1. Studienergänzung
“Tourismusmanagement”
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Fragebogendesign
Christian Reinboth, Dipl.-Wi.-Inf.(FH)
November 2007 – Dezember 2007
4. Marktforschungsprozess
Der Marktforschungsprozess läuft in fünf Phasen ab:
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Definition Formulierung der Fragestellung und
Erstellung des Forschungsdesigns
Design Festlegung von Informationsquellen
(primär/sekundär) und Methoden
Datengewinnung Durchführung von Beobachtungen,
Befragungen und Experimenten
Datenanalyse Datenbereinigung, Kodierung,
Auswertung und Interpretation
Dokumentation Erstellung des Abschlussberichts
und Präsentation der Ergebnisse
7. Fragebogendesign ist wichtig
Ein schlecht gestalteter Fragebogen führt zu einer hohen
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Abbrecherquote -> keine Repräsentativität mehr gegeben
Viele Kriterien spielen bei der Fragebogengüte eine Rolle:
Design
Umfang
Formulierungen
Übersichtlichkeit
Verständlichkeit
8. Grundüberlegung
„The quality of the questions asked will have an
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
impact on the quality of the answers received.“
Smith, L. (2003) Best practices for online
research. Quirk's Market Research Review, 7.
9. Fehlender Interviewer (1)
Der Hauptunterschied zwischen einem Fragebogen und
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
einer anderen Befragungsform? Der fehlende Interviewer!
Der größte Vorteil des persönlichen Interviews ist die
Möglichkeit der individuellen Anpassung an die Situation
Überraschende Antworten lassen sich hinterfragen
Emotionale Wiederstände lassen sich ausräumen
Eine Beeinflussung durch Dritte ist ausgeschlossen
Der Verzicht auf einen Interviewer bedeutet Nachteile
10. Fehlender Interviewer (2)
Ein Interviewer kann aber auch ein Problem sein
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Er kann dem Probanden unsympathisch sein
Er kann bei der Befragung Fehler machen
Er kann den Probanden beeinflussen
Das größte Problem ist die „soziale Erwünschtheit“
Probanden versuchen unbewusst, sich nach den subjektiv
wahrgenommenen Ansichten des Interviewers zu richten
(Grundlage ist das „geschätzt sein wollen“ der meisten)
11. Fehlender Interviewer (3)
Zwei wesentliche Ursachen für erfolglose Gespräche sind
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
die sogenannten Interviewbarrieren und Interviewblocker
Interviewbarrieren: Schlechter erster Eindruck des Partners,
„gewollte Wahrnehmung“ durch den Interviewer, schlechte
Erfahrungen mit Befragungen etc. --> unbewusste Einflüsse
Interviewblocker: Rückmeldungen des Interviewers während
des Interviews („Sind Sie sicher?“), Diagnose des Probanden
(„Sie sind sehr emotional“) etc. --> bewusstes Fehlverhalten
12. Fehlender Interviewer (4)
Diese Probleme sind beim Fragebogen ausgeräumt
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Es gibt keine Beeinflussung durch den Interviewer
Für alle Probanden verläuft die Befragung identisch
Die Abwesenheit des Interviewers erhöht außerdem die
Chancen, dass Probanden auf sensible Fragen wie zum
Beispiel zu Einkommen, Aussehen oder Sexualverhalten
antworten und auch, dass die Antworten weniger durch
den Effekt der sozialen Erwünschtheit beeinflusst werden
14. Erster Schritt: Zielstellung
Bevor man mit dem Schreiben anfängt...
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Welche Fragestellungen sollen beantwortet werden?
Wie viel Zeit haben die Probanden für die Befragung?
Wie sollen die Daten anschließend ausgewertet werden?
Besonders die letzte Frage ist von großer Bedeutung:
Wenn beispielsweise in jedem Fall ein Regressionsmodell
erstellt werden soll, müssen bestimmte Voraussetzungen
in der Frageform eingehalten werden (metrische Daten!)
15. Übersicht Skalenniveaus
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Daten
meist diskret
meist stetig
meist diskret Kardinalskala
Nominalskala Ordinalskala
metrische Skala
es existiert eine Rangordnung
es existiert keine ●
●
die Abstände innerhalb dieser
Rangordnung ●
Rangordnung sind nicht Intervallskala
interpretierbar
Beispiele: (kein natürlicher Nullpunkt)
●
Geschlecht
●
Beispiele:
Studiengang ●
●
Schulnoten
Telefonnummer ●
●
Verhältnisskala
Steuerklassen
Familienstand ●
●
Erdbebenskala (natürlicher Nullpunkt)
●
Präferenzurteile
●
es existiert eine Rangordnung
●
die Abstände sind interpretierbar
●
häufbar
nicht Beispiele:
●
häufbar Preis in €
●
Abstand in cm
●
Zeitdauer in sek
●
16. Das Anschreiben (1)
Für die Teilnehmerzahlen entscheidend ist auch das mit
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
dem Fragebogen verschickte Anschreiben / Info-Schreiben
Für den Interessenten ist es wichtig zu erfahren...
was genau das Thema der Befragung ist
von wem die Befragung durchgeführt wird
was mit den persönlichen Daten geschieht
zu welchem Zweck die Befragung durchgeführt wird
und wohin er sich bei Fragen oder Problemen wenden kann
17. Das Anschreiben (2)
Wichtig für den Angeschriebenen ist in erster Linie die
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Information, dass es sich um die Bitte zur Teilnahme an
einer Befragung handelt, welches Thema die Befragung
hat, sowie der Name des durchführenden Instituts
Der erste Satz sollte den Inhalt des Anschreibens von jeder
möglichen Form der Werbung deutlich abgrenzen, was mit
dem expliziten Hinweis geschehen kann, dass es sich bei
der Befragung um echte, wissenschaftliche Forschung
und nicht um eine Werbemaßnahme handelt
18. Das Anschreiben (3)
Ein Hauptanliegen des Anschreibens ist die Herstellung einer
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
glaubwürdigen Kommunikation mit den Angesprochenen
Anders als bei telefonischen oder persönlich-mündlichen
Befragungen gibt es keinen Interviewer, der zweifelnde
Personen von der Teilnahme überzeugen könnte
Ein wichtiger Faktor für eine glaubwürdige Kommunikation
ist eine ehrliche Angabe zur etwaigen Bearbeitungsdauer –
denn hat ein Proband zu Befragungsbeginn eine unrealistisch
niedrige Vorstellung, steigen die Chancen für einen Abbruch
19. Das Anschreiben (4)
Ein weiterer wichtiger Bestandteil des Kontaktschreibens ist
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
ein eindeutiges Statement zur Privatsphäre der Befragten
und zum Umgang mit den erhobenen Daten
Die Sorge, persönliche Daten könnten verkauft oder zum
Zweck des Direktmarketings missbraucht werden, sollte
vor Beginn einer Befragung unbedingt ausgeräumt werden
Zusätzliches Vertrauen kann durch die Angabe einer
Kontaktperson gewonnen werden, an welche sich die
Probanden mit Fragen und Problemen wenden können
24. Formulierungs-Basics
Warum die Fragen nicht einfach „frei“ fomulieren?
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Gut gestellte Fragen tragen zu einer positiven Atmosphäre
bei, was wiederum geringe Abbruchquoten zur Folge hat
Vokabeln und Syntax der Frageformulierungen sollten
so gewählt sein, dass eine vollständige und exakte
Kommunikation mit dem Befragten möglich ist
Die sprachlichen Eigenarten der befragten Personengruppe
sind unbedingt zu berücksichtigen (Stichwort Fremdwörter!)
25. Wahl des Bezugsrahmens
Zu allgemein formulierte Fragen sind mißverständlich
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Beispiel: „Was halten Sie vom Umweltschutz?“
Proband kann seinen eigenen Bezugsrahmen wählen
Vorstellbar wären: in der Familie, in der Politik etc. pp.
Unterschiedliche Probanden werden daher bei einer so
gestellten Frage vor einem anderen Hintergrund antworten
Solche Fragestellungen sind nur dann zulässig, wenn
man wissen will, welcher Bezugsrahmen gewählt wird
26. „Drei Formulierungsregeln“
Die Fragen müssen stets einfach und unkompliziert formuliert
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
sowie dem sprachlichen Niveau der Befragten angepasst sein
Die Fragen sollen möglichst eindeutig formuliert sein um so
sicherzustellen, dass jeder Befragte sie in der gleichen, vom
Forscher intendierten Weise versteht
Die Fragen müssen neutral formuliert sein und sollen keine
suggestiven, hypothetischen oder tendenziösen Elementen
enthalten, welche die Befragten beeinflussen könnten
27. Unsaubere Fragestellung (1)
Welches ist der höchste schulische Abschluss den
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Sie besitzen oder den Sie zur Zeit anstreben?
(1) Hauptschulabschluss
(2) Realschulabschluss
(3) Abitur / Hochschulreife
(4) Studienabschluss (FH / Uni)
(5) Ich gehe noch zur Schule
Worin bestehen die Probleme mit dieser Frage?
28. Unsaubere Fragestellung (2)
Es treten insbesondere zwei Probleme auf:
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Die Frage ist unsauber gestellt: Soll nun der höchste
bisher erreichte Schulabschluss angekreuzt werden,
oder der höchste gewollte? Interpretationsfrage!
Die Kategorien sind nicht trennscharf: Dass jemand
bereits einen Realschulabschluss besitzt und noch
zur Schule geht, schließt sich nicht grundsätzlich aus.
Auf saubere Frageformulierung muss stets geachtet werden!
29. Unsaubere Fragestellung (3)
Ein weiteres Beispiel für eine schlechte Formulierung:
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
„Wenn Wahlen wären, wen würden Sie wählen?“
Welche Wahlen sind gemeint? Wann?
Wird nach der Erst- oder der Zweitstimme gefragt?
In der Fachsprache bezeichnet man eine Frage, die in
eine bestimmte Richtung lenkt, als „leading question“,
die entsprechende Verzerrung als „bias“
31. Sprachliche Homogenität
Eine in sprachlich heterogene Befragtengruppe führt zu
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Problemen bei der Formulierung, da einerseits für jeden
verständlich formuliert werden muss, andererseits aber
stark vereinfachte Formulierungen von einem Teil der
Befragten als anspruchslos betrachtet werden könnten
Besser: Aufteilung eine Personengruppe in Untergruppen,
die als in sprachlicher Hinsicht homogen betrachtet werden
können -> Diese können dann mit sprachlich angepassten
Fragebögen getrennt befragt werden
32. Bedeutung der ersten Frage
Untersuchungen haben gezeigt, dass mehr Probanden
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
bereit sind, alle Fragen zu beantworten, wenn sie direkt in
das eigentliche Thema der Befragung einsteigen können
Die erste Frage sollte daher so gestaltet sein, dass sie
das Interesse des Probanden weckt (Eisbrecherfrage)
Matrixfragen und komplizierte Fragen nach prozentualen
Angaben oder ähnlichem sind daher als Einstigesfragen
ungeeignet, ebenso wie Fragen nach demographischen
Angaben (diese wecken den Verdacht auf „Aushorchung“)
34. Zum Datenschutz (1)
Der Datenschutz ist die Ausprägung des in der Verfassung der
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
BRD garantierten Rechts jedes Menschen auf Achtung seiner
Menschenwürde und freie Entfaltung seiner Persönlichkeit
Um allen Probanden das im Grundgesetz verankerte Recht
auf informelle Selbstbestimmung einzuräumen, erhält jeder
Proband die Kontrolle über die ihn betreffenden Daten
(man spricht von den sog. „personenbezogene Daten“)
Die Datenschutz-Thematik ist wichtig, da sie regelmäßig
ins öffentliche Blickfeld rückt (Vorratsdatenspeicherung!)
35. Zum Datenschutz (2)
Zuständig ist das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Unabdingbare Rechte (UR) laut §6 BDSG:
§6
Auskunftsrecht
Recht auf Sperrung
Recht auf Löschung
BDSG
Recht auf Berichtigung
UR können durch kein Rechtsgeschäft verwirkt werden.
36. ADM-Erklärung (1)
Einige Zitate aus der ADM-Erklärung:
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Das Institut „Institutsname“ arbeitet nach den Vorschriften
des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und allen anderen
datenschutzrechtlichen Bestimmungen.
Das gilt auch bei einer Wiederholungs- oder Folgebefragung,
wo es wichtig ist, nach einer bestimmten Zeit noch einmal ein
Interview mit derselben Person durchzuführen und die statis-
tische Auswertung so vorzunehmen, dass die Angaben aus
mehreren Befragungen miteinander verknüpft werden.
37. ADM-Erklärung (2)
Die Ergebnisse werden – genauso wie bei Einmalbefragungen –
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
ausschließlich in anonymisierter Form dargestellt. Das bedeutet:
Niemand kann aus den Ergebnissen erkennen, von welcher
Person die Angaben gemacht worden sind.
Falls die um Teilnahme gebetene Person noch nicht 18 Jahre
alt und zur Zeit auch kein Erwachsener anwesend ist: Bitte
zeigen Sie dieses Merkblatt auch Ihren Eltern mit der Bitte,
es billigend zur Kenntnis zu nehmen.
ADM = Arbeitsgemeinschaft Deutscher Marktforschunsinstitute
40. Offene & geschlossene Fragen
Offene Fragen
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Proband kann seine Antwort selbst formulieren
Antwort kann in Stichpunkten oder Sätzen erfolgen
Frageform stellt mehr kognitive Anforderungen
Geschlossene Fragen
Alle möglichen Antworten sind bereits vorformuliert
Proband muss sich für eine / mehrere entscheiden
Frageform bietet eine höhere Vergleichbarkeit
46. Probleme bei Matrixfragen
Matrixfragen werden gelegentlich dazu „mißbraucht“ um
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
die Anzahl an Fragen in einem Fragebogen zu erhöhen
Bei einer 6x6-Matrix handelt es sich bei näherer Betrachtung
um nichts anderes als eine Fragebatterie mit 36 einzelnen
Fragestellungen (den sogenannten „Items“), die alle
nacheinander abgearbeitet werden müssen
Auf Matrizen jenseits von 5x5 sollte aus Gründen der
Fairness sowie der Übersichtlichkeit verzichtet werden
47. Der Positionseffekt
Bei Auflistungen in geschlossenen Fragen (z.B. eine Liste
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
von Versandhäusern, aus der alle bekannten gewählt
werden sollen) kann nicht ausgeschlossen werden, dass
die Anordnung der Antwortitems das Ergebnis beeinflusst
Dieser Effekt ist als Positionseffekt bekannt und tritt vor
allem dann auf, wenn eine Auflistung mehrfach vorkommt
Bei Online-Befragungen lässt sich das Problem durch eine
sog. Randomisierung (Vermischung) relativ einfach umgehen
49. Vorteile von Online-Fragebögen
Für das Design von Online-Fragebögen gelten im Grunde die
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
selben Regeln, wie für das Design von Papier-Fragebögen
In der Umsetzung jedoch bieten Online-Fragebögen
durch ihre technischen Möglichkeiten etliche Vorteile
Einfache und für den Probanden unsichtbare Filterführung
Möglichkeit der ansprechenden grafischen Gestaltung
Permanente Überprüfung der gegebenen Antworten
Möglichkeit von mehrsprachigen Fragebögen
55. ...aber auch Probleme
Offene Fragen gibt es im Online-Bereich zuhauf....
http://creinboth.hs-harz.de :: http://www.statistikberatung.eu
Wie lässt sich eine Zufallsauswahl online realisieren?
Wie lässt sich die Repräsentativität im WWW sicherstellen?
Wie vermeidet man die Aussortierung von E-Mails als Spam?
Wie lassen sich “Incentive-Jäger” erkennen und ausschließen?
Wie lassen sich mit HTML professionelle Fragebögen erstellen?
Wie lassen sich Probanden während der Teilnahme motivieren?
Trotz aller Probleme sind Online-Befragungen auf dem
Vormarsch und werden in Zukunft an Bedeutung zunehmen