2. Neurologie
Neurologie = Nervenheilkunde
Lehre von den Krankheiten und Verletzungsfolgen des
zentralen und peripheren Nervensystems
Erkennung, nicht operative Behandlung, Prävention
und Rehabilitation bei Erkrankungen des zentralen,
peripheren und vegetativen Nervensystems sowie der
Muskulatur
3. Neurologie
Neuroanatomie:
Wissenschaft, die den Aufbau des Nerven-
systems untersucht
Neuropathologie:
Wissenschaft, die die strukturellen
Veränderungen des Nervensystems bei
krankhaften Prozessen untersucht
4. Neuroanatomie
Nervenzelle (Neuron):
kleinste funktionelle Einheit des Nervensystems; besteht aus Zellkörper (Soma) und
Zellfortsätzen (Dendriten, Axon), durch die sie mit anderen Nervenzellen über
Synapsen Kontakt aufnehmen und Informationen als elektrische Potentiale
weiterleiten kann;
Nervensystem:
Gesamtheit aller Nervenzellen; hat die Aufgabe, Informationen über die Umwelt und
den Organismus aufzunehmen, zu verarbeiten und Reaktionen des Organismus zu
veranlassen
zentrales Nervensystem (ZNS): Gehirn und Rückenmark
peripheres Nervensystem (PNS):
• somatisches (Willkür-) Nervensystem
• „automatisches“ vegetatives Nervensystem
Nervengewebe: Grundbaustein des Nervensystems;
• zell (körper-) reiche graue Substanz (Substantia grisea)
• faser (zellfortsatz-) reiche weiße Substanz (Substantia alba)
8. Peripheres Nervensystem (PNS)
umfasst den Teil des Nervensystems, der außerhalb des Gehirns und
Rückenmarks gelegen ist
besteht aus den Fortsätzen der motorischen und sensiblen Neuronen des
ZNS
wird weiter unterteilt in das somatische und das autonome NS
zum PNS gehören:
- Hirnnerven
- Spinalnerven (Nerven aus dem Rückenmark)
- intramurales Nervensystem (in der Wand von inneren Organen)
- einschließlich ihrer Rezeptoren und Erfolgsorgane (z.B: Ganglien,
motorische Endplatten,…)
9. Zentrales Nervensystem (ZNS)
besteht aus Gehirn und Rückenmark
• Aufgaben:
- Integration aller sensiblen Reize, die ihm afferent von innerhalb oder
außerhalb des Organismus zugeleitet werden
- Koordination motorischer Eigenleistungen des Gesamtorganismus
- Regulation aller dabei ablaufenden Abstimmungsvorgänge
• Untergliederung in Substantia grisea et alba:
- graue Substanz: liegt im Gehirn außen, im Rückenmark innen;
besteht vorwiegend aus Nervenzellkörpern
- weiße Substanz: besteht vorwiegend aus deren Fortsätzen (Axone);
bilden Leitungsbahnen (Tractus, Fasciculus, Lemniscus,…);
Kerne „Nuclei“: Ansammlungen von eingestreuten Nervenzellkörpern
10. Gehirn (Zerebrum)
Leistungen des Gehirns und Konnektivität:
macht etwa 2% der Körpermasse aus (~ 1300g), hoher O2- und
Energiebedarf benötigt 20% des HMV und verbraucht mehr als 50% der
zirkulierenden Glucose; nur geringe Speicherkapazität
Hirnschädigung durch kurzzeitigen Ausfall der Energieversorgung
besteht aus ~ 100 Milliarden Nervenzellen, die durch ~ 100 Billionen
Synapsen eng miteinander verbunden sind jedes Neuron ist im
Durchschnitt mit 1000 anderen Neuronen verbunden und somit von jedem
Startneuron aus in höchstens vier Schritten erreichbar
Länge aller Nervenbahnen: ~ 6 Millionen Kilometer
Grundprinzip der Gehirnorganisation: topologische Abbildung,
d.h. was nebeneinander im Körper liegt, wird in den zuständigen Arealen des
Gehirns auch nebeneinander verarbeitet
11. Gehirn (Zerebrum)
Allgemeines:
• kranio-rostraler Teil des ZNS
• man unterscheidet Großhirnhemisphären, Hirnstamm und Kleinhirn
• liegt geschützt in der Schädelhöhle, wird von der Hirnhaut umhüllt
• Hauptintegrationsort für alle lebenswichtigen Informationen, die in einem
Organismus verarbeitet werden
• nicht jede Information gelangt bis zur Hirnrinde und damit zum Bewusstsein
unbewusste Vorverarbeitung von Signalen vor allem in Zentren des
Hirnstammes (Schutz vor Reizüberflutung)
• Hirnfunktion basiert hauptsächlich auf der Interaktion von stark vernetzten
Neuronen über elektrische Impulse Messung der Gehirnströme und damit
Analyse der Gehirnaktivität mittels EEG
13. Großhirn
Zentrum unserer Wahrnehmungen, des Bewußtseins, Denkens, Fühlens und
Handelns
• 2 Großhirnhemisphären: an der Oberfläche viele Sulci und Gyri; Trennung in
der Sagittalebene durch Fissura longitudinalis, Verbindung über dicken
Nervenstrang, das corpus callosum;
- Frontalpol (vorderer), Occipitalpol (hinterer Pol) der Hemisphären
- Unterteilung der Hemisphäre in 4 Lappen:
- Stirnlappen (Lobus frontalis)
- Scheitellappen (Lobus parietalis)
- Schläfenlappen (Lobus temporalis)
- Hinterhauptslappen (Lobus occipitalis)
- Sulcus centralis: trennt Stirn- vom Scheitellappen und damit die
Zentralregion: Gyrus praecentralis (Region der Willkürmotorik) und
Gyrus postcentralis (Region für die Sensibilität)
14. Großhirn
Substantia grisea:
die 2-4 mm dicke Oberfläche der Großhirnrinde (Kortex) enthält ~ 20 Mrd. Somata
von Nervenzellen und erscheint demzufolge grau; auf ihr lassen sich sog. Rindenfelder
lokalisieren, die im Zusammenspiel die (Groß-) Hirnfunktionen ermöglichen;
• 3 Typen von Rindenfeldern:
- sensorische Felder: verarbeiten Erregungen, die von den Nerven der Sinnesorgane
kommen (Sehen, Riechen, Berührung,…)
- motorische Felder: aktivieren Muskeln und regeln willkürliche Bewegungen
- Gedanken- und Antriebsfelder: Zentren des Denkens und Erinnerns
- sensorische und motorische Felder für rechte Körperhälfte sind in der linken
Gehirnhälfte lokalisiert und umgekehrt; aber auch Zentren, die nur in einer
Hemisphäre vorkommen (z.B: Sprachzentrum in dominanter Hemisphäre)
Substantia alba:
im Inneren des Großhirns; in dieser verlaufen Axone, die die einzelnen Teile des
Großhirns mit anderen Teilen des NS verbinden
24. Pyramidenbahn
Die Willkürmotorik benutzt lange Nervenfasern, die von der Hirnrinde - dem
motorischen Cortex - bis zu den motorischen Vorderhornzellen im
Spinalmark (1. Motoneuron) verlaufen = Tractus corticospinalis oder
Pyramidenbahn.
Die motorischen Nervenzellen sind entsprechend einer somatotopen
Architektur angeordnet – d.h. Nervenzellen, die für benachbarte Muskeln
zuständig sind, liegen auch im Gyrus präcentralis nebeneinander.
Die Nervenzellen für Schlund und Kehlkopf befinden sich dabei am
weitesten „unten“, es folgen dann nach „oben“ hin die Nervenzellen für das
Gesicht, Arme, Rumpf und Beine.
Es entsteht so das Bild eines auf dem Kopf stehenden „ motorischen
Homunkulus“
Für die sensible Wahrnehmung im somatosensiblen Cortex des Gyrus
postcentralis existiert ein diesem motorischen Homunkulus entsprechendes
Äquivalent, nämlich der „sensible Homunkulus“.
26. Pyramidenbahn
Die Neuriten der Pyramidenzellen (Betz`sche Riesenzellen, 1. Motoneuron) des
Gyrus praecentralis der Hirnrinde ( = motorischer Cortex) ziehen als sog.
Pyramidenbahn durch das Marklager, laufen fächerartig zusammen (Corona
radiata) und ziehen dann dicht zusammengedrängt durch den hinteren
Schenkel der inneren Kapsel (Capsula interna) zwischen Thalamus und
Linsenkern und durch die Hirnschenkel (Pedunculi cerebri) weiter zur Brücke
(Pons). Hier zweigen Fasern als Tractus corticonuclearis (T. corticobulbaris)
ab und kreuzen zur Gegenseite, um die Kerne der Hirnnerven zu innervieren,
80-85% der Fasern kreuzen allerdings erst unterhalb der Pyramiden (= eine
Vorwölbung der Medulla oblongata) zur Gegenseite (sog. „Pyramidenbahn-
kreuzung“, Decussatio pyramidum), um im seitlichen Anteil der weißen
Substanz des Rückenmarks (Seitenstrang) als T. corticospinalis lateralis und
dem nicht kreuzenden T. corticospinalis anterior weiter nach unten zu ziehen .
Die Fasern enden dann synaptisch an den zugehörigen motorischen Vorder-
hornzellen (2. Motoneuron) der jeweiligen RM-Höhe, deren Fortsätze als
motorische Vorderwurzeln das Rückenmark verlassen und sich mit den
Hinterwurzeln zum Spinalnerven vereinigen, um als motorischer Anteil eines
peripheren Nerven zum jeweiligen Muskel zu ziehen.
28. Sensibles System
Rezeptoren unterschiedlichster Art nehmen in der Peripherie Reize auf, wobei die
einzelnen sensiblen Qualitäten dann unterschiedlich weitergeleitet werden, was im
Falle einer zentralen Schädigung verschiedenartige und voneinender unabhängige
Symptome hervorrufen kann.
Alle sensiblen Reize (über Nerv und Spinalganglion fortgeleitet) treten über die hintere
Wurzel in das Hinterhorn des Rückenmarkes (RM) ein.
Schmerz und Temperatur werden noch im gleichen RM-Segment zur Gegenseite
und schließlich in der Vorderseitenstrangbahn zum Thalamus und von dort zur
hinteren Zentralwindung (Gyrus postcentralis) der Hirnrinde des Scheitellappens des
Gehirns (Tractus spinothalamicus) geleitet.
Berührung und Tiefensensibilität (= Lage- und Bewegungsempfinden) werden im
gleichseitigen Hinterstrang des RM (Fasciculus gracilis und cuneatus) weitergeleitet,
Umschaltung auf das 2. Neuron im Bereich des verlängerten Markes (=Medulla
oblongata), erst danach Kreuzung auf die Gegenseite, als Lemniscus medialis durch
den Hirnstamm, im Thalamus Umschaltung auf das 3. Neuron, Projektion durch die
Capsula interna auf den somatosensiblen Cortex im Gyrus postcentralis.
Die Schädigung eines peripheren Nervens verändert alle sensiblen Qualitäten in
gleicher Weise.
30. Homunkulus
In der Anatomie des Gehirns werden die Repräsentationen von
Körperregionen auf den primären Rindenfeldern im Bereich der
Zentralfurche als sensorischer bzw. motorischer Homunculus verstanden.
Für alle sensiblen und motorischen Bahnen gibt es eine Punkt-zu-Punkt-
Zuordnung zwischen der Körperperipherie und dem Gehirn (= Somato-
topie). Diese Projektionen vom Körper auf das Gehirn entsprechen den
sensorischen und motorischen Rindenfeldern. Die Größe des Zellgebietes im
Rindenfeld entspricht nicht genau dem Ausmaß des Areals im Körper. Für
besonders feinsensible oder feinmotorische Körperabschnitte (z.B. Finger)
stehen recht große Rindenareale zur Verfügung, andere Körperteile, die keine
fein abgestimmten Bewegungen ausführen und nicht so schmerzempfindlich
sind (z.B.Bauch), haben nur relativ kleine Rindenfelder. Der „Homunculus“
(=„kleines Männchen“), der durch die symbolische Nachzeichnung der mit
den Cortexarealen assoziierten Körperteile entsteht, ist also gegenüber der
tatsächlichen Körpergestalt stark verzerrt.
32. Kleinhirn
zweitgrößter Gehirnabschnitt
• besteht im wesentlichen aus 2 Kleinhirnhälften (Hemisphären),
Kleinhirnwurm (Vermis cerebelli) und
Kleinhirnstielen (Pedunculus cerebelli rostralis, medius, caudalis)
• Aufgaben:
- Modulation von Muskelbewegungen, präzise Veränderungen der
Muskelspannung (Tonus) und Koordination feiner Bewegungen, die von
anderen Gehirnteilen initiiert werden; wirkt vor allem hemmend auf Größe,
Umfang und Weite von Bewegungen.
- Körperhaltung, Gleichgewicht
- Speicherung automatisierter Bewegungsabläufe, Regelung von
Bewegungsfolgen (Gehen, Laufen, Tanzen,…)
33. Zwischenhirn
Thalamus:
bilateral angelegter Komplex verschiedener Nervenkerngruppen; Faserverbindungen
zur Großhirnrinde (und zu anderen Strukturen); Umschaltpunkt für die meisten
sensorischen Bahnen; wichtiges regulatives System: filtriert den Informationsfluss von
den Sinnesorganen zum Großhirn Schutz vor Überlastung und Reizüberflutung;
Hypothalamus:
steuert zahlreiche körperliche (Schlaf/Wach-Rhythmus, Körpertemperatur, Wasser-
haushalt,…) und psychische (Freude, Angst, Wut, Enttäuschung,…) Lebensvorgänge;
wird selbst teils nerval über das vegetative NS, teils hormonell über den Blutweg
gesteuert; über den Hypophysenstiel (Infundibulum) Verbindung mit der
Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), einer wichtigen Hormondrüse Bindeglied
zwischen NS und Hormonsystem
Epithalamus: Steuerung zirkadianer und jahreszeitlicher Rhythmen
Subthalamus: Steuerung der Grobmotorik
Metathalamus: besteht aus den beiden Kniehöckern (Corpus geniculatum laterale und
mediale) = Umschaltstationen der Seh- und Hörbahn
34. Hirnstamm
- stammesgeschichtlich ältester Teil des Gehirns; bildet den untersten Hirnabschnitt , besteht aus
auf-/absteigenden Nervenfasern (weiße Substanz) und aus Ansammlungen von Nervenzellen
(graue Substanz)
- verschaltet und verarbeitet eingehende Sinneseindrücke und ausgehende motorische
Informationen; elementare/reflexartige Steuermechanismen;
Mittelhirn: Umschaltstelle: Erregungen sensorischer Nerven werden zum Großhirn oder auf
motorische Nerven umgeleitet Regelung der Augenbewegungen, Irismuskulatur,
Ziliarmuskeln,…
Brücke: Durchgangsstation für alle Nervenfasern; Brückenkerne sind Umschaltstationen der
Verbindungen zwischen Großhirn und Kleinhirn
Nachhirn: Kreuzungsstelle der Nervenbahnen der beiden Körperhälften; Funktionen sind
Steuerung der Atmung, HF, RR, SW,…; weiters sind hier wichtige Reflexzentren (Husten-,
Schluckreflex,…) lokalisiert; Übergangsstelle zum RM;
Formatio reticularis: Komplex aus grauer Substanz; durchzieht den ganzen Hirnstamm bis zum
Rückenmark, besteht aus diffus verteilten Kerngebieten; spielt wichtige Rolle bei der Steuerung
des Blutkreislaufes, der Atmung, der Bewußtseinszustände.
37. Hirnnerven
1. Nervus olfactorius: ermöglicht das Riechen
2. Nervus opticus: leitet optische Impulse
3. Nervus oculomotorius: versorgt 4 von 6 Muskeln, die das Auge bewegen; weiters Innervation
des m. levator palpebrae superioris, m. ciliaris, m. sphincter pupillae
4. Nervus trochlearis: versorgt den oberen schrägen Augenmuskel (Abduktion, Innenrotation,
Senkung)
5. Nervus trigeminus: leitet u.a. Informationen über Berührungen aus dem Gesicht
6. Nervus abducens: versorgt den seitlichen Augenmuskel
7. Nervus facialis: ermöglicht mimische Bewegungen und die Geschmackswahrnehmung
8. Nervus vestibulocochlearis (N. statoacusticus) : leitet Informationen aus dem Hör- und
Gleichgewichtsorgan
9. Nervus glossopharyngeus: leitet Informationen (Geschmack) aus dem Schlundbereich und
ermöglicht Bewegungen der Schlundmuskulatur (Schlucken)
10. Nervus vagus: Wahrnehmung und Bewegung – inklusive Drüsentätigkeit und
Hormonausschüttung – von einem Teil der Eingeweide
11. Nervus accessorius: ermöglicht Bewegung in zwei großen Hals- und Kopfmuskeln
12. Nervus hypoglossus: ermöglicht Bewegungen der Zunge
38. Blutversorgung des Gehirns
Einleitung:
Die Blutversorgung des Gehirns beinhaltet den Teil des
Blutkreislaufes, der der Versorgung des Gehirns mit Sauerstoff
und Glucose sowie dem Abtransport von Stoffwechsel-
produkten und Kohlendioxid dient
Der arterielle Zufluss zum Gehirn wird durch vier große
Schlagadern gewährleistet. Je zwei liegen auf jeder Seite des
Halses, vorn die innere Halsschlagader und hinten die
Wirbelarterie. Der Abfluss des Blutes erfolgt über besondere
venöse Hirnblutleiter.
39. Halsschlagader = A. carotis (vorne),
Wirbelschlagader = A. vertebralis (hinten)
40. Hirnarterien
Vorderer Kreislauf:
arterieller Zustrom durch A. carotis interna (ACI) dextra et sinistra > aus der A.
carotis communis jeder Halsseite > aus Aortenbogen; Karotispuls vor dem
Kopfwendermuskel (M.sternocleidomastoideus) zu tasten.
nach Schädeleintritt: ACI tritt durch den Canalis caroticus in den Sinus cavernosus ein,
bildet hier eine „Karotissiphon“ genannte Schleife (Abgang der A. ophthalmica), die
bis zum Karotis-T, der Aufzweigung in die A. cerebri media und A. cerebri anterior
reicht. Die ACM versorgt die medialen, die ACA die lateralen Teile der jeweiligen
Großhirnhemisphäre mit Ausnahme von Teilen des Temporal- und des gesamten
Occipitallappens, die vom hinteren Kreislauf gespeist werden. Die tiefen Kerngebiete
(Basalganglien, Thalamus) haben eine gemischte Versorgung. Schliesslich zweigt die A.
communicans posterior ab ( Verbindung zur ACP).
41. Hirnarterien
Hinterer Kreislauf:
A. vertebralis dextra et sinistra > aus A. subclavia > aus Aortenbogen verlaufen
entlang der HWS durch Öffnungen der Querfortsätze der oberen sechs Halswirbel,
umrunden den lateralen Teil des Atlas (Atlasschleife), gelangen durch das Foramen
magnum in die hintere Schädelgrube und vereinigen sich auf Höhe der kaudalen
Brücke zur A. basilaris.
Die Endsegmente der Vertebralarterien und die Arteria basilaris entsenden Äste zum
RM (A. spinalis anterior), zum Hirnstamm und zum Kleinhirn (A. cerebelli inferior
posterior und anterior, A. cerebelli superior). Oberhalb der Brücke teilt sich die Arteria
basilaris zu den beiden Aa. cerebri posteriores, die sich in die Aa. occipitales medialis
bzw. lateralis teilen und die hinteren Bezirke des Großhirns (Lobus occipitalis inclusive
hinterem Hirnpol) sowie Teile des Zwischenhirns versorgen. Die Verbindung zum
vorderen Kreislauf wird über die beiden Arteriae communicantes posteriores (s.o.)
hergestellt.
42. Circulus arteriosus Willisii
stellt ein Anastomosensystem an der Hirnbasis dar, das vorderes und hinteres
Stromgebiet (ACI und A. basilaris) miteinander verbindet
die anterioren Hirnarterien (ACA) sind über die Arteriae communicantes
anteriores verbunden, die Arteria communicans posterior wiederum verbindet
auf jeder Seite die A. cerebri media (ACM) mit der A. cerebri posterior (ACP)
ringförmige Verbindung zwischen vorderem und hinterem Kreislauf unter
der Hirnbasis
grundsätzlich (d. h. bei ausreichender Adaptationszeit) ist es dadurch möglich,
dass ein einziges Hauptgefäß die gesamte Durchblutung des Gehirns
aufrechterhält (→ schützende Funktion bei Blockierung einer Arterie)!
44. Hirnvenen
Das Blut aus dem Gehirn wird über Hirnvenen zunächst in starre Blutleiter der harten
Hirnhaut (Sinus durae matris), dann weiter in die Halsvenen, Gesichtsvenen oder
Venen des Wirbelkanals geleitet.
2 Gruppen:
Venae cerebri superficiales (= oberflächliche Hirnvenen):
Vv. cerebri superiores: sammeln Blut aus dem Frontal- und Parietallappen und leiten
es über die Brückenvenen in den S. sagittalis superior
Vv. cerebri inferiores: sammeln Blut aus den basalen Regionen des Occipitallappens
und münden in den S. transversus und S. petrosus superior. Die V.cerebri media
superficialis ist die größte dieser Venen und ist im Sulcus lateralis gelegen.
Verbindung der oberen und unteren cerebralen Venen nur durch wenige
Anastomosen: wichtigste ist die V. anastomotica superior, mündet in den S. sagittalis
superior und ist mit der V. cerebri media superficialis verbunden
45. Hirnvenen
Venae cerebri profundae (= tiefe Hirnvenen):
sammeln das Blut aus Zwischenhirn, basalen Teilen der Hemisphären und tiefem
Marklager Drainage in V. cerebri magna Galeni
V.cerebri magna (Galeni):
nur ca.1cm lang; gebildet durch den Zusammenfluss der beiden Vv. cerebri internae
und Vv.basales, verläuft bogenförmig um das Splenium corporis callosi nach oben und
mündet in den S. rectus
Vv. cerebri internae: sammeln das Blut der dorsalen Gebiete von Thalamus, Pallidum
und Striatum
Vv.basales: sammeln das Blut der ventralen Gebiete
Das venöse Blut verlässt den Schädel hauptsächlich über die V. jugularis interna, die
das Blut aus den Sinus sammelt und durch das Foramen jugulare nach außen zieht.
46. Blutleiter der harten Hirnhaut
Sinus durae matris:
Die starre Wand der Sinus wird von einer Duraduplikatur gebildet und von
Endothel ausgekleidet. Die auf der Oberfläche des Gehirns austretenden
Hirnvenen ziehen durch den Subarachnoidalraum zum nächsten Sinus, in den
sie direkt oder nach seenartigen Zusammen-Flüssen, Lacunae laterales,
münden. Die Sinus laufen an der Schädelbasis hauptsächlich an 2 Stellen
zusammen, im Sinus cavernosus der mittleren und im Sinus sigmoideus der
hinteren Schädelgrube (= die stärksten Blutleiter) und gehen dann in Venen
über, wobei es auch direkte Verbindungen durch den Schädel zu den Venen
der Kopfschwarte, Venae emissariae, gibt. Ferner liegen im Inneren des
Schädelknochens zahlreiche Venen, Vv. diploicae, die Verbindungen sowohl
mit den Sinus als auch mit den frontalen, temporalen und occipitalen Venen
der Kopfschwarte haben.
47. Sinus durae matris
Sinus sagittalis superior:
verläuft am Schädeldachursprung der Hirnsichel, Falx cerebri, einer Bildung
der Dura mater, die zwischen die Großhirnhemisphären ragt.
Sinus sagittalis inferior: liegt am Unterrand der Hirnsichel
Sinus rectus:
führt das Blut des Sinus sagittalis inferior und der Vena cerebri magna zum
Zusammenfluss mit dem Sinus sagittalis superior im Confluens sinuum, aus
dem der Sinus transversus am Ursprung des Kleinhirnzeltes, Tentorium
cerebelli (Bildung der Dura) hervorgeht. Als Sinus sigmoideus zieht er an der
Felsenbein-Pyramide entlang zum Foramen jugulare und mündet dort im
Bulbus superior venae jugularis in die Vena jugularis interna.
48. Sinus durae matris
Sinus occipitalis:
unpaarer Blutleiter; gelangt vom C. sinuum zum Foramen magnum, teilt sich
am hinteren Umfang, gewinnt über den Sinus marginalis Verbindung zum
Sinus sigmoideus und zum Venengeflecht des Wirbelkanals
Sinus sigmoideus:
Der C. sinuum ist der Zusammenfluss von S. sagittalis superior und Sinus
rectus. Aus ihm geht beidseits der Sinus transversus hervor, verläuft zunächst
im Ursprung des Tentorium cerebelli und wird an der Hinterfläche des
Felsenbeins zum S. sigmoideus, der durch das Foramen jugulare in den
Bulbus superior venae jugularis führt.
49. Sinus durae matris
Sinus cavernosus:
paarig, liegt zu beiden Seiten der Sella turcica und der Hypophyse über der Keilbeinhöhle.
Hindurch ziehen die ACI und der N.VI, in der seitlichen Wand der N.III, der N.IV, der
N.ophthalmicus und basal der N.maxillaris (Äste des N.V)
Verbindungen des Sinus cavernosus:
S. intercavernosi: verbinden die S.cavernosi vor und hinter der Hypophyse
S. sphenoparietalis: läuft bds entlang der Kante der kleinen Keilbeinflügel
S. petrosus sup.: zieht bds auf der oberen Felsenbeinkante zum Sinus sigmoideus
S. petrosus inferior: gelangt an der Unterkante jedes Felsenbeines in den vorderen Teil des
Foramen magnum
Plexus basilaris: hat durch das Foramen magnum Verbindung mit den Venengeflechten des
Wirbelkanals
V. ophthalmica superior: verbindet die S. cavernosi über die V. angularis des Augenwinkels mit
den Gesichtsvenen
Vv. mediae superficiales et inferiores cerebri
51. Hirnhäute (Meningen)
Bindegewebsschichten, die das Gehirn umgeben und in die RM-Haut übergehen
• Pachymeninx encephali: harte Hirnhaut, Dura mater encephali; äußerste Schicht; besteht aus
straffem, kollagenem BGW, hat vor allem die Funktion einer Organkapsel
• Leptomeninx encephali:
- Spinnen (-gewebs-) haut, Arachnoidea mater encephali: mittlere Hirnhaut, liegt dem Gehirn
auf ohne in die einzelnen Furchen hineinzureichen; Netzwerk kollagener Bindegewebsfasern,
die ihr ein spinnenartiges Aussehen verleihen;
Arachnoidalzotten (Pacchioni-Granulationen) = knopfförmige Ausstülpungen der
Arachnoidea; reichen in die Hirnsinus und dienen der Liquorresorption;
- Cavum subarachnoidale: liegt unter der Arachnoidea, ist mit Liquor gefüllt und bildet den
äußeren Liquorraum;
- weiche Hirnhaut, Pia mater encephali: innerste Schicht, bedeckt das Gehirn und RM komplett
und reicht in alle Furchen hinein; besteht aus weichem, zartem Bindegewebe und vielen
Blutgefäßen;
53. Hirnhäute (Meningen)
ad Dura mater encephali:
• unterteilt sich in 2 Blätter, wobei das äußere Blatt zumindest im Schädelbereich identisch mit der
Knochenhaut (Periost) ist;
beide Blätter teilen sich zeitweise um starre, mit Endothel ausgekleidete, venöse Blutleiter, die sog.
Sinus durae matris, zu bilden; weiters Bildung der
Falx cerebri (Hirnsichel): wölbt sich zwischen die beiden Großhirn-Hemisphären vor, trennt diese
in sagittaler Richtung und setzt sich fort in die
Falx cerebelli: Duraduplikatur, trennt die beiden Kleinhirnhemisphären
Tentorium cerebelli (Kleinhirnzelt): querverlaufende Bindegewebsstruktur, die den
Occipitallappen des Großhirns vom Kleinhirn trennt verhindert damit Druckwirkung auf das
Cerebellum; bildet weiters gemeinsam mit der Falx ein Zuggurtungssystem, das die Schädelkapsel
von innen mechanisch stabilisiert Schutz vor größeren Massenverschiebungen des Gehirns
(z.B: bei Anprall) und in weiterer Folge vor Deformierungen/Zerreißungen von Hirnstrukturen;
Cave: bei Raumforderungen Gefahr der Herniation!
• sensible Innervation: Äste des N. ophthalmicus und N. mandibularis (Äste des N.V)
55. Liquor cerebrospinalis und
Liquorräume
• Hauptfunktion: Polsterung des Gehirns und des RM und damit
Schutz vor mechanischer Schädigung
• Zusammensetzung: normaler Liquor ist wasserklar, farblos,
enthält nur wenige Zellen (v.a. T-Lymphozyten);
Eiweißgehalt ~0,3g/l, Glucosegehalt ~ 60%;
• man unterscheidet einen
- äußeren Liquorraum = Subarachnoidalraum
- inneren Liquorraum: Überbleibsel des Neuralrohres;
im RM der Zentralkanal, im Gehirn das Ventrikelsystem
(= hintereinandergeschaltetes Liquorbildungs- und
Transportsystem)
56. Liquor cerebrospinalis und
Liquorräume
Ventrikelsystem: das Gehirn besitzt vier Hohlräume (Hirnventrikel):
zwei Seitenventrikel (Ventriculi laterales) im Telencephalon (Endhirn); stehen über die
Foramina interventricularia (Monroi) in Verbindung mit dem
dritten Ventrikel (Ventriculus tertius) im Diencephalon (Zwischenhirn); von hier zieht
das Aquädukt (Aquäductus mesencephali) zum
vierten Ventrikel (V. quartus); setzt sich einerseits in den canalis centralis des RM fort,
steht andererseits über zwei Aperturae laterales (Foramina luschkae) sowie einer
Apertura mediana (Foramen Magendii) mit dem Subarachnoidalraum, dem äußeren
Liquorraum, in Verbindung
Liquorbildung:
Volumen des Liquorraumes ~ 200ml Liquor; pro Tag werden ~ 600ml Liquor
größtenteils in den Ventrikeln von den speziell differenzierten Epithelzellen
(Ependymzellen) des Plexus choroideus gebildet;
Liquorresorption: in den Arachnoidalzotten (Pacchioni-Granulationen)
58. Liquordiagnostik
Lumbalpunktion: Punktion des Spinalkanals (L3/L4 oder L4/L5) zur Gewinnung von
Liquor zu diagnostischen Zwecken
Indikationen: bei Verdacht auf eine Entzündung des ZNS (Meningitis, Encephalitis,
Myelitis, PolyradIkulitis) im Rahmej einer Infektion oder einer Autoimmunerkrankung
(MS); weiters bei hochgradigem Verdacht aud SAB und negativer BildGebung
Pathologische Liquor"e&unde:
- Zellz`hl (Pleozytose), EW-Konzentration und Laktat ↑, der Liquorglucose-Gehalt ↓;
weiters ↑ der Immunglobuline relativ zum Blut;
- bei bakteriellen Entzündungen massive Invasion von neutrophilen Granulozyten, bei
viralen Prozessen bevorzugt von Lymphozyten;
- manchmal direkter/indirekter (über Antikörper) Erregernachweis;
- Meningeosis neoplastica: Nachweis von Tumorzellen im Liquor ( Tumor-Befall der
Meningen); Untergruppen sind die Meningeosis carcinomatosa, die M. leucaemica, die
M. lymphomatosa;
- makroskopische Beurteilung: Trübung Leukozytenzahl erhöht; gelblich
(xanthochrom) erhöhte EW-Werte, ältere SAB; rötlich Erys, Blutung
59. Rückenmark (Medulla spinalis)
Lage, Gestalt, Aussehen:
• RM: langer Strang, der an den Abgangsstellen der Spinalnerven für die Arme und
Beine (Intumescentia cervicalis und lumbalis) deutlich verdickt ist, innerhalb des
Wirbelkanals liegt und vom Foramen magnum bis zur Höhe LWK 1 bis 2 reicht; da
die WS schneller wächst als das RM (= sog. „Ascensus medullae spinalis“) müssen die
Spinalnervenwurzeln einen nach kaudal hin immer längeren Weg innerhalb des
Wirbelkanals zurücklegen, um aus „ihrem“ ursprünglichen Zwischenwirbelloch
auszutreten; ab dem 1.LWK nur noch Spinalnervenwurzeln im Wirbelkanal (
„Cauda equina“)
• nach unten hin läuft das RM spitz als Markkegel („Conus medullaris“) aus, setzt sich in
den ~ 1mm dicken Endfaden (Filum terminale) fort; besteht nur noch aus Glia, ist an
der Hinterfläche des 2. Steißwirbels befestigt;
vorne verläuft von oben nach unten eine kleine Furche, die Fissura mediana anterior,
hinten eine kleine Rinne, der Sulcus medianus posterior
60. Rückenmark (Medulla spinalis)
auf beiden Seiten lassen sich 3 Stränge voneinander abgrenzen:
- Vorderstrang (Funiculus anterior): paramedian der Fissura mediana
- Hinterstrang (Funiculus posterior)
- Seitenstrang (Funiculus lateralis)
• die Hinterwurzeln der Spinalnerven treten als Fila radicularia jeweils in der Rinne
zwischen Hinter- und Seitenstrang (Sulcus lateralis posterior) aus, die der
Vorderwurzeln zwischen dem Seiten- und dem Vorderstrang (Sulcus lateralis anterior);
Vereinigung der Hinter- und Vorderwurzel zu den Spinalnerven in Höhe der
Zwischenwirbellöcher (Foramina intervertebralia)
Gliederung: entsprechend der Austrittstellen der Spinalnerven
- Hals- oder Zervikalmark (Pars cervicalis): 8 Segmente (C1-C8), jedoch nur 7 Wirbel
erster Spinalnerv tritt über dem ersten Halswirbel (Atlas) aus
- Brust- oder Thorakalmark (P.thoracica): 12 Segmente (Th1-Th12)
- Lenden- oder Lumbalmark (P.lumbalis): 5 Segmente (L1-L5)
- Kreuz- oder Sakralmark (P.sacralis): 5 Segmente (S1-S5)
- Schwanz- oder Kokzygealmark (P.coccygis): 1 Segment (Co1)
62. Substantia grisea
besteht aus Nervenzellkörpern und hat die Form eines Schmetterlings:
Vorderhorn (Cornu anterius): ist der vordere, breite Flügelteil; enthält Motoneurone,
die ihre Axone als ventrale Spinalnervenwurzel zu den Muskeln (-spindeln) entsenden;
für Bewegung zuständig
Hinterhorn (C. posterius): hintere, schmale Flügelteil; erhält über die Axone der
sensiblen Wurzelzellen, die über die dorsale Spinalnervenwurzel in das Hinterhorn
eintreten, Informationen aus der Peripherie; im RM werden sie entweder auf ein
zweites Neuron umgeschaltet oder ziehen direkt über spezielle Bahnen der weißen
Substanz ins Gehirn
Seitenhorn (Cornu laterale): kleiner Seitenteil im Brust- und Lendenmark, enthält die
Somata des vegetativen NS; Efferenzen zum Grenzstrang
Commissura grisea: Querverbindung der beiden Schmetterlingsflügel
Canalis centralis: verläuft im Zentrum der Commissur, ist mit Liquor gefüllt, stellt den
inneren Liquorraum dar
64. Substantia grisea
Zelltypen:
Wurzelzellen: bilden mit ihren Axonen die Spinalnerven
Binnenzellen: stellen den Eigenapparat des RM dar
Schaltzellen (Interneurone): ipsilaterale Verbindung zwischen den Zellen des gleichen
Segments, vermitteln Eigenreflexe; Renshaw-Zellen: Interneurone mit hemmender
Wirkung auf die Motoneurone
Assoziationszellen: ipsilaterale Verbindung von Zellen verschiedener RM-Segmente
Kommissurenzellen: kreuzen mit ihren Axonen innerhalb eines Segments auf die
Gegenseite
Strangzellen: ziehen in die weiße Substanz, übermitteln Informationen an anderen
RM-Segmenten und an das Gehirn
Assoziations-, Kommissuren- und Strangzellen sind an der Auslösung von
Fremdreflexen beteiligt
65. Substantia alba
Ursache der weißen Farbe ist die Myelinisierung der Neuronen besteht aus zum
Gehirn auf- (sensible) oder absteigende (motorische) Bahnen
wichtige aufsteigende Bahnen:
• Vorderseitenstrangbahn (Tractus spinothalamicus): leitet Impulse der protopathischen
Sensibilität (Druck-, Temperatur-, Schmerzempfinung) von den Zellen des
Hinterhorns nach sofortiger Kreuzung auf die Gegenseite bis zum Thalamus; bildet
das extralemniskale System
• Hinterstrangbahn: besteht aus Fasciculus cuneatus und Fasciculus gracilis; leitet ohne
Umschaltung im Hinterhorn die epikriptische Sensibilität (= feine Berührungen) in die
medulla oblongata; nach Umschaltung im Nucleus cuneatus und gracilis auf das zweite
Neuron kreuzen die Fasern auf die Gegenseite. Die Ursprungsneurone liegen in den
Spinalganglien; bildet das lemniskale System
• Kleinhirnseitenstrangbahn (Tractus spinocerebellaris): entspringt vor allem aus dem
Nucleus dorsalis des Hinterhorns und endet ohne Faserkreuzung im Kleinhirn; leitet
propriozeptive Informationen (Lage und Stellung von Muskeln, Sehnen, Gelenken)
67. Substantia alba
wichtige absteigende Bahnen:
Pyramidenbahn (Tractus corticospinalis): Faserursprung hauptsächlich im Gyrus
praecentralis; 80% der Fasern kreuzen in der unteren medulla obl. auf die Gegenseite,
Decussatio pyramidum, und verlaufen als Tractus corticospinalis lateralis im
Seitenstrang; restliche Fasern verlaufen ungekreuzt als Tractus corticospinalis anterior
im Vorderstrang und kreuzen erst auf Höhe seiner Endigung. Impulsweiterleitung für
die willkürliche Motorik über Zwischenneurone an die Vorderhornzellen.
Extrapyramidale Bahnen: aus dem Hirnstamm absteigende Bahnen, die die Motorik
beeinflussen; T. vestibulospinalis (Gleichgewicht, Muskeltonus), T. rubrospinalis und
T. tectospinalis (enden im Zervikalmark, beeinflussen die Motorik von Kopf und
oberer Extremität), T. reticulospinalis (aus Brücke und Medulla oblongata); alle enden
im Vorderhorn des RM;
Neurotransmitter im RM: Glycin (inhibitorisch)
70. Rückenmark (Medulla spinalis)
Schädigungen des RM:
• mechanisch: durch Druck (Tumor, Diskusprolaps,…)
• traumatisch: Durchtrennung (Querschnittlähmung),
• entzündlich: Myelitis, Multiple Sklerose,…
• vaskulär: Durchblutungsstörungen (Embolie), Blutungen
• angeboren: Missbildungen
Untersuchung:
• durch seine Lage ist das RM der klinischen Untersuchung nicht direkt zugänglich
Hinweise auf Art und Ort der Schädigung durch Reflexuntersuchungen und die
Verteilung von Lähmungen/Gefühlsstörungen
neurophysiologische Untersuchungen: funktionelle Überprüfung der einzelnen
Bahnsysteme mittels SSEPs (elektrische Nervenstimulation Ableitung der
Reizantwort über Rücken oder sensibler Großhirnrinde)
Röntgen (CT,MRT,Myelographie): Erkennung struktureller Veränderungen
Angiographie: Fehlbildungen im Blutgefäßsystem
71. Blutversorgung des Rückenmarks
Arterielle Zuflüsse:
Vertebral- und Segmentarterien (Aa. intercostales und Aa. lumbales) speisen
die A. spinalis anterior und die beiden Aa. spinales posteriores, deren Äste
durch radiäre Einstrahlung in die graue und weiße Substanz das RM mit O2-
reichen Blut versorgen;
Arteriae vertebrales:
- Äste der A. subclavia (links aus dem Aortenbogen, rechts aus dem Truncus
brachiocephalicus hervorgehend)
- geben vor Vereinigung zur A. basilaris zwei dünne Aa. spinales posteriores ab,
die an der Dorsalfläche des RM einen Plexus kleiner Arterien bilden.
- In Höhe der Pyramidenbahnkreuzung gehen 2 weitere Äste ab, die sich zur
A. spinalis anterior vereinigen, welche an der Vorderfläche des RM, am
Eingang der Fissura mediana anterior, verläuft.
72. Blutversorgung des Rückenmarks
• A. spinalis anterior (ventralis):
- größter Umfang in Höhe der cervikalen und lumbalen Intumescenz
- versorgt die Vorderhörner, die Basis der Hinterhörner und den größten Teil
des Vorderseiten-Stranges.
- Anastomosen zu den hinteren Spinalarterien RM von einem Gefäßring
(sog. Vasokorona) umgeben, von dem aus Gefäße in das RM einstrahlen
(Versorgung der Vorderseitenstrangrandzone)
• zwei Aa. spinales posteriores:
versorgen den übrigen Teil der Hinterhörner und den Hinterstrang
73. Blutversorgung des Rückenmarks
Segmentarterien (Aa.intercostales und Aa.lumbales):
- Äste der Aorta thoracalis und abdominalis
- von ihren dorsalen Ästen und von den Aa. vertebrales zweigen 31
Spinalarterien ab, von denen nur 8 bis 10 zur Blutversorgung des RM
beitragen (die Übrigen dienen der Versorgung der Spinal-wurzeln und der
RM-Häute)
- das größte Gefäß tritt in Höhe der Intumescentia lumbalis zwischen ThXII
und LIII heran = A. radicularis magna
venöser Abfluss – spinale Venen:
- die abführenden, klappenlosen Venen verlaufen mit den Spinalwurzeln und
münden in den epiduralen Venenplexus
- bilden ein Netzwerk, an dem eine V. spinalis anterior und zwei Vv. spinales
posteriores hervortreten
75. Rückenmarkshäute
Meninges medullae spinales:
• Aufbau: (ähnlich wie Hirnhäute)
- äußere Dura marter spinalis: ist NICHT mit dem Wirbelkanal verwachsen
zwischen Knochen und Dura ist ein mit BGW und Fettgewebe ausgefüllter Raum
ausgebildet = Epi- bzw Periduralraum (Ausschaltung austretender Nerven durch
Applikation von LA Epi-/Periduralanästhesie)
- mittlere Arachnoidea
- innere Pia mater: dem RM direkt anliegend; über die Ligamenta denticulata (gezahnte
Bänder) mit der Dura in Verbindung segmentale Aufhängung des RM im mit
Liquor gefüllten Subarachnoidalraum
• RM ist wie das Gehirn von Liquor cerebrospinalis umgeben polsterartiger Schutz
des ZNS gegen Stoß und Druck von außen
• LP: aufgrund des Ascensus gefahrlos möglich (s.o)
77. Reflexe
Neuronal vermittelte, gleichartige Reaktionen auf einen bestimmten Reiz; als
evolutionäre Adaptionseffekte auf Lebensbedingungen verstanden;
Reflexformen:
Eigenreflexe (Muskeleigenreflexe): Reizort und Erfolgsorgan ident! Reizung einer
Muskelspindel durch Muskeldehnung mittels eines Schlages mit dem Reflexhammer
auf die Ansatzsehne führt zur Kontraktion desselben Muskels. Umschaltstelle der Ia-
Afferenz auf das alpha-Motoneuron im RM ist lediglich ein Interneuron (=
monosynaptischer Reflexbogen)
- bei zentraler Schädigung (z.B: Insult): Steigerung der ER und damit Spastik
- bei peripherer Schädigung des Reflexbogens selbst (z.B: Neuritis): Abschwächung der
ER
Fremdreflexe: Reizort und Erfolgsorgan nicht ident! Effekt an einer anderen als an der
reizauslösenden Stelle, der Reflexbogen erfolgt hierbei über mehrere Synapsen bzw.
Interneurone (= polysynaptischer Reflex). Im Gegensatz zu ER habituierbar, d.h.
Abschwächung oder Ausbleiben der Reflexantwort aufgrund von Gewöhnung
- Abschwächung oder Ausbleiben der FR v.a. bei spastischer Lähmung
79. Eigenreflexe
Bizepssehnenreflex (BSR):
Auslösung: Schlag auf die Sehne des M. biceps brachii bei leicht angewinkeltem
Unterarm.
Effekt: Armbeugung im Ellenbogengelenk
betroffene Nervenbahnen: C5, C6 und Nervus musculocutaneus
Trizepssehnenreflex (TSR):
Auslösung: Schlag auf die Sehne des M. triceps brachii kurz oberhalb des Olekranons
bei angewinkeltem Unterarm
Effekt: Streckung des Unterarms im Ellbogengelenk
betroffene Nervenbahnen: C6, C7 und Nervus radialis
Radiusperiost-Reflex (RPR):
Auslösung: Schlag auf das untere Drittel des Radius bei leicht gebeugtem Unterarm in
Mittelstellung zwischen Supination und Pronation.
Effekt: Beugung des Unterarms im Ellenbogengelenk durch Anspannung des
Musculus brachioradialis.
Betroffene Nervenbahnen: C5, C6 und Nervus radialis
80. Eigenreflexe
Fingerbeugereflex (Trömner-Reflex)
Auslösung: Dehnung der Fingerbeugermuskeln durch eine von volar ausgeführte
Bewegung gegen die Kuppen der leicht gebeugten Finger 2-5
Effekt: Fingerbeugung
Betroffene Nervenbahnen: C7, C8, Nervus medianus und Nervus ulnaris
Patellarsehnenreflex (PSR):
Auslösung: kurzer Schlag auf die Patellarsehne bei gebeugtem Kniegelenk
Effekt: Anspannung des M. quadriceps femoris und Kniegelenksstreckung
Betroffene Nervenbahnen: L2, L3, L4 und Nervus femoralis
Achillessehnenreflex (ASR):
Auslösung: Dehnung des M. triceps surae durch Schlag auf die angespannte
Achillessehne.
Effekt: Kontraktion des Muskels und Streckung des Sprunggelenks
Betroffene Nervenbahnen: S1, S2 und Nervus tibialis
81. Fremdreflexe
Kornealreflex (Lidschlußreflex):
Auslösung: Korneareizung (mechanisch, chemisch oder thermisch)
Effekt: Lidschluss
Betroffene Nervenbahnen: Hirnnerven V und VII
Pupillenreflex:
Auslösung: Lichteinfall ins Auge
Effekt: Verengung der Pupille
Betroffene Nervenbahnen: Hirnnerven II und III
Kommentar: Durch die Verschaltung beider Edinger- Westphal-Kerne auf
Hirnstammebene kommt es auch bei Lichteinfall in nur ein Auge zur
Pupillenverengung des anderen Auges. Reflexausfall bei Schädigung sowohl
der Sehnerven, der Sehbahnen oder der Hirnstammkerne, ist deshalb beim
Hirntod nicht mehr auslösbar.
82. Fremdreflexe
Schluckreflex:
Auslösung: Berührung der Schleimhaut im Bereich des Zungengrundes, der
Schlundenge (Gaumenbögen) bzw. der RHW
Effekt: Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme ohne Aspirationsgefahr
Betroffene Nervenbahnen: Hirnnerven IX und X
Würgreflex (Gaumenreflex):
Auslösung: Berühren der Hinterwand des Rachens.
Effekt: Würgen bis Erbrechen
Betroffene Nervenbahnen: Hirnnerven IX und X
Kommentar: Reflexausfall bei Hirntod aus; kann also zu dessen Feststellung
getestet werden.
83. Fremdreflexe
Bauchhautreflex (BHR):
Auslösung: Bestreichen der Bauchdecke
Effekt: Kontraktion des M. obliquus abdominis und Verziehen des Nabels zu
der Seite, auf der der Reiz ausgelöst wurde.
Betroffene Nervenbahnen: Th8-Th12
Kremasterreflex (Hodenheberreflex):
Auslösung: Bestreichen der Innenseite des Oberschenkels
Effekt: Zug des Hodens zum Körper.
Betroffene Nervenbahnen: L1/L2
Analreflex (Perinealreflex):
Auslösung: Reiz neben dem oder am After (z.B. Einführen eines Fingers).
Effekt: Kontraktion des Musculus sphincter ani externus
Betroffene Nervenbahnen: S4/S5
84. Pathologische Reflexe
Fremdreflexe, die bei Schädigungen absteigender motorischer
Bahnen auftreten (Pyramidenbahnzeichen)
Babinski-Reflex: Dorsalextension der Großzehe und Spreizung
der anderen Zehen durch Bestreichen der Fußsohle von unten
lateral nach oben medial
Oppenheim- und Gordon-Reflex: Bestreichen der Tibia-
Vorderkante von oben nach unten bzw. Kompression der
Wadenmuskulatur zeigen jeweils denselben Reflexerfolg wie der
Babinski-Reflex