3. Voraussetzungen am Standort Neustadt-Glewe
Deutschland:
Temperaturen zwischen 40 und
190°C in 1.000 bis 5.000 m Tiefe
Neustadt-Glewe:
in 2.000 m Tiefe 90-100°C
Poren-Sandsteinspeicher mit
großem Thermalwasservorkommen
hoher Eisen- und Salzgehalt
(80 – 350 g/l)
4. Heizwerk Neustadt-Glewe
seit 1994 Heizwerk
Förderbohrung: 2250 m
Injektionsbohrung: 2335 m
Abstand: 1,78 km
Temperatur des
Thermalwassers: 97°C
Pth = 3 MWth
Wth = 16.000 MWh/a
Fernwärme an:
Wohngebiet
kleinere Gewerbekunden
Lederwerk
5. Projekt Erdwärme-Kraftwerk Neustadt-Glewe
außerhalb der Heizzeit
liegt Heizwärmebedarf
deutlich unter der ver-fügbaren
Wärmeleistung
bis 2003:
Absenkung der Förderrate
ABER:
ungenutzte thermische
Leistung
durch Absinken der Förderrate Druckminderung
Ausgasen von Stickstoff, Kohlendioxid, Methan
Ergänzung des Heizwerks um einen Kraftwerksblock
6. Projekt Erdwärme-Kraftwerk Neustadt-Glewe
schon früher Pläne für Erweiterung
aber Realisierung durch hohe Anlagenkosten unwirtschaftlich
ab 2000: Aufnahme der Geothermie in das EEG:
Einspeisevergütung: 8,95 ct/kWh
Förderung als Pilotprojekt durch das Bundesministerium für Umwelt,
Naturschutz und Reaktorsicherheit
Budget insgesamt: 800.000 €
Gesellschafter der Erdwärme-Kraft-GbR:
Vattenfall Europe, Berlin (94,26 %)
WEMAG AG, Schwerin (5,74 %)
Konzept:
wärmegeführtes Heizkraftwerk (Vorrang der Wärmeversorgung)
7. Kraftwerkstechnik - Prozesstypen -
Direkte Nutzung des Fluides
Anwendung bei hydrothermalen Heiß- und Trockendampfvorkommen
> 150°C (Hochenthalpie-Lagerstätten)
direkte Nutzung des Dampfes aus dem Erdinnern, der an der Turbine
entspannt wird
offener Prozess (vgl. offener Gasturbinenprozess)
Beispiel Larderello, Italien
Binary Systems
Anlagen mit Sekundärkreislauf, Übertragung über Wärmetauscher
Anwendung bei:
keine ausreichende Temperatur oder Druck zur Dampferzeugung
hohe Menge nichtkondensierbarer Gase
(komplexe technische Lösungen erforderlich)
aggressives Thermalfluid (Minerale, Schwefelwasserstoff)
Kreisprozess (vgl. Clausius-Rankine-Prozess) ORC, Kalina
8. Kraftwerkstechnik - KWK -
Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) in der Geothermie
Konventionelle KWK:
Nutzwärme für Heiznetz aus Abwärmestrom einer Wärmekraftmaschine
(Kondensator)
damit immer gleichzeitige Erzeugung von elektrischer Energie und Wärme
Geothermische KWK:
Gleichzeitigkeit nicht immer gegeben
Abwärme am Kondensator bei vergleichsweise niedriger Temperatur
höheres Temperaturniveau des Thermalwassers am Kraftwerksaustritt
Nutzung des Thermalwassers zur Wärmeversorgung
Kombination von Kraftwerk und Heizwerk, die dieselbe Primär-energiequelle
nutzen
Verschiedene Verschaltungsmöglichkeiten (Vorrang Wärmeversorgung)
9. Kraftwerkstechnik - Reihenschaltung von KW und HW -
Thermalwasser durchfließt zuerst KW und dann HW
Bedingungen: THW,in ≥ THeiz,Vorlauf THW,out ≥ THeiz,Rücklauf
THW,in = Tb,in – ΔTKW ≥ THeiz,Vorlauf
Reihenschaltung: Wenn Eintrittstemperatur so hoch ist, dass
trotz der Abkühlbegrenzung eine ausreichende Kraftwerks- leistung
zur Verfügung steht
10. Kraftwerkstechnik - Parallelschaltung von KW und HW -
Thermalwasser wird auf KW
und HW aufgeteilt
Auskühlungen ΔTKW und ΔTHW
unabhängig voneinander
Bedingungen:
Tb,in - ΔTHW ≥ THeiz,Rücklauf
gleiche Randbedingungen,
aber kleinerer Massenstrom:
ηth,Parallel < ηth,Reihe
Parallelschaltung: Wenn Thermalwassertemperatur gerade zur Versorgung des Nahwärmenetzes
ausreicht
11. Kraftwerkstechnik - Verschaltung in Neustadt-Glewe -
modifizierte Parallelschaltung
(Kostengründe)
Teilstrom des gesamten
Massenstroms durch KW,
anschließend Zusammen-führung
gesamter Massenstrom
für HW bei Misch-temperatur
Tm
Bedingung: Tm ≥ THeiz,Vorlauf
Reihenschaltung:
wenn Tout,KW = THeiz,Vorlauf
13. Kraftwerkstechnik - Organic Rankine Cycle -
Entscheidender Unterschied zum klassischen Dampfkraftprozess:
Druck und Temperatur
Nutzung von Wasser als Sekundärfluid nicht möglich
Organische Arbeitsmittel
Optimale Anpassung der thermo-dynamischen
Eigenschaften an
die vorhandene Wärmequelle
kurzkettige Kohlenwasserstoffe
Perfluorpentan
synthetische Arbeitsmittel
auf Silikonbasis
14. Kraftwerkstechnik - Organic Rankine Cycle -
Technische Besonderheiten:
Turbinen meist als Sonderanfertigungen
(Unterschiede zu Wasser: Molekulargewicht, spezifische Wärmekapazität)
oft aggressive Arbeitsmittel, daher Beschichtung/Korrosionsschutz von
Turbine, Leitungen und Wärmeübertragern
aufwendige Dichtung der Kreisläufe, teilweise schwer realisierbar
durch vergleichsweise hohe Volumina sind größere Querschnittsflächen an
allen Anlagenteilen erforderlich
Anwendungen:
bei geringem Gefälle zwischen Wärmequelle und Wärmesenke
Geothermie, KWK, solarthermische Kraftwerke, Meereswärmekraftwerke
Installationen weltweit seit mehr als 25 Jahren
Leistungsbereiche: kW-Bereich bis > 5 MW
16. Kraftwerkstechnik - Kalina-Prozess -
Unterschied zum ORC: Verwendung eines Zweistoffgemischs
(Ammoniak-Wasser)
über das Verhältnis Ammoniak – Wasser optimale Anpassung des
Arbeitsmediums an die thermodynamischen Eigenschaften der
Wärmequelle
Vorteile des Kalina-Prozesses:
nicht-isotherme Verdampfung bzw.
Kondensation, dadurch Annäherung
an die Ideallinie der Wärmequelle
und -senke geringere Verluste
Anhebung der mittleren Temperatur der
Verdampfung und Absenkung der mittleren
Temperatur der Kondensation
Verbesserung des thermischen
Wirkungsgrades
17. Kraftwerkstechnik - Kalina-Prozess -
Technische Vor- und Nachteile:
kostengünstiges und umweltfreundliches Arbeitsmedium
große Wärmeübertragerflächen notwendig
Zersetzung des Ammoniaks erfordert erheblichen Aufwand zum
Ausschleusen der Zersetzungsprodukte
Korrosion durch Ammoniak
Separator und Absorber bedeuten zusätzliche Komplexität des
Kreisprozesses
Anwendungen:
weltweit sehr wenige Anwendungen in Kalifornien, Japan, Island
Leistungsbereich: 2 bis 6 MW
Projekte in Deutschland:
Unterhaching
Offenbach
18. Kraftwerkstechnik - Neustadt-Glewe -
Wahl des Kraftwerksprozesses:
strikte Begrenzung der Investitionskosten
Technik, die bei akzeptablem Investitionsaufwand optimale
Stromausbeute garantiert
preiswerte einstufige Turbine ohne Getriebe
Thermalwassertemperatur von max. 98°C
Arbeitsmedium mit Siedepunkt weit unter dieser Temperatur:
Perfluorpentan (C5F12)
durch hohes Molekülgewicht günstig für zweipoligen Generator bzw. 50 Hz
Netzfrequenz (Drehzahl begrenzt auf 3000 U/min)
deutlich günstiger als Zweistoffgemisch für Kalina-Prozess
niedriger Gefrierpunkt, daher keine Einfrierproblematik
19. Kraftwerkstechnik - Neustadt-Glewe -
ORC-Anlage mit zweipoligem
Synchrongenerator
PN = 230 kW
Einspeisung ins 20-kV-Netz
zwei Kühltürme zur
Kondensation
Förderung des Kühlwassers
aus einem 100 m tiefen
Brunnen (4-5 m³/h)
Stromerzeugung pro Jahr:
1.400 – 1.600 MWh/a
(Jahresstrombedarf von ca.
500 Haushalten)
20. Neustadt-Glewe - Fazit -
als Pilotanlage wichtiger Meilenstein in der geothermischen
Technologieentwicklung in Deutschland
erstmals Belegung theoretischer Berechnungen mit realen
Kraftwerksdaten
kein Prototyp für geothermische Grundlasterzeugung in
Großkraftwerken
aber Demonstration, dass auch Erdwärme mit geringem Energiegehalt
für die Stromerzeugung nutzbar ist
21. Quellen
BINE Informationsdienst: Geothermische Stromerzeugung in Neustadt-
Glewe. 2003
Broßmann, E. et al.: Technisches Konzept des geothermischen
Kraftwerks Neustadt-Glewe.
Erdwärme-Kraft GbR: http://www.erdwaerme-kraft.de/
Köhler, S.: Analysis of the Combined Heat and Power Plant Neustadt-
Glewe. 2005
Köhler, S.: Geothermisch angetriebene Dampfkraftprozesse: Analyse
und Prozessvergleich binärer Kraftwerke. 2005
Köhler, S., Saadat, A.: Möglichkeiten und Perspektiven der
geothermischen Stromerzeugung. 2000
Piacentini, A.: ORC-Prozess vs. Kalina-Prozess – Wirkungsgrad,
Aufwand, Kosten, Nutzen. 2005
Wasser zirkuliert zwischen gesteinsbildenden Körnern, Strömungsquerschnitte: mm² bis cm²
Norddeutschland: hoher Salzgehalt, Süddeutschland: Trinkwasserqualität
Meerwasser: ~35 g Salz/l
Thermalwasser steigt auf Grund des Überdrucks in der Erde bis ca. 100m unter die Erdoberfläche; Pumpe in 260m Tiefe fördert das Wasser nach oben
Fördermenge: ~110 m³/h
T bei Reinjizierung: 50°C
90 – 95% des Wärmebedarfs geothermisch gedeckt, der Rest über Spitzenlast-Gaskessel
Beispiel für diese Verschaltung:
Husavik / Island:Thermalwasser wird in KW von 121°C auf 80 °C abgekühlt und dann im Nahwärmenetz des Ortes genutzt
Q_punkt=m_punkt*c_p*(T_in-T_out)
m sinkt T_out sinkt größeres delta_T sinkende mittlere Temperatur der Wärmezufuhr sinkender Wirkungsgrad
Stellgröße zur Regelung: Massenstrom
gut geeignet, um im Sommer überschüssige Wärme zur Stromerzeugung zu nutzen
Bereitstellung von el. Energie und Wärme also nicht unbedingt gleichzeitig
Beispiel:
Altheim / Österreich:100 l/s Thermalwasser mit 106°C
echte Parallelschaltung:
Abstand Förderbohrung und HW: 500m, KW direkt an der Förderbohrung zusätzlicher Leitungsaufwand
m_punkt_KW durch KW Abkühlung um delta_T_KW Zusammenführung mit noch nicht abgekühltem Massenstrom
Prinzip wie bei Clausius-Rankine
Thermalwasser gibt Wärme über Verdampfer und Vorwärmer an Arbeitsmittel ab und wird reinjiziert
Vorerwärmung, Verdampfung, Überhitzung des Arbeitsmittels
Entspannung in der Turbine Generator
Kondensation
Druckerhöhung
T,s-Diagramm:
Wasser:Entspannung an der Turbine über die Taulinie ins Nassdampfgebiet
organische Arbeitsmittel:Entspannung außerhalb des Nassdampfgebietes, Überhitzung nimmt zu Abdampf am Turbinenaustritt überhitzt, muss zunächst isobar abgeführt werden, erst dann Kondensation
Erhöhung des th. Wirkungsgrades durch:
Anheben des oberen Prozessdrucks
Absenken des unteren Prozessdrucks
Überhitzung des Frischdampfs
regenerative Speisewasservorwärmung
Wahl des Arbeitsmittels
Turbinen: Arbeitsmittel unterscheiden sich stark von Wasser
Erdwärme wird auf die in den Rekuperatoren vorerwärmte Grundlösung übertragen
Abscheider: ammoniakreicher Dampf und ammoniakarme Lösung werden getrennt
a) ammoniakarme Lösung direkt in HT-Rekuperator Vorwärmung der Grundlösungb) Dampf entspannt in der Turbine
Stoffströme in Mischer zusammengeführt Wärmeabfuhr (Teil in NT-Rekuperator)
kein fester Siedepunkt
Siedepunkt C5F12: 31°C
hohes Molekülgewicht hohe Bewegungsenergie der Moleküle