Ein stück des weges gemeinsam
 
Einstckdeswegesgemeinsam 120410061248-phpapp02 kopie
Einstckdeswegesgemeinsam 120410061248-phpapp02 kopie Einstckdeswegesgemeinsam 120410061248-phpapp02 kopie
Einstckdeswegesgemeinsam 120410061248-phpapp02 kopie
 
Social Media und NGOs
Social Media und NGOsSocial Media und NGOs
Social Media und NGOs
 

Mais de eknaponk

Verbesserung des Ratsinformationssstems
Verbesserung des Ratsinformationssstems Verbesserung des Ratsinformationssstems
Verbesserung des Ratsinformationssstems eknaponk
 
Go antrag ratsinfosystem und anträge nach fraktionen
Go antrag ratsinfosystem und anträge nach fraktionenGo antrag ratsinfosystem und anträge nach fraktionen
Go antrag ratsinfosystem und anträge nach fraktioneneknaponk
 
Von der Praxis zur Politik - Integration in Kommunen
Von der Praxis zur Politik - Integration in Kommunen Von der Praxis zur Politik - Integration in Kommunen
Von der Praxis zur Politik - Integration in Kommunen eknaponk
 
Einwanderungsland deutschland gesamtkonzept für zukünftige zuwanderung
Einwanderungsland deutschland   gesamtkonzept für zukünftige zuwanderungEinwanderungsland deutschland   gesamtkonzept für zukünftige zuwanderung
Einwanderungsland deutschland gesamtkonzept für zukünftige zuwanderungeknaponk
 
Studie zur schwarz rot-gold-Karte
Studie zur schwarz rot-gold-KarteStudie zur schwarz rot-gold-Karte
Studie zur schwarz rot-gold-Karteeknaponk
 
Antrag auf Rückgemeindung - Streit um Konversionsfläche Harsewinkel vs. Güter...
Antrag auf Rückgemeindung - Streit um Konversionsfläche Harsewinkel vs. Güter...Antrag auf Rückgemeindung - Streit um Konversionsfläche Harsewinkel vs. Güter...
Antrag auf Rückgemeindung - Streit um Konversionsfläche Harsewinkel vs. Güter...eknaponk
 
Urban cafeöffentlichkeit
Urban cafeöffentlichkeitUrban cafeöffentlichkeit
Urban cafeöffentlichkeiteknaponk
 
Abschlussbericht werkstattverfahrennrw urban_2011
Abschlussbericht werkstattverfahrennrw urban_2011Abschlussbericht werkstattverfahrennrw urban_2011
Abschlussbericht werkstattverfahrennrw urban_2011eknaponk
 
Rechtsgutachten Optionspflicht, Prof. Kay Hailbronner
Rechtsgutachten Optionspflicht, Prof. Kay HailbronnerRechtsgutachten Optionspflicht, Prof. Kay Hailbronner
Rechtsgutachten Optionspflicht, Prof. Kay Hailbronnereknaponk
 
Dokumentation buergerbeteiligung flugplatz_14.01.2013
Dokumentation buergerbeteiligung flugplatz_14.01.2013Dokumentation buergerbeteiligung flugplatz_14.01.2013
Dokumentation buergerbeteiligung flugplatz_14.01.2013eknaponk
 
Bruckner migration und_demographischer_wandel_120928
Bruckner migration und_demographischer_wandel_120928Bruckner migration und_demographischer_wandel_120928
Bruckner migration und_demographischer_wandel_120928eknaponk
 
Studie: Willkommenskultur in Deutschland
Studie: Willkommenskultur in DeutschlandStudie: Willkommenskultur in Deutschland
Studie: Willkommenskultur in Deutschlandeknaponk
 
Protokoll buergerwerkstatt 22.10.2012
Protokoll buergerwerkstatt 22.10.2012Protokoll buergerwerkstatt 22.10.2012
Protokoll buergerwerkstatt 22.10.2012eknaponk
 
Brückenbauer Summer School 2012
Brückenbauer Summer School 2012Brückenbauer Summer School 2012
Brückenbauer Summer School 2012eknaponk
 

Mais de eknaponk (14)

Verbesserung des Ratsinformationssstems
Verbesserung des Ratsinformationssstems Verbesserung des Ratsinformationssstems
Verbesserung des Ratsinformationssstems
 
Go antrag ratsinfosystem und anträge nach fraktionen
Go antrag ratsinfosystem und anträge nach fraktionenGo antrag ratsinfosystem und anträge nach fraktionen
Go antrag ratsinfosystem und anträge nach fraktionen
 
Von der Praxis zur Politik - Integration in Kommunen
Von der Praxis zur Politik - Integration in Kommunen Von der Praxis zur Politik - Integration in Kommunen
Von der Praxis zur Politik - Integration in Kommunen
 
Einwanderungsland deutschland gesamtkonzept für zukünftige zuwanderung
Einwanderungsland deutschland   gesamtkonzept für zukünftige zuwanderungEinwanderungsland deutschland   gesamtkonzept für zukünftige zuwanderung
Einwanderungsland deutschland gesamtkonzept für zukünftige zuwanderung
 
Studie zur schwarz rot-gold-Karte
Studie zur schwarz rot-gold-KarteStudie zur schwarz rot-gold-Karte
Studie zur schwarz rot-gold-Karte
 
Antrag auf Rückgemeindung - Streit um Konversionsfläche Harsewinkel vs. Güter...
Antrag auf Rückgemeindung - Streit um Konversionsfläche Harsewinkel vs. Güter...Antrag auf Rückgemeindung - Streit um Konversionsfläche Harsewinkel vs. Güter...
Antrag auf Rückgemeindung - Streit um Konversionsfläche Harsewinkel vs. Güter...
 
Urban cafeöffentlichkeit
Urban cafeöffentlichkeitUrban cafeöffentlichkeit
Urban cafeöffentlichkeit
 
Abschlussbericht werkstattverfahrennrw urban_2011
Abschlussbericht werkstattverfahrennrw urban_2011Abschlussbericht werkstattverfahrennrw urban_2011
Abschlussbericht werkstattverfahrennrw urban_2011
 
Rechtsgutachten Optionspflicht, Prof. Kay Hailbronner
Rechtsgutachten Optionspflicht, Prof. Kay HailbronnerRechtsgutachten Optionspflicht, Prof. Kay Hailbronner
Rechtsgutachten Optionspflicht, Prof. Kay Hailbronner
 
Dokumentation buergerbeteiligung flugplatz_14.01.2013
Dokumentation buergerbeteiligung flugplatz_14.01.2013Dokumentation buergerbeteiligung flugplatz_14.01.2013
Dokumentation buergerbeteiligung flugplatz_14.01.2013
 
Bruckner migration und_demographischer_wandel_120928
Bruckner migration und_demographischer_wandel_120928Bruckner migration und_demographischer_wandel_120928
Bruckner migration und_demographischer_wandel_120928
 
Studie: Willkommenskultur in Deutschland
Studie: Willkommenskultur in DeutschlandStudie: Willkommenskultur in Deutschland
Studie: Willkommenskultur in Deutschland
 
Protokoll buergerwerkstatt 22.10.2012
Protokoll buergerwerkstatt 22.10.2012Protokoll buergerwerkstatt 22.10.2012
Protokoll buergerwerkstatt 22.10.2012
 
Brückenbauer Summer School 2012
Brückenbauer Summer School 2012Brückenbauer Summer School 2012
Brückenbauer Summer School 2012
 

Gastbeitrag knopp 130118

  • 1. eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013 Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können Anke Knopp Wer hätte schon etwas gegen Demokratie? Die Zustimmung der bundesdeutschen Bevölkerung zur Staatsform der Demokratie liegt bei rund 95 Prozent. (vgl. FES-Studie, 2012) Bürgerbeteiligung in Form von Bürgerbegehren und Volksentscheidungen etwa wünschen sich 67 Prozent der Bundesbürger (vgl. Umfrage BST, 2011). Welcher Politiker also würde »die« Demokratie in Frage stellen oder lauthals gegen Bürgerbeteiligung wettern wollen? Bürgerbeteiligung ist demnach groß in Mode. Kaum ein gewählter Volksvertreter kommt ohne diese Begriff- lichkeit aus. Dem reinen Lippenbekenntnis zur Beteiligungskultur stehen viele konkrete Formate der Beteili- gung gegenüber. Einiges davon ist neu, vieles erst durch das Internet ermöglicht. Ein solches Format ist etwa der Bürgerhaushalt. Dieses Online-Bürgerbeteiligungsverfahren an der Aufstellung eines kommunalen Haus- haltes ist gleichzeitig ein schöner Lackmustest, wie ernst es der kommunalen Politik mit der Beteiligung denn nun wirklich ist. An einem Ort etwa gelingen Bürgerhaushalte – an einem anderen aber nicht. Dass sie teilweise misslingen, liegt nicht zwingend am Format oder an der mangelnden Teilnahme der Bürgerschaft, wie gerne behauptet wird. Sind Politik und Verwaltungen nicht mit ganzem Herzen dabei, können sie einen Bürgerhaushalt sehr leicht zum Scheitern bringen, wenn etwa folgende kleine Tricks dazu ineinandergreifen. Am Ende gelten dann sogar nicht Politik und Verwaltung als die Verursacher des Scheiterns - sondern der Bürger war´s. Und kaum jemand hat das Tricksen bemerkt: Eine passende Gelegenheit für die Politik, dieses unliebsame Format frei von Gesichtsverlust im Nichts wieder versinken zu lassen. Ohne dabei ein Wort gegen Bürgerbeteiligung oder De- mokratie verloren zu haben. Hier die Anleitung zum Scheitern mit 15 bereits erprobten und wirksamen Tricks: 1. Ja! - Aber... Ein Bürgerhaushalt fällt nicht vom Himmel: Ohne den erklärten politischen Willen, einen Bürgerhaushalt durchzuführen, geht es nicht. Erst ein Ratsbeschluss ermöglicht in der Regel die Einrichtung eines solchen Ver- fahrens in einer Kommune. Dazu braucht es eine Ratsmehrheit. Die ist oft schnell gefunden, denn der Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung findet sich in fast jedem Wahlprogramm der Parteien. Ein Bürgerhaushalt könnte diese Versprechen einlösen, er steht für Transparenz, Konsultation mit den Bürgern und anschließend für Re- chenschaft und Stärkung der Legitimation bekräftigen, warum welche Vorschläge erfolgreich waren oder nicht. Ein Bürgerhaushalt bringt Modernität, Innovation und verbindet digitale Massenkommunikation mit Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013 Seite 1
  • 2. tradierten Formen der politischen Kommunikation. Grundsätzlich können im besten Fall die Akzeptanz von Ratsentscheidungen und das Gefühl der Loyalität zur eigenen Stadt bestärkt werden. Das Bekenntnis zur Beteiligung ist also schnell gesprochen - und ergibt einen parteipolitischen Pluspunkt in der öffentlichen Wahrnehmung. Hier kann also manch ein Kommunalpolitiker getrost die Hand für ein »Ja« zum Bürgerhaushalt heben – und schon die Faust der Formaljuristerei in der Tasche ballen, um das Verfahren real nur halbherzig oder konterkarierend durch strategische Winkelzüge zu unterlaufen. Beteiliger ist man gern - Deutungshoheit und Macht abgeben aber schmerzt. Um das zu verhindern, ist ein wenig Sand im Getriebe eines Bürgerhaushaltes ganz brauchbar. So sind Zweifel und Skepsis – trotz der ersten Zustimmung - dezent öffentlich gesät gute Grundlagen für ein späteres Scheitern. 2. Un-verbindlich bleiben Die Bürger dürfen gerne ihre Vorschläge zum Sparen einbringen. Sie dürfen gerne auch kommentieren und bisherige Ausgaben und Einnahmen bewerten. Die letzte Entscheidung über den Haushalt hat jedoch die Poli- tik. Das ist repräsentative Demokratie. Ist ein Bürgerhaushalt eingeführt, heißt das nicht, dass am Ende auch umgesetzt wird, was darin steht. Die Gewählten brauchen zu Beginn nur völlig unverbindlich zu bleiben, keine Aussage zu formulieren, wie sie etwa mit den Ergebnissen am Ende umgehen möchten. An die Verbindlichkeit am Ende eines Bürgerhaushaltes denken viele Bürger am Anfang eines solchen Verfahrens nicht unmittelbar – und warum dann frühzeitig schlafende Hunde wecken? 3. Begleitgremium mit Funktionären besetzen Oft wird ein begleitender Beirat für die Dauer des Bürgerhaushaltes eingerichtet. Selbstverständlich ist dieser zur Hälfte mit Vertretern aus der Politik zu besetzen, dies analog der jeweiligen Fraktionsstärke. So sind der informelle Informationsfluss und auch die Steuerung durch die Politik gewährleistet. Sind auch ausreichend Verwaltungskollegen an Bord, erhält ein solches Gremium noch deutlicher die Aura der Ernsthaftigkeit. Gut ist, hierzu lediglich eine Handvoll Bürger zu laden, diese sollen stellvertretend für die Bevölkerung stehen und sind zahlenmäßig im Gremium in der Minderheit. Zudem müssen bekannte Funktionäre in das Gremium »berufen« werden. Verwaltung und Politik können hierzu gemeinsam eine Liste mit Personen vorschlagen. Die Personen bilden einen Querschnitt der Aktiven und Institutionen einer Stadt, die möglichst bereits zahlreiche Posten und Mandate ausüben – deshalb leider oftmals zeitlich verhindert sind, wenn das Gremium in Fragen des Bürger- haushaltes natürlich unverbindlich tagt. Üblicherweise ist die Besetzung vollzählig, wenn die Presse am Anfang über das Gremium berichtet. Im Laufe des Verfahrens erodiert das Gremium. Am Ende kann dann argumentiert werden, das Gremium sei inhaltlich nicht wirklich handlungsfähig gewesen. Es ist später leicht, glaubhaft zu bedauern, das Interesse am Bürgerhaushalt sei offensichtlich wenig ausgeprägt gewesen, denn auch die Funk- tionäre wären - das Scheitern vorausahnend weil erfahren – schnell fern geblieben. So stehen Politik und Ver- waltung, umgeben von einer Restschar an betroffenen Bürgern, als alleinige Streiter für die Sache da und voll- kommen unschuldig am Scheitern. Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013 Seite 2
  • 3. 4. Kriterium des Gelingens: Die Quote der Beteiligung Grundsätzlich ist der Bürgerhaushalt nur an ein einziges Kriterium des Gelingens zu koppeln: dem Kriterium der Quote. Die Beteiligungsquoten der bisher erfolgreichen Bürgerhaushalte liegt zwischen 1,7 und 2 Prozent. Es kann durchaus sein, dass eine Kommune in der ersten Durchführung etwas unterhalb dieser Prozentpunkt liegt, da ein solches Verfahren zunächst eingeübt werden muss, bevor breite Teile der Bevölkerung mitmachen. Geringe Quoten allerdings lassen sich umgehend schnell »schlecht« rechnen. Die Quote der Beteiligung in Be- zug auf die Wahlberechtigten etwa ergibt einen negativen Minimalcharakter - der bereits postulierte Eindruck des »Kein Interesse in der Bürgerschaft am Bürgerhaushalt« lässt sich so sehr einfach öffentlich artikulieren. Den Vergleich in realen Zahlen der Nutzer auszudrücken, gilt es dabei zu vermeiden, denn er zeigt in der Regel eine andere Relation: haben sich etwa 2.000 Menschen angemeldet, spricht das schon eine andere Sprache in Relation zu denen, die sonst Zugang zu einem Haushalt erlangen. Wird das angestrebte Quorum also nicht erreicht, spielt das in die Hände derer, die ein solches Verfahren nicht wiederholen wollen. 5. Terminstrategie und 2-Phasen-Modell Eine besondere Note bekommt ein Bürgerhaushalt, wenn bereits weit im Vorfeld seitens Verwaltung ein Ter- minplan erarbeitet wurde, der zwar in den Ausschüssen abgestimmt und allen bekannt ist, aber in seiner Wir- kung unterschätzt wird. Etwa, wenn das Beteiligungsverfahren bereits im Spätsommer des Jahres durchgeführt wird – die Eckdaten für den Haushalt sowie die Finanzdaten aus dem jeweiligen Bundesland aber erst im Herbst eingebracht werden. Die Frage, ob es sich dabei um einen Bürgerhaushalt handelt, ist als nebensächlich erklärbar - die fehlenden Grunddaten könne man bis dahin online und nachträglich vorlegen, reicht als Erklä- rung. Schlüsselzuweisungen etwa reichen als reine Prognose, da die Handlungsspanne durch die hohe Ver- schuldung vieler Kommunen eh deutlich gering ist - und es dies auch im Vorlauf eines Bürgerhaushaltes zu kommunizieren gilt. Eine weitere Variante ist auch, die Termine des Bürgerhaushaltes so zu planen, dass nur ein Termin zur Bera- tung im jeweiligen Fachausschuss übrigbleibt, der Hauptausschuss gänzlich als Beratungsgremium außen vor bleibt und dann sofort der Rat entscheidet. Eine Alternative dazu stellt auch die dar, das Verfahren zweistufig zu gestalten: nach der Vorschlagphase durch die Bürger folgt die politische Beratung und Sichtung der Vorschläge im Hauptausschuss. Hier wird nach Vorla- ge der Verwaltung entschieden, welche Vorschläge schließlich in die sogenannte »Votingphase« durch die Bür- ger gelangen. Für die Auswahl der Vorschläge sollten möglichst keine Kriterien benannt werden, das erhöht die Intransparenz und die Frustration der Beteiligten. 6. Kosten in den Fokus stellen Bereits in der Diskussionsphase, ob ein Bürgerhaushalt durchgeführt werden soll oder nicht, muss deutlich herausgestellt werden, dass ein Bürgerhaushalt auch Kosten verursacht. Diese fallen für das Internet-Tool so- wie für eine sinnvolle Moderation und auch für verwaltungsinterne Aufwände an. Es muss der nachhaltige Eindruck entstehen, eine Kommune mit Schulden könne sich nicht auch noch eine teure Bürgerbeteiligung Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013 Seite 3
  • 4. leisten, bei der am Ende zweifelhaft ist, ob sich diese riskante Innovation rentiert oder nicht. Besonders gelun- gen ist die Diskussion dann, wenn deutlich wird, dass der Rat doch bereits aus »Bürgern« besteht, so dass nicht weitere Bürger kostenintensiv bemüht werden müssten. 7. Nur Sparvorschläge zulassen Der Bürgerhaushalt sollte gleich zu Beginn nur eine sehr schlanke Beteiligung ermöglichen: also möglichst auf Sparvorschläge beschränkt. Die Kommentarfunktion ist kaum einzuschränken, gehört sie doch zum Wesen eines Bürgerhaushaltes. Einschränken lässt sich wohl aber die Möglichkeit, Alternativen oder Priorisierungen bestehender Ausgaben oder die Nennung anderer Einnahmequellen als bisher einzubringen. Gleichzeitig ist zu kommunizieren, dass ein bestehendes Haushaltsloch sehr groß ist und daher durch »ein paar gut gemeinte« Bürgervorschläge kaum zu stopfen sein wird. Die Budgetplanung muss deutlich kompliziert erklärt werden und der Eindruck muss sich verfestigen, dass Politik und Verwaltung bereits den Großteil an Sparmöglichkeiten ausgeschöpft haben. So weiß der Bürger von Anfang an, dass er sich sehr anstrengen muss, mühsam Expertise aufbringen muss, um überhaupt einen sinnvollen Beitrag leisten zu können. Die Hemmschwelle der Beteili- gung liegt so unterschwellig schon sehr hoch. 8. Anonymisierung diskreditieren – den Internet-Unerfahrenen erschrecken Zu vermeiden gilt es unter allen Umständen, dass ein Bürgerhaushaltsverfahren anonym, also ohne direkte Namensnennung der Nutzer, durchgeführt werden kann. Die Anmeldung sollte unbedingt unter Angabe des Geburtsortes, des Geburtsdatums, der E-mail-Anschrift sowie möglicherweise der Passnummer erfolgen, damit ein Missbrauch durch Ortsfremde ausgeschlossen werden kann. Gerne kann der zuständige Datenschutzbeauf- tragte eine Kommune auch nachträglich dafür rügen, dass diese Anmeldezwänge nach dem Telemediengesetz nicht zulässig sind - dann ist der Bürgerhaushalt aber bereits in Misskredit gebracht und die Bürger, vor allem die internetunerfahrenen, sind verunsichert genug, um auf eine zweite Beteiligungswelle zu verzichten. Sinnvoll ist es zudem, beim Start eines Bürgerhaushaltsverfahrens, der die volle Namensnennung erfordert, zu kommunizieren, dass Bürger möglicherweise keine ausreichenden Kenntnisse im komplizierten Haushaltsrecht hätten, um qualifizierte Beiträge leisten zu können. Das Mitmachen unter einem vollen Namen erhöht die Ge- fahr für die Nutzer, sich in aller Öffentlichkeit zu blamieren. 9. Beteiligte in Frage stellen Zum Scheitern trägt besonders bei, wenn die Nutzer möglichst ausgegrenzt und »etikettiert« sind. Hier helfen Vokabeln wie: nur Wenige überhaupt, die üblichen Verdächtigen, radikal, links, nur Wenige machen viele Vor- schläge, usw. . Ist bereits im Verlauf des Verfahrens ablesbar, dass sich die Bürger nur spärlich und zögerlich beteiligen, ist es hilfreich zu kommunizieren, dass sich nur die »üblichen Verdächtigen« beteiligen. Diese dann öffentlich dem eher linken Spektrum zuzuordnen sowie möglichen Randgruppen einer Kommune, erhöht die Chance der Ab- senz der breiteren Masse. Eine besondere Wirkung erzielt auch die frühzeitige Beobachtung, dass nur wenige Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013 Seite 4
  • 5. Nutzer ganz viele Vorschläge einreichen würden. Es verfestigt sich rasch der Eindruck, eine Minderheit wolle die Mehrheit überstimmen und der Bürgerhaushalt fördere nur Partikularinteressen fernab des Gemeinwohls. Zum Scheitern beiträgt auch das Einflechten der latent bestehenden Angst und Ablehnung gegeünber dem Internet. Diese Befürchtungen gilt es möglichst frühzeitig aufzugreifen und mit der öffentlichen Debatte um Datenschutz, Internetkriminalität und Jugendgefährdung zu vermischen. 10. Bedienerfreundlichkeit ist Nebensache Die Nutzerfreundlichkeit der Seite des Bürgerhaushaltes sollte zwar gut gestaltet sein, aber vielleicht eher von Insidern vorbereitet werden, damit der Online-ungewohnte Nutzer sich erst durch viele Klicks durcharbeiten muss, um zum Ziel der Teilhabe zu gelangen. Schön ist auch das gelegentliche Nichterreichen der Seite im Blick zu behalten. Das Vertrauen in die eigenen Nutzerfähigkeit schwindet von selbst und lässt das Interesse wirk- sam erlahmen. 11. Werbung nur mit »Bordmitteln« betreiben Ein Bürgerhaushalt in der Anfangsphase muss beworben werden. Dies möglichst auf allen Kommunikationska- nälen, nicht nur online. Diese Phase der Bewerbung sollte sich deutlich in Grenzen halten. Gut kommunizieren lässt sich der Anspruch, diese Aufgabe mit »Bordmitteln« bestreiten zu wollen, durch den ausdrücklichen Wunsch nach Sparsamkeit und Nutzung der hauseigenen Kompetenz. Auch die Stellungnahmen und Veröf- fentlichungen der Verwaltung und Politik dürfen eher spärlich ausfallen, also wenig bis gar nichts auf den ein- schlägigen Homepages veröffentlichen. So wird das Format sicher nicht ganz so gut oder nur am Rande in der Bevölkerung aufgenommen. Aktive Unterstützer eines Bürgerhaushaltes wie etwa Bürgerinitiativen oder ähnliches sollten auch mit Infor- mationsmaterial nur zögerlich beliefert werden. Möglich ist auch die Verweigerung eines öffentlichen Info- Standes in der Innenstadt durch das verwaltungseigene Ordnungsamt, wenn etwa zeitgleich ein Stadtfest stattfindet und die Bürger an diesen Tagen »nicht gestört« werden sollen. 12. Die Medienlandschaft nutzen Eine ergebnisoffene Berichterstattung ist langweilig. Bad news are good news. Das gilt auch für einen Bürger- haushalt. Zwietracht und Zweifel erringen der Erfahrung nach mehr Aufmerksamkeit als Hintergrundinforma- tionen oder ein sachorientiertes Verfahren. Den empfindsamen Nerv der gedruckten Medienlandschaft trifft man zudem sehr direkt, wenn die Gefahren des Internet im Laufe des Onlineverfahrens herausgestellt werden, etwa, wenn deutlich wird, wie wenig Menschen sich handschriftlich mit Vorschlägen auf realen Zetteln ein- bringen. Diese durch die Medien transportierte Botschaft spaltet die Bevölkerung recht schnell und hilft Vorur- teile der Beteiligungsfähigkeit zu manifestieren. Viele Lokalblätter machen diese Sache gerne auch zu ihrer eigenen Kampagne, weil sie sich selbst durch das Internet bedroht fühlen. Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013 Seite 5
  • 6. 13. Politische Beratung im alten Format Gehen die Vorschläge dann aus der Online-Phase in die Beratungen der politischen Fachgremien, bietet sich das tradierte Format der Diskussion geradezu an, aus dem anfänglich sehr transparenten Format wieder eine Politik mit wenig Zuschauern auf der Tribüne zu gestalten. Politik kann hier weitestgehend wieder in Ruhe al- lein beraten. Daher sollte der Rückfluss der Diskussion und Entscheidung so spät wie möglich in das Onlinetool zurück praktiziert werden. Vorlagen und Protokolle dürfen einen Augenblick länger auf die Veröffentlichung warten als sie eh schon an Zeit benötigen. Hilfreich sind zudem Vorlagen, in denen die Verwaltung die Vorschläge »bündelt« und dann sogleich »en bloc« abstimmen lässt. Dieses Vorgehen minimiert die Notwendigkeit, die Vorschläge im Einzelnen zu durchdringen oder in ihrer Auswirkung zu diskutieren. Vieles von dem, was dort eingereicht wurde, wird auch »schon ge- macht« oder ist bereits »laufendes Geschäft der Verwaltung«. Die Rechenschaftsberichte brauchen am Ende etwas länger, bevor sie veröffentlicht werden. Es ist dabei beson- ders sinnvoll, diese verstreut in den jeweiligen Protokollen zu belassen, so dass der interessierte Nutzer mög- lichst viel klicken und suchen muss. Auf dem Weg zu den Ergebnissen verliert sich so manches Interesse von alleine. 14. Evaluation nur durch Politik Die Politik hat nicht nur die Entscheidung über die Ergebnisse am Ende. Sondern Politik und Verwaltung bewer- ten auch ganz allein, ob der Bürgerhaushalt ein Erfolg war oder nicht. Die negativen Zwischenergebnisse und Klippen bei der Durchführung haben bis hierher bereits ausreichend Argumentationsmasse entstehen lassen, dass beide mit ruhigem Gewissen von einem Scheitern des Bürgerhaushaltes sprechen können. Das bedeutet in der Regel, dass ein solches Verfahren nur einmal getestet wurde, für nicht gut erachtet wird und damit in der Mottenkiste der Beteiligungsverfahren verschwinden kann. Ohne große Proteste, die Bürgerschaft fühlt sich schuldig, weil sie nicht ausreichend mitgemacht hat. Die Bürgerschaft sollte hier zudem auch nicht zu Wort kommen, sie hat ihre Chance zur Teilhabe gehabt und verspielt. Weil sie nicht ausreichend mitgemacht haben, wird ihnen auch hier kein Gehör geschenkt. 15. Summe gering - kaum gespart Die Krönung des Scheiterns aber ist die finale Aussage, dass unterm Strich kaum Sparvolumen zusammen ge- kommen sind, die den Aufwand in irgend einer Weise rechtfertigen könnten. Dieses Argument zieht am deut- lichsten, es erhöht die Scham der Nutzer, dass sie nichts Besseres haben beitragen können. Es unterstreicht die Aussage, dass ein städtischer Haushalt zu komplex ist, um Bürger verantwortlich mitgestalten zu lassen. Es macht deutlich, besser den gewählten Volksvertretern sowie den Fachleuten aus der Verwaltung das Feld (bes- ser) wieder zu überlassen. Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013 Seite 6
  • 7. Quellenverzeichnis Bertelsmann Stiftung (2011): »Bürger fordern direkte Beteiligung - Umfrage bestätigt Wunsch nach Volks- und Bürgerentscheiden«, durchgeführt durch TNS-Emnid, Gütersloh. Decker, Oliver/Kiess, Johannes/Brähler, Elmar (2012): Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012 (PDF) Autorin Dr. Anke Knopp, Jahrgang 1965, Politikwissenschaftlerin, Promotion über Bürgerbeteiligungselemente in der Gemeindeordnung NRW. Arbeit im Programm »Zukunft der Integration« der Bertelsmann Stiftung, u.a. social media manager für »Zukunft der Integration« auf Twitter, Facebook und Xing. Sie ist Mitglied der Bürgerinitia- tive »Demokratie wagen! - für einen demokratischen Bürgerhaushalt« in Gütersloh. Sie kämpfte für die Einrich- tung eines Bürgerhaushaltes in ihrer Stadt durch ein Bürgerbegehren und begleitete diesen drei Jahre lang in seinem Bestehen. Publizistin und Bloggerin »Blickpunkt aus Gütersloh«. Kontakt: E-Mail: ekna.knopp@gmx.net www.demokratie-wagen.org Redaktion Stiftung MITARBEIT Redaktion eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft Eva-Maria Antz, Ulrich Rüttgers Ellerstr. 67 53119 Bonn E-Mail: newsletter@wegweiser-buergergesellschaft.de Knopp, Anke: Anleitung zum Scheitern – Wie Verwaltung und Politik einen Bürgerhaushalt wirkungsvoll scheitern lassen können eNewsletter Wegweiser Bürgergesellschaft 01/2013 vom 18.01.2013 Seite 7