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«Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch»                 http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306




          Veröffentlicht auf suedostschweiz.ch (http://www.suedostschweiz.ch)



          «Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das
          Gewehr und erschiesse euch»
          Kalabrien will Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung. Repower stellt beides in Aussicht. Der
          Preis dafür – ein Kohlekraftwerk an der Küste von Saline Joniche – ist aber vielen zu hoch. Die
          Geschichte einer schwierigen Beziehung.

          Von Stefan Bisculm (Text und Bilder)

          Saline Joniche. – Diese Sandbank gibt Rätsel auf. Sie liegt vor Saline Joniche und versperrt den Zugang zu
          einem Hafen. Kein Schiff kann raus, keines kommt rein. Die Hafenanlage an der Küste Kalabriens wurde
          einst gebaut, um die wirtschaftlich rückständige Region im Süden Italiens voranzubringen. Doch der Plan
          ging nicht auf. Die Verantwortlichen hatten die lokalen Meeresströmungen nicht berücksichtigt, die hier
          den Sand im ewigen Naturkreislauf vor dem Hafenzugang abladen.

          Eine andere ökonomische Totgeburt befindet sich gleich dahinter. Die rostigen Überbleibsel der in den
          Siebzigerjahren mit Unmengen von Staatsgeldern gebauten Chemiefabrik Liquichimica. Sie hätte tierische
          Protein-Nahrung produzieren sollen, wurde aber vom Umweltministerium einen Tag nach der Eröffnung
          wieder geschlossen, weil die von ihr hergestellten Stoffe krebserregende Elemente enthielten. «Das ist
          typisch für Kalabrien», erklärt Fabio Bocchiola, Chef von Repower Italien. «Zuerst wird etwas ohne
          Kontext zum Ort gebaut, und wenn es fertig ist, verlieren alle das Interesse. Repower macht es anders.
          Wir kommen, um zu bleiben.» Trotz dieser Ankündigung ist auch Bocchiola in Kalabrien nicht sehr
          beliebt.

          Unberechenbare Demokratie

          Repower Italien, der italienische Ableger des gleichnamigen Bündner Energieunternehmens, will in
          Kalabrien für über eine Milliarde Euro ein Kohlekraftwerk bauen (siehe Kasten). Als das Projekt – das
          unter anderem auch den Neubau des Hafens beinhalten würde – vor fünf Jahren bekannt wurde, löste das
          in Kalabrien einen Sturm der Entrüstung aus. Das Gleiche passierte in Graubünden: Umweltschützer
          lancierten eine Initiative, die vom Kanton verlangt, allen Firmen, an denen er beteiligt ist, Investitionen in
          Kohle zu verbieten. Der Kanton Graubünden hält 46 Prozent an Repower. Ein Ja zur Kohle-Initiative
          würde die Investitionspläne von Repower an der Fussspitze des italienischen Stiefels mit einem Schlag
          zunichtemachen. Die Botschaft der Regierung zur Kohle-Initiative wird heute Dienstag erwartet, der
          Abstimmungstermin ist für September 2013 geplant.

          Für Repower steht viel auf dem Spiel. Im norddeutschen Brunsbüttel musste das Unternehmen bereits zu
          Beginn dieses Jahres ein milliardenschweres Kohlekraftwerkprojekt aufgeben. Das vorzeitige Scheitern
          eines weiteren Grossprojekts würde das Vertrauen in die Repower-Führungsspitze wohl nachhaltig
          schädigen. Der bevorstehende Abstimmungskampf zur Kohle-Initiative dürfte deshalb mit ein Grund
          gewesen sein, weshalb Repower kürzlich verschiedene Bündner Medien zu einer Arbeitsreise quer durch
          Italien zu verschiedenen wichtigen Projektstandorten eingeladen hat. Neben Bocchiola nahmen an der
          Reise auch Konzernchef Kurt Bobst und verschiedene Direktoren von Repower Italien teil. Die
          «Südostschweiz» nahm die Einladung von Repower an, bezahlte aber Flüge und Unterkunft selber.



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«Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch»              http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306


          «Wenn ihr kommt, wird alles nur noch schlimmer»

          Eine offensive Kommunikationsstrategie ist auch in Kalabrien von Repower gefragt. In einer Region, wo
          die Arbeitslosenquote bei knapp 30 Prozent liegt, müsste ein Investor vom Kaliber Repowers eigentlich
          als Heilsbringer verehrt werden. Doch die Realität ist eine andere. «Hier sind fast alle gegen das
          Kohlekraftwerkprojekt», erklärt ein arbeitsloser Jugendlicher, der am Ende der Mole im «Hafen» von
          Saline Joniche zusammen mit Freunden fischt. Als die Repower-Delegation auf ihrer Arbeitsreise an ihrem
          Fischerplatz auftaucht, versucht der junge Mann, ihnen das Projekt auszureden. Als Grund für seine
          Ablehnung nennt er die sieben Millionen Tonnen CO2, die das Kraftwerk jährlich ausstossen würde.
          «Schon heute sterben hier in der Gegend die Menschen wie die Fliegen an Krebs. Wenn ihr kommt, wird
          alles nur noch schlimmer.» Trotz seiner Bedenken würde der junge Mann aber am Aufbau der Anlage
          bedenkenlos mithelfen. «Und wenn ihr mir keine Arbeit gebt, dann hole ich das Gewehr und erschiesse
          euch.» Er lächelt nicht bei diesen Worten.

          Bocchiola hört die drohenden Abschiedsworte des jungen Mannes bereits nicht mehr. Schon lange vorher
          hat er sich entnervt abgewendet. «Ich kann das Gerede nicht mehr hören. Es nützt nichts, wenn man ihnen
          erklärt, dass CO2 für den Menschen ungiftig ist, sie hören nicht zu», sagt der italienische Repower-Chef.
          Die Beziehung zwischen Bocchiola und den Kalabresen ist schwierig. Wenn er über sie spricht, fällt oft
          das Wort «ungebildet». Ihr tiefes Bildungsniveau, so glaubt er, würde den Umweltschützern in die Hände
          spielen, welche die diffusen Ängste bewusst schürten. Bocchiola ist unumstösslich in seiner Überzeugung,
          dass ein modernes Kohlekraftwerk, wie es Repower in Kalabrien plant, keinerlei gesundheitliche Risiken
          für die Bevölkerung darstellt. «Wenn unser Kohlekraftwerk Kinder krank machen würde, müssten sie
          jemand anderen suchen, der es baut.» Richtig sei, dass das Kraftwerk Arbeitsplätze schaffe und
          wirtschaftliche Impulse für die Region bringe. Dass ihm seine guten Absichten in Kalabrien aber kaum
          jemand abnimmt und er stattdessen überall, wo er öffentlich spricht, vor allem Misstrauen erntet, verletzt
          einen Mann wie Bocchiola persönlich. Eine solch offene Ablehnung ist der blauäugige Hüne mit dem
          Kirk-Douglas-Kinn nicht gewohnt. Wenn der 48-Jährige an einem Tresen einen Kaffee bezahlt, bleibt auf
          dem Gesicht der Barista für gewöhnlich ein Lächeln zurück, und bei grossen Tafelrunden ist die Stimmung
          immer dort am besten, wo er Platz genommen hat.

          Bocchiola ist für die Bündner Strombarone bei ihrer Expansionsstrategie in Italien ein Glücksgriff. Der
          ausgebildete Konzertpianist und Ökonom wurde vor zehn Jahren damit betraut, im liberalisierten
          Strommarkt Italiens einen Ableger für die damalige Rätia Energie aufzubauen. Heute sind in der Zentrale
          in Mailand 170 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kommen nochmals 400 nicht fest angestellte Verkäufer im
          Aussendienst, die Strom an rund sieben Prozent aller KMU in Italien verkaufen. Von den insgesamt 2,5
          Milliarden Franken Umsatz, die Repower im Jahr macht, fällt eine Milliarde in Italien an.

          Viel lieber als in Kalabrien hält sich Bocchiola derzeit in Kampanien auf. Im Provinzhauptstädtchen
          Benevento ist die Konzernspitze gern gesehen. «Ich hoffe, dass sie ihr Projekt so schnell wie möglich
          realisiert», erklärt der Präsident der Provinz bei einem Besuch im Rathaus. Das Energieunternehmen plant
          in der Nähe von Benevento, in Campolattaro, ein Pumpspeicherkraftwerk für rund 600 Millionen Euro.
          Als unterer Speicher ist ein Staubecken vorgesehen, dessen Damm in den Achtzigerjahren für die
          Landwirtschaft mit Geldern aus Rom gebaut wurde. Bis heute wurde mithilfe des Stausees aber noch nie
          ein Feld bewässert.

          Der Damm hat derzeit auch sonst keine Funktion, er ist bloss ein Mahnmal für eine scheinbar planlose
          staatliche Wirtschaftsförderung. In einem Jahr hofft Repower, alle Bewilligungen für das
          Pumpspeicherkraftwerk in der Tasche zu haben. Gegen das Projekt gab es lange keine Opposition, bis
          kürzlich eine kleine Umweltschutzorganisation wegen der Gefahr von Erdbeben Bedenken anmeldete.
          Insgesamt ist der Protest aber ein laues Lüftchen verglichen mit dem Sturm in Kalabrien.

          Windräder auf jedem Acker

          Eineinhalb Autostunden östlich von Benevento hat Repower im Sommer in Lucera einen Windpark mit 13
          Windrädern fertiggestellt. Auf der Fahrt in das apulische Örtchen passiert man unzählige Windparks. Die



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«Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch»               http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306


          Riesen aus Stahl stehen auf nahezu jedem Grat und auf jedem Acker. Apulien – bekannt als Kornkammer
          Italiens – ist aufgrund günstiger Windbedingungen heute in Italien die Region mit den meisten
          Windrädern. Und noch immer kommen Energieunternehmen von überall her, um noch mehr Windriesen
          aufzustellen. Repower plant in Lucera ebenfalls 15 weiter Windräder.

          Weil neben der Windenergie in Italien auch das Geschäft mit den Sonnenkollektoren überall sichtbar
          boomt, setzt Repower grosse Hoffnungen in das Pumpspeicherkraftwerk in Campolattaro. Repower geht
          mit vielen Experten einig, die glauben, dass die Energiewende ohne Pumpspeicherkraftwerke nicht zu
          schaffen sein wird. Als Speicher für die schubweise anfallende Wind- und Sonnenenergie scheinen sie
          unverzichtbar.

          Billiger Strom dank Kohle

          Repower-Chef Bobst steht in seinen schwarzledernen Halbschuhen auf einem Acker bei Lucera und
          schaut hoch zum nigelnagelneuen Repower-Windturm Nummer 14, dessen Propeller sich langsam und
          wuchtig im Wind dreht. «Ich bin ein grosser Fan von Windenergie», sagt er. «Die Anlagen brauchen
          verhältnismässig wenig Platz, und die Energie ist zu 100 Prozent erneuerbar.» Trotz des Hohelieds auf die
          erneuerbare Windenergie steht Bobst zu seinem Kohlekraftwerkprojekt in Saline Joniche. Einen
          Widerspruch sieht er darin nicht. «Wir brauchen nochmals eine Generation konventioneller
          Kraftwerkanlagen, um die Energiewende zu schaffen», ist Bobst überzeugt.

          Umweltschützer bringt der Repower-Chef mit solchen Aussagen auf die Palme, doch die italienische
          Regierung scheint seine Einschätzung zu teilen. Sie unterstützt das Kohlekraftwerkprojekt von Repower
          und hat erst kürzlich dessen Umweltverträglichkeit bestätigt. Rom hat aber auch wirtschaftliche
          Interessen. Mit dem Kohlekraftwerkprojekt in Kalabrien soll die Abhängigkeit Italiens von
          Gaskraftwerken – und damit auch von den ausländischen Gaslieferanten – gemildert werden. Für die
          Versorgungssicherheit bräuchte Italien keine neuen Kraftwerke. Schon heute liegt die installierte Leistung
          aller Kraftwerke auf italienischem Boden weit über der maximalen Nachfrage.

          Italien könnte demnach auf das CO2-intensive Kohlekraftwerk verzichten, ohne befürchten zu müssen,
          dass im Land bald die Lichter ausgehen. Bocchiola lässt dies als Argument gegen sein Projekt aber nicht
          gelten. «Der Mensch braucht überhaupt keinen Strom. Was er braucht, ist billiger und bezahlbarer Strom.»
          Bocchiola macht keinen Hehl daraus, dass es beim Kohlekraftwerkprojekt in erster Linie darum geht,
          Repower im hart umkämpften italienischen Markt besser zu positionieren, um den Kunden günstigeren
          Strom anbieten zu können als die Konkurrenz. Die Stromproduktion mit Kohle – auch wenn diese vielfach
          aus Übersee kommt – ist kostet weniger als mit Gas. Von Wind und Sonne gar nicht zu sprechen. «Wenn
          ich in diesem Marktumfeld nicht bereit bin, über Kohle nachzudenken, muss ich diesen Job nicht
          machen», sagt Bocchiola.

          Er denkt als Unternehmer, daneben versteht sich der ausgebildete Musiker aber auch als Ästhet. Er spricht
          viel darüber, dass die Kraftwerkprojekte von Repower optimal in die jeweilige Umgebung eingepasst
          werden müssten. Als leuchtendes Vorbild dient ihm die Kraftwerkzentrale Palü bei Pontresina. Um
          Ähnliches in Italien zu schaffen, arbeitet Repower Italien eng mit Italo Rota zusammen. Den Architekten
          mit dem ungestümen Rauschebart würde man von seinem Äusseren her eher auf einem Liegevelo an einer
          Antikohledemo erwarten als im Boot des bei Umweltschützern umstrittenen Bündner Energiekonzerns.
          Rota hat auch die Pläne für das Kohlekraftwerk in Saline Joniche entworfen. Diese sehen eine Anlage mit
          begrünten Dächern und von Pflanzen überwucherten Pergolas vor. Wer das Promotionsvideo nur flüchtig
          anschaut, könnte fast den Eindruck gewinnen, hier werde ein grüner Freizeitpark gebaut.

          Mit zeitgenössischer Architektur und ökologischen Ersatzmassnahmen möchte Repower die Akzeptanz
          für seine Projekte bei der Bevölkerung erhöhen. Was in Benevento gut funktioniert, harzt in Saline
          Joniche gehörig. Das Provinzparlament hat den Bau des Kohlekraftwerks wiederholt einstimmig
          abgelehnt, und bei einer in diesem Jahr durchgeführten Umfrage des WWF Graubünden sprachen sich 61
          Prozent der Kalabresen gegen das Projekt aus. Vor fünf Jahren wäre die Ablehnung wahrscheinlich noch
          klarer gewesen. Italienische Umweltschützer und die Repower-Führungsriege stellen einhellig fest, dass



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«Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch»             http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306


          der Widerstand bröckelt. Viele Gespräche in kleinen Gruppen, Inserate in Zeitungen und die in Aussicht
          gestellten Kompensationszahlungen zeigen offenbar langsam Wirkung.

          Repower macht ein Angebot, das niemand will

          Repower macht den Menschen in Kalabrien mit dem Kohlekraftwerk ein Angebot. Eines, das keine
          Region der Welt leichten Herzens annehmen würde. Die Einwohner rund um Saline Joniche wissen jedoch
          genau, was die wahrscheinlichste Alternative zum Kohlekraftwerk ist: nichts. Die Industrieruinen der
          Liquichimica würden wohl einfach nochmals 40 Jahre vor sich hinrosten. Die Idee einiger Kohlegegner,
          Touristen in diese Gegend zu locken, erscheint utopisch. Der Tourismus hat hier keine Tradition, und die
          entsprechende Infrastruktur fehlt vollständig. Ausserdem scheuen private Investoren das Mafialand wie
          ein Gault-Millau-Testesser den Besuch bei McDonald’s. Kalabrien – bella Italia bestenfalls für
          Abenteurer.

          Von einem fairen Angebot für die Bevölkerung Kalabriens kann allerdings nicht gesprochen werden. Denn
          die Entscheidung, ob das Kohlekraftwerk gebaut wird, fällt nicht an der lokalen Urne, sondern in Rom und
          in den Gerichtssälen, wo die eingegangenen Beschwerden gegen die erteilte
          Umweltverträglichkeitsprüfung behandelt werden. Das einzige Stimmvolk, das sich zumindest indirekt in
          einer demokratischen Abstimmung zum Kohlekraftwerk in Saline Joniche äussern darf, lebt kurioserweise
          knapp 1400 Kilometer weiter nördlich: in Graubünden.

          Datum: 30.10.2012 00:00

          Quelle: Südostschweiz Ausgabe Graubünden

          Ressort: Region

          Webcode: 2706306

          Quellen-URL: http://www.suedostschweiz.ch/zeitung/wenn-ihr-mir-keine-arbeit-gebt-hole-ich-das-
          gewehr-und-erschiesse-euch




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Cosa pensa Repower dei calabresi e la centrale a carbone

  • 1. «Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch» http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306 Veröffentlicht auf suedostschweiz.ch (http://www.suedostschweiz.ch) «Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch» Kalabrien will Arbeitsplätze und wirtschaftlichen Aufschwung. Repower stellt beides in Aussicht. Der Preis dafür – ein Kohlekraftwerk an der Küste von Saline Joniche – ist aber vielen zu hoch. Die Geschichte einer schwierigen Beziehung. Von Stefan Bisculm (Text und Bilder) Saline Joniche. – Diese Sandbank gibt Rätsel auf. Sie liegt vor Saline Joniche und versperrt den Zugang zu einem Hafen. Kein Schiff kann raus, keines kommt rein. Die Hafenanlage an der Küste Kalabriens wurde einst gebaut, um die wirtschaftlich rückständige Region im Süden Italiens voranzubringen. Doch der Plan ging nicht auf. Die Verantwortlichen hatten die lokalen Meeresströmungen nicht berücksichtigt, die hier den Sand im ewigen Naturkreislauf vor dem Hafenzugang abladen. Eine andere ökonomische Totgeburt befindet sich gleich dahinter. Die rostigen Überbleibsel der in den Siebzigerjahren mit Unmengen von Staatsgeldern gebauten Chemiefabrik Liquichimica. Sie hätte tierische Protein-Nahrung produzieren sollen, wurde aber vom Umweltministerium einen Tag nach der Eröffnung wieder geschlossen, weil die von ihr hergestellten Stoffe krebserregende Elemente enthielten. «Das ist typisch für Kalabrien», erklärt Fabio Bocchiola, Chef von Repower Italien. «Zuerst wird etwas ohne Kontext zum Ort gebaut, und wenn es fertig ist, verlieren alle das Interesse. Repower macht es anders. Wir kommen, um zu bleiben.» Trotz dieser Ankündigung ist auch Bocchiola in Kalabrien nicht sehr beliebt. Unberechenbare Demokratie Repower Italien, der italienische Ableger des gleichnamigen Bündner Energieunternehmens, will in Kalabrien für über eine Milliarde Euro ein Kohlekraftwerk bauen (siehe Kasten). Als das Projekt – das unter anderem auch den Neubau des Hafens beinhalten würde – vor fünf Jahren bekannt wurde, löste das in Kalabrien einen Sturm der Entrüstung aus. Das Gleiche passierte in Graubünden: Umweltschützer lancierten eine Initiative, die vom Kanton verlangt, allen Firmen, an denen er beteiligt ist, Investitionen in Kohle zu verbieten. Der Kanton Graubünden hält 46 Prozent an Repower. Ein Ja zur Kohle-Initiative würde die Investitionspläne von Repower an der Fussspitze des italienischen Stiefels mit einem Schlag zunichtemachen. Die Botschaft der Regierung zur Kohle-Initiative wird heute Dienstag erwartet, der Abstimmungstermin ist für September 2013 geplant. Für Repower steht viel auf dem Spiel. Im norddeutschen Brunsbüttel musste das Unternehmen bereits zu Beginn dieses Jahres ein milliardenschweres Kohlekraftwerkprojekt aufgeben. Das vorzeitige Scheitern eines weiteren Grossprojekts würde das Vertrauen in die Repower-Führungsspitze wohl nachhaltig schädigen. Der bevorstehende Abstimmungskampf zur Kohle-Initiative dürfte deshalb mit ein Grund gewesen sein, weshalb Repower kürzlich verschiedene Bündner Medien zu einer Arbeitsreise quer durch Italien zu verschiedenen wichtigen Projektstandorten eingeladen hat. Neben Bocchiola nahmen an der Reise auch Konzernchef Kurt Bobst und verschiedene Direktoren von Repower Italien teil. Die «Südostschweiz» nahm die Einladung von Repower an, bezahlte aber Flüge und Unterkunft selber. 1 di 4 19/12/2012 10.48
  • 2. «Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch» http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306 «Wenn ihr kommt, wird alles nur noch schlimmer» Eine offensive Kommunikationsstrategie ist auch in Kalabrien von Repower gefragt. In einer Region, wo die Arbeitslosenquote bei knapp 30 Prozent liegt, müsste ein Investor vom Kaliber Repowers eigentlich als Heilsbringer verehrt werden. Doch die Realität ist eine andere. «Hier sind fast alle gegen das Kohlekraftwerkprojekt», erklärt ein arbeitsloser Jugendlicher, der am Ende der Mole im «Hafen» von Saline Joniche zusammen mit Freunden fischt. Als die Repower-Delegation auf ihrer Arbeitsreise an ihrem Fischerplatz auftaucht, versucht der junge Mann, ihnen das Projekt auszureden. Als Grund für seine Ablehnung nennt er die sieben Millionen Tonnen CO2, die das Kraftwerk jährlich ausstossen würde. «Schon heute sterben hier in der Gegend die Menschen wie die Fliegen an Krebs. Wenn ihr kommt, wird alles nur noch schlimmer.» Trotz seiner Bedenken würde der junge Mann aber am Aufbau der Anlage bedenkenlos mithelfen. «Und wenn ihr mir keine Arbeit gebt, dann hole ich das Gewehr und erschiesse euch.» Er lächelt nicht bei diesen Worten. Bocchiola hört die drohenden Abschiedsworte des jungen Mannes bereits nicht mehr. Schon lange vorher hat er sich entnervt abgewendet. «Ich kann das Gerede nicht mehr hören. Es nützt nichts, wenn man ihnen erklärt, dass CO2 für den Menschen ungiftig ist, sie hören nicht zu», sagt der italienische Repower-Chef. Die Beziehung zwischen Bocchiola und den Kalabresen ist schwierig. Wenn er über sie spricht, fällt oft das Wort «ungebildet». Ihr tiefes Bildungsniveau, so glaubt er, würde den Umweltschützern in die Hände spielen, welche die diffusen Ängste bewusst schürten. Bocchiola ist unumstösslich in seiner Überzeugung, dass ein modernes Kohlekraftwerk, wie es Repower in Kalabrien plant, keinerlei gesundheitliche Risiken für die Bevölkerung darstellt. «Wenn unser Kohlekraftwerk Kinder krank machen würde, müssten sie jemand anderen suchen, der es baut.» Richtig sei, dass das Kraftwerk Arbeitsplätze schaffe und wirtschaftliche Impulse für die Region bringe. Dass ihm seine guten Absichten in Kalabrien aber kaum jemand abnimmt und er stattdessen überall, wo er öffentlich spricht, vor allem Misstrauen erntet, verletzt einen Mann wie Bocchiola persönlich. Eine solch offene Ablehnung ist der blauäugige Hüne mit dem Kirk-Douglas-Kinn nicht gewohnt. Wenn der 48-Jährige an einem Tresen einen Kaffee bezahlt, bleibt auf dem Gesicht der Barista für gewöhnlich ein Lächeln zurück, und bei grossen Tafelrunden ist die Stimmung immer dort am besten, wo er Platz genommen hat. Bocchiola ist für die Bündner Strombarone bei ihrer Expansionsstrategie in Italien ein Glücksgriff. Der ausgebildete Konzertpianist und Ökonom wurde vor zehn Jahren damit betraut, im liberalisierten Strommarkt Italiens einen Ableger für die damalige Rätia Energie aufzubauen. Heute sind in der Zentrale in Mailand 170 Mitarbeiter beschäftigt. Hinzu kommen nochmals 400 nicht fest angestellte Verkäufer im Aussendienst, die Strom an rund sieben Prozent aller KMU in Italien verkaufen. Von den insgesamt 2,5 Milliarden Franken Umsatz, die Repower im Jahr macht, fällt eine Milliarde in Italien an. Viel lieber als in Kalabrien hält sich Bocchiola derzeit in Kampanien auf. Im Provinzhauptstädtchen Benevento ist die Konzernspitze gern gesehen. «Ich hoffe, dass sie ihr Projekt so schnell wie möglich realisiert», erklärt der Präsident der Provinz bei einem Besuch im Rathaus. Das Energieunternehmen plant in der Nähe von Benevento, in Campolattaro, ein Pumpspeicherkraftwerk für rund 600 Millionen Euro. Als unterer Speicher ist ein Staubecken vorgesehen, dessen Damm in den Achtzigerjahren für die Landwirtschaft mit Geldern aus Rom gebaut wurde. Bis heute wurde mithilfe des Stausees aber noch nie ein Feld bewässert. Der Damm hat derzeit auch sonst keine Funktion, er ist bloss ein Mahnmal für eine scheinbar planlose staatliche Wirtschaftsförderung. In einem Jahr hofft Repower, alle Bewilligungen für das Pumpspeicherkraftwerk in der Tasche zu haben. Gegen das Projekt gab es lange keine Opposition, bis kürzlich eine kleine Umweltschutzorganisation wegen der Gefahr von Erdbeben Bedenken anmeldete. Insgesamt ist der Protest aber ein laues Lüftchen verglichen mit dem Sturm in Kalabrien. Windräder auf jedem Acker Eineinhalb Autostunden östlich von Benevento hat Repower im Sommer in Lucera einen Windpark mit 13 Windrädern fertiggestellt. Auf der Fahrt in das apulische Örtchen passiert man unzählige Windparks. Die 2 di 4 19/12/2012 10.48
  • 3. «Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch» http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306 Riesen aus Stahl stehen auf nahezu jedem Grat und auf jedem Acker. Apulien – bekannt als Kornkammer Italiens – ist aufgrund günstiger Windbedingungen heute in Italien die Region mit den meisten Windrädern. Und noch immer kommen Energieunternehmen von überall her, um noch mehr Windriesen aufzustellen. Repower plant in Lucera ebenfalls 15 weiter Windräder. Weil neben der Windenergie in Italien auch das Geschäft mit den Sonnenkollektoren überall sichtbar boomt, setzt Repower grosse Hoffnungen in das Pumpspeicherkraftwerk in Campolattaro. Repower geht mit vielen Experten einig, die glauben, dass die Energiewende ohne Pumpspeicherkraftwerke nicht zu schaffen sein wird. Als Speicher für die schubweise anfallende Wind- und Sonnenenergie scheinen sie unverzichtbar. Billiger Strom dank Kohle Repower-Chef Bobst steht in seinen schwarzledernen Halbschuhen auf einem Acker bei Lucera und schaut hoch zum nigelnagelneuen Repower-Windturm Nummer 14, dessen Propeller sich langsam und wuchtig im Wind dreht. «Ich bin ein grosser Fan von Windenergie», sagt er. «Die Anlagen brauchen verhältnismässig wenig Platz, und die Energie ist zu 100 Prozent erneuerbar.» Trotz des Hohelieds auf die erneuerbare Windenergie steht Bobst zu seinem Kohlekraftwerkprojekt in Saline Joniche. Einen Widerspruch sieht er darin nicht. «Wir brauchen nochmals eine Generation konventioneller Kraftwerkanlagen, um die Energiewende zu schaffen», ist Bobst überzeugt. Umweltschützer bringt der Repower-Chef mit solchen Aussagen auf die Palme, doch die italienische Regierung scheint seine Einschätzung zu teilen. Sie unterstützt das Kohlekraftwerkprojekt von Repower und hat erst kürzlich dessen Umweltverträglichkeit bestätigt. Rom hat aber auch wirtschaftliche Interessen. Mit dem Kohlekraftwerkprojekt in Kalabrien soll die Abhängigkeit Italiens von Gaskraftwerken – und damit auch von den ausländischen Gaslieferanten – gemildert werden. Für die Versorgungssicherheit bräuchte Italien keine neuen Kraftwerke. Schon heute liegt die installierte Leistung aller Kraftwerke auf italienischem Boden weit über der maximalen Nachfrage. Italien könnte demnach auf das CO2-intensive Kohlekraftwerk verzichten, ohne befürchten zu müssen, dass im Land bald die Lichter ausgehen. Bocchiola lässt dies als Argument gegen sein Projekt aber nicht gelten. «Der Mensch braucht überhaupt keinen Strom. Was er braucht, ist billiger und bezahlbarer Strom.» Bocchiola macht keinen Hehl daraus, dass es beim Kohlekraftwerkprojekt in erster Linie darum geht, Repower im hart umkämpften italienischen Markt besser zu positionieren, um den Kunden günstigeren Strom anbieten zu können als die Konkurrenz. Die Stromproduktion mit Kohle – auch wenn diese vielfach aus Übersee kommt – ist kostet weniger als mit Gas. Von Wind und Sonne gar nicht zu sprechen. «Wenn ich in diesem Marktumfeld nicht bereit bin, über Kohle nachzudenken, muss ich diesen Job nicht machen», sagt Bocchiola. Er denkt als Unternehmer, daneben versteht sich der ausgebildete Musiker aber auch als Ästhet. Er spricht viel darüber, dass die Kraftwerkprojekte von Repower optimal in die jeweilige Umgebung eingepasst werden müssten. Als leuchtendes Vorbild dient ihm die Kraftwerkzentrale Palü bei Pontresina. Um Ähnliches in Italien zu schaffen, arbeitet Repower Italien eng mit Italo Rota zusammen. Den Architekten mit dem ungestümen Rauschebart würde man von seinem Äusseren her eher auf einem Liegevelo an einer Antikohledemo erwarten als im Boot des bei Umweltschützern umstrittenen Bündner Energiekonzerns. Rota hat auch die Pläne für das Kohlekraftwerk in Saline Joniche entworfen. Diese sehen eine Anlage mit begrünten Dächern und von Pflanzen überwucherten Pergolas vor. Wer das Promotionsvideo nur flüchtig anschaut, könnte fast den Eindruck gewinnen, hier werde ein grüner Freizeitpark gebaut. Mit zeitgenössischer Architektur und ökologischen Ersatzmassnahmen möchte Repower die Akzeptanz für seine Projekte bei der Bevölkerung erhöhen. Was in Benevento gut funktioniert, harzt in Saline Joniche gehörig. Das Provinzparlament hat den Bau des Kohlekraftwerks wiederholt einstimmig abgelehnt, und bei einer in diesem Jahr durchgeführten Umfrage des WWF Graubünden sprachen sich 61 Prozent der Kalabresen gegen das Projekt aus. Vor fünf Jahren wäre die Ablehnung wahrscheinlich noch klarer gewesen. Italienische Umweltschützer und die Repower-Führungsriege stellen einhellig fest, dass 3 di 4 19/12/2012 10.48
  • 4. «Wenn ihr mir keine Arbeit gebt, hole ich das Gewehr und erschiesse euch» http://www.suedostschweiz.ch/print/2706306 der Widerstand bröckelt. Viele Gespräche in kleinen Gruppen, Inserate in Zeitungen und die in Aussicht gestellten Kompensationszahlungen zeigen offenbar langsam Wirkung. Repower macht ein Angebot, das niemand will Repower macht den Menschen in Kalabrien mit dem Kohlekraftwerk ein Angebot. Eines, das keine Region der Welt leichten Herzens annehmen würde. Die Einwohner rund um Saline Joniche wissen jedoch genau, was die wahrscheinlichste Alternative zum Kohlekraftwerk ist: nichts. Die Industrieruinen der Liquichimica würden wohl einfach nochmals 40 Jahre vor sich hinrosten. Die Idee einiger Kohlegegner, Touristen in diese Gegend zu locken, erscheint utopisch. Der Tourismus hat hier keine Tradition, und die entsprechende Infrastruktur fehlt vollständig. Ausserdem scheuen private Investoren das Mafialand wie ein Gault-Millau-Testesser den Besuch bei McDonald’s. Kalabrien – bella Italia bestenfalls für Abenteurer. Von einem fairen Angebot für die Bevölkerung Kalabriens kann allerdings nicht gesprochen werden. Denn die Entscheidung, ob das Kohlekraftwerk gebaut wird, fällt nicht an der lokalen Urne, sondern in Rom und in den Gerichtssälen, wo die eingegangenen Beschwerden gegen die erteilte Umweltverträglichkeitsprüfung behandelt werden. Das einzige Stimmvolk, das sich zumindest indirekt in einer demokratischen Abstimmung zum Kohlekraftwerk in Saline Joniche äussern darf, lebt kurioserweise knapp 1400 Kilometer weiter nördlich: in Graubünden. Datum: 30.10.2012 00:00 Quelle: Südostschweiz Ausgabe Graubünden Ressort: Region Webcode: 2706306 Quellen-URL: http://www.suedostschweiz.ch/zeitung/wenn-ihr-mir-keine-arbeit-gebt-hole-ich-das- gewehr-und-erschiesse-euch 4 di 4 19/12/2012 10.48