3. Entwicklung für Mädchen –
Mädchen für Entwicklung
Eine Untersuchung des
deutschen entwicklungspolitischen
Engagements für Mädchen
Vorgelegt von SEEK Development im November 2011
im Auftrag der Stiftung Weltbevölkerung
Autorinnen: Katrin Erlingsen | Sabine Campe | Christina Schrade
5. 3
Abkürzungsverzeichnis
BEDP Basic Education Development Project
BMZ Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
CCT Conditional Cash Transfers
CEDAW Convention on the Elimination of Discrimination against Women
DAC Development Assistance Committee, Entwicklungsausschuss der OECD
FGM Female Genital Mutilation
FGM/C Female Genital Mutilation/Cutting
GIZ Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH
GTZ Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit GmbH
ILO International Labour Organization
InWent Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH
IPEC International Programme on the Elimination of Child Labour
IPPF International Planned Parenthood Federation
KfW Kreditanstalt für Wiederaufbau
MDG Millennium Development Goals
MENA Middle East and North Africa
NRO Nichtregierungsorganisationen
ODA Official Development Assistance
OECD Organisation for Economic Co-operation and Development
RENATA National Network of Aunties’ Associations
SRGR Sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte
SV Sektorvorhaben
UNAGTF UN Adolescent Girls Task Force
UNESCO United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
UNFPA United Nations Population Fund
UNICEF United Nations Children’s Fund
UNIFEM United Nations Development Fund for Women
UN Women United Nations Entity for Gender Equality and the Empowerment of Women
WHO World Health Organization
6. 4
Inhalt
Zusammenfassung 5
1. Einführung 6
2. Ziele der Studie 10
3. Methodisches Vorgehen 11
4. apping deutscher Aktivitäten
M 12
4.1 Strategische Prioritäten der deutschen Mädchenförderung 14
4.2 Akteure und Zusammenarbeit im Bereich der Mädchenförderung 14
4.3 Umfang und Fokus der bilateralen deutschen Mädchenförderung 15
4.3.1 Annäherung an das Gesamtvolumen der Projekte zur Mädchenförderung 16
4.3.2 Analyse der Projekte und Programme im Bereich Mädchenförderung 20
4.4 Multilaterales Engagement Deutschlands für die Mädchenförderung 27
4.5 Analyseergebnisse auf einen Blick 28
5. mpfehlungen für die Weiterentwicklung und Stärkung des
E 29
deutschen Engagements in der Mädchenförderung
Anhang: Methode zur Analyse Mikrodatensatz OECD 31
Endnoten 32
7. 5
Zusammenfassung
In den letzten Jahren haben Mädchen im globalen entwicklungspolitischen
D
iskurs an Bedeutung gewonnen. Dies ist sehr zu begrüßen, denn die besondere
Situation von Mädchen, ihre Bedürfnisse und ihre Verletzbarkeit, aber auch die
Förderung ihrer Potenziale, bedürfen besonderer Ansätze.
Die vorliegende Studie untersucht das deutsche Engagement für Mädchen, elche
w
als weibliche Kinder unter 18 Jahren definiert werden. Zentrale Fragen sind dabei,
welche Rolle die Mädchenförderung in Deutschlands entwicklungspolitischen
Strategien, der bilateralen Zusammenarbeit und im deutschen Engagement auf
internationaler Ebene spielt und wer für die Mädchenförderung zuständig ist.
Abschließend werden Empfehlungen formuliert, die darauf abzielen, das deutsche
Engagement in der Mädchenförderung auf drei Ebenen zu stärken.
Auf der Ebene der politischen Strategien lässt sich festhalten, dass es in der
d
eutschen Entwicklungszusammenarbeit keine umfassende Strategie zur Mädchen-
förderung gibt. Auch die sektorspezifischen Strategien des Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) legen keinen Fokus
auf Mädchen. Die Strategiepapiere in den Sektoren Rechte, Bildung und Gesund-
heit weisen nur wenige explizite Bezüge zu den besonderen Bedürfnissen von
Mädchen auf.
Ein Blick auf die Akteursebene zeigt, dass es keine klare institutionelle Verankerung
für das Thema Mädchenförderung in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit
gibt. Das BMZ-Referat 204 (Menschenrechte, Gleichberechtigung der Geschlechter,
Kultur und Entwicklung) spielt jedoch eine entscheidende Rolle, die weiter aus
gebaut werden könnte.
Auch wenn es keine klare Strategie und Federführung für die Mädchenförderung
gibt, finden sich auf der Projektebene zahlreiche Projekte, die einen besonderen
Fokus auf Mädchen legen. Die eingesetzten finanziellen Mittel und die Anzahl
der Projekte steigen. Ein regionaler Fokus auf Afrika wird ebenso deutlich wie ein
s
ektoraler Fokus auf den Bildungsbereich.
Basierend auf diesen Erkenntnissen empfiehlt die Studie, Mädchen in den ent-
wicklungspolitischen Sektorstrategien stärker als Zielgruppe zu berücksichtigen
und das BMZ-Referat für Gleichberechtigung und Menschenrechte verstärkt mit
der Federführung für die Mädchenförderung zu betrauen, um ein Mainstreaming
voranzutreiben. Darüber hinaus sollten altersspezifische Aspekte stärker im
P
rojektzyklus berücksichtigt und Deutschlands Engagement in der Grund- und
Sekundarbildung ausgebaut werden. Schließlich empfiehlt die Studie, vermehrt
sektorübergreifende Projekte durchzuführen und die Datenlage zur Mädchen
förderung zu verbessern.
8. 6
1 Einführung
In den vergangenen Jahren haben Mädchen 1 im globalen entwicklungspolitischen
Diskurs an Bedeutung gewonnen. Zahlreiche multilaterale Organisationen
haben sich in jüngster Zeit dem Thema Mädchen gewidmet. So hat etwa die Welt-
gesundheitsorganisation (WHO) 2009 einen Bericht zu Frauen und Gesundheit
vorgelegt, der in mehreren Kapiteln auf die Gesundheitssituation von Mädchen
eingeht. 2 Die Global Partnership for Education (früher bekannt als Education for
All – Fast Track Initiative) überprüfte in ihrem 2011 veröffentlichten Bericht „Fast
Tracking Girls’ Education“ 3, welche Fortschritte beim Zugang zu Bildung von
Mädchen erreicht werden konnten. Darüber hinaus ist Gender das Thema des
Weltentwicklungsberichts 2012 der Weltbank 4, in dem auch Mädchen eine
w
ichtige Rolle spielen. Im Jahr 2007 gründeten die UN-Organisationen ILO,
U
NICEF, UNFPA, UNESCO, UNIFEM und WHO zudem die UN Adolescent Girls
Task Force (UNAGTF) 5, um ihre Arbeit zu Mädchen besser zu koordinieren und
mehr zur Umsetzung der Menschenrechte von Mädchen beizutragen.
Mädchen und die Millennium- Darüber hinaus haben drei MDGs einen Bezug zur
Gesundheit von Mädchen, auch wenn diese nicht
Entwicklungsziele explizit in den Zielvorgaben genannt werden:
Von den acht im Jahr 2000 verabschiedeten
MDG 4 fordert, dass die Sterblichkeitsrate bei Kindern
Millen ium-Entwicklungszielen (MDG) der Vereinten
n
unter fünf Jahren bis 2015 um zwei Drittel sinkt,
N
ationen – seither der zentrale Referenzrahmen
Mädchen eingeschlossen. Die Kindersterblichkeit ist
e
ntwicklungspolitischen Handelns – beinhalten zwei
zwischen 1990 und 2009 von 88 auf 57 Kinder pro
Zielvorgaben, die sich auf die ildung von Mädchen
B
Tausend lebendgeborene Kinder zurückgegangen 13,
beziehen: 6 So soll bis zum Jahr 2015 sichergestellt
aber noch immer sind erhebliche Anstrengungen
werden, dass weltweit alle Kinder, Jungen wie
notwendig, um MDG 4 bis 2015 zu erreichen. 14
M
ädchen, eine Primarschulbildung vollständig
Es gibt allerdings keine statistischen Belege dafür,
abschließen können (MDG 2) und das Geschlechter-
dass Mädchen unter fünf Jahren aufgrund ihres
gefälle in der Grund- und Sekundarschulbildung bis
Geschlechts einen schlechteren Gesundheitszustand
2005 und in weiterführenden Bildungs benen bis
e
haben als Jungen, eher das Gegenteil ist der Fall. 15, 16
spätestens 2015 beseitigt wird (MDG 3). 7
Auch das MDG 5, nach dem die Müttergesundheit
Zwar gibt es gerade beim Zugang zu Grundbildung
und der Zugang zu reproduktiver Gesundheit ver-
große Fortschritte. Die Einschulungsraten in
bessert werden sollen, hat einen Bezug zu Mädchen.
E
ntwicklungsländern sind im Durchschnitt von
Einer der Indikatoren ist die sinkende Geburtenrate
82 Prozent im Jahr 1999 auf 89 Prozent im Jahr 2009
bei Jugendlichen. 2008 bekamen noch immer
gestiegen. 8 Der Anteil der Mädchen an den Kindern,
14,3 Millionen Mädchen zwischen 15 und 19 Jahren
die nicht zur Schule gehen, ist zwischen 1999 und
in Entwicklungsländern ein Kind. 17 Komplikationen
2009 von 58 Prozent auf 53 Prozent gesunken. 9
während der Schwangerschaft und der Geburt
D
ennoch sind MDG 2 und 3 noch nicht erreicht:
ge ören zu den Haupttodesursachen bei Mädchen
h
U
ngefähr 23 Prozent der Mädchen und 19 Prozent
dieser Altersgruppe. Sie machen weltweit 15 Prozent
der Jungen in Afrika südlich der Sahara gehen nicht
der Müttersterblichkeit aus, in Afrika sind es 26 Pro-
zu Schule. 10 Weltweit besuchen nur 48 Prozent der
zent. 18 Der Großteil der sexuell aktiven Mädchen im
Mädchen und 53 Prozent der Jungen eine weiter
Alter zwischen 15 und 19 Jahren in Entwicklungs
führende Schule. 11 Laut der Weltbank werden
ländern, die nicht schwanger werden wollen,
„
Mädchen als Letzte in die Schule geschickt und sie
hat einen ausreichenden Zugang zu modernen
k
sind die Ersten, die vorzeitig ausscheiden“. 12
9. 7
Mädchen und Menschenrechte
Es wird deutlich, dass es beim Zugang von Mädchen
zu Bildung und zu Gesundheitsversorgung erheblicher
Anstrengungen bedarf, um die Millennium-
Entwicklungsziele zu erreichen. Darüber hinaus ist
verstärktes Engagement und politischer Wille not-
wendig, um die Menschenrechte von Mädchen zu
s
tärken und zu schützen. Mädchen sind Trägerinnen
von Rechten, wie sie in zahlreichen internationalen
Menschenrechtsabkommen festgelegt sind, zum
B
eispiel in der Allgemeinen Erklärung der Menschen
rechte von 1948 24, dem Übereinkommen zur
B
eseitigung jeder Form von Diskriminierung der
Frau (CEDAW) von 1979 25 und der UN-Kinderrechts-
konvention von 1989 26. Die Diskriminierung aufgrund
des Geschlechts wird von den meisten Staaten seit
der internationalen Menschen echtskonferenz 1993
r
in Wien und der Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking
als Menschenrechtsverletzung anerkannt. So heißt
es in Artikel 18 der Erklärung von Wien, dass
„
Menschenrechte von Frauen und Mädchen […]
ein unveräußerlicher, integraler und unteilbarer
Bestandteil der universellen enschenrechte“ sind. 27
M
Verhütungsmitteln. 19 Angebote der sexuellen und
Der Bericht der Weltfrauenkonferenz in Peking weist
reproduktiven Gesundheit sind zudem oft nicht zudem darauf hin, dass in einigen Regionen die
auf minderjährige bzw. unverheiratete Frauen aus- Anzahl der Männer die der Frauen um fünf Prozent
gerichtet. 20 Mädchen und Frauen haben darüber übersteigt. Grund dafür seien diskriminierende
hinaus häufiger einen mangelnden Zugang zur E
instellungen und Praktiken, die das Leben von
Gesundheitsversorgung als änner, da sie im Durch
M Mädchen bedrohten, aber auch zu einem schlechteren
schnitt über ein geringeres Einkommen verfügen. Zugang zu ildung und Gesundheitsversorgung
B
Um die Gesundheitsversorgung von Mädchen zu führten. 28 So werden jährlich allein in Indien und
verbessern, wäre es daher wichtig, finanzielle China ca. 1,3 Millionen weibliche Föten wegen ihres
H
ürden beim Zugang zu Gesundheitsleistungen Geschlechts abgetrieben 29, was ein eklatanter Ver-
zu beseitigen. 21 stoß gegen ihr Recht auf Leben ist. Zwischen 130 und
140 Millionen Mädchen und Frauen sind an den
Laut MDG 6 soll bis 2015 die Ausweitung von HIV/
Genitalien beschnitten. Jedes Jahr sind weitere drei
Aids rückläufig sein. Weltweit sind ein Drittel der
Millionen Mädchen gefährdet, Opfer der weiblichen
Menschen, die sich mit dem HI-Virus anstecken,
Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation,
zwischen 15 und 24 Jahre alt. Mädchen und Frauen
FGM) zu werden. 30 Genitalverstümmelung verletzt
sind aufgrund biologischer und sozialer Faktoren
das Recht auf Sicherheit und persönliche Freiheit,
besonders gefährdet, sich zu infizieren. Etwas mehr
auf Leben und körperliche Unversehrtheit sowie auf
als die Hälfte aller mit HIV infizierten Menschen
Gesundheit. 31 Laut WHO werden ca. 25 Prozent der
weltweit sind Mädchen oder Frauen. In Afrika süd-
Mädchen (und 8,7 Prozent der Jungen) weltweit
lich der Sahara sind junge Frauen im Alter zwischen
Opfer sexuellen Missbrauchs. 32 Auch dies ist eine
15 und 24 einem achtmal größeren Risiko ausgesetzt,
gravierende Menschenrechtsverletzung, ebenso wie
sich mit HIV zu infizieren, als Männer. 22 Dennoch
die Kinderheirat. 35 Prozent der Mädchen in Entwick
haben nur 19 Prozent der Mädchen im Alter von 15 bis
lungsländern heiraten vor ihrem 18. Lebensjahr. 33
19 Jahren in Entwicklungsländern ausreichendes
Die Kinderheirat verstößt gegen das Recht auf
Wissen, um sich vor HIV/Aids zu schützen. 23
10. 8
p
ersönliche Entfaltung. Verheiratete Mädchen Verstärktes Engagement der Geber im
w
erden häufiger schwanger als unverheiratete
M
ädchen, gehen seltener zur Schule und haben im
Bereich Mädchenförderung
Erwachsenenalter ein geringeres Einkommen. 34 Aufgrund dieser Ausgangslage ist es sehr zu begrüßen,
dass Mädchen in der Entwicklungszusammenarbeit
Der Pekinger Bericht schlägt zahlreiche Maßnahmen
stärker beachtet werden. Denn es bedarf gezielter
gegen die Diskriminierung von Mädchen vor. 35 Seit
Ansätze, um ihre besondere Situation, ihre Bedürf-
seiner Veröffentlichung wurde immer wieder betont,
nisse und ihre Verletzbarkeit zu berücksichtigen und
dass es sich für Gesellschaften lohnt, die Situation von
ihre Potenziale fördern zu können und dadurch
Mädchen zu verbessern. Zahlreiche Studien haben
sicherzu tellen, dass möglichst viele Mädchen ihre
s
zum Beispiel auf positive Wirkungen von Grund-
Menschenrechte verwirklichen können.
und Sekundarbildung für Mädchen hingewiesen. 36, 37,
38
Wenn ein Mädchen in einem Entwicklungsland Einige Geberländer wie Norwegen, Großbritannien,
s
ieben Jahre oder länger zur Schule geht, heiratet es die USA und auch Deutschland legen in ihrer Ent-
vier Jahre später und bekommt im Schnitt 2,2 Kinder wicklungszusammenarbeit seit vielen Jahren einen
weniger als ein Mädchen, das kürzer oder gar nicht b
esonderen Fokus auf die Gleichstellung von Frauen
zur Schule geht. 39 Je länger Mädchen zur Schule und Mädchen. Vor allem in den Bereichen Bildung
gehen, desto gesünder sind ihre Kinder. 40 Jedes und Gesundheit zielen zahlreiche Programme auf
zusätzliche Schuljahr in der Grundschule erhöht den gleichberechtigten Zugang ab. Die USA betonen
das poten ielle Einkommen von Frauen um zehn
t zudem im Rahmen ihrer Globalen Gesundheits
bis 20 Prozent, jedes zusätzliche Schuljahr an einer initiative, wie wichtig es ist, Gesundheitsinstitutionen
weiterführenden Schule um 15 bis 25 Prozent. 41 dabei zu unterstützen, sich stärker für Frauen
und Mädchen und damit für die Gleichstellung der
Ge chlechter einzusetzen. Außerdem wird die
s
Bedeutung von nach Alter aufgeschlüsselten Daten
betont, um zum Beispiel die besonderen Gesund-
heitsbedürfnisse von (prä-)pubertären Mädchen
11. 9
besser eachten zu können. 42 Norwegen versucht
b e s
nt prechenden Daten nicht erhoben würden. Die
über das Gender-Mainstreaming hinaus durch eine Autorinnen empfehlen daher, die steigende Auf-
„
Lebens yklus-Perspektive“ sektorübergreifend
z merksamkeit für Mädchen zu nutzen, um die Arbeit
die besonderen Bedürfnisse verschiedener Alters zu systematisieren, strategisch auszurichten und so
gruppen, also auch von Mädchen verschiedener die Wirksamkeit zu erhöhen. 46 Sie identifizieren
Altersstufen, in seinen Projekten zu berücksichtigen. 43 dafür die vier Hauptsektoren Bildung, Gesundheit,
Empowerment und Rechte sowie irtschaftliche
w
Neben Regierungen und multilateralen Organisa
Teilhabe.
tionen setzen sich auch zivil esell chaftliche
g s
O
rganisationen wie Plan International sowie
S
tiftungen wie die Nike Foundation verstärkt für
Mädchen in Entwicklungsländern ein. In der
w
eltweiten Coalition for Adolescent Girls haben sich
mehr als 30 Nichtregierungsorganisa ionen (NRO),
t
Stiftungen, Forschungseinrichtungen und
UN-Organisa ionen zusammengeschlossen, um sich
t
gemeinsam für Mädchen in Entwicklungsländern
stark zu machen. In Deutschland engagiert sich
unter anderem die Stiftung Weltbevölkerung im
R
ahmen der uropean Alliance on Vulnerable Girls
E
für die gezielte Förderung von Mädchen.
Auch in der deutschen entwicklungspolitischen
Debatte zeichnet sich eine achsende Aufmerksam-
w
keit für die Mädchenförderung ab. So haben vier
Bundestagsfraktionen die Bundesregierung in einem
gemeinsamen Antrag aufgefordert, sich bei den
V
ereinten Nationen für einen Weltmädchentag
inzusetzen. 44 Die Bundesregierung hat ihre Unter-
e
stützung hierfür zugesagt. Bei der neuen Bildungs
strategie des BMZ 45, deren Entwurf im März 2011
veröffentlicht wurde, war die stärkere Berück
sichtigung von Mädchen das zentrale Element der
Diskussion und der Forderungen aus Parlament
und Zivilgesellschaft.
Während Mädchen somit in der Entwicklungspolitik
in den letzten Jahren an ufmerksamkeit gewonnen
A
haben, gibt es bislang jedoch wenige Erkenntnisse
darüber, inwieweit sich dies in entwicklungspoli-
tischen Strategien und Projekten niederschlägt,
was vor allem einem Mangel an empirischen Daten
geschuldet ist. Dies betont auch eine Studie des
International Center for Research on Women. Sie
kommt zu dem Schluss, dass Mädchen noch nicht
als Kategorie bzw. als Zielgruppe etabliert seien,
weder im Gender- noch im Bildungs- oder Gesund
heits ereich. Zudem richteten nur wenige Geber
b
ihre Strategien konkret an Mädchen aus. Es bleibe
oft unklar, wie viel Geld wohin fließe, da die
12. 10
2 Ziele der Studie
Vor diesem Hintergrund zielt die vorliegende Studie auf eine erste Bestands
aufnahme des deutschen Engagements zur Förderung von Mädchen ab. Dabei
stehen folgende Fragen im Mittelpunkt:
• elche Rolle spielen Mädchen in den entwicklungspolitischen Strategien und
W
der Entwicklungsfinanzierung der Bundesregierung?
• elche sektoralen und regionalen Schwerpunkte sind erkennbar?
W
• elche Akteure innerhalb des BMZ und der Durchführungsorganisationen sind
W
an der Politikformulierung und -umsetzung zur Mädchenförderung beteiligt?
• elche Ansätze werden in Vorhaben zur Mädchenförderung angewendet?
W
• ie kann die Förderung von Mädchen im Rahmen der deutschen Entwick-
W
lungszusammenarbeit gestärkt werden?
Besonderes Augenmerk soll dabei – ähnlich wie in der Studie des International
Center for Research on Women – auf die Bereiche Rechte, Gesundheit und ildung
B
gelegt werden.
13. 11
3 Methodisches Vorgehen
Bei der Bestandsaufnahme der entwicklungspolitischen Maßnahmen und
P
rogramme, deren Fokus auf der Förderung von Mädchen liegt, ergeben sich
e
inige methodische Herausforderungen:
Die schlechte Datenlage erschwert eine systematische Untersuchung. Da es sich
im Gegensatz zu „Armen“ oder „Frauen“ bei „Mädchen“ nicht um eine etablierte
und klar definierte strategische Zielgruppe der Entwicklungszusammenarbeit
handelt, werden nicht systematisch Daten erhoben. Auch in Deutschland werden
von offizieller Seite keine Daten zu Mädchenförderung erhoben.
Um sich dennoch einen Überblick über die bilate- (KfW) auf Bezüge zu Mädchen hin untersucht. Ergänzt
ralen Programme eines Geberlandes in bestimmten wurde diese Dokumentenanalyse durch Hinter-
Sektoren zu verschaffen, bietet es sich an, die grundgespräche mit zentralen Akteuren der
s
tatistische Datenbank der Organisation für wirt- M
ädchenförderung im BMZ, der GIZ und der KfW.
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Um der Frage nach dem Volumen und der Fokus
(OECD) zu nutzen. Die Mitgliedsländer des Ent
sierung der deutschen Mittel für die Entwicklungs-
wicklungsausschusses der OECD (Development
zusammenarbeit (Official Development Assistance,
A
ssistance Committee, DAC) berichten an diese
ODA) im Hinblick auf Mädchenförderung in den
Datenbank jährlich über ihre Aktivitäten. 47 Die OECD
letzten Jahren nachzugehen, wurden die Projekte der
DAC-Datenbank gibt zwar mit Hilfe der sogenannten
bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit
Gender Marker Auskunft darüber, welche bilateralen
herausgefiltert, die im Mikrodatensatz des OECD
Projekte einen Beitrag zur Gleichstellung der
DAC aufgeführt sind (siehe Abschnitt 4.3.1 und
Geschlechter und dem Empowerment von Frauen
Anhang).
leisten. Projekte zu Mädchen werden jedoch nicht
besonders gekennzeichnet. Mit der verwendeten Filtermethode kann nicht
sichergestellt werden, dass alle relevanten Projekte
Aufgrund der bestehenden erheblichen Datenlücken
identifiziert wurden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit
kann diese Studie keine abschließende Erhebung
sind im Mikrodatensatz des OECD DAC Projekte
des deutschen Engagements für Mädchen leisten.
a
ufgeführt, zu deren Zielgruppe Mädchen gehören,
Es handelt sich vielmehr um eine Annäherung, die
ohne dass dies offensichtlich ist. Denn detaillierte
H
inweise auf bestehende Schwerpunkte und ver-
Beschreibungen der Projekte werden von der Daten-
wendete Ansätze geben kann. Ein Anspruch auf
bank nicht bereitgestellt.
V
ollständigkeit kann jedoch nicht erhoben werden.
Betrachtet wird vor allem das bilaterale Engagement
Um trotz der bestehenden Datenlücken Aussagen
Deutschlands. Hinweise zum multilateralen Engage-
machen zu können, kombiniert die Studie verschie-
ment finden sich jedoch in Abschnitt 4.4.
dene methodische Herangehensweisen. So können
die Validität der Aussagen erhöht und Fehler ver
mieden werden:
Um die Frage nach den deutschen Strategien,
Schwerpunkten, Instrumenten und den zentralen
Akteuren zu beantworten, wurden die relevanten
Strategiedokumente des BMZ sowie der Durch
führungsorganisationen Deutsche Gesellschaft für
Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und der
E
ntwicklungsbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau
14. 12
4 Mapping deutscher Aktivitäten
4.1 trategische Prioritäten der deutschen
S
Mädchenförderung
Die deutsche Entwicklungspolitik orientiert sich stark an den Menschenrechten,
nach denen alle Menschen – Frauen und Männer, Jungen und Mädchen – gleich
an Rechten und Pflichten sind. Die Bundesregierung sieht weitgehend davon ab,
im Rahmen von Strategiepapieren nach Geschlecht oder Altersgruppen zu unter-
scheiden. Sie argumentiert, dass die Nennung einer Gruppe als Diskriminierung
einer anderen verstanden werden könnte. Ein Strategiedokument zur Mädchen-
förderung ist daher nicht geplant.
Gut verankert in der deutschen Entwicklungszusam- deutschen Entwicklungspolitik“ werden Mädchen
menarbeit ist hingegen das Gender-Mainstreaming, nur in Verbindung mit Frauen („Frauen und Mäd-
was sich in der OECD DAC-Datenbank widerspiegelt: chen“) als diskriminierte Gruppe, Opfer von Gewalt
Deutschland hat einen hohen Anteil von Projekten und als Personen mit schlechterem Zugang zu
und Programmen, die einen direkten oder indirekten ildung erwähnt. 52 Im Faltblatt des BMZ zu Kinder-
B
Beitrag zur Stärkung von Frauen leisten und daher mit und Jugendrechten von 2011 53 taucht das Wort
dem sogenannten Gender Marker versehen wurden. „Mädchen“ nur einmal im Zusammenhang mit der
Zwischen 2007 und 2009 traf dies auf 58 Prozent der Verheiratung Minderjähriger auf.
deutschen bilateralen Projekte und Programme zu,
Es gibt Anzeichen, dass das BMZ sich verstärkt mit
während der Durchschnitt der OECD DAC-Mitglieder
den Rechten von Kindern und Jugendlichen ausein-
bei 31 Prozent lag. 48
andersetzen wird. So hat das BMZ zu diesem Thema
Den strategischen Rahmen für das Gender-Main eine Studie in Auftrag gegeben, die im Herbst 2011
streaming bildet der Gender-Aktionsplan des BMZ veröffentlicht werden soll. 54 Zudem arbeitet das
von 2009. 49 In diesem Dokument werden Mädchen Ministerium zurzeit an einem Positionspapier zu
als eine Untergruppe von Frauen behandelt. „Frauen Kinder- und Jugendrechten, das das Menschen-
und Mädchen“ werden in einem Atemzug genannt, rechtskonzept konkretisieren soll. Es wird jedoch
zum Beispiel bei Fragen des Empowerments, natio- voraussichtlich keinen besonderen Fokus auf
naler ntidiskriminierungsstrategien, beruflicher
A M
ädchen legen.
Bildung, Konfliktsituationen und der sexuellen und
reproduktiven Gesundheit. Nur im Bildungsbereich Strategien im Bereich Bildung
geht der Gender-Aktionsplan auf die besonderen
Im Bildungsbereich erarbeitet das BMZ zurzeit die
Belange von Mädchen ein. Hier wird die Bedeutung
neue Strategie „Zehn Ziele für Bildung“, die voraus-
sicherer Schulwege, die Ausstattung von Schulen mit
sichtlich Ende 2011 veröffentlicht wird. Ein erster
Sanitäranlagen für Mädchen, von weiterführender
Entwurf, der im März 2011 vorgestellt wurde, betont
Bildung und Friedenspädagogik betont. Die Gender-
zwar, dass noch immer weniger Mädchen zur Schule
Strategien der GIZ 50 und der KfW 51 nennen Mädchen
gehen als Jungen und dass Bildung einen Beitrag zur
explizit an keiner Stelle.
Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen leisten
kann. 55 Allerdings geht der Entwurf nicht darauf ein,
Strategien im Bereich Rechte wie sich die deutsche Entwicklungszusammenarbeit
Auch im Menschenrechtsbereich setzen sich die dafür einsetzen will, dass mehr Mädchen zur Schule
z
entralen Dokumente des BMZ nicht explizit mit den gehen können. Dies überrascht insofern, als dass es
Rechten von Mädchen auseinander. In der 2011 in der Praxis der deutschen Entwicklungszusammen
v
eröffentlichten Strategie „Menschenrechte in der arbeit zahlreiche Ansätze zur Förderung von
15. 13
Entwicklungszusammenarbeit außerschulische Pro-
jekte zur HIV-Prävention. Darüber hinaus werden
auch in diesem Papier Mädchen in einem Zug mit
Frauen genannt, etwa beim Zugang zu Gesundheits-
informationen und -dienstleistungen, Verhütungs-
mitteln und Bildung, bei sexueller Gewalt und
Selbstbe timmung. Die speziellen Bedürfnisse von
s
Mädchen, zum Beispiel beim Zugang zu Präventions
maßnahmen, nennt das Papier nicht.
Das Positionspapier des BMZ „Sexuelle und Reproduk
tive Gesundheit und Rechte, Bevölkerungs ynamik“
d
von 2008 60 erwähnt Mädchen im Kontext der weib-
lichen Genitalverstümmelung auch zu ammen mit
s
Frauen („Jährlich kommen weitere drei Millionen
M
ädchen im Bildungsbereich gibt. Dass die Strategie Frauen und Mädchen hinzu“, Seite 5). Allerdings sind
keine Angaben darüber enthält, stand im Fokus der es in den meisten Fällen ädchen, die beschnitten
M
Kritik aus dem Bundestag und der Zivilgesellschaft. 56 werden. Zusätzlich geht das Papier auf die Risiken
Das BMZ hat signalisiert, dass aufgrund dieser Rück- früher, oft ungewollter Schwangerschaften ein. Nicht
meldungen Mädchen und das Thema Gender in der erwähnt werden jedoch die besonderen Bedürfnisse
endgültigen Version der Strategie eine größere Rolle von Mädchen, zum Beispiel beim Zugang zu Familien
spielen werden. planung und Verhütung. Es werden keine spezifischen
An ätze zur Förderung von Mädchen erwähnt.
s
Strategien im Bereich Gesundheit Die im Mai 2011 vorgestellte „Initiative zu selbst
Auch für den Gesundheitsbereich zeigt die Doku- bestimmter Familienplanung und Müttergesundheit“
mentenanalyse, dass es keine spezifische Schwer- des BMZ 61 nimmt auf die besondere Bedeutung von
punktsetzung auf Mädchen gibt. Bildung und Aufklärung für Gesundheit Bezug. Ein
Ziel der Initiative soll es daher sein, Erfolgsbeispiele
Das Sektorkonzept des BMZ „Gesundheit in der
und innovative Ansätze aus diesem Bereich in die
deutschen Entwicklungspolitik“ 57 erwähnt Mädchen
bilaterale Zusammenarbeit zu integrieren. Allerdings
nur an einer Stelle: „Besonderes Gewicht wird […]
nennt auch dieses Papier Mädchen nicht explizit.
auf die Stärkung und den Schutz von Frauen und
Mädchen im Kontext der Epidemie (HIV/Aids) Die Dokumentenanalyse zeigt, dass Mädchen in
gelegt.“ Darüber hinaus wird nicht auf die Bedürf- einigen Strategiepapieren zwar erwähnt werden,
nisse von Mädchen eingegangen. aber auf ihre speziellen Bedürfnisse nicht explizit
eingegangen wird. Mädchen stehen in den Strategien
Im Positionspapier „Gesundheit und Menschen-
und Positionen der deutschen Entwicklungspolitik
rechte“ wird erwähnt, dass schwangere Mädchen zum
nicht im Fokus und es sind keine klaren Ansätze der
Teil von diskriminierenden Gesetzen betroffen sind
Mädchenförderung erkennbar. Allerdings bieten die
und in manchen Ländern der Schule verwiesen
vorhandenen Strategien des Gender-Mainstreaming
erden. 58 Von einer umfassenden Auseinander
w
sowie die Aktivitäten in den Bereichen Menschen-
setzung mit den Belangen von Mädchen sieht aber
rechte, Bildung und Gesundheit der Bundesregierung
auch dieses Papier ab.
gute Anknüpfungspunkte, um die Mädchenförderung
Das BMZ-Papier „Gesundheit fördern – HIV/Aids zu systematisieren.
bekämpfen“ aus dem Jahr 2007 nennt die besondere
Während dieser Abschnitt darüber informiert hat,
Gefahr von Mädchen, sich mit HIV zu infizieren
welche Rolle Mädchen in den Strategien des BMZ
und führt die besondere Belastung, die die Pflege
spielen, geht der nächste Abschnitt darauf ein,
erkrankter Eltern für Mädchen bedeuten kann, als
w
elche Akteure maßgeblich an der Formulierung
eine Herausforderung an. 59 Da viele Mädchen
und Umsetzung dieser Strategien beteiligt sind.
d
eswegen die Schule verließen, fördere die deutsche
16. 14
4.2 Akteure und Zusammenarbeit im Bereich der Mädchenförderung
Da es keine konkreten Strategien zur Mädchenförde- Die GIZ entwickelt im Auftrag der Länderreferate des
rung gibt, ist auch die Federführung für das Thema BMZ Projekte für die technische Zusammenarbeit,
nicht eindeutig geregelt. Die Mädchenförderung ist während Projekte der finanziellen Zusammenarbeit
im BMZ keinem besonderen Referat zugeordnet, gemeinsam mit den Partnerregierungen von der KfW
sondern wird als Querschnittsthema behandelt. entwickelt und dann dem BMZ vorgeschlagen werden.
Die Durchführungsorganisationen analysieren dabei
Strategien, Positionen und Konzepte für die Ent ick
w
im Rahmen des sogenannten Gender-Mainstreamings,
lungszusammenarbeit werden von den Sektorreferaten
wie sich die Projekte auf die Gleichstellung der
des BMZ, also zum Beispiel dem Bildungsreferat,
Geschlechter auswirken und wie positive Wirkungen
entworfen. Sie sind auch dafür zuständig, Mädchen
genutzt werden können.
dort, wo es ihnen angemessen erscheint, in die
S
trategiepapiere des BMZ (beispielsweise die Bildungs Über die Projektanträge von GIZ und KfW entscheidet
strategie) zu integrieren. Bei der Strategieentwicklung wiederum das jeweilige Länder- oder Regionalreferat
werden sie von sogenannten Sektorprogrammen des BMZ. Vor der endgültigen Entscheidung über-
und den dazugehörigen Sektorvorhaben unterstützt, prüfen die Sektorreferate, ob die Anträge mit den
welche die GIZ im Auftrag des BMZ zu Themen von entsprechenden Sektorstrategien übereinstimmen.
be onderem Interesse einrichten kann. Im Fall
s Die KfW ist zudem an sogenannten Korbfinanzie-
der ildungsstrategie wurde das BMZ vom Sektor
B rungen (einer Art der Budgetfinanzierung) beteiligt,
programm Bildung beraten, das wiederum das bei denen mehrere Geber ihre Mittel für einen
S
ektorvorhaben Mädchenförderung einschließt. Die Sektor in einen gemeinsamen Korb geben, um damit
Einbindung der KfW bei der Strategieentwicklung Strategien des Partnerlandes umzusetzen.
ist weniger institutionalisiert als die der GIZ.
Die Tabelle 1 zeigt, welche Referate und Abteilungen
Die Länder- und Regionalreferate des BMZ sind dafür bei BMZ, GIZ und KfW für die Strategieentwicklung
zuständig, im Rahmen der bestehenden Strategien in den drei Bereichen zentral sind.
Projekte und Programme der technischen und finan-
Zur Koordination und zum inhaltlichen Austausch
ziellen Zusammenarbeit mit den Partnerländern zu
zwischen dem BMZ, der GIZ und der KfW tagen
vereinbaren. Sie entscheiden, ob und wenn ja,
v
erschiedene Arbeitsgruppen bzw. Thementeams,
w
elchen Stellenwert die Förderung von Mädchen in
zum Beispiel zu HIV/AIDS, sexueller und repro
den konkreten Projekten in den Partnerländern hat.
duktiver Gesundheit oder Bildung, die sich auch
Eine wichtige Rolle spielen dabei Verhandlungen mit
mit ragen der ädchenförderung befassen. Eine
F M
den Partnerregierungen, in denen die Sektoren der
g
esonderte Arbeitsgruppe zu Mädchen gibt es
Zusammenarbeit festgelegt werden. Bei der Vorbe-
jedoch nicht.
reitung dieser Regierungsverhandlungen unterstützt
das BMZ-Referat 204 (Menschenrechte, Gleichbe- Die Analyse zeigt, dass bislang keine klaren Struk-
rechtigung der Geschlechter; Kultur und Entwicklung) turen für die Mädchenförderung etabliert worden
die Länder- und Regionalreferate, indem es Infor sind. Sie zeigt jedoch auch, dass eine Vielzahl von
mationen über die Situation der Menschen- und Akteuren an der Mädchenförderung beteiligt ist. Im
Frauenrechte bereitstellt und Dokumente kommen- Zentrum steht bislang das BMZ-Referat 204, welches
tiert, auf deren Grundlage die Verhandlungen statt- unter anderem die Regierungsverhandlungen mit
finden. Hierunter fallen die Sektorstrategiepapiere, vorbereitet. Ihm könnte bei einem Ausbau des
die zu jedem Sektor für jedes Land erstellt werden. ngagements zu Mädchen eine zentrale Rolle
E
Das Referat 204 ist außerdem dafür zuständig, zu zukommen, indem es beispielsweise bei der Unter-
prüfen, ob Gender-Aspekte in der Zusammenarbeit stützung der Länder- und Regional eferate stärker
r
mit Partnerländern ausreichend berücksichtigt über die Situation von Mädchen informiert.
w
erden. Eine besondere Prüfung für Mädchen-
Aspekte gibt es hierbei bisher nicht.
17. 15
Tabelle 1: Für die Mädchenförderung relevante Referate und Abteilungen
Rechte Bildung Gesundheit
BMZ Referat 204: Menschenrechte, Referat 311: Bildung Referat 315: Gesundheit und
Gleichberechtigung der Geschlechter; Bevölkerungspolitik
Kultur und Entwicklung
GIZ SV Kinder- und Jugendrechte Sektorprogramm Bildung SV globale Gesundheitsarchitektur
SV FGM SV Mädchenförderung SV SRGR/Bevölkerungsdynamik
SV Gleichberechtigung und
Frauenrechte fördern
KfW Kompetenzcenter Kompetenzcenter Gesundheit, Kompetenzcenter Gesundheit,
Friedensentwicklung Bildung und soziale Sicherung Bildung und soziale Sicherung
4.3 Umfang und Fokus der bilateralen deutschen Mädchenförderung
Die vorherigen Abschnitte haben gezeigt, dass es zweier Frauenrechtsvorhaben mit einer FGM-
weder eine klar formulierte sektorübergreifende oder Komponente an. 63 Während sich sagen lässt, dass
-spezifische Strategie noch eine feste institutionelle Deutschland im Jahr 2009 23,8 Millionen Euro in
Verankerung für die Mädchenförderung gibt. Im bilaterale Vorhaben zu Menschenrechten und
f
olgenden Abschnitt soll nun näher in Augenschein rauenrechten investiert hat 64, lassen sich keine
F
genommen werden, welche bilateralen Projekte und Angaben darüber machen, wie viel Geld insgesamt
Programme Deutschland im Bereich der Mädchen- in die Stärkung von Mädchen echten geflossen ist.
r
förderung implementiert.
Deutschland hat laut Angaben der OECD DAC-
Hierbei stellt die Datenlage eine Herausforderung Datenbank 2009 insgesamt 1,2 Milliarden Euro in
dar. Während sich in allen Sektoren, die im Fokus den Bildungsbereich investiert. 65 Hiervon flossen
dieser Studie stehen (Rechte, Bildung, Gesundheit), lediglich 106 Millionen Euro in die Grundbildung
Angaben über die gesamten Finanzflüsse machen und fünf Millionen Euro in die Sekundarbildung.
lassen, finden sich keinen Daten über Projekte zur Knapp 860 Millionen Euro flossen hingegen in die
Mädchenförderung. In einigen Bereichen lassen sich höhere Bildung, inklusive 662 Millionen Euro 66 für
jedoch Angaben über einzelne Projekte finden, wie sogenannte Studienplatzkosten, also Kosten deutscher
etwa in den Antworten der Bundesregierung auf Universitäten für Studierende aus Entwicklungs
Anfragen des Parlamentes. Teilweise lassen sich auch ländern. Es finden sich allerdings keine Daten zu
Angaben in Portfolioanalysen des BMZ und der KfW B
ildungsprojekten mit einem Fokus auf Mädchen.
finden.
In den Gesundheitsbereich flossen laut OECD
Im Bereich Rechte findet man einige Programme, die DAC 2009 insgesamt 685 Millionen Euro, zu 45 Prozent
einen klaren Fokus auf die Förderung von Mädchen in bilaterale Projekte, unter anderem zur Bekämp-
haben und zu denen Zahlen vorliegen. So flossen fung sexuell übertragbarer Krankheiten, zum Ausbau
etwa seit 1999 ca. 14 Millionen Euro in Projekte zur von Gesund eitsinfrastruktur und Projekte zur repro
h
Vermeidung der Genitalverstümmelung. 62 Die duktiven Gesundheit. Inwiefern Mädchen von diesen
Bundes egierung berichtet zudem, dass diese Mittel
r Investitionen profitierten und ob die finanzierten
„seit Jahren tendenziell steigen“ und führt die Mittel Maß ahmen auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet sind,
n
für das FGM-Sektorvorhaben und die Auf tockung
s lässt sich nicht erkennen.
18. 16
4.3.1
Annäherung an das Gesamt Anzahl der Mädchenprojekte und
volumen der Projekte zur Finanzvolumen
Mädchenförderung Die Analyse zeigt, dass die Gesamtzahl der Projekte,
die einen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter
Um trotz dieser ungünstigen Datenlage Hinweise auf
leisten (Gender Marker 1 und 2), von 4.053 in 2007
die Anzahl der Projekte, das Finanzvolumen und den
auf 5.223 in 2009 steigt. Die Anzahl der Projekte, die
Fokus im Bereich der Mädchenförderung in der
einen expliziten, durch den Filter erkennbaren Fokus
deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu erhalten,
auf Mädchen haben, ist sehr gering aber auch stei-
wurde der Mikrodatensatz der OECD benutzt. Bei
gend: Für 2007 wurden 45 Projekte identifiziert, 2009
der Frage nach dem „Wie viel“ gibt die Auswertung
waren es 97 (siehe Abb. 1).
einige interessante Hinweise. Die Ergebnisse können
aber aus den genannten methodischen Gründen Die deutliche Mehrzahl der Projekte mit Mädchen-
keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. fokus (rot in Abb. 1) leisten einen Beitrag zur Gleich-
stellung (Gender Marker 1), während ein kleinerer
In einem ersten Schritt wurden die Projekte isoliert,
Anteil die Gleichstellung der Geschlechter als
die entweder einen „signifikanten Beitrag zur Gleich-
Hauptziel hat (Gender Marker 2, siehe Abb. 2).
stellung der Geschlechter leisten“ (Gender Marker 1)
oder deren „Hauptziel es ist, zur Gleichstellung der
Geschlechter beizutragen“ (Gender Marker 2). Diese
Untergruppe wurde nach Schlagworten durchsucht,
Abb. 1: nzahl der Gender-Projekte und Anteil der
A
wie etwa „child“, „young“, „girl“, „Mädchen“. Danach
mädchenbezogenen Projekte (2007–2009)
wurden Projekte entfernt, die von deutschen NRO
oder Bundesländern und Gemeinden durchgeführt 6.000
bzw. in Auftrag gegeben wurden, da die Aktivitäten 97
der Bundesregierung und vor allem des BMZ im
5.000 5.223
M
ittelpunkt der Studie stehen. Die so herausgefilterten
Projekte weisen demnach alle einen Fokus auf 80
45
Anzahl der Projekte
G
ender-Aspekte auf und haben gleichzeitig einen 4.000
4.053 4.041
Fokus auf junge Menschen.
3.000
2.000
1.000
0
2007 2008 2009
Anzahl der Projekte, die einen Fokus auf Mädchen haben
Gesamtzahl der Projekte, die einen Beitrag zur Gleichstellung
der Geschlechter leisten (Gender Marker 1 und 2)
Grafik: Stiftung Weltbevölkerung
Quelle: eigene Berechnung auf Basis von OECD
19. 17
Die eingesetzten Mittel sind moderat. Von 2007 bis
2009 flossen etwa 100 Millionen Euro in die
i
dentifizierten Projekte zu Mädchen. Die eingesetzten
Mittel pro Jahr haben sich von 12,31 Millionen Euro
in 2007 auf 51,41 Millionen Euro 2009 mehr als
v
ervierfacht (siehe Abb. 3). Dabei stieg das durch-
schnittliche finanzielle Volumen eines einzelnen
Projekts von etwa 273.000 Euro in 2007 auf
530.000 Euro in 2009.
Abb. 3: inanzvolumen aller Mädchenprojekte
F
(Gender Marker 1 und 2)
Mittel in Millionen Euro
60.00
Abb. 2: nzahl der Mädchenprojekte nach
A 50.00 51.41
G
ender Marker und Jahr
80 40.00
76 (78%)
38.68
70 67 (84%) 30.00
60 20.00
Anzahl der Projekte
50 10.00 12.31
40 37 (82%) 0
2007 2008 2009
30 Grafik: Stiftung Weltbevölkerung
Quelle: eigene Berechnung auf Basis von OECD DAC
21 (22%)
20
13 (16%)
10 8 (18%)
0
2007 2008 2009
Projekte, die einen signifikanten Beitrag zur Gleichstellung der
Geschlechter leisten (Gender Marker 1)
Projekte mit dem Hauptziel, zur Gleichstellung der
Geschlechter beizutragen (Gender Marker 2)
Grafik: Stiftung Weltbevölkerung
Quelle: eigene Berechnung auf Basis von OECD DAC
20. 18
Regionaler und sektoraler Fokus der Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Die
Analyse weist darauf hin, dass die Anzahl und das
Mädchenprojekte Finanzvolumen der Projekte mit einem Fokus auf
Betrachtet man alle Mädchenprojekte, lag der Mädchenförderung bislang sehr gering ist, aber
regionale Schwerpunkt mit 52 Prozent der Projekte steigt. Bislang scheinen sich diese Projekte regional
auf Afrika südlich der Sahara. Weitere wichtige auf Afrika zu fokussieren. Die Analyse gibt ebenso
Regionen sind Asien und der Mittlerer Osten und Hinweise darauf, dass es bei Projekten zur Mädchen-
Nordafrika (MENA-Region) (siehe Abb. 4). förderung einen Schwerpunkt auf Bildungsprojekte
gibt. Unter den Projekten, die die Gleichstellung von
Betrachtet man nur die Mädchenprojekte, deren
Frauen als Hauptziel haben, scheinen verstärkt
Hauptziel es ist, zur Gleichberechtigung der
P
rojekte im Bereich Rechte durchgeführt zu werden.
Geschlechter beizutragen (Gender Marker 2), ist der
regionale Fokus auf Afrika südlich der Sahara noch Im nächsten Abschnitt wird nun untersucht, inwieweit
deutlicher: 69 Prozent der Projekte wurden hier sich diese Hinweise mit der qualitativen Analyse der
durchgeführt. Schwerpunkte und Projekte decken.
Der dominante Sektor bei den Mädchenprojekten
(Gender Marker 1 und 2) ist der Bildungssektor.
49 Prozent der Mittel wurden hier investiert. 16 Prozent
Abb. 4: egionale Schwerpunkte der Mädchen-
R
der Mittel flossen in Gesundheitsprojekte, zwei Drittel
projekte (Gender Marker 1 und 2)
hiervon in sexuelle und reproduktive Gesundheit.
ø 2007–2009
Nur eines der über die OECD DAC Datenbank
i
dentifizierten Projekte in diesem Bereich hatte das Mena
Hauptziel, zur Gleichstellung der Geschlechter
b
eizutragen. Zehn Prozent der Mittel flossen in den Asien
Bereich Regierung und Zivilgesellschaft, unter den 13%
Projekte mit Menschen- und Frauenrechtsfokus 13%
f
allen (vgl. Abb. 5).
Keiner Region
Betrachtet man ausschließlich die Projekte, deren zugeordnet 8%
Hauptziel es ist, zur Gleichberechtigung der
Geschlechter beizutragen (Gender Marker 2), ergibt
7%
sich ein anderes Bild. Hier flossen 54 Prozent der Europa 52%
Mittel in Bildungsprojekte und 33 Prozent in Projekte 7%
zur Stärkung von Frauenorganisationen, Verhinde-
rung von FGM, sexueller Ausbeutung und Gewalt Lateinamerika
Afrika
(Regierung und Zivilgesellschaft) während nur südlich der Sahara
3,6 Prozent der Mittel in Gesundheitsprojekte ging
(siehe Abb. 6).
N = 222 Projekte
Grafik: Stiftung Weltbevölkerung
Quelle: eigene Berechnung auf Basis von OECD DAC
21. 19
Abb. 5: S ektorale Aufteilung der Mädchenprojekte
Abb. 6: ektorale Aufteilung der
S
mit Gender Marker 1 und 2 (ø 2007–2009) Mädchenprojekte mit Gender Marker 2
(ø 2007–2009)
Andere
Bildung, unspezifisch
Wirtschaft Bildung, unspezifisch
6,14%
12,91% 6,45% Grundbildung
Andere soziale Infrastuktur 25,07%
7,74% 27,70%
Konflikt, Frieden
8% 5,28% Sicherheit
Grundbildung 23,64%
Konflikt, Frieden 9,13%
9,50% und Sicherheit
Regierung
Zivilgesellschaft 3,59%
10,73% Basisgesundheit 32,91%
12,56%
Sekundärbildung 1,24%
Bevölkerungspolitik Pol./Progr.
2,98% Andere soziale
Sekundarbildung Reproduktive Gesundheit
8%
Infrastruktur 0,37%
Gesundheit, allg. Basisgesundheit 2,05% Regierung und Zivilgesellschaft
N = 222 Projekte N = 44 Projekte
Grafik: Stiftung Weltbevölkerung Grafik: Stiftung Weltbevölkerung
Quelle: eigene Berechnung auf Basis von OECD DAC Quelle: eigene Berechnung auf Basis von OECD DAC
22. 20
4.3.2 nalyse der Projekte und
A
Programme im Bereich
Mädchenförderung
Während sich aus der Analyse der Datenbank des
OECD DAC erste Hinweise auf die Reichweite und
den Fokus der deutschen Entwicklungszusammen- Bei Vorhaben zu Menschenrechtsverletzungen, die
arbeit zur Förderung von Mädchen ergeben, wird vor allem Mädchen treffen (Zwangsverheiratung,
nun untersucht, welche Ansätze Deutschland in seinen Kinderprostitution, FGM), stehen hingegen Mädchen
bilateralen Projekten in diesem Bereich priorisiert. im Vordergrund. Bei der Identifizierung der jeweiligen
Zielgruppe bieten die Analysen, die im Rahmen des
Auch auf dieser Betrachtungsebene ist der Zugang zu
Gender-Mainstreaming durchgeführt werden, wichtige
Daten problematisch. Zudem unterscheidet er sich
Hinweise darauf, wer von welchen Menschen echts
r
je nach Sektor, wobei im Bildungsbereich wegen des
verletzungen betroffen ist und wo sinnvollerweise
starken Fokus auf Kinder die Datenlage am besten
angesetzt werden sollte, um dagegen vorzugehen.
ist. Zum Teil unterscheidet sich die Datenlage auch
je nachdem, ob die technische Zusammenarbeit, also Im Rechtsbereich wird vornehmlich durch die GIZ
die Arbeit der GIZ, oder die finanzielle Zusammen eine Reihe von Projektansätzen implementiert, die
arbeit der KfW betrachtet wird. Von fehlender oder meistens auf der Makroebene ansetzen, um einen
geringer Information kann jedoch nicht direkt auf nachhaltigen Beitrag zu leisten. So werden beispiels-
den Umfang der Aktivitäten von GIZ und KfW weise Regierungen beraten und dabei unterstützt,
geschlossen werden. Strukturen zu schaffen, die nachhaltig zum Schutz
der Rechte von Kindern und Jugendlichen, also auch
Ansätze und Projekte im Bereich von Mädchen, beitragen können. Deutschland berät
Partnerländer bei der Weiterentwicklung des Rechts-
Empowerment und Rechte werks, um zum Beispiel die Rechtsstellung von
In der Kinderrechtskonvention der Vereinten Frauen und Mädchen zu verbessern, die Umsetzung
ationen 67 ist festgeschrieben, welche Rechte Kinder
N der Kinderrechtskonvention voranzutreiben oder die
haben und vor welchen Menschenrechtsverletzungen Menschenrechte in Curricula von Schulen zu inte-
sie geschützt werden sollen. Da Mädchen von grieren. Außerdem werden relevante Abteilungen in
m
anchen Menschenrechtsverletzungen besonders Ministerien unterstützt und die Implementierung
betroffen sind 68, scheinen entwicklungspolitische nationaler Strategien auf lokaler Ebene gefördert.
Maßnahmen, die dazu beitragen, ihre Rechte zu
Deutschland leistet zudem seit über zehn Jahren
s
tärken und zu schützen, besonders sinnvoll. Dies
einen kontinuierlichen Beitrag zur Bekämpfung der
gilt vor allem für den Schutz des Rechts auf Leben,
weiblichen Genitalverstümmelung. Dies erklärt
den Schutz vor Gewaltanwendung, Misshandlung
auch, warum unter den Projekten, die Gleichberech-
und Verwahrlosung, vor Kinderarbeit und sexuellem
tigung als Hauptziel haben, viele Projekte im Bereich
Missbrauch, vor Kinderhandel und Kinderheirat
Rechte zu finden sind. Die meisten Projekte in diesem
sowie bei und nach bewaffneten Konflikten.
Bereich werden von der GIZ implementiert. Aber
Zwar gibt es in der Menschenrechtsarbeit des BMZ auch die KfW integriert den Kampf gegen FGM in
keinen besonderen Fokus auf Mädchen, aber es mehreren Partnerländern, zum Beispiel in Social
w
erden Projekte zur Stärkung von Kinder- und Marketing-Vorhaben zu sexueller und reproduktiver
Jugendrechten durchgeführt. Bei Vorhaben in diesem Gesundheit in Burkina Faso und Sierra Leone. 69 Das
Bereich wird situationsbedingt vorgegangen. Das be- Engagement gegen FGM ist sowohl überregional als
deutet, dass je nach inhaltlichem Fokus der Projekte auch sektor bergreifend angelegt: In Ländern, in
ü
eher Jungen oder Mädchen die Zielgruppe sind. Zum denen FGM praktiziert wird, ist dieses Thema nicht
Beispiel stehen bei Vorhaben zu Jugendgewalt in nur in Bildungs- und Gesundheitsprojekte, sondern
Zentralamerika Jungen im Fokus, da Mädchen kaum auch in Projekte im Bereich der Good Governance
in die Strukturen der Jugendgewalt involviert sind. integriert (siehe Fallbeispiel).
23. 21
Name des Projekts:
Überregionales Projekt „Überwindung der weiblichen Genitalverstümmelung“
Durchführungsorganisation: GIZ (bis 2010: GTZ)
Laufzeit: 1999–2014
Finanzvolumen: 3 Millionen Euro (4. Phase 2011–2014)
Partner: Partnerregierungen und Behörden, NRO, (inter-)nationale Netzwerke
Trotz rückläufiger Tendenzen 70 wird weibliche Genitalverstümmelung weiterhin in
28 Ländern Afrikas praktiziert. 71 Sie gefährdet die psychische und körperliche
Gesundheit der immer jünger werdenden Opfer und stellt unter anderem nach dem
Protokoll der Rechte von Frauen in Afrika (Maputo-Protokoll) eine Menschenrechts
verletzung dar. Zur Überwindung dieser Praxis unterstützt die GIZ seit 1999 in einem
überregionalen Projekt zehn afrikanische Partnerländer konzeptionell und in der
Umsetzung von Maßnahmen. Die GIZ verfolgt dabei einen Ansatz 72, der lokale
Programme für Aufklärung, Sensibilisierung und Dialog mit Maßnahmen zur Stärkung
von Institutionen sowie Politikberatung auf der nationalen Ebene verbindet. 73 Partner
für diese Arbeit sind auch religiöse Würdenträger und das medizinische Personal. 74
Zudem werden FGM-Ansätze in GIZ-Projekte in anderen Bereichen wie Bildung,
Gesundheit oder Good Governance integriert. 75 So wurden beispielsweise innerhalb
eines Grundbildungsprogramms in Mali Generationendialoge ins Leben gerufen, die
auf den Austausch über Tradition in den Gemeinden zielten. Darüber hinaus koope-
rierte das überregionale Projekt in Mali mit dem staatlichen Bildungsministerium in
der Erstellung von pädagogischen Leitfäden für die Lehrerausbildung zum Thema FGM.
Eine Evaluation des Mali-Projekts von 2009 kam zu dem Schluss, dass die Generationen
dialoge zu einer mehrheitlichen Aufgabe von FGM in den Projektregionen führte und
Eltern sich gegenüber einer Behandlung des Themas in Schulen mit Lehrern öffneten,
die intensiv zu FGM ausgebildet wurden. Die Evaluation argumentiert, dass durch einen
ganzheitlichen Ansatz und die Integration des mädchenspezifischen Themas in ver-
schiedene Sektoren und Ebenen der Entwicklungszusammenarbeit nachhaltige Erfolge
erreicht wurden.
Seit 2009 berät ein gleichnamiges Sektorvorhaben das BMZ dabei, das Thema in die
strategische Ausrichtung der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu integrieren.
So wird FGM beim Politikdialog mit den betreffenden Partnerländern genauso thema
tisiert wie im Rahmen der internationalen Donors Working Group on FGM/C, in der
owohl das BMZ als auch GIZ und KfW Mitglied sind. Insgesamt steigen die von
s
Deutschland bereit gestellten Mittel für den Bereich FGM seit Jahren stetig an und
b
elaufen sich seit 1999 auf insgesamt etwa 14 Millionen Euro.
24. 22
Ansätze und Projekte im Bereich Bildung zu verbessern, setzt die GIZ auf die verstärkte Ausbil-
dung und Unterstützung von weiblichem Lehr
Entwicklungszusammenarbeit kann auf verschiedenen
personal, auf die Entwicklung von gendersensiblen
Ebenen dazu beitragen, die Bildung von Mädchen
Unterrichtsmaterialien und -methoden aber auch
nachhaltig zu verbessern. Zum einen können Ent-
auf außerschulische Angebote für Mädchen. Dabei
wicklungsländer dabei unterstützt werden, mädchen
werden Eltern und Gemeinden eingebunden, um sie
freundliche Bildungsstrategien zu ent ickeln, an
w
darin zu bestärken, Mädchen den Schulbesuch zu
denen wiederum die Zusammenarbeit ausgerichtet
ermöglichen – auch dann, wenn sie schwanger oder
werden sollte. Außerdem kann der gleichberechtigte
Mütter sind.
Zugang zu Bildung gefördert erden, indem die
w
Gemeinschaften vor Ort für ädchenbildung
M
m
obilisiert, zusätzliche Anreize für Schulbesuch Finanzielle Zusammenarbeit
geschaffen und finanzielle Hürden für Bildung
In der KfW hat in den letzten zehn Jahren die Auf erk
m
ab ebaut werden. Wenn Bildungs ngebote mädchen
g a
samkeit für Mädchenbildung deutlich zugenommen.
freundlich gestaltet sind, gehen auch mehr Mädchen
Dies liegt zum einen an der gewachsenen Bedeutung
zur Schule. Daher können Investitionen in Infra
des Gender-Mainstreamings. Aber auch die inter
struktur, die verstärkte Aus ildung und Einstellung
b
nationale Debatte im Rahmen der Global Partnership
von Lehrerinnen und ortbildungen des Lehr
F
for Education hat zu einem stärkeren Fokus auf
personals zum Thema Mädchenförderung ebenso
Mädchen beigetragen.
wichtige Beiträge zur Mädchenförderung sein wie
Unterrichtsmaterial, das von negativen Stereotypen Zu den Zielgruppen der KfW im Bildungsbereich
befreit wurde und Curricula, in die Themen der zählen zu 97 Prozent Grund- und Sekundarschüler
s
exuellen und repro uktiven Gesundheit und Gleich
d Innen, 52 Prozent der Zielgruppe leben unterhalb
berechtigung integriert wurden. 77, 78 der Armutsgrenze. Frauen und Mädchen machen
etwa 50 Prozent der Zielgruppe aus. 85 Prozent der
Noch immer haben zahlreiche Mädchen keinen
Vorhaben haben indirekte Wirkung auf Gleich
Zugang zu Bildung. Ein Querschnittsthema des
stellung von Mädchen, fünf Prozent richten sich
d
eutschen Engagements ist es daher, den Zugang
gezielt an Mädchen. 79
von Mädchen zur Bildung und die Qualität von
B
ildung zu verbessern. Alle Projekte im Bildungs Die KfW setzt dabei auf drei Ebenen an:
bereich sollen hierzu einen Beitrag leisten. Auf der Mikroebene werden vor allem Infrastruktur-
vorhaben gefördert, also der Neubau beziehungsweise
Die Analyse der OECD DAC-Datenbank ergab bereits,
die Instandsetzung von Schulen und Mädchen
dass das deutsche Engagement zur Mädchen-
wohnheimen, um Schulwege zu verkürzen. Es werden
förderung zu einem großen Teil im Bildungsbereich
separate Sanitäranlagen für Mädchen und Jungen
zu finden ist. Und in der Tat implementieren die
bereitgestellt. Eltern und LehrerInnen werden darin
Durchführungsorganisationen in diesem Bereich
geschult, die neue Infrastruktur zu unterhalten.
zahlreiche Projekte. Partnerländer in der Grund- und
Auch die Unterkünfte für weibliche Lehrkräfte werden
Sekundarbildung sind Afghanistan, Guatemala,
verbessert.
Honduras, Jemen, Kosovo, Malawi, Mosambik und
Pakistan. In diesen Ländern stimmen GIZ und KfW Ein neuerer Ansatz auf der Mikroebene sind
ihre Vorhaben eng ab. s
oge annte Cash-Transfer-Programme, die in ver-
n
schiedenen Ländern Afrikas und Lateinamerikas
eingesetzt werden. Mit diesen Programmen kann ein
Technische Zusammenarbeit finanzieller Anreiz geschaffen werden, um Mädchen
Im Rahmen der technischen Zusammenarbeit berät zur Schule zu schicken. Ein Vorteil dieser Ansätze ist,
die GIZ das BMZ inhaltlich und strategisch durch die dass die Zielgruppe sehr genau definiert werden
oben erwähnten Sektorvorhaben (siehe Tab. 1). Auf kann. In einem neuen Stipendienprogramm in Kenia
der Projektebene ist es das Ziel aller GIZ-Vorhaben, ist beispielsweise festgelegt worden, dass 60 Prozent
einen Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter zu der Stipendien an Mädchen gehen sollen.
leisten. Um den Zugang von Mädchen zu Bildung
25. 23
Name des Projekts:
Basic Education Development Project (BEDP)
Durchführungsorganisation: KfW Entwicklungsbank
Laufzeit: 2004–2012
Finanzvolumen: 154 Millionen US $ (Anteil der KfW: 25 Millionen US $) 80
Partner: Jemenitisches Bildungsministerium
Andere Geber: Weltbank (IDA), Großbritannien (DfID), Niederlande
Im Jemen sind Mädchen im Bildungsbereich besonders benachteiligt. Die Einschulungs
rate von Mädchen liegt in einigen ländlichen Regionen nur bei 30 Prozent. Zudem
b
rechen viele Mädchen die Schule frühzeitig ab; nur 29 Prozent aller eingeschulten
Mädchen schlossen 2004/2005 die neunte Klasse ab. Um den Zugang und Verbleib von
Mädchen in ländlichen Regionen im Grundbildungssystem zu verbessern, setzt die KfW
(in einer Korbfinanzierung mit der Weltbank, Großbritannien und den Niederlanden) im
Rahmen des Programms zur Entwicklung von Grundbildung (BEDP) auch ein finanzielles
Anreizsystem ein (Conditional Cash Transfers, CCT). In zwei Regionen und insgesamt
mehr als 300 Schulen erhalten die Eltern von Mädchen der 4. bis 9. Klasse jährlich
Transferzahlungen in Höhe von 35 bis 40 US $, wenn ihre Töchter regelmäßig die Schule
besuchen und versetzt werden (das durchschnittliche Pro-Kopf-Einkommen lag nach
Angaben der Weltbank 2009 im Jemen bei 1.060 US $ 81). Gute Abschlussprüfungs
ergebnisse ermöglichen zudem Bonuszahlungen von fünf US $. Darüber hinaus werden
die Eltern zur Teilnahme an Elternräten verpflichtet, um den Austausch zwischen
Gemeinden und Schulen zu verbessern.
Seit der Einführung des CCT-Programms 2007 haben die Eltern von fast 40.000 Mädchen
Transferzahlungen erhalten 82, was die bis 2012 erwartete Zahl von 34.000 übertrifft.
Eine abschließende Evaluierung des Projekts steht noch aus. Es existieren jedoch
Anhaltspunkte dafür, dass neben diesen finanziellen Anreizen besonders die parallel
durchgeführte Einstellung von Lehrerinnen zu einer größeren kulturellen Akzeptanz
g
egenüber dem Schulbesuch von Mädchen in ländlichen Regionen führt. 83
26. 24
Auf der Mesoebene unterstützt die KfW die
D
ezentralisierung der Bildungsverwaltung, bei
der der Frauenanteil, wo nötig, erhöht und
Gender-Strategien implementiert werden sollen.
Auf der Makroebene beteiligt sich die KfW in zehn
Ländern an den oben bereits erwähnten Korbfinan-
zierungen, bei denen mehrere Geber ihre Mittel
„poolen“. Als Form der Budgetfinanzierung ist die
werden, um auf die besonderen Bedürfnisse von
Korbfinanzierung immer mit einem politischen
Mädchen vor allem in der Pubertät eingehen zu
D
ialog über die Sektorpolitik des Partnerlandes
önnen. Aufklärung und Versorgung mit Präventions-
k
v
erbunden, zum Besispiel über die Umsetzung inter-
und Therapiemaßnahmen zu sexueller und
nationaler Vereinbarungen zur Gleichberechtigung
reproduktiver Gesundheit sollten gestärkt werden.
der eschlechter oder über nationale Gesetze, die
G
einem gleichberechtigten Zugang zu Bildung im Die Analyse der OECD DAC-Datenbank ergab, dass
Wege stehen. Auch die angemessene Beteiligung von sich ein Großteil der Gesundheitsprojekte mit einem
Frauen in Gremien, in denen die Bildungspolitik Fokus auf Mädchen (Gender Marker 1 und 2) auf
f
ormuliert wird, kann Thema dieses Sektordialogs den Bereich sexuelle und reproduktive Gesundheit
sein. Im ialog mit den Ministerien spielt auch die
D konzentriert. In diesem Bereich gibt es zahlreiche
Situation von Mädchen zunehmend eine Rolle, die Ansätze und Projekte. 2010 wurde im Auftrag des
die Schule verlassen mussten, weil sie schwanger Sektorvorhabens „Bevölkerungsdynamik/Sexuelle
waren bzw. ein Kind bekommen haben. und reproduktive Gesundheit und Rechte“ der
damaligen GTZ eine Portfolioanalyse der Aktivitäten
Mit den in den Körben „gepoolten“ Mitteln werden
von KfW und GIZ in diesem Bereich durchgeführt 84,
über den Dialog hinaus auch Maßnahmen finanziert.
bei der 51 Maßnahmen betrachtet wurden (29 KfW,
Neben Baumaßnahmen im Rahmen nationaler
22 GIZ). Auch aus dieser Analyse wird deutlich, dass
Infrastrukturprogramme fallen darunter Anstren-
Mädchen keine eigenständige Zielgruppe der Vor
gungen, die zu einer besseren Qualität der Bildung
haben sind, sondern als Teil der Zielgruppe Frauen
beitragen sollen, wie Fortbildungen des Lehr
im reproduktiven Alter (15–49 Jahre) oder Jugend
personals und die Überarbeitung von Curricula und
liche (15–24 Jahre) verstanden werden.
Unterrichtsmaterialen. Dabei wird versucht, Themen
wie sexuelle Aufklärung und HIV/Aids-Prävention
zu integrieren, was jedoch teilweise auf den Wider- Technische Zusammenarbeit
stand der Partnerregierungen trifft. In einigen Fällen
Die Portfolioanalyse befasst sich unter anderem mit
werden die Korbfinanzierungen durch Vorhaben
Ansätzen für Jugendliche und junge Erwachsene
der GIZ ergänzt.
(15–24 Jahre). Hier werden einige Projekte der tech-
nischen Zusammenarbeit vorgestellt, von denen
Ansätze und Projekte im Bereich Mädchen besonders profitieren.
Gesundheit • m sogenannten Tantchen-Projekt (Aunties’
I
Project) aus Kamerun klären Mädchen, die selbst
Um dazu beizutragen, dass das Menschenrecht auf
ungewollt schwanger geworden sind, andere
Gesundheit auch für Mädchen umgesetzt wird, sollten
M
ädchen sexuell auf (siehe Fallbeispiel).
Entwicklungsländer wo nötig bei der Erstellung
mädchenfreundlicher Gesundheitsstrategien unter- • n einem HIV-Präventionsprojekt in Tansania
I
stützt werden, an denen auch die Zusammenarbeit w
urden Frage-Antwort-Broschüren über Sexualität
ausgerichtet werden kann. Um den gleichberechtigten und HIV/Aids entwickelt. Mit ihnen können sich
Zugang von Mädchen zur Gesundheitsversorgung sowohl Jugendliche als auch Lehrkräfte und Eltern
zu fördern, sollten die Gemeinschaften vor Ort für über Tabuthemen informieren. Das Projekt wurde
Mädchengesundheit mobilisiert werden. Gesund- inzwischen in 17 Ländern in Asien und Afrika
heitsangebote sollten mädchenfreundlich gestaltet übernommen.